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napp zwei Jahre ist es her, dass der 101. Deutsche Ärztetag in Köln ei- ne neue (Muster-)Weiterbildungs- ordnung beschlossen hat. Jahrelange Vorarbeiten und Diskussionen waren dem vorausgegangen. Hauptstreitpunkt war die Verschmelzung der Fächer Inne- re und Allgemeinmedizin. Vor allem die Internisten sperrten sich bis zuletzt ge- gen die Einführung eines in fünf Jahren weitergebildeten Facharztes für Innere und Allgemeinmedizin – den Hausarzt neuer Prägung – und eines in sechs Jah- ren weitergebildeten Facharztes für Inne- re Medizin mit Schwerpunktbezeichnung.Doch auch die Umsetzung der (Mu- ster-)Weiterbildungsordnung bei den einzelnen Landesärztekammern gestal- tet sich schwierig. Bislang hat lediglich Bayern die Novelle genehmigt und das Heilberufsgesetz des Landes entspre- chend geändert. Dort konnte die Novel- le am 1. August vergangenen Jahres in Kraft treten. Zum 1. April soll die Re- form auch im Saarland und in Bremen wirksam werden. Dort haben am 10.
und 17. Februar die obersten Landesge- sundheitsbehörden die novellierten Wei- terbildungsordnungen genehmigt. In den meisten anderen Landesärztekammern haben zwar die Kammerversammlungen die Weiterbildungsreform beschlossen, die behördlichen Genehmigungsverfah- ren laufen aber noch.Ausnahmen sind die Kammern Thüringen,Hessen,Westfalen- Lippe und Sachsen-Anhalt. Dort steht die Novelle der Weiterbildungsordnung noch auf den Tagesordnungen der Kam- merversammlungen im März und April.
Schuld an den Verzögerungen sind nicht etwa wieder aufgeflammte inhalt- liche Querelen, sondern „rein formale Hindernisse“, wie Dr. med. Annette Güntert, Weiterbildungsdezernentin bei der Bundesärztekammer, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt betont. Hin-
tergrund ist ein Vertragsverletzungsver- fahren, das die EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitet hat. Die Kom- mission will es nicht länger hinnehmen, dass es in Deutschland für die „spezifi- sche Ausbildung in der Allgemeinmedi- zin“, sprich für hausärztlich tätige Ärz- tinnen und Ärzte, unterschiedliche Be- zeichnungen gibt, und hat im vergange- nen Herbst der Bundesregierung ein Ul- timatum gestellt. Sollte nicht bis späte- stens April 2005 die gegenüber der EU notifizierte Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ einheitlich in den Kammergesetzen beziehungsweise in den Weiterbildungsordnungen festge- legt sein, droht die Kommission mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichts- hof (EuGH). Im Falle einer Verurteilung würde ein Bußgeld von rund 128 Millio- nen Euro fällig. Dabei dürfte die Bun- desregierung geneigt sein, diese Zahlung auf Sachsen abzuwälzen – inzwischen das einzige Bundesland, das die EU-Be- stimmungen noch nicht erfüllt.
Reform tritt wahrscheinlich noch in diesem Jahr in Kraft
Will Deutschland eine Klage vor dem EuGH vermeiden, müssen deshalb spä- testens im April die derzeit existieren- den Bezeichnungen für Hausärzte, wie
„Arzt“, „Praktischer Arzt“, „Facharzt für Allgemeinmedizin“ (mit drei-, vier- oder fünfjähriger Weiterbildung) oder
„Facharzt für Innere Medizin“ in den
„Facharzt für Allgemeinmedizin“ um- gewandelt sein. Die Bezeichnung gilt sowohl für deutsche Ärzte als auch für EU-Angehörige, die die spezifische Aus- bildung in der Allgemeinmedizin ab- solviert haben. Auch der nach neuer Weiterbildungsordnung weitergebildete
„Facharzt für Innere und Allgemeinme-
dizin“ müsste diesen Titel führen. Erst in einem zweiten Schritt könnte Deutsch- land gegenüber der EU diesen neuen Ti- tel notifizieren, nämlich sobald die neue Facharztbezeichnung in allen Landes- ärztekammern eingeführt und die Heil- berufsgesetze der Länder entsprechend geändert sind. Als beispielhaft gilt die Übergangslösung, die die Bayerische Landesärztekammer gefunden hat. Sie hat in Paragraph 3 (Führen von Bezeich- nungen) ihrer Weiterbildungsnovelle zu- sätzlich bestimmt, dass bis zu einer neuen Notifikation „die Facharztbezeichnung ,Facharzt für Innere und Allgemeinme- dizin‘ nur in der Form ,Facharzt für Allge- meinmedizin‘ geführt werden darf“. Die Vertreter der zuständigen Generaldirek- tion Binnenmarkt der EU-Kommission haben diese Regelung als europarechts- konform bestätigt, erklärte der Präsi- dent der Bayerischen Landesärztekam- mer und Vorsitzende der Weiterbildungs- gremien der Bundesärztekammer, Dr.
med. H. Hellmut Koch, in einem Schrei- ben an den Präsidenten der Bundesärz- tekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Inhaltlich, so Koch, werde der Weiterbildungsgang zum Hausarzt neu- er Prägung dadurch nicht berührt.
Das schwelende Verfahren hat offen- bar dazu geführt, dass einige Ärztekam- mern zunächst dessen Ausgang abwar- ten wollen, bevor sie in ihrer Kammer- versammlung Entscheidungen treffen, und einige Länderministerien noch mit Genehmigungen zögern. Weiterbil- dungsdezernentin Güntert ist jedoch op- timistisch, dass eine Klage abgewendet werden und die Weiterbildungsreform noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.
Eins zu eins wird die (Muster-)Wei- terbildungsordnung jedoch auch dann nicht in den einzelnen Landesärzte- kammern umgesetzt. Bislang haben sechs Landesärztekammern abwei- chend beschlossen, neben dem Haus- arzt und dem Schwerpunktinternisten den „Facharzt für Innere Medizin“ als fachärztlichen Generalisten zu schaf- fen. Die Bundesärztekammer will zunächst einmal beobachten, wie sich dieses Konzept bewährt. Ganz zufrie- den stellen kann sie diese Entwicklung jedoch nicht. Vor allem im Interesse des Nachwuchses müsste es das Ziel sein, möglichst bundeseinheitliche Lösungen zu schaffen. Heike Korzilius P O L I T I K
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A552 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 94. März 2005