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Archiv "Heilige in der Medizin" (03.04.1980)

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Aufsätze -Notizen

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Heilige in der Medizin

Hans Schadewaldt

lichios, der Mildtätige, oder sogar als Zeus Soter, der große Retter, zum Teil bereits im Symbol der Schlange verehrt, auch im Falle von Krankheit und Siechtum helfen soll- te. Sein Sohn Apollon übernahm dann diese spezifische Funktion.

Heilige sind nach der Auffassung der katholischen Kirche Diener Got- tes, die, weil sie für Ihren Glauben das Martyrium erlitten hatten oder in besonderer Weise in diesem Leben christliche Tugenden verkörperten, als bereits mit Christus im Himmel vereinigte Verstorbene in besonde- rem Maße dafür prädestiniert sind, nicht nur bei Gott Fürbitte zu leisten, sondern auch in besonderen Fällen bereits in dieser Welt Hilfe zu brin- gen und Trost zu spenden. Auch wenn das zweite Vatikanische Konzil eine Reihe von Heiligen, deren histo- rische Existenz sehr zweifelhaft zu sein schien, aus dem Heiligenkalen- der gestrichen hat, wurden doch im

großen und ganzen diese dogmati- schen und auch die liturgischen Grundlagen des Heiligenkultes be- stätigt, der allerdings in jeglicher Form von den Reformatoren der protestantischen Kirche strikt abge- lehnt wurde. Die Ursprünge der Hei- ligenverehrung gehen jedoch weit bis auf frühere Hochkulturen zu- rück, und es lassen sich zweifels- ohne Parallelen zu dem griechisch- antiken Heroenkult aufzeigen. lm übrigen wiederholte sich im Chri- stentum eine Entwicklung, wie sie auch in der Antike nachzuweisen ist.

Dort war es ursprünglich der Götter- vater Zeus selbst, der als Zeus Mei-

Freilich, der Krankheit Abwehrende oder Leiden Mildernde konnte auf der anderen Seite auch mit Hilfe der Pfeile Pest und Unheil über die Men- schen senden, wie dies Homer sehr eindrücklich in seinem Epos, der

„Ilias", während der Belagerung des griechischen Heeres vor Troja dar- stellte. Dessen legendärer Sohn Asklepios wurde dann, sozusagen in der dritten Generation, der eigentli- che und spezielle Heilgott der Anti- ke, doch ist diese Erhebung in den Götterhimmel wohl erst im 6. vor- christlichen Jahrhundert erfolgt, denn noch bei Homer, etwa um 800, wird er nur als ein besonders heil- kundiger Gaufürst in Thessalien be- zeichnet, dessen beide Söhne Poda- leirios und Machaon, sozusagen schon als Spezialisten für innere Krankheiten, Geisteskrankheiten und für chirurgische Leiden, im Hauptberuf noch Heerführer des thessalischen Detachements waren.

Und ihm wurde bald der Zusatzname seines Großvaters „Soter" beigege- ben, der dann übrigens auch auf den Gott der neuen Religion überging und als Christus Soter, Salvator oder als der Heiland schlechthin, bis in unsere Tage überlebte.

Bei Asklepios indes erleben wir zum ersten Mal eine weitere Differenzie- rung. Neben ihm wirkte nicht nur seine bekannteste Tochter, die Göt- tin Hygieia, deren Name heute syn- onym für vorbeugende Gesundheits- pflege steht, auch seine anderen An- gehörigen, die Töchter Akeso, Jaso und Panakeia, die Allheilerin, sowie die schon erwähnten Söhne Poda- leirios und Machaon erscheinen in diesem Zusammenhang teils als Götter dritten Grades, teils als hoch- verehrte Heroen. Darüber hinaus wurden Asklepios auch kleine Schutzgötter beigegeben, wie der wie ein Münchner Kindl gekleidete Telesphoros, der Schutzgott, der al- les zum guten Ende führt, und der Abbildung 1:

Der mit „Aus- satz" geschla- gene Hiob wird von zwei Patien- ten mit dersel- ben Krankheit um Hilfe ange- fleht. Einblatt- holzschnitt 15. Jahrhundert, Staatliche Graphische Sammlung München

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Abbildung 2: Tobias wird von seinem Sohn unter Assistenz eines Engels durch Fischgalle von der Blindheit geheilt. Gemälde von Bernardo Strozzi, Anfang 17.

