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Geschichte und Marktpotenzial alter Rebsorten

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Academic year: 2022

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Versuche mit alten Sorten wie Himbertscha im Rah- men meiner Diplomarbeit an der Ingenieurschule in Wä- denswil gaben mir den Anstoss, mich mit der Geschich- te und dem Potenzial alter Rebsorten zu befassen. Im Wallis konnten sich solche Sorten in den Seitentälern und auf den steilen Rebterrassen halten. Das Tal liegt zwischen hohen Bergen, die den Austausch einschrän- ken, und ist gegen das Unterwallis zusätzlich durch die Sprachbarriere abgegrenzt. Die Reben sind seit Jahrhun- derten hier heimisch. Dadurch sind sie optimal an Boden und Klima angepasst.

Warum alte Rebsorten?

Meine Philosophie war, mit Sorten, die im Wallis ent- standen und hier verwurzelt sind, ein gesuchtes und ökologisch sinnvolles Produkt herzustellen. Also schrieb ich nicht nur in meiner Diplomarbeit über die alten Sorten, sondern fühlte mich auch verpflichtet, nach meiner Rückkehr auf den familieneigenen Betrieb diese Sorten nach und nach anzupflanzen. Meine Ab- sicht war, die Reben sowohl im Rebberg zu begleiten als auch die Verarbeitung der Trauben bis zum Endprodukt im Auge zu behalten. Der damalige Betrieb meines Vaters war anders ausgerichtet. Er kaufte Trauben zu und kelterte sie zu gängigen Weinen wie Pinot Noir, Fen- dant und Johannisberg. Dank meiner Idee, die in den 70er-Jahren langsam Gestalt annahm, kann heute den Gästen im Wallis etwas Einmaliges geboten werden.

Meine seltenen Nischenprodukte setzten sich immer mehr durch und die Medien interessieren sich dafür.

Sauvignon blanc, Chardonnay, Cabernet-Sauvignon und Merlot sind auf der ganzen Welt anzutreffen. Gwäss, Plantscher, Himbertscha, Lafnetscha, Resi, Eyholzer Roter und damals auch noch der Heida dagegen aus- schliesslich im Oberwallis.

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Josef-Marie Chanton, Kellerei Chanton, Visp josef-marie@chanton.ch

«Le Valais doit ressusciter ses âmes, afin d’en avoir une»:

«Das Wallis muss zuerst seine vielen Seelen aufwecken, bevor es eine eigene erhält» (Maurice Chappaz).

W E I N B A U

Geschichte und Marktpotenzial alter Rebsorten

Aufgrund der geografischen Lage haben sich alte Rebsorten im Wallis bis heute erhalten. Gwäss, Plantscher, Himbertscha, Lafnetscha, Resi, Eyholzer Roter und Heida trifft man sonst nirgendwo an. Der Autor machte es sich zur Aufgabe, dieses Erbe sowohl im Rebberg zu pflegen als auch auf die spezielle Weinbereitung dieser Sorten einzugehen. Heute sind seine Weine gefragte

Spezialitäten, auch wenn sie im Gastrobereich nach wie vor erklärungsbedürftig sind.

Steile Rebterras- sen im Wallis.

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Es half der Zufall

Über zehn Jahre bemühte ich mich, in geeignet schei- nenden Lagen alte Walliser Sorten anzupflanzen. Er- fahrene Winzer aus der Umgebung gaben mir Tipps.

Schliesslich fand im Jahr 1964 oberhalb von Visp der Hei- da seinen Platz, 1977 im Vispertal die Lafnetscha, 1984 ebenfalls im Vispertal der Gwäss und 1982 fand ich eine gute Rebparzelle in Varen für den Himbertscha.

Vom Himbertscha konnte damals kein Vermehrungs- holz mehr beigebracht werden, da vielerorts die Rebberge bereits gerodet und anderweitig bestockt worden waren.

