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Heute auf Seite 3: Jakobinischer Meinungsterror

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U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G FÜR D E U T S C H L A N D

Jahrgang 47 - Folge 40 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. G e b ü h r bezahlt

5. Oktober 1996

Landsmannschaft Ostpreußen e.V.

Parkallee 84j86, 20144 Hamburg C 5 5 2 4

Altlast:

Störmanöver von der Stasi-Front?

S E D - b e e i n f l u ß t e Seilschaften treiben ihr trübes Spiel weiter

Zur Jahreswende 1977/78 hatten die Deutschen im geteilten Land endlich ihre nationale Sensation: Im Hambur- ger Magazin „Der Spiegel" erschien unter dem Titel „Das Manifest der Op- position" eine Denkschrift, die nicht nur einen Bruch innerhalb der SED si-

§

nalisierte, sondern auch anzeigte, aß der antinationale Kurs, der die beiden Regierungen der deutschen Teilstaaten zu einer Gratwanderung jenseits der Interessen des deutschen Volkes umtrieb, bezweifelt wurde.

Während die Deutschen in der DDR durch die Verfassungsänderung all- mählich von der einen Deutschen Nati- on weggeführt werden sollten, blieben bei den Westdeutschen zu nationaler Erbauung nur die alljährlichen Lage- Berichte zur Nation, die freilich zuneh- mend zu bloßen Anerkennungsritua- len der „Realitäten" mutierten. U m so größer plötzlich die Hoffnung, als „de- mokratisch und humanistisch den- kende Kommunisten" sich an die „Öf- fentlichkeit in Deutschland" wandten, um die famose Feststellung zu treffen, daß „die nationale Frage langlebiger als die soziale ist". Doch während noch der deutsche Michel bemüht war, sich endlich die straff über den Kopf ge- stülpte Zipfelmütze mit einem kräfti- gen Ruck abzuziehen, bekam er sie in denkwürdiger gesamtdeutscher Akti- onseinheit wieder bis tief über die Oh- ren gezogen: Wehner diffamierte die Denkschrift eiskalt als „Provokation", seine verlegeneren Mitgenossen vom

„P-P-Pressedienst" meinten, Passagen klängen zwar „populär, aber nach As- phalt-Presse".

Die SED griff sofort zu den sattsam bekannten Totmachern von „konterre- volutionären Umtrieben" und be- zeichnete die Schrift als „Machwerk des Bundesnachrichtendienstes", was nach Lage des Weltbildes und des Spielraumes der Pullacher schlicht-

DIESE WOCHE

D r e i s t e R e t o u r k u t s c h e

A R D übernimmt Roms Kunstraub-Behauptung

D u b i o s e s I n t e r v i e w

Lebed dementiert Gespräch mit „Daily Telegraph"

Kammeroper Schloß Rheinsberg Prof. Siegfried Matthus

fördert Nachwuchstalente 9

A k t u e l l e s G e s p r ä c h

Interview mit Ex-DDR-Wirtschafts-

minister Dr. Gerhard Pohl 11

V e r u r t e i l t z u r Z w a n g s a r b e i t

Ostpreußen wurden in die

UdSSR verschleppt 13

T r ä n e n d e r G ö t t e r

Deutsches Bergbau-Museum

zeigt Bernstein-Ausstellung 23

D a s w e l t w e i t e A s y l p r o b l e m

Prof. Josef Schmids Analyse

der Wanderungsbewegungen 24

weg Blödsinn war. Unklar blieb frei- lich, wer denn die Schrift seinerzeit verfaßt haben könnte: Ein Reformflü- gel innerhalb der SED, eine Oppositi- onsgruppe, die nur im Gewände von Reformkommunisten daherkam, um mit der nationalen Frage den unerträg- lichen Status quo zu zwingen? Oder eine Moskauer Fraktion mit global- strategischen Absichten, die mit The- sen zur deutschen Einheit schon im- mer (bis in die Gegenwart) national empfindende Gemüter zu entzünden vermochte? Die Fragen blieben da- mals unbeantwortet, doch nun ver- sucht Dominik Geppert, blutjunger Berliner Historiker, unter dem Titel

„Störmanöver" (Ch.-Links-Verlag) diesem nationalen Ereignis von 1977 nachzuspüren.

