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Archiv "Ambient Assisted Living – Assistenzsysteme: Hightech für ein besseres Leben im Alter" (04.04.2008)

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T H E M E N D E R Z E I T

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it dem Alter steigt das Sturz- risiko stark an: 40 Prozent der Menschen über 75 Jahre stürzen mindestens einmal im Jahr. 60 Pro- zent davon fallen erneut innerhalb eines Jahres. 30 Prozent der Stürze ereignen sich nachts bei Alltagsbe- wegungen, und drei Prozent der Be- troffenen liegen länger als 20 Minu- ten, bevor Hilfe eintrifft. Hausnot- rufsysteme schaffen nur bedingt Ab- hilfe, denn sie können einen Sturz nicht als solchen identifizieren, und häufig sind die gestürzten Personen nicht in der Lage, ein Notrufsignal auszulösen, weil sie verletzt oder desorientiert sind. Gemeinsam mit dem Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart arbeitet das Institut für Me- dizintechnik und Mechatronik der Hochschule Ulm an einem System, das die automatische Alarmierung nach Stürzen ermöglicht. Die Idee

der Entwickler: Die Sturzdetektoren werden im Gehäuse eines Hörge- räts untergebracht. „Am Kopf treten während Alltagsbewegungen keine großen Beschleunigungen auf, daher haben hinter dem Ohr angebrachte Beschleunigungssensoren gegenüber Messungen beispielsweise am Hand- gelenk den Vorteil, dass schnelle, ruckartige Bewegungen besser von Stürzen abgegrenzt werden kön- nen“, erläuterte Prof. Dr. Wolfgang Keck, Hochschule Ulm.

Dies ist nur ein Beispiel für zahl- reiche neue Technologien und An- wendungen, die derzeit unter dem Oberbegriff „Ambient Assisted Liv- ing“ (AAL) entwickelt werden. Der Begriff lässt sich in etwa mit „Leben in unterstützender Umgebung“ über- setzen und bezeichnet die Entwick- lung und Integration intelligenter Systeme und Dienstleistungen, die an

die Bedürfnisse vor allem älterer und kranker Menschen angepasst sind und diese in die Lage versetzen, mög- lichst lange ein selbstbestimmtes, un- abhängiges Leben in der gewohnten häuslichen Umgebung zu führen. Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Verband der Elektrotechnik (VDE) Ende Januar in Berlin veranstaltete Kongress „Ambient Assisted Living“

bot einen Überblick über das breit ge- fächerte Forschungsthema. So kön- nen beispielsweise mit Trittschall- systemen ausgestattete Teppichböden melden, wenn jemand gestürzt ist und nicht wieder aufstehen kann. Senso- ren am Körper messen den Blutdruck oder andere Vitalwerte und melden diese per Mobilfunk an den Arzt (Telemonitoring). Spezielle Compu- terprogramme trainieren die motori- schen und geistigen Fähigkeiten von AMBIENT ASSISTED LIVING – ASSISTENZSYSTEME

Hightech für ein besseres Leben im Alter

Mit der Entwicklung neuer intelligenter, in die Umgebung integrierter Technologien will man der Herausforderung des demografischen Wandels begegnen.

AAL-THEMEN

Gesundheit und Homecare

Beispiele: häusliche Gesundheitsvor- und -fürsorge (wie Prävention, Telemonitoring, Telerehabilitation, Pflege- und Sozialdienste), ambulante Versorgung von Volkskrankheiten wie Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen

Sicherheit und Privatsphäre Beispiele: Alarmfunktionen, Notrufsysteme, Zugangssysteme, fehlbedienungssichere Geräte Versorgung und Hausarbeit

Lieferservices, Reinigung (wie selbstreinigende Geräte, autonomer Staubsauger, Robotik), Alltagstechnik zu Hause und unterwegs (vernetzte Haushaltsgeräte, PC), Haus- und Gebäudetechnik Soziales Umfeld

Beispiele: Kommunikationsnetzwerke, Nahfeld- Mobilität (Treppenlifte, Transportroboter), Vorsorge (Bewegung, Ernährung), Wellness (Service-Wohnen)

Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 144. April 2008 A729

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A730 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 144. April 2008

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Schlaganfallpatienten zu Hause (Tele- rehabilitation). AAL-Systeme spielen jedoch nicht nur für Gesundheit und Pflege künftig eine wichtige Rolle, sondern auch für Sicherheit und Komfort, Versorgung und Hausarbeit sowie im sozialen Umfeld (Grafik).