Ausgestorben? Nach zweijähriger Suche, Presseaufrufen und Herumfragen meldete sich bei mir ein Othmar Zuber, der zufällig durch einen Arbeitskollegen von mir gehört hatte. Im Vispertal auf Boden der Gemeinde Zeneggen, zir- ka 850 m ü.M. besass er «im Esch» einen Rebberg. Dieser lag weitab der Strasse und war nur zu Fuss erreichbar. Er war aber mit alten Sorten bestockt, darunter auch einigen Himbertscha. Die besterhaltenen Stöcke wurden im Herbst gekennzeichnet und im nächsten Frühling das Holz zum Veredeln an eine Rebschule geschickt. Die Sorte war gerettet. 1986 war das Jahr der Wiedergeburt des Him- bertscha in Varen. In den Jahren 1987 folgte der Eyholzer Rote, 1993 der Resi und 2003 der Plantscher.

Ein Traum wird wahr!

Die Geschichte geht weiter: Vor fünf Jahren wollte Zuber die Rebparzelle «im Esch» aus Altersgründen aufgeben.

Rechtzeitig brachte er uns drei ihm unbekannte rote Sor- ten, da er gehört hatte, dass heute die genetische Herkunft von Reben bestimmt werden kann. Sollte Interesse beste-

hen, lud er uns ein, im folgenden Frühjahr davon noch Reiser für die Weiterveredelung zu schneiden. Eine Sorte interessierte den bekannten Rebsortenspezialisten José Vouillamoz besonders. Also machte ich mich auf, davon Ruten zu schneiden. Dabei philosophierte ich mit Oth- mar Zuber in seinem Paradies über alte Zeiten. Immer mehr kam ich zur Überzeugung, dass dieses Bijou von ei- nem Rebberg nicht aufgegeben werden durfte. Mit Hilfe von José Vouillamoz hatten wir bald 35 Interessenten bei- einander. 2010 wurde der Verein VinEsch (www.vi- nesch.ch) gegründet und wir kauften den Rebberg. Heu- te zählt der Verein fast 70 Mitglieder aus der ganzen Schweiz und Deutschland; Zuber Othmar ist unser erstes und bisher einziges Ehrenmitglied. Gemeinsam sind wir an Arbeitstagen für die Rebarbeiten verantwortlich. Neu- pflanzungen und die Instandhaltung von 27 Trocken- steinmauern sind spezielle Herausforderungen. Unser Fernziel ist ein Ecomuseum.

Alte Sorten und ihre Verwandten

José Vouillamoz hatte in einer der drei Reben aus dem Esch die Sorte erkannt, von der auch in St. Leonard ein Stock gefunden worden war. Es handelt sich also um ei- ne im Wallis heimische Vertreterin. Die ersten 120 Stöcke davon wurden vor zwei Jahren gepflanzt. Die Sorte trägt den Namen «VinEsch-Roter» beziehungsweise «Rouge de VinEsch». Unser Verein hat damit eine eigene Rebsor- te. Bei einer zweiten Rebe wurde eine Verwandtschaft mit einer Sorte in Kalabrien/Süditalien festgestellt. Sie wird noch einmal analysiert und im nächsten Jahr ver- edelt.

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Verkaufsraum, auf dem Poster Josef-Marie und Mario Chanton.

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Rebsorte Eyholzer Roter.

Nachstehend Beschriebe einiger der Sorten, die wir in unserer Kellerei (www.chanton.ch ) im Wallis wieder ent- deckten, selektionierten, anbauten und zu Raritäten vi- nifizieren.

