A 2518 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 47|
25. November 2011E
rnüchternd fällt aus Sicht der Zahnärzteschaft die Halbzeit- bilanz der schwarz-gelben Regie- rungskoalition auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik aus – zumindest gemessen an den hehren Zielen und Versprechungen. „Fortschritt in der Reformpolitik braucht Courage. Ei- ne Überwindung des hektischen Reformstillstandes sowie ein Ver- lassen überkommener Reformmus- ter und der fantasielosen Budgetde- ckelung sind überfällig“, hieß es beim Deutschen Zahnärztetag Mitte November in Frankfurt am Main.In der Novellierung der Gebüh- renordnung für Zahnärzte (GOZ), der der Bundesrat am 4. November zustimmte und die am 1. Januar in Kraft treten wird, sieht die Zahnärz- teschaft keinen großen Wurf. Die erste Reform seit 24 Jahren sei über- wiegend von (politischen) Minimal- kompromissen durchsetzt, trage weitgehend fiskalpolitische Züge und lasse sämtliche Anforderungen an eine moderne amtliche Gebüh- rentaxe außer Acht. Die BZÄK sieht eine Chance vertan, die GOZ an den aktuellen wissenschaftlichen Stand anzupassen und durchgreifend zu reformieren. Lediglich in Teilberei- chen gebe es einige neue Leistun- gen. Zudem seien Analogbewertun- gen beseitigt worden. Immerhin führen diese Um- und Höherbewer- tungen zu einem Honorarplus von sechs Prozent für die Zahnärzte.
Privatabrechnung:
Unveränderter Punktwert
BZÄK und KZBV räumten ein, dass nur wenige Reformvorschläge des Zahnärztekonzepts vom August 2008 realisiert werden konnten.Zumindest habe man es geschafft, den Ulla-Schmidt-Entwurf mit sei- ner strammen „GKV-isierung“ zu verhindern. Gemeinsam mit der Bundesärztekammer sei es zudem
gelungen, die von der privaten Krankenversicherung und der Bei- hilfe geforderte Einführung einer Öffnungsklausel noch abzuwen- den. „Eine solche patientenfeindli- che Billigmedizinklausel hätte ver- heerende Folgen für die zahnmedi- zinische Versorgung gehabt“, sagte BÄZK-Präsident Dr. Peter Engel.
Als eine Zumutung für den Be- rufsstand kritisierte der Zahnärzte- tag die Tatsache, dass der GOZ- Punktwert nicht erhöht wurde. Be- reits in der GOZ-Revision von 1987 betrug der Punktwert elf Pfennige.
Mit der neuen GOZ 2012 wird der Zahnarzt 5,62421 Cent berechnen können. Damit bleibe die betriebs- wirtschaftliche Realität der Zahn- arztpraxen völlig unberücksichtigt – trotz der Zusage aus dem Koaliti- onsvertrag vom November 2009.
Die Mandatsträger sind sich aber bewusst, dass ein Punktwert-Auf- schlag kurzfristig nicht durchsetz- bar ist, weil die Politik zunächst die Auswirkungen auf die Etats der Kostenerstatter abwarten will. Des- halb sei es besser, die neue GOZ zähneknirschend zu akzeptieren, als
sie in toto abzulehnen. Denn bei ei- nem möglichen Regierungswechsel im Jahr 2013 drohe eine sozialstaat- liche Kehrtwende – mit noch größe- ren Restriktionen bei der GOZ.
Die GOZ sei für die Vertrags- zahnärzte von existenzieller Bedeu- tung. Schließlich resultiere fast je- der zweite Umsatzeuro aus GOZ- abgerechneten Einnahmen, beton- te der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz. Er sieht un- kalkulierbare Risiken auf die Zahn- ärzte zukommen, weil der Bundes- rat eine finanzpolitische Revisions- klausel gefordert hat. Die Länder wollen, dass das Honorarvolumen, das durch die neue GOZ ausgelöst wird, bis 2015 überprüft und bei Überschreiten eines globalen Li- mits begrenzt wird. Hier offenbare sich das fiskalpolitische Budget- denken, das aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung komme und im zweiten Gesund- heitsmarkt nichts verloren habe.
GKV: Festhalten an der Beitragssatzstabilität
Einen Paradigmenwechsel in der gesetzlichen Krankenversicherung erhofft sich die KZBV vom Versor- gungsstrukturgesetz. Denn darin heißt es, dass die Fortschreibung der Gesamtvergütungen nicht mehr allein an die Grundlohnsummen - orientierung und Beitragssatzstabi- lität gekettet ist, sondern die Struk- tur der Versichertenklientel und ihre tatsächliche Leistungsabfrage dabei berücksichtigt werden können. Je- doch habe die Regierungskoalition auf Drängen des Finanzministeri- ums in der Begründung zu § 85 SGB V einen Passus ergänzt, wo- nach weiterhin Obergrenzen zu ver- einbaren und deren Einhaltung si- cherzustellen sind. Somit könnte das Dogma der Beitragssatzstabili- tät auch nach Inkrafttreten des Ge- setzes weiter gelten, fürchten die Zahnärzte. Fedderwitz: „Es zeich- net sich die ungute Tendenz ab, dass bei Gesundheitsreformen nicht versorgungspolitische Aspekte im Vordergrund stehen, sondern fiska- lische; das Finanzministerium re- giert in die Entwürfe des Gesund- heitsressorts hinein.“
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Dr. rer. pol. Harald Clade
DEUTSCHER ZAHNÄRZTETAG
Kritik am Budgetdenken
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) sind enttäuscht von der Bundesregierung.
Hadert mit dem Gesetzgeber:
Sowohl bei der GOZ-Reform als auch im GKV-Ver- sorgungsstruktur- gesetz sieht Peter Engel die Interessen der Zahnärzte nicht angemessen be- rücksichtigt.
Foto: Georg J. Lopata