Allein in Deutschland werden im Jahr 2030 voraussichtlich mehr als 28 Millionen Menschen 60 Jahre und

älter sein. Menschen in höherem Alter bilden die Bevölkerungsgrup- pe, die in den nächsten Jahren am stärksten wachsen wird. Ursachen dafür sind die sinkende Geburtenrate, das Älterwerden besonders geburten- starker Jahrgänge sowie die steigende Lebenserwartung. Darüber hinaus erwarten Experten eine Problemver- dichtung in einzelnen Regionen und Stadtteilen, etwa durch die „Singula- risierung“ des Alters. Für die Pflege

und Versorgung älterer Menschen stehen dagegen immer weniger Jün- gere zur Verfügung. Von dieser Ent- wicklung ist nicht nur Deutschland betroffen, sondern ähnliche Schät- zungen gibt es auch für andere euro- päische Länder. Berechnungen der EU zufolge könnten die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Langzeit- pflege in den nächsten Jahrzehnten

um vier bis acht Prozent des Brutto- inlandsprodukts steigen und sich bis 2050 insgesamt verdreifachen.

Innovationsschub durch Senioren

Gleichzeitig bilden die älteren Eu- ropäer aber auch eine wichtige Ver- brauchergruppe, die zusammenge- nommen über ein Vermögen von mehr als drei Billionen Euro ver- fügt. Der demografische Wandel, darin stimmen die Experten überein, schafft neue Wachstumsfelder etwa in der Mikrosystemtechnik und in der Entwicklung haushaltsnaher Dienstleistungen. Denn die Senio- ren sind auch „Innovationstreiber“

in einem Zukunftsmarkt. „Der jüngs- te Technologieschub kommt von den Senioren“, umschreibt der VDE in seinem Ende 2007 veröffentlich- ten AAL-Papier diesen Trend.

„Der demografische Wandel ist eine Herausforderung für uns alle“, betonte Thomas Rachel, parlamen- tarischer Staatssekretär im BMBF.

Das Ministerium will die Forschung für die ältere Generation als neuen Schwerpunkt voranbringen. Allein für die erste Fördermaßnahme „Al- tersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Le- ben“ sollen in den nächsten drei Jah- ren insgesamt 20 Millionen Euro

zur Verfügung gestellt werden, kün- digte Rachel an. Die Bundesregie- rung hat sich laut Rachel zudem bei der Europäischen Union für mehr Forschungsförderung auf diesem Gebiet eingesetzt.

Inzwischen wollen 21 Staaten für die AAL-Initiative nationale Förder- mittel bereitstellen. Die Europäische Kommission beteiligt sich mit Mit-

teln des europäischen Rahmenpro- gramms für Forschung und Techno- logie. Geplant ist ein jährliches Bud- get von mindestens 50 Millionen Euro; davon tragen die beteiligten Länder und die Europäische Kom- mission jeweils die Hälfte (Kasten).

In Deutschland ist das BMBF über das Referat Mikrosystemtechnik federführend beteiligt. Jährlich sol- len zwei thematisch fokussierte Ausschreibungen im europäischen AAL-Programm veröffentlicht wer- den. Die erste Bekanntmachung

„Prevention and management of chronic conditions“ sei noch für das Frühjahr 2008, die zweite für Ende 2008 vorgesehen, sagte Dr. Gerhard Finking, Referatsleiter Mikrosys- temtechnik. „Im Zentrum steht dabei nicht die Grundlagenforschung, son- dern die Förderung marktfähiger Produkte“, betonte er.