Jahrhundert

Abbildung 3:

Christus heilt ei- nen Aussätzigen, der sich mit dem typischen Warn- instrument, dem Leprahorn, prä- sentiert. Im unte- ren Bildteil dankt der Geheilte mit reiner Haut und frischen Kleidern seinem Retter.

Mittelalterliche Buchillustration (Codex Aureus Echternach?)

Aufsätze • Notizen Heilige in der Medizin

meist mit dem zweiten Symbol des Asklepios, dem Hahn, dargestellte laniskos.

Mit dem Aufkommen des Christen- tums wiederholte sich diese Diffe- renzierung. War im Alten Testament noch allein Jahwe, der absolute Gott über Leben und Tod, auch für Ge- sundheit und Krankheit verantwort- lich, und dafür ist die Geschichte des Hiob ein beredtes Beispiel, so hoben die Evangelisten bei dem nunmehr auf Erden wandelnden Gottessohn vor allem auch dessen wunderbare Krankenheilungen her- vor. Von Christus medicus leiteten dann auch die Heiligen in der Medi- zin ihr Recht ab, im Gefolge des Herrn Wunderbares und weit über die menschlichen Möglichkeiten Hinausgehendes zu bewirken.

Zweifelsohne galt im ganzen Mittel- alter die Lepra, der antike Aussatz, als eine besonders furchtbare Krankheit, gab es doch dagegen kein irdisches Heilmittel und mußten die mit dieser Diagnose Etikettierten in der Regel ihre Heimstatt verlassen und in ein außerhalb der Städte an- gesiedeltes Leprosorium umziehen.

Sie wurden sozusagen noch zu Leb- zeiten für tot erklärt. Nur die gläubi- ge Hinwendung zum Herrn konnte Hilfe bringen, und so gibt es zahlrei- che Abbildungen aus der Frühzeit der christlichen Ikonographie bis hin ins Spätmittelalter, die immer wieder Christus medicus bei der Wunderheilung von Aussätzigen zei- gen und nicht selten auch den Dank der also Geheilten, wie auf einer be- rühmten Darstellung von den zehn aussätzigen Samaritern, von denen nach ihrer Heilung nur einer es für nötig hielt, seinem Gott demutsvoll zu danken.

Nicht selten wurden diese Aussätzi- gen nicht nur mit Hilfe von punktför- migen Effloreszenzen als Unreine gekennzeichnet, sie trugen auch die beiden wichtigsten Attribute, die sie als solche schon von weitem er- kenntlich machten, mit sich, das Le- prahorn oder die Lepraklapper. In geradezu rührender Weise haben die Meister im ersten Jahrtausend nicht nur in Form der Bilderbibeln

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1980 923

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Aufsätze • Notizen Heilige in der Medizin

als Fresken in den Kirchen, sondern auch auf Evangeliarien diese Hei- lung der Aussätzigen dargestellt, wobei auch die Tatsache hervorge- hoben wird, daß diese Leprösen an hohen Feiertagen in die Stadt einge- lassen wurden und dort mit Hilfe ei- nes umgebundenen Gefäßes um mil- de Gaben oder auch um Nahrungs- mittel betteln durften. Aber auch zahlreiche andere Wunderheilun- gen, so etwa die des Wassersüchti- gen, der blutflüssigen Frau oder gar des von seinen Freunden durch Ab- deckung eines Daches vor dem Herrn niedergelassenen schwer- kranken „Gichtbrüchigen", sind im- mer wieder dem von Krankheit und Leid geplagten gläubigen Zeitge- nossen vor Augen geführt worden.