Nachdem „Der Spiegel" unter dem Titel „Aufstand gegen Honecker" dem Verfasser das Feld publizistisch berei- tet hatte, präsentierte sich der Autor nun in der Berliner „Akademischen Buchhandlung". Unter den Diskutan- ten auch der promovierte Historiker und habilitierte Ökonom Hermann von Berg, der eigentliche Hauptverfas- ser des 1977 veröffentlichten „Mani- feste der Opposition", der kurzzeitig inhaftiert und 1986 aus der DDR aus- gebürgert worden war. Doch so richtig die These Gepperts scheint, daß von Bergs Denkschrift wie „eine hellsichti- ge Prophezeiung des Untergangs der DDR anmutet", so sehr traten zugleich die Mängel seiner Arbeit hervor. Kein Geringerer als Hermann von Berg selbst wischte alle Mutmaßungen Gepperts weg, wonach Moskau doch die Hand im Spiel gehabt haben könn- te. Der Historiker hatte nicht einmal in Moskau nachgefaßt, auch die Gauck- Behörde ungefragt gelassen, die dort einen „Sonderoperativvorgang" („...

zur Vernichtung des ,Tal' [Deckname des MfS für von Berg] ...") zu liegen hat, was wiederum den Ex-DDR-Pro- fessor von Berg zu der Vermutung an-

regte, daß hier ein Rufmord-Spiel ge- gen ihn betrieben werde, welches im- mer dann seinen Fortgang fände, wenn Ex-Stasi-General Markus Wolf vor einem neuen Prozeß stehe.

Eine besondere Rolle spiele dabei der Russe Professor Watscneslaw Da- schitschew, Ex-KGB-Mann, vermut- lich im Range eines Generalmajors, der seinerzeit im Auftrage eines bestimm- ten Moskauer Flügels nationale Hoff- nungen in Deutschland schürte. Doch von Berg erklärte, daß Daschitschew erst nach seiner Ausreise nach West- deutschland auf ihn zugekommen sei (wie Daschitscheu jetzt im „Spiegel"

bestätigte) sei, der Rest sei Diffamie- rung aus der Ecke von Markus Wolf.

Von Berg wurde dabei überzeugend sekundiert von Dr. Harald Wessel, Ex- Redakteur des „Neuen Deutschland", der insbesondere den „systematisch gepflegten stalinistischen Personen- kult um Wolf im ,Spiegel"' schärfstens verurteilte. Wessel zielte außerdem auf einen der Betreuer des Autors Gep- pert ab, der die Mitteldeutschen „als verzwergte, deutschsprechende Po- len" bezeichnet habe.

Professor von Berg sieht hier eine Seilschaft am Werke, die sich insbe- sondere um die Personen der „Bürger- rechtler" Bohley und Eppelman ranke, die auf die seinerzeitigen Vorhaltun-

P

en des Ex-Humboldt-Uni-Rektors ink, daß sie allesamt als Informelle Mitarbeiter („IM") des M ß geführt worden seien, eine klärende Antwort schuldeten.

Gleichsam eine Verschwörung des Verschweigens also, das gezielt nach außen wirkt, bei dem die Nutznießer Wolf und Genossen heißen? Man darf gespannt sein, denn der umsichtig agierende Tatmensch von Berg hat dem Vernehmen nach noch etliche Pfeile im Köcher, die auch einem Wolf mehr als nur das Fell ritzen können.

Martin Bär

W ü r d i g t e den p r e u ß i s c h e n Offizier und s p ä t e r e n Generalstabschef Washingtons, Friedrich W i l h e l m von Steuben (1730-1794), mit einem neuen Standbild: Die Stadt Magdeburg

BÜanZ / Von PETER FISCHER

N

ur in politisch schwer er- schütterten Staaten ist es vorstellbar, daß gelegentlich ihrer Nationalfeiertage massive Poli- zeiaufgebote notwendig werden, um den ungestörten Fortgang der Feier- lichkeiten zu ermöglichen. Anläßlich des diesjährigen sechsten Jahresta- ges der Deutschen Einheit fanden sich schon im Vorfeld sogenannte

„antifaschistische Gruppen" ein, die bundesweit auf Flugzetteln gegen die Zentralveranstalrung in Bayern Front machten. Darunter rückt ein Plakat insbesondere in den Blick- punkt, daß die Aufschrift „3. 10. - Mörderland Deutschland" trägt, ob- schon von einschlägigen Aktionen des Verfassungsschutzes gegen die- se hetzerischen Kleber bislang nichts bekanntgeworden ist.