Der Bedarf an maßgeschneiderter Technik für Ältere erscheint riesig und hinsichtlich der Potenziale erst im Ansatz umrissen. „Innovative Produkte und Dienstleistungen kön- nen viel dazu beitragen, Kranken- hausaufenthalte und Heimeinwei- sungen zu verringern oder ganz zu vermeiden“, ist Staatssekretär Ra- chel überzeugt. Jährlich entfallen beispielsweise auf die Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in

EU-FÖRDERPROGRAMM

Mitte Juni 2007 hat die Europäische Kommission den europäischen Aktionsplan „Altern in der Informations- gesellschaft" beschlossen, der von einem gemeinsamen europäischen Forschungsprogramm begleitet wird.

21 Länder beteiligen sich an dem EU-Programm.

Bis 2013 wird die EU gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Privatsektor mehr als eine Milliarde Euro für Forschungsarbeiten zu Informations- und Kommunikations- technologien und Innovationen bereitstellen, die dazu beitragen sollen, das Leben älterer Menschen zu Hause, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft zu erleichtern und die Lebensqualität im Alter zu erhöhen. Davon entfallen

>etwa 600 Millionen Euro auf umgebungsgestütztes Leben

>etwa 400 Millionen Euro auf das 7. EU-Forschungsrah- menprogramm (IP/06/1590) im Rahmen einer Artikel- 169-Initiative: Diese bezieht sich auf nationale Förder- programme, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind und die von der EU unterstützt werden.

Das „SturzAlarm“- System tarnt sich als Hörgerät:

Sensor- (unten) und Metallgehäuse (Mitte) mit Bluetooth- Empfänger (oben)

Foto: FH Ulm

Sensoren unter dem Teppich melden im „IdeAAL-Projekt“

des Oldenburger Forschungs- instituts OFFIS e.V. (http://inter.

offis.de/front_content.php) beispielsweise, ob jemand sich im Raum bewegt oder gestürzt ist.

Foto: OFFIS

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 144. April 2008 A731

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Deutschland allein 35 Millionen Eu- ro. Die Kosten entstehen vor allem durch die stationären Aufenthalte der Patienten. Als vielversprechen- der Ansatz zur Versorgung etwa von Herzinsuffizienzpatienten haben sich Telemonitoringsysteme erwie- sen. Dabei senden medizinische Sen- soren per Mobilfunk oder Internet Vitalparameter wie Blutdruck, Puls,

Gewicht oder ein EKG an ein tele- medizinisches Zentrum, ein Kranken- haus oder einen Arzt zur Überwa- chung. Kritische Zustandsverände- rungen lassen sich dadurch frühzeitig erkennen und in der Folge teure Krankenhauseinweisungen verrin- gern oder vermeiden. Für viele Pati- enten ergibt sich dadurch auch eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.

Priv.-Doz. Dr. Andreas J. Morguet, Charité – Campus Benjamin Frank- lin, berichtete von den Ergebnissen einer Studie, wonach eine telemoni- torische Betreuung auch bei Herz- insuffizienzpatienten mit weniger starkem Krankheitsgrad (NYHA II und III) die Morbidität senken kann und signifikant erfolgreicher ist als eine herkömmliche Therapie.

Schwerpunkt „Smart Home“

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Thema „Smart Home“ und intelli- gentes Wohnen. In Modellhäusern – sogenannten Living Labs wie dem

„inHaus“ in Duisburg (www.in haus-zentrum.de) – wird erprobt, wie sich das Sicherheitsgefühl und die Lebensqualität älterer oder auch behinderter Menschen durch techni- sche Hilfsmittel und assistive Um- gebungen verbessern lassen. Die Szenarien reichen dabei vom weit- gehend selbstständigen Wohnen in

der häuslichen Umgebung über be- treute Wohngemeinschaften bis hin zu stationären Pflegeeinrichtungen.