Christus,

dargestellt als Apotheker

Aber Christus war nicht nur der Arzt, sondern nach dem Aufkommen der Apotheken, seit den berühmten

„Constitutiones" von Kaiser Fried- rich II. aus dem Jahre 1242, wurde er auch immer häufiger als der göttli- che Apotheker wiedergegeben, wie auf einer Abbildung von 1519 aus einer Handschrift aus Rouen, die sich heute in der Bibliotäque natio- nale in Paris befindet, und wo Chri- stus dem ängstlich in eine Apothe- kenoffizin eintretenden ersten Men- schenpaar Adam und Eva eine göttli- che Arznei verordnet. Vor allem Volkskünstler haben sich in naiver Frömmigkeit dieses Sujets ange- nommen. Es fehlt nie das Apothe- keninterieur mit den Salbenbüchsen und Arzneiflaschen, manchmal ist im Hintergrund aus dem Neuen Te- stament eine Heilungsszene wieder- gegeben.

Christus hält in der Regel eine Apo- thekerwaage oder schreibt ein Re- zept, aber er verordnet nicht irdi- sche Arzneimittel, sondern göttliche Ingredienzien. Dabei kann man die katholischen von den protestanti- schen Versionen unterscheiden. Die katholischen Künstler statten Chri- stus als Apotheker stets mit einem Nimbus oder einer Gloriole aus und fügen nicht selten die Heilssymbole

ihres Glaubens, den Kelch, die ver- klärte Hostie und das Herz als Sym- bol des Glaubens, hinzu.

Die protestantischen Maler verzich- ten auf diese Symbole und benutzen vor allem den Text der Luther-Bibel, wobei immer wieder das berühmte Zitat aus dem Evangelium des Mat-

Abbildung 4: Sogenannte „Schutzman- telmadonna". Der von Pfeilen durch- bohrte heilige Sebastian schirmt seitlich die von einer Seuche Bedrohten ab. Im unteren Bildteil eine italienische Stadt mit Geschlechtertürmen und dem mit Flügeln ausgestatteten skelettierten Tod

thäus erscheint: „Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und bela- den seid, ich will Euch erquicken".

Auf katholischen Bildern wird meist eine volkstümliche, mehr holprige deutsche Übersetzung gebracht, und auch die Zählung der Psalmen nach der Vulgata oder nach der Lu- ther-Bibel weist Unterschiede auf.

Besonders deutlich ist auf prote- stantischen Bildern zu erkennen, daß Christus tatsächlich gnadenvol- le Drogen, wie Geduld, Gottesgnad, Mut und Hoffnung, zu einer Seelen- arznei zusammenmischt, anderer- seits verzichtet der Künstler oft nicht

auf die sehr realistische Wiedergabe von ineinander geschachtelten Apo- thekergewichten.

Ein Bild, heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und protestantischer Herkunft, aus dem Jahre 1731, mit dem Titel „Wohlbe- stellte Seelen-Apoteck" zeigt wieder den mit der Waage hantierenden Christus, dem aber ein Blumen- strauß mit symbolischen Pflanzen, wie Sonnenblumen, Maiblumen und Lilien, beigegeben ist. Aus einem Säckchen mit Kreuzwurz entnimmt er gerade eine Portion. Neben dem schon bekannten Bibelspruch aus dem Matthäus-Evangelium ist auf zwei Rezeptfahnen, die eine übri- gens mit einem goldenen Lämm- chen als Rezeptbeschwerer gehal- ten, die rechte unter der Blumenva- se die Pflanzen angebend, Christus mit einer Kirchenfahne und einer weiteren Inschrift zu sehen. Auf der leider stark nachgedunkelten Kartu- sche oben liest man die Worte: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Got- tes, macht uns rein von allen Sünden."

Wie schon erwähnt, sind aber schon sehr früh neben den Gottessohn an- dere Heilige getreten, an ihrer Spitze die Muttergottes, zu der man vor al- lem in Seuchenzeiten seine Zuflucht nahm. Und so gibt es eine Fülle von Bildern, die in Angst und Schrecken versetzte Christen zeigen, wie sie im Angesicht der von den Pestpfeilen zu Tode getroffenen Mitbürger um Hilfe zur Muttergottes flehen.

Noch eindrücklicher sind Abbildun- gen mit der sogenannten Schutz- mantelmadonna, unter deren Schirm sich die Gläubigen scharen, um von den schrecklichen Seuchen der Zeit nicht dahingerafft zu werden.

• Wird fortgesetzt

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Hans Schadewaldt

Institut für Geschichte der Medizin der Universität Düsseldorf

Moorenstraße 5 4000 Düsseldorf

924 Heft 14 vom 3. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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