A 1496 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 29–30|
23. Juli 2012 nur allzu oft als hervorragendeMöglichkeiten erwiesen, Persön- lichkeiten zu profilieren und Lösun- gen zu verschleppen. Weder der Allgemeinarzt, noch der Facharzt, noch das Krankenhaus können die Lage verbessern.
Nötig ist vielmehr der Aufbau leistungsfähiger medizinischer Zentren für Erwachsene mit geisti- ger oder Mehrfachbehinderung in Anbindung an Fachkliniken. In solchen Zentren, die ähnlich wie die Sozialpädiatrischen Zentren arbeiten, können fachliches Wis- sen und besondere Fähigkeiten in der Diagnostik, Behandlung und Betreuung von Menschen mit schwerer Intelligenzminderung gebündelt werden. Medizintechnik steht in Anpassung an die Bedürf- nisse des behinderten Menschen zur Verfügung. Verschiedene Be- rufsgruppen (Ärzte, Pfleger, Kran- kenschwestern, Physiotherapeu- ten, Psychologen, Psychothera- peuten, Logopäden, Diätassisten- ten, Ergotherapeuten) sind auf die Belange des behinderten Men- schen eingestellt. Die Zusammen- arbeit mit Angehörigen und Be- treuern gelingt diesen Personen besser als anderen, die nur gele- gentlich Kontakt mit behinderten Menschen haben.
Die Sozialpädiatrischen Zentren werden seit ihrer Einrichtung vor 20 Jahren in steigendem Umfang in Anspruch genommen. Sie haben sich außerordentlich bewährt.
Ähnlich erfolgreich werden sich auch die medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistiger Be- hinderung entwickeln. Die Zahl ihrer Patienten wird indessen na- turgemäß erheblich niedriger lie- gen als in den Sozialpädiatrischen Zentren.
Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkas- sen, Politiker und Angehörige der behinderten Menschen sollten sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die politischen, rechtlichen und finanziellen Strukturen für die Errichtung von medizinischen Zentren für geistig und mehrfach behinderte Menschen geschaffen werden. Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei den Vertretern der Angehörigen zu. Nur sie erle-
ben hautnah und täglich über Jahr- zehnte hinweg die Nöte der behin- derten Menschen. Sie können am besten erkennen, was nötig ist!
Dr. Rudolf Kemmerich, 71370 Weinstadt
Bestehende Netzwerke ausbauen
Zunächst vielen Dank für die aus- führliche Darstellung der Studie, die den erheblichen Versorgungsde- fiziten Raum und Öffentlichkeit gibt.
Bezüglich der Ansätze zur Verbes- serung habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Ver- sorgung im Kinder- und Jugendbe- reich, und hier besonders durch die
„Sozialpädiatrischen Zentren“
(SPZ) als Vorbild fungieren könne.
In den deutschlandweit mehr als 140 SPZ werden genau die Struktu- ren vorgehalten, die den Anforde- rungen an Interdisziplinarität, sozia- ler Vernetzung und Spezialwissen genügen. Und obwohl wir in unse- rer täglichen Arbeit mit der zu oft miserablen Versorgungsperspektive jenseits des 18. Geburtstages kon- frontiert sind, dürfen wir die Be- handlung nicht fortsetzen.
In zum Teil nervenaufreibendem Kleinkrieg müssen die Eltern der geistig behinderten „Erwachsenen“
den weiteren Zugang teilweise sozi- algerichtlich erstreiten – für meist nur weitere zwei Jahre –, wenn es denn gelingt. Dabei ständen die al- lermeisten SPZ bereit, ihr Behand- lungsangebot auch auf die Versor- gung deutlich älterer Menschen mit geistiger Behinderung zu erweitern.
Die gezielte Einstellung von ent- sprechend fachlich qualifizierten Ärzten (zum Beispiel aus den ge- nannten Bereichen Orthopädie, Gy- näkologie, Psychiatrie) oder eine vertragliche Kooperation und Ein- bindung in die bestehenden Netz- werke wäre sicher wesentlich einfa- cher, als nun völlig neue Strukturen zu etablieren. Das gesamte Spek- trum medizinisch-therapeutischer Leistungen, Psychologie, Sozialar- beit und Sozialpädagogik und die hochspezialisierte Kenntnis über Genese und Entwicklung geistiger Behinderung ist zumindest in den großen SPZ bereits mit Exzellenz vertreten . . .
Dr. med. Ullrich Raupp, Zentrum für Kinder und Jugendliche, Marien-Hospital Wesel gGmbH, 46483 Wesel
GEWALT AN FRAUEN
Ein Bundesmodell- projekt erprobte, wie Ärztinnen und Ärzte für den Umgang mit von Gewalt betroffe- nen Patientinnen sensibilisiert und qualifiziert werden können (DÄ 16/2012:
„Medizinische Interventionen gegen Ge- walt an Frauen I: Teil eines helfenden Netzwerks“ von Petra Bühring).
Auch Männern helfen
Das Vorhaben, Ärzte für die häusli- che Gewalterfahrungen von Frauen zu sensibilisieren und eine Netz- werkstruktur dafür zu schaffen, kann ich nur begrüßen, zumal dies in der Arbeit mit Patientinnen ein immer wiederkehrendes Thema ist.
Zu der in dem Artikel gemachten Aussage „Gewalterfahrungen gehö- ren für Frauen zu den zentralen Ge-
sundheitsrisiken“ möchte ich an- merken, dass dies auch für Männer gilt. Laut Polizeistatistik sind mehr als 70 Prozent aller Opfer von Kör- perverletzungen Männer. Auf nen- nenswerte Opferschutzprogramme für Männer bin ich bisher jedoch noch nicht gestoßen. Zahlreiche in- ternationale Studien belegen, dass Männer nahezu ebenso häufig Op- fer häuslicher Gewalt wie Frauen werden. Eine Pilotstudie aus dem Jahr 2004 des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend hat unter anderem die Schlussfolgerung gezogen, dass Ge- walt gegen Männer stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden müsse. Eine größer ange- legte Nachfolgestudie erfolgte bis heute nicht.
Opfer von Gewalt verdienen Auf- merksamkeit und Hilfe, egal wel- chen Geschlechts sie sind.
Dipl.-Psych. Marco Sußbauer, 09112 Chemnitz
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E p Ä f v n s qualifiziert werden k