Die Möglichkeiten des technischen Equipments sind dabei äußerst viel- fältig: Die automatische Herdab- schaltung und die elektronische Steuerung von Raumtemperatur, -beleuchtung und -belüftung zählen ebenso dazu wie akustische und op-

tische Orientierungshilfen, etwa um an die Medikamenteneinnahme oder die Flüssigkeitszufuhr zu erin- nern, oder mobile Roboterassisten- ten für Hol- und Bringdienste.

AAL-Projekte setzen nicht zu- letzt darauf, dass sich die künfti- gen Älteren von den heutigen signi- fikant unterscheiden werden. „Dies gilt vor allem hinsichtlich der Auf- geschlossenheit gegenüber neuen Technologien und E-Health“, beton- te Prof. Dr. Rolf G. Heinze, Ruhr- Universität Bochum. Die Wohnun- gen seien in den letzten Jahren tech- nisch aufgerüstet worden – die Infra- strukturen für TV, Computer und Te- lefon wachsen zusammen. „Wir be- finden uns im Stadium der massiven Expansion von Internetanwendun- gen. Zudem gibt es durch die Mikro- systemtechnik eine hohe Flexibi- lität“, konstatierte Heinze. Dadurch könnten soziale und Gesundheits- dienstleistungen variantenreicher und kundenorientierter angeboten werden. Neue E-Health-Geschäfts- modelle, Telehomecare und „intelli- gente“ Gesundheitsportale werden sich – trotz mancher „Stolpersteine“ – daher auch in Deutschland entfalten, prophezeit der Experte.

Zu den „Stolpersteinen“ zählen beispielsweise die mangelnde Inte- gration bereits entwickelter techni-

scher Lösungen etwa in Wohnungen (Problem der Insellösungen), die mangelnde Akzeptanz aufgrund der Techniklastigkeit von Lösungen so- wie die Frage der Kostenübernahme von Dienstleistungen, etwa bei tele- medizinischen Anwendungen. „Wir müssen mehr Forschungsmittel für geriatrische Konzepte zum Technik- einsatz einfordern“, betonte Prof. Dr.

Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Lei- terin der Forschungsgruppe Geriatrie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Ärztin hat in verschie- denen Projekten die Erfahrung ge- macht, dass zum Beispiel ein Trai- ning am Computer auch bei über 80- jährigen Patienten funktioniert. Sie sieht in teletherapeutischen Anwen- dungen eine Chance für eine nach- haltige rehabilitative Nachsorge, von der beispielsweise Schlaganfall- patienten profitieren können. Aller- dings sei eine kritische Evaluation bislang noch nicht erfolgt.

Fest steht, dass eine Umsetzung vieler Forschungsprojekte in die

„Regelanwendung“ schwierig ist.

Dabei ist nicht die technische Infra- struktur das Problem, sondern der Mangel an nachhaltigen Geschäfts- modellen. Kostenträger, wie etwa die Krankenkassen, müssten die neuen Optionen des „Zu-Hause-Al- terns“ – beispielsweise telemedizi- nische Anwendungen – mittragen und in den Leistungskatalog über- nehmen, forderte daher Heinze. Es gelte, neue Kooperationsformen zwischen der Wohnungswirtschaft, den sozialen und Gesundheitsdiens- ten, der Informations- und Kom- munikationswirtschaft sowie den Krankenkassen zu entwickeln. I Heike E. Krüger-Brand Sensorhandschuh

aus dem EU-Projekt

„Aladin“ (Ambient Lighting Assistance for an Ageing Popula- tion; www.ambient- lighting.eu), mit dem psychophysiologische Daten der Probanden gemessen werden

Foto: UCT-Research

Care-O-bot: Der mobile Serviceroboter, entwickelt vom Fraun- hofer-Institut für Produk- tionstechnik und Automatisierung, soll Menschen im Haushalt unterstützen und mit ihnen interagieren (www.care-o-bot.de).

Foto: Fraunhofer-IPA

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