Gwäss (Gouais blanc, Heunisch, Preveiral, Blanció)

Der Gwäss ist heute wohl die älteste namentlich bekann- te Rebsorte auf der ganzen Welt. In Europa ist er gemäss Genanalysen Elternteil von rund 80 Sorten (Robinson et al. 2012). Darunter Riesling, Muscadelle, Elbling, Räuschling, Furmint und Blaufränkisch, um nur die wichtigsten aufzuzählen. Gewissermassen ein «Casano- va» der Rebsorten. Zusammen mit dem Pinot noir bildet er das Elternpaar von 16 Rebsorten. Dazu zählen Char- donnay, Aligoté, Gamay, Auxerrois und Melon, die auch bei uns einen gewissen Bekanntheitsgrad aufweisen.

Fakten ...

Bei einer Zusammenkunft in Brigerbad am 21. Septem- ber 1540 legten die Zehnden (Bezirke) von Brig, Goms, Visp und Raron-Mörel die Weinpreise fest: nämlich den Sittner Sester zu 18 Gross, den Sidner Sester zu 16, den Leuker Sester zu zwölf, den Rarner und Visper Rot- und Weisswein ebenfalls zu zwölf Gross, mit Ausnahme des

«blantschier» und «gewess», die neun Gross gelten (Truf- fer 1973). Dies ist die erste urkundliche Erwähnung des Gwäss im Wallis.

... und Fiktion

Der römische Kaiser Marcus Aurelius Probus (232-bis 282 n. Chr.) soll laut Angaben in seiner Biografie den Galliern, Spaniern und Briten erlaubt haben, Reben zu pflanzen und Wein herzustellen. Deshalb gilt er heute in vielen Weinbauländern nördlich der Alpen als Förderer des lo- kalen Weinbaus. Carol Meredith, emeritierte Professorin der Universität Davis (Kalifornien, USA), zeigte sich über- zeugt, dass der Gwäss wohl eine der Rebsorten war, die Probus den Galliern zur Pflanzung überliess (ebenso si- cher war aber im Zaubertrank von Miraculix, der Asterix übermenschliche Kräfte verlieh, auch etwas Gwäss drin...).

Himbertscha

Die Elternsorten von Himbertscha sind Humagne blanche und wahrscheinlich eine Muskatsorte, die nicht überlebt hat. Dadurch kann auch nicht genau bestimmt werden, ob sie aus dem Wallis stammte. Der Name hat nichts mit Himbeeren zu tun, sondern soll von «imbercla» abgeleitet sein, was bedeutet «im Pergolabau gezogen». Ein leichter Wein mit Frucht- und Zitrusaromen und einer knackigen Säure. Die Rarität wird weltweit nur von der Kellerei Chanton angepflanzt und vinifiziert.

Lafnetscha

Die Elternsorten der Lafnetscha sind Humagne blanche und Completer. Der Name ist erstmals im Kirchenarchiv von Niedergesteln im Jahre 1627 erwähnt. Sie gilt als einzige echte Walliser Rebsorte, da beide Elternteile im

Wallis noch heimisch sind. In der Nähe von Visp (Eyholz) wurden noch Completerreben entdeckt (Name dort

«Grosse Lafnetscha»). Lafnetscha soll vom Oberwalliser Dialektausdruck «laff-nit-scha» abgeleitet sein, was so viel bedeutet wie «trink ihn nicht schon» (zu jung; trink nicht zu viel?). Er ist der kräftigste Vertreter dieser alten Weinsorten mit Aromen vom grünen Apfel und Holun- derblüten. Die Struktur wird von einer deutlichen Säure und einem blumigen Abgang unterstützt.

Eyholzer Roter

Er wird genetisch in der Nähe der Rebsorten «Vien de Nus» aus dem Aostatal und dem «Freisa» aus dem Pie- mont angesiedelt. Ist er über den Simplon, Theodulpass oder den Grossen Sankt Bernhard ins Wallis gebracht worden? Wächst heute vor allem in Eyholz (Dorf zwi- schen Visp und Brig) auf Pergeln, doch wurden auch zwei Einzelstöcke im Vispertal (Stalden) und in Sion gefun- den. Diese beiden Reben weisen laut dendrochronologi- schen Analysen ein Alter zwischen 150 bis 200 Jahren auf (Robinson et al. 2012).

Der Eyholzer Rote ist ein bekömmlicher Wein von hellroter Farbe und einem Geruch nach Erdbeeren. Ma- rio Chanton produziert bei geeignetem Witterungsver- lauf aus dieser Sorte einen Eiswein mit Noten von ge- brannter Crème, getrockneten Kirschen und einem be- eindruckenden Süsse/Säure Spiel.

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sie oft ausverkauft und es gibt Lieferengpässe. Ein weite- rer Nachteil für Gastrobetriebe ist sicher auch, dass die Weine erklärt werden müssen. Dazu fehlt vielfach das Wissen, geeignetes Personal oder die Zeit. Es sind keine Selbstläufer. In der Topgastronomie mit Sommelier oder Sommeliére, wo Echtheit, Zuverlässigkeit und Glaub- würdigkeit mit einschlägigem Wissen übermittelt wer- den können, sind diese Raritäten als Alleinstellungs- merkmal begehrt. Als spezielles Erlebnis im Einklang mit der Küche eröffnen sie neue Horizonte und bieten Ex- klusivität. Von Weinliebhabern werden sie als Nischen- produkt geschätzt und begehrt. In Zukunft könnte durch eine bessere Vermarktung einheimischer Regionalpro- dukte ihre Bedeutung noch gesteigert werden.

Literatur

Literaturliste beim Autor erhältlich.

Plantscher (Gros Bourgogne)

Der Plantscher wurde oft mit dem von Viala und Vermo- rel (1905) beschriebenen Blanchier gleichgesetzt. José Vouillamoz bestimmte als einen Elternteil den Furmint aus Ungarn. Ein Elter des Furmint ist der Gwäss, also ist der Plantscher ein Enkel des Gwäss und ein Bruder des Harslevelü. Der Wein zeichnet sich durch seine Minera- lität und Wildblumen-Aromatik aus.

Marktpotenzial alter Rebsorten

Mit Ausnahme der Lafnetscha sind die vorgängig er- wähnten Weine leicht, mit deutlicher Säure. Sie sind zum Teil sehr ertragsreich. Mit aufwendigen Pflegemassnah- men wie Reduktion auf eine Traube pro Trieb, Trauben teilen, Spitze und/oder Schultern der Trauben entfer- nen, zusätzlicher Laubarbeit und tiefen Erträgen (um 500 g/m2) können einzigartige charaktervolle Weine pro- duziert werden. Als Raritäten haben sie aber auch ihren Preis. Bedingt auch durch die Mehrarbeit und die gerin- gen Erntemengen. Ebenso ist die Gesamtenge auf 700 bis 2000 Flaschen beschränkt – je nach Sorte. Dadurch sind

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R É S U M É

Histoire et potentiel commercial des cépages anciens

C’est dans le cadre d’un travail de diplôme à l’Ecole d’ingénieurs Wädenswil que Josef-Marie Chanton a commencé à s’intéresser à certains cépages autoch-

tones valaisans qui ont réussi à se maintenir jus- qu’au 20e siècle grâce à leur situation dans des vallées reculées du Valais sur des parcelles d’une exposition particulière. Sa persévérance dans son travail de dé- tective, et parfois aussi un coup de chance, l’ont mis en possession d’une collection impressionnante de cépa- ges du Haut-Valais qu’il entoure de grands soins dans

son vignoble. La vinification est aussi adaptée aux be- soins spécifiques de chaque cépage d’un assortiment aux noms chantants tels que Gwäss, Plantscher, Him- bertscha, Lafnetscha, Resi, Eyholzer Roter et Heida.

Ces spécialités régionales sont très recherchées, mais nécessitent un personnel de vente bien formé, surtout dans le domaine de la gastronomie. Véritables perles rares, ces vins méritent en effet que l’on sache bien en parler.

Eiswein aus Eyholzer Rotem. Lafnetscha – modern viniviziert.

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