Im sechsten Jahr seit der Vereini- gung mit Mitteldeutschland ist des- sen ungeachtet die Schar derjenigen, die gegen die Einheit angehen, ge- ring geworden. Dies schließt nicht aus, daß alte antinationale und sepa- ratistische Cliquen allenthalben noch ihre miesen Quertreibereien kräftig ins Spiel zu bringen versu- chen. Aber es sind dies Ausnahmen, die entweder im auswärtigen Sold stehen oder den unrühmlichen Seil- schaften von SED und MfS zuzurech- nen sind, und natürlich jene schuld- beladenen Produkte bundesdeut- scher Erziehung, die noch das Sam- meln von Bierseideln aus der Zeit von vor 1945 als eine schwerwiegen- de Form von deutscher Hoffärtigkeit ansehen. Unverkennbar bleibt gleichwohl eine fast allenthalben an- zutreffende Bitternis und Verdros- senheit im Umlauf, die weder auf die schwierige Arbeitsmarktsituation . ^ i i - -|—, -t-t c% noch auf die ungeheure Verschul-

UN-Feindstaatenklauseln vor dem r all /

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Mit einem Sitz im Sicherheitsrat veränderte sich auch die Satzung

51 Jahre nach Kriegsende und knapp sechs Jahre nach der deutschen Teil Ver- einigung soll ein ganz alter Zopf im internationalen Recht unauffällig ab- geschnitten und in den Mülleimer der Geschichte befördert werden: Die ge- gen Deutschland und Japan gerichte- ten „Feindstaatenklauseln" in der Charta (Verfassung) der Vereinten Na- tionen (UNO) werden gestrichen, so- bald Bonn einen ständigen Sitz im Si- cherheitsrat bekommen wird.

Die Artikel 53 und 107 der Charta wirken heute wie ein Kuriosum der Zeitgeschichte: Sie räumen den Sieger- mäcnten des Zweiten Weltkrieges Son- derrechte ein. So dürfen die USA, Ruß- land, Großbritannien und Frankreich militärische Präventivschläge gegen Deutschland und Japan führen, um der

„Gefahr eines Angriffskrieges" vorzu- beugen. Der Sicherheitsrat muß nicht gefragt werden.

Die Gelegenheit zum Streichen ist günstig: Außenminister Klaus Kinkel (FDP) warb während der UNO-Voll- versammlung in New York um die Aufnahme Deutschlands als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Der FDP- Mann hat zugkräftige Argumente:

„Wir sind der drittgrößte Beitragszah- ler", sagte Kinkel in einem Interview.

Immerhin zahlt Bonn 1996 und 1997 je- weils 6,6 Milliarden Mark an interna- tionale Organisationen, davon den größten Batzen an die U N O und ihre Untergliederungen. Wer soviel zahle, so der Außenminister, könne auch mehr Mitspracherechte erwarten.

Damit Bonn einen Sitz bekommt, muß die UNO-Charta ohnehin geän- dert werden. Zustimmen müssen zwei Drittel der 185 Mitgliedsstaaten. So- bald die Zusammensetzung des Si- cherheitsrates geändert wird, sollen die antiquierten Feindstaatenklauseln fallen. Eine besondere Initiative dazu gibt es aber derzeit nicht.

Eilig hatte es Bonn ohnehin noch nie:

„Die Bundesregierung ist sich mit ih- ren westlichen Partnern, insbesondere Frankreich und Großbritannien, darin einig, daß die sogenannten Feindstaa- tenklauseln in der Charta gegenstands- los sind", wurde der CSU-Abgeordne- te Herbert Frankenhauser bereits 1993 vom Außenamt beschieden.

Offenbar war aber die Haltung in- nerhalb der christdemokratischen Par-

tei nicht einheitlich, denn der auch sonst deutschlandpolitisch verdienst- volle derzeitige Ehrenvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Alfred Dregger, hatte sich wiederholt und mit großer Entschie- denheit dafür ausgesprochen, diese schändlichen Klauseln, die allen ange- strebten internationalen Vereinbarun- gen und Zielvorstellungen Hohn spre- chen abzuschaffen. Selbst der national- politisch viel zurückhaltender argu- mentierende vormalige Repräsentant der alten Bundesrepublik, Rüdiger von Wechmar, sprach sich unlängst in ei- nem Interview mit dem Deutschland- funk dafür aus, die entsprechenden Klauseln zu streichen.

Auch in der UNO selbst ist die Hal- tung seit Jahren deutlich: „Für mich ist ganz klar, daß diese Klausel wegfällt", erklärte UNO-Generalsekretär Boutros- Ghali. Die russische Regierung war vor Jahren sehr weit vorangegangen und wollte im Sicherheitsrat Deschließen lassen, daß die Klauseln „ihre originale Bedeutung verloren haben" und nur

„eine Tatsache der Geschichte" darstel- len. Doch der von Moskau gewünschte Beschluß kam nicht zustande. HL

zurückzuführen wäre.

G

ewiß ließe sich viel darüber sagen, ob das geradezu leichtfertig zu nennende Ein- gehen auf die US-amerikanische For- derung nach Globalisierung der Handels- und Finanzmärkte nicht besser unterblieben wäre. Die Tal- sohle ist hier noch keineswegs schon erreicht - und auf der Strecke bleibt gewiß all das, was sich bisher mit dem Begriff „soziale Marktwirt- schaft" verknüpfte. Eine Verstär- kung des nationalen Agrarsektors zur Bindung von Arbeitslosen wäre hier ebenso vorstellbar gewesen wie eine gezielte Einstimmung der Indu- strie auf langfristig anzustrebende Autarkie unter Beibehaltung von

„Ideen-Export" rund um den Erd- ball, denn die fortschreitende Auto- matisierung setzt immer mehr A r - beitskräfte frei, deren brachliegende Energien keineswegs in Vergnü- gungs- und Freizeitparks gebunden werden können.

Der Blick auf die eigenen Möglich- keiten m u ß keineswegs zu selbstge- fälligem Philistertum führen könnte bei entsprechender A . gung durch Verantwortliche 50g

(2)

Politik

& 0 5 £ ) f l j m u J i m M a i ! 5. Oktober 1996 - Folge 40 - Seite 2 zu neuer Selbstfindung führen, die

jenseits pseudoreligiöser Plattitüden die zentraleuropäische Tradition der Individualitäten aufgriffe. Denn die Geschichte Mitteleuropas ist die Ge- schichte des Ichs, «las sich entwickeln und ausformen möchte, der freien Persönlichkeit. Die etwa gegenwär- tig mit unseren Jugendlichen prakti- zierten Methoden, sie beispielsweise Musikveranstaltungen rauschartig passiv erleben zu lassen, bei denen einige wenige Rhythmus und Takt vorgeben, w ä h r e n d die übergroße Zahl nur mit den H ä n d e n Staccato klopft, ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was Mitteleuropäern gut- täte.

N

atürlich ist die Geschichte Mitteleuropas immer auch die Geschichte ihrer Gegen- spieler gewesen, denn ein Volk kann durch fremde kulturelle Vorstellun-

f

en so nachhaltig unterdrückt wer- en, d a ß seine Anlagen verküm- mern. Fehlt hier noch immer die gei- stige Dimensionierung des mitteleu- ropäischen Lebens, so wächst auch im praktisch-politischen Geschäft das Alltags das Gefühl der Ohn- macht des Bürgers. Dieser Tage wur- de bekannt, d a ß 17 Milliarden Mark von deutscher Seile allein für den Bosnienkrieg und seine Begleitfol- gen aufgebracht wDrden sind. Dies sind immerhin satte 2100 Mark pro Kopf, die jedem Deutschen eigent- lich in der Tasche fehlen, oder der Wissenschaft, u m Ideen z u liefern.

Liegt es daran, d a ß die Zahl der Wähler immer geringer wird, weil dem Bürger immer stärker die Mög- lichkeit genommen wird, nachhalti- geren Einfluß auf das politische Ge- schehen nehmen z u können. Er ist immer ausschließlicher dazu erko- ren, die Versprechungen der Politi- ker für bare M ü n z e z u nehmen, ob- schon ihm die praktische Vernunft sagt, d a ß er weder alle gewieft gege- benen Anspielungen noch komplexe außenpolitische Geschehnisse z u deuten vermag. Er m u ß nur i m nach- hinein die Folgen „erleben", oft ohn- mächtig.

Die kommende Kraft, die künftige Partei, kann nur diejenige sein, die den deutschen Bürger nicht z u einem Schuldknecht auf Dauer macht, den skrupellosen Freihandel der Gefühle und Versprechungen abwehrt und die Anlagen der Persönlichkeit von ihrem Vermögen her befördert.

Kunstraub:

„Mit vorgehaltener Pistole ..."

Süffisante TV-Berichterstattung über angebliche deutsche Kulturbarbarei

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UNABHÄNGIGE WOCHEN- ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Chefredakteur: Horst Stein

(Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeitgeschehen, Leserbriefe:

Peter Fischer, Hans Heckel (Freier Mit- arbeiter), Markus Zehme; Kultur, Unter- haltung, Frauenseite: Silke Osman;

Geschichte, Landeskunde: Hartmut Syskowski; Heimatkreise, Gruppen, Ak- tuelles: Malke Mattern; Ostpreußische Familie: Ruth Geede.

Ständige Mitarbeiter: Alfred v. Arneth (Wien/Bozen), Pierre Campguilhem (Pa- ris), Helmut Kamphausen (Gartow), Eleo- nore Kutschke (Allenstein/Stettin), Jür- gen Mathus (Bonn), Dr. Paul Polak (Prag), Willy Fehling (Berlin).

Anschrift für alle: Parkallee 84/86,20144 Hamburg. Verlag: Landsmannschaft Ost- preußen e.V., Parkallee 86,20144 Ham- burg. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Lands- mannschaft Ostpreußen. - Bezugspreis Inland 11,50 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 14,90 DM monatlich, Luftpost 21,40 DM monatlich. Konten: Landesbank Ham- burg, BLZ 200 500 00, Konto-Nr.

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Seit Beginn der Beutekunst-De- batte sinnen zahllose kluge Köpfe ü b e r Möglichkeiten einer Retour- kutsche an Deutschland. D i e aben- teuerlichsten Konstrukte werden geliefert, u m auch die beraubten Deutschen als Langfinger z u „ent- larven". So geschah es wieder a m Sonntag, dem 22. September 1996, als die A R D i n ihrem „Kulturwelt- spiegel" eine Sendung des West- deutschen Rundfunks ü b e r angeb- lich v o n Deutschen geraubte Kunst- werke i n Italien zeigte.

Die z u s t ä n d i g e Redakteurin G a - briele Krone-Scnmalz k ü n d i g t e mit süffisantem T o n den offensichtlich aus dem Italienischen ü b e r n o m m e - nen Beitrag mit der Behauptung an, man denke zwar beim Begriff „Beu- tekunst" z u n ä c h s t an v o n Sowjets geraubte deutsche Kunstwerke, doch h ä t t e n auch „die deutschen Besatzer ... massenweise G e m ä l d e , Skulpturen u n d archäologische Functstücke" w ä h r e n d des Zweiten Weltkrieges aus Italien nach Deutschland geschafft.

„Kritisch hinterfragt" wurde i n - des nichts, auch die Fachliteratur blieb unbeachtet. Stattdessen be- g n ü g t e n sich die deutschen Fern- sehmacher damit, einfach die italie- nische Lesart z u ü b e r n e h m e n . Dar- in werden die bereits kurz nach dem Kriege vorgetragenen Behauptun- gen wiederholt, d a ß der Kunst- schutz der deutschen Wehrmacht, der - was internationale Gremien mehr als einmal g e r ü h m t haben - nicht selten unter Gefahr für Leib u n d Leben italienische Kunstwerke vor der herannahenden Front i n S i - cherheit gebracht hatte, nichts an- deres gewesen sein soll als eine K u n s t r ä u b e r b a n d e . Dabei erfolgte

Bevölkerungspolitik:

die Sicherstellung stets i n Überein- stimmung mit offiziellen italieni- schen Stellen u n d in der Regel auch kirchlichen Instanzen. Die v o n der Wehrmacht geretteten Kunstwerke sind nahezu ausnahmslos, soweit sie nicht dennoch dem Krieg z u m

Wurde trotz deutscher Bedenken zu einem Ort der Hauptschlacht mit folgenschweren Zerstörun- gen: Montecassino - die Kunst- s c h ä t z e , darunter Tausende v o n Pergamenten, w u r d e n schließlich unter m a ß g e b l i c h e r Beteiligung deutscher Soldaten v o n dort i n den Vatikan verbracht

Opfer gefallen sind, i n den ersten Nachkriegsjahren nach Italien z u - rückgekehrt.

Der Beitrag geht auch auf Kunst- werke ein, die mit italienischer staatlicher Genehmigung u n d unter Einhaltung aller Export- u n d Steu- erbestimmungen v o n deutschen Stellen vor u n d w ä h r e n d des Krie- ges i n Italien gekauft worden sind.

E i n italienischer Sprecher behaup- tet, die Verkäufe seien „mit vorge- haltener Pistole" erzwungen wor-

den. Daher m ü ß t e n nunmehr i n Verhandlungen zwischen Deutsch- land u n d Italien die Kaufverträge für u n g ü l t i g erklärt u n d die damals erworbenen Kunstwerke an Italien ausgeliefert werden. O b damit auch die R ü c k z a h l u n g der Kaufsumme an Deutschland verbunden sein soll, wurde nicht e r w ä h n t .

Z u den a n g e f ü h r t e n Beispielen g e h ö r e n D e c k e n g e m ä l d e des Seba- stiano Ricci aus Venedig, die sich heute i n der Berliner G e m ä l d e g a l e - rie befinden, die sich mit F u g u n d Recht weigert, sie herauszugeben.

Im „ K u l t u r w e l t s p i e g e l " w u r d e be- hauptet, M u s s o l i n i habe die G e m ä l - de Hitler geschenkt. Tatsächlich sind sie mit Billigung des italieni- schen Erziehungsministeriums mit einer o r d n u n g s g e m ä ß e n Ausfuhrli- zenz i m November 1941 nach Deutschland verkauft worden, w o - bei Deutschland neben d e m verein- barten Kaufpreis i m Gegenzug noch ein G e m ä l d e aus dem 16. Jahr- hundert mit dem Titel „Die Belage- rung v o n C a n d i a " d e m italieni- schen Staat ü b e r e i g n e t e .

Verschwiegen wurde, d a ß der ita- lienische Staat mit Hilfe der Besat- z u n g s m ä c h t e aus Deutschland schon einen Großteil der seinerzeit legal gekauften Kunstwerke z u - rückholte, ohne eine Gegenleistung z u erbringen. Die Regierung A d e - nauer hatte i n der Hoffnung, damit das deutsch-italienische Verhältnis z u verbessern, der Handhabung zugestimmt.

Jetzt beginnt offenbar eine neue Kampagne, die jeder rechtlichen Basis entbehrt u n d nichts anderes ist als der Versuch, Deutschlands K u n s t s c h ä t z e weiter z u p l ü n d e r n .

Hans-Joachim v. Leesen

2040 noch 68 Mill. Bundesdeutsche?

Er glaube, soll einst Winston Churchill gesagt haben, an keine Statistik, die er nicht selber gefälscht habe. U n d tatsächlich läßt sich mit S t a t i s t i k e n u n d i h r e n D u r c h - schnittswerten fast alles ermitteln.

Bestes u n d immer wieder angeführ- tes Beispiel: Wer die linke H a n d auf einer heißen Herdplatte u n d die rechte i n einem Eiskübel hat, ge- nießt statistisch gesehen eine ange- nehme Durchschnittstemperatur.

Dennoch kommen Politiker u n d Wissenschaftler ohne die langen Zahlenkolonnen nicht mehr aus.

Ohne Daten ließen sich ü b e r h a u p t keine verläßlichen Planungen mehr erstellen.

Die jüngste Prognose der Statisti- ker m ü ß t e eigentlich alle A l a r m - glocken i m Bundestag schrillen las- sen: Danach soll die ziahl der E i n - wohner i n Deutschland v o n derzeit 81,5 M i l l i o n e n auf nur noch 68 M i l - lionen i m Jahre 2040 sinken. Dies berichtete der P r ä s i d e n t des Statisti- schen Bundesamtes, Johann H a h - len, in Bonn. Zugleich steigt der Anteil der älteren Generation.

Z u m R ü c k g a n g der Bevölkerung kommt es nach Angaben v o n H a h - len trotz einer geschätzten Z u w a n - derung v o n jährlich 100 000 A u s - siedlern und. A u s l ä n d e r n . Selbst wenn man v o n einer doppelt so ho- hen Zuwanderung ausgene, werde die Einwohnerzahl auf 74 M i l l i o n e n Menschen z u r ü c k g e h e n . Bei einer völligen Abschottung des Landes gegen Zuwanderer w ü r d e die E i n - wohnerzahl sogar auf 63 M i l l i o n e n i m Jahre 2040 sinken. Eine „Bevöl- kerungspolitik" i m positiven Sinne ist i n Bonn jedoch v e r p ö n t . Z u sehr fürchten die Politiker, i n einen Topf mit der „ M u t t e r k r e u z " - I d e o l o g i e vergangener Zeiten geworfen z u werden.

A u c h i n der Frage der Zuwande- rung ist die deutsche Politik hand- lungsunfähig: W ä h r e n d die U n i - onsparteien die Tatsache der mas- senhaften Einwanderung v o n A u s - l ä n d e r n (legal u n d illegal) weitge- hend ignorieren u n d nur am E i n - b ü r g e r u n g s r e c h t hantieren, fordern S P D , F D P u n d G r ü n e ein Zuwande- rungsgesetz mit Jahresquoten. W i s - senschaftliche Erkenntnisse wer- den dabei ignoriert: Durch die weit- gehend freie Fahrt nach Deutsch- land oder (später) z u ho- he Einwanderungsauoten bekom- men ältere Bürger, deren Lebensar-

Im Banne einer falsch interpretierten

„Mutterkreuz"-Ideologie

beitszeit jetzt verlängert w i r d , keine Arbeit mehr. A u c h Frauen w i r d die Beschäftigung erschwert. Leise u n d z u r ü c k h a l t e n d formulieren W i s - senschaftler wie der D a r m s t ä d t e r Bert R ü r u p heute beinahe Unaus- sprechliches: U m die Sozialversi- cherung z u stabilisieren, dürften einwandernde A u s l ä n d e r nicht äl- ter als 40 Jahre sein u n d m ü ß t e n mindestens Facharbeiterqualifika- tion haben.

Ungebrochen dagegen ist das Wachstum der Menschheit insge- samt: Die Statistiker schätzen eine Zunahme der W e l t b e v ö l k e r u n g v o n jetzt 5,7 auf 9,8 M i l l i a r d e n i m Jahre 2050. Derzeit sprechen die Er- mittlungen der Wissenschaftler je- doch für weit h ö h e r e Zuwande- rungszahlen nach Deutschland. So wanderten 1995 408 000 Menschen ein, davon 228 000 A u s l ä n d e r u n d 180 000 Aussiedler. 1994 waren es

„ n u r " 330 000. A u ß e r d e m kamen 1995 rund 130 000 Asylsuchende.

Wegen des anhaltenden Gebur- t e n r ü c k g a n g e s (1994 29 000 weni- ger-insgesamt 770 000 Neugebore- ne) verschiebt sich der Altersaufbau immer weiter i n Richtung der älte- ren Generation. So lag die Z a h l der ü b e r 65jährigen bereits 1991 bei 15,4 (12,5 Millionen) der G e s a m t b e v ö l - kerung u n d wuchs seitdem weiter stark an. G r u n d ist die weiter stei-

f

ende Lebenserwartung, die v o n en Statistikern jetzt mit 72,8 Jahren für neugeborene Jungen u n d 79,3 Jahren für M ä d c h e n angegeben w i r d . Bisher ist der Bonner Koaliti- on zur weiteren Verschiebung der Alterspyramide nach oben nicht mehr eingefallen als die A l t e r s b e z ü - ge neuer Rentner z u k ü r z e n , u m die Sozialversicherung bezahlbar z u halten.

Einwanderung u n d Geburten- ü b e r s c h u ß lassen die Z a h l der i n Deutschland lebenden A u s l ä n d e r weiter hochschnellen. Sie stieg v o n 6,6 M i l l i o n e n (1992) auf 7,2 M i l l i o - nen Ende letzten Jahres. Darunter bilden die T ü r k e n mit z w e i M i l l i o - nen die g r ö ß t e Gruppe.

Es gibt k a u m einen Lebensbe- reich, der v o n den Statistikern nicht unter die L u p e genommen w ü r d e : So berichten Hahlens Mitarbeiter i m neuen „Statistischen Jahrbuch"

des Wiesbadener Bundesamtes, d a ß 1994 13,8 u n d 1995 14,4 M i l l i o - nen Deutsche ins Krankenhaus m u ß t e n . Jeder Patient blieb i m Durchschnitt 14 Tage. 12 M i l l i o n e n B u n d e s b ü r g e r sind ehrenamtlich tätig. 700 000 singen i n Gesangver- einen oder C h ö r e n . 85 519 Sportver- eine besiedeln das L a n d . A u ß e r d e m gibt es i n der Bundesrepublik 5314 Naturschutzgebiete mit insgesamt 6845 Quadratkilometern. H L

Kommentare

Heilige Wut

K a u m etwas löst derart heftige W u t aus, w i e die V e r l e t z u n g reli- g i ö s e r G e f ü h l e . D i e Siedlungspoli- tik, die r e g e l m ä ß i g e n , r u i n ö s e n A b s p e r r u n g e n Gazas u n d des Westjordaruandes trugen die Palä- stinenser noch mit für orientalische V e r h ä l t n i s s e b e t r ä c h t l i c h e r Ge- d u l d . D o c h mit der als S c h ä n d u n g empfundenen Tunnelerweiterung unter den heiligen S t ä t t e n der Mos- lems i n Jerusalem w a r der Rubikon ü b e r s c h r i t t e n . Es verwundert, d a ß gerade Juden dies nicht voraus- ahnten. W i r erinnern uns, w i e groß die E m p ö r u n g v o n Juden i n aller Welt war, als das G e l ä n d e eines (von der G e m e i n d e v o r Jahrzehn- ten v e r ä u ß e r t e n ) ehemaligen jüdi- schen Friedhofs i n H a m b u r g - A l t o - na ausgeschachtet w e r d e n sollte.

D a ist es keineswegs vermessen, den seinerzeit eingeklagten Re- spekt v o n d e n damals E m p ö r t e n auch anderen Glaubensgemein- schaften g e g e n ü b e r z u fordern.

Jan Bremer

Sog nach Berlin

„ D i e Berliner R e p u b l i k k o m m t "

titelte das US-amerikanische N a c h - richtenmagazin „ T i m e " i n seiner j ü n g s t e n Ausgabe. Bemerkenswert für ein U S - M e d i u m : Das rasante Heranwachsen v o n m ö g l i c h e r w e i - se „ E u r o p a s f ü h r e n d e r Metropole des 21. Janrhunderts" w u r d e dies- m a l nicht i n Schreckensszenarien eines neuen NS-Staates g e p r e ß t , garniert mit Fotos k o s t ü m f a s c h i s t i - scher Unterschicht-Deutscher, g r ö - lend u n d d e n H i t l e r g r u ß imitie- rend. A u c h fehlt jede H ä m e ü b e r die gewaltigen Probleme des U m - brucns auf allen Ebenen unseres Landes. N e i n , offenbar haben die A u t o r e n auch das amerikanische Interesse daran entdeckt, d a ß die deutsche Politik v o n der „ K ä s e -

§

locke der Beamtenstadt B o n n "

efreit w i r d u n d k ü n f t i g i n der Le- benswirklichkeit einer Weltmetro- pole ihre Gestalt bekommt. Was die ganze Welt n u n schon w e i ß , ist vergangene W o c h e nach fünfjähri-

§

en W e h e n auch d e m deutschen undesrat klargeworden: A b 1999 w e r d e n i n B e r l i n die Geschicke Deutschlands gelenkt, u n d wer mitreden w i l l , m u ß a n der Spree dabeisein. Das w e r d e n b a l d etliche Regierungsstellen z u s p ü r e n be- k o m m e n , die partout a m Rhein bleiben w o l l e n . D i e Regierung, die beiden Parlamentskammern und nicht zuletzt die M e d i e n werden in Berlin ihren Stammsitz haben. U n d w e r mit i h n e n dort ist, w i r d den

„ B o n n e r n " i m m e r einen Schritt voraus sein. H a n s Heckel

Verfassungswidrig?

A m 19. N o v e m b e r beginnt das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t i n Karlsruhe Verhandlungen ü b e r die V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t der soge- nannten „ G r u n d m a n d a t s k l a u s e l " . Ihr verdankt die P D S den E i n z u g in den Bundestag, denn sie besagt:

Parteien, die an der Fünf-Prozent- H ü r d e scheitern, k o m m e n trotz- d e m ins Parlament, w e n n sie min- destens drei Direktmandate errun- gen haben. D i e P D S errang i n Ost- Berlin vier u n d konnte aufgrund der Klausel ihrem gesamten Stim- menanteil entsprechend 30 Manda- te i n B o n n erobern, o b w o h l sie fünf Prozent verfehlte. So sehr indes das m ö g l i c h e parlamentarische Ende der P D S 1998 alle Demokraten beru- higen mag, die Abschaffung der Klausel k ö n n t e ebensogut auch ei- nen Solidarisierungseffekt mit den SED-Fortsetzern a u s l ö s e n u n d sie r e g u l ä r ü b e r die Fünf-Prozent-Hür- de heben. D a n n w ä r e n die Linksra- dikalen so stark u n d selbstbewußt i m Nationalparlament w i e seit Wei- marer Zeiten nicht mehr. Eine Ent- scheidung w i r d schon Anfang 1997 erwartet. Thor Hartwigsen

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Themen der Zeit Deutschland 1989. Die

von Dutschke einst zum langen Marsch durch die Institutionen Gerufenen sind zwanzig Jahre spä- ter überall im Lande an die Macht gelangt. In Parteien, Gewerkschaf- ten, Verlagen und Fern- sehanstalten, sogar in der Kirche und in der Justiz. Ihr Einfluß reicht bis in die obersten deut- schen Gerichte. Ein neu- es, bitter notwendiges Sachbuch von Klaus J.

Groth zeigt auf, mit welchen Mitteln die an die Macht gelangten 68er ihre Herrschaft sichern.

U

m d i e e i n m a l erreichte M a c h t p o s i t i o n au ch z u erhalten, hatten sich d i e Guten Deutschen, v o r s o r g l i c h , m a n k a n n ja nie w i s s e n , m i t Par- t e i ä m t e r n , Chefredakteurs-Ses- seln u n d Intendantenposten aus- gestattet, sich gegenseