BIBB/BAuA 2018
Gesund durch die Restrukturierung – Das Führungsverhalten ist wichtig
baua: Fakten
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Restrukturierung – Veränderungsprozesse mit vielen Gesichtern
Der Begriff Restrukturierung umfasst Veränderungspro- zesse, die alle Organisationsebenen betreffen; dazu zäh- len so unterschiedliche Phänomene wie:
• Standortverlagerungen,
• Abwanderung ins Ausland,
• Outsourcing,
• Insolvenzen,
• Fusionen,
• interne Reorganisationen (z. B. Einführung neuer Fertigungs-/Verfahrenstechnologien oder der ver- mehrte Einsatz freier Mitarbeiter/-innen oder Leiharbeiter/-innen),
• aber auch Geschäftserweiterungen.
In der repräsentativen BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefra- gung 2018 wurden 17.852 abhängig Beschäftigte unter an- derem zu Restrukturierungsmaßnahmen in ihrem Betrieb befragt. Eine der Fragen lautete: „Wurden in den letzten zwei Jahren bzw. seitdem Sie Ihre Tätigkeit auf Ihrem jet- zigen Arbeitsplatz ausüben wesentliche Umstrukturierun- gen oder Umorganisationen vorgenommen, die Ihr unmit- telbares Arbeitsumfeld betrafen?“ In diesem Faktenblatt wird das Thema Restrukturierung und der Zusammen- hang mit der Arbeits- und Gesundheitssituation sowie die Rolle von Führungskräften in Veränderungsprozessen näher betrachtet.
Restrukturierung besonders häufig im produzierenden Gewerbe
Insgesamt berichten 40 % der abhängig Beschäftigten, in den letzten zwei Jahren wesentliche Umstrukturierungen oder Umorganisationen in ihrem unmittelbaren Arbeits- umfeld erfahren zu haben. Im produzierenden Gewerbe
Restrukturierung und fortlaufende Veränderungen sind in vielen Betrieben an der Tagesordnung, bei- spielsweise durch das Verlagern oder Auslagern von Unternehmensteilen. Dies macht sich auch in der konkreten Arbeitssituation von Beschäftigten bemerkbar: Durch die Restrukturierung kann die Arbeit für die Beschäftigten intensiver werden, gerade wenn mit weniger Personal die gleiche oder sogar mehr und anspruchsvollere Arbeit bewältigt werden muss. Dies kann negative gesundheitliche Folgen für Beschäf- tigte mit sich bringen. Führungskräfte nehmen in Restrukturierungsprozessen eine wichtige Position ein und können durch Hilfe und Unterstützung der Beschäftigten negative gesundheitliche Folgen abmildern.
(47 %) erfolgen am häufigsten Restrukturierungen und Umorganisationen, dicht gefolgt vom Wirtschaftszweig
„Öffentliche und private Dienstleistungen“ (43 %; siehe Abb. 1). Am seltensten wird von wesentlichen Umstruk- turierungen oder Umorganisationen von Beschäftigten im Baugewerbe (21 %) berichtet. Des Weiteren berichten Beschäftigte aus größeren Unternehmen deutlich häufiger als aus kleineren Unternehmen von Restrukturierungen.
Land-, Forstwirtschaft, Fischerei Produzierendes Gewerbe
(ohne Baugewerbe) Baugewerbe Handel, Verkehr, Gastgewerbe
und Information Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleister Öffentliche und private
Dienstleistungen Bis 9 Beschäftigte 10 – 49 Beschäftigte 50 – 249 Beschäftigte 250 – 499 Beschäftigte 500 – 999 Beschäftigte 1.000 und mehr Beschäftigte
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 31 %
47 % 21 %
39 % 42 %
43 % 24 %
37 % 42 %
49 % 50 %
57 % WirtschaftszweigBetriebsgröße
Stetige Veränderungen bedeuten mehr Belastungen und gesundheitliche Beschwerden
Abhängig Beschäftigte mit Restrukturierungserfahrung in den letzten zwei Jahren berichten häufiger als Befragte ohne diese Erfahrung von einer erhöhten Arbeitsbelas- tung. Das betrifft insbesondere psychische Belastungen, wie Termin- oder Leistungsdruck, Konfrontation mit neu- en Aufgaben, Störungen und Unterbrechungen, Multitas- Abb. 1 Häufigkeit an Restrukturierung in den letzten zwei Jahren nach Betriebsgröße und Wirtschaftszweigen
baua: Fakten Gesund durch die Restrukturierung – Das Führungsverhalten ist wichtig
2Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |
Autorinnen: Dr. L. Hünefeld, Dr. C. Steidelmüller, Redaktion: Dr. G. Meilicke, Gestaltung: R. Grahl (BAuA) | doi:10.21934/baua:fakten20191129 | Dezember 2019
Unter den abhängig Beschäftigten mit Restrukturierungs- erfahrung zeigt sich: Diejenigen Beschäftigten, die häufig Hilfe oder Unterstützung sowie Lob und Anerkennung durch direkte Vorgesetzte erhalten, berichten weniger häu- fig von mehreren psychosomatischen Beschwerden und von Unzufriedenheit mit der Arbeit. Tiefergehende Analy- sen bestätigen diesen Befund.
Fazit
Die Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 zeigen, dass Restrukturierungsprozesse in Betrieben auch mit Veränderungen in der Arbeitssituation von Beschäf- tigten einhergehen, wie zum Beispiel erhöhter Arbeitsin- tensität. Ebenfalls berichten Beschäftigte mit Restrukturie- rungserfahrungen häufiger als die Vergleichsgruppe von gesundheitlichen Beschwerden, die mit hohen psychischen Anforderungen in Zusammenhang stehen. Führungskräfte sind eine wichtige Ressource, sofern sie den Beschäftigten in Veränderungsprozessen helfen und sie unterstützen.
Aufgrund der zentralen Rolle von Führungskräften in Ver- änderungsprozessen sollten diese durch Weiterbildung besser in die Lage versetzt werden, in betrieblichen Re- strukturierungen ihre Verantwortung für eine gesund- heitsorientierte Prozessgestaltung besser wahrnehmen zu können. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits- medizin hat eine zweitägige Weiterbildungsmaßnahme2 entwickelt. Dort lernen Führungskräfte Probleme und Kon- fliktpotentiale zu erkennen, die in Veränderungsprozessen relevant für Wohlbefinden und Gesundheit sind. Darauf aufbauend vermittelt die Weiterbildung das Wissen, wie in Restrukturierungprozessen angemessen kommuniziert und die nötige Transparenz für Beschäftigte hergestellt werden kann. Außerdem wird erklärt, wie man mit negati- ven Emotionen umgehen kann, die sowohl bei Führungs- kräften als auch bei Beschäftigten in Veränderungsprozes- sen schnell entstehen können.
king oder auch das Arbeiten an der Grenze der Leistungs- fähigkeit.1 Ferner geben die Beschäftigten, die gravieren- de Veränderungen erlebt haben, häufiger gesundheitliche Beschwerden sowie eine geringere Arbeitszufriedenheit an (siehe Abb. 2). Zum Beispiel berichten sie häufiger von allgemeiner Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung als Erwerbstätige ohne Restrukturierungserfahrung.
14 %17 % 18 %26 %
24 % 35 %
44 % 56 % 26 % 36 %
31 % 41 % Weniger guter/schlechter
Gesundheitszustand Niedergeschlagenheit Nervosität oder Reizbarkeit Allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung Nächtliche Schlafstörungen Kopfschmerzen
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % Restrukturierungserfahrungen: nein Restrukturierungserfahrungen: ja
Führungskräfte als entscheidende Ressource in Veränderungsprozessen
Führungskräfte nehmen eine zentrale Rolle in Restrukturie- rungsprozessen ein: Sie gestalten die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten mit. Diese Funktion ist in Veränderungs- prozessen besonders gefragt. Zudem gehört es zu ihren Aufgaben zwischen dem Management und den Beschäftig- ten zu vermitteln, die Beschäftigten auf die Veränderungs- prozesse vorzubereiten und sie durch diese hindurch zu begleiten.2
Abbildung 3 zeigt am Beispiel psychosomatischer Be- schwerden und der Arbeitszufriedenheit, dass die Füh- rungskraft einen wichtigen Erfolgsfaktor in Veränderungs- prozessen darstellt.
6 %
54 % 40 %
41 % 61 %
4 % 15 %
19 % Drei oder mehr psychosomatische Beschwerden Lob und Anerkennung vom direkten
Vorgesetzten Hilfe/Unterstützung vom direkten
Vorgesetzten
Lob und Anerkennung vom direkten Vorgesetzten Hilfe/Unterstützung vom direkten
Vorgesetzten
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % manchmal, selten, nie häufig
Arbeitsunzufriedenheit Weiterführende Informationen
1 Restrukturierung in Unternehmen - „Risiken und Nebenwirkungen“. BIBB/BAuA-Factsheet 08. Dort- mund: BAuA 2014. Verfügbar unter: www.baua.de/
dok/6505542
2 B. Thomson, J. Rank, S. Gerstenberg, N. Ulland, 2018. Qualifizierungstools für Führungskräfte und Betriebsräte bei betrieblichen Restrukturierungen.
1. Auflage. Dortmund: BAuA 2018. DOI: 10.21934/
baua:bericht20180927 Abb. 3 Gesundheit und Zufriedenheit bei Beschäftigten mit Re-
strukturierungserfahrungen nach Ausmaß der Unterstützung durch Vorgesetzte
Abb. 2 Gesundheit und Zufriedenheit nach Restrukturierungser- fahrungen der abhängig Beschäftigten in den letzten zwei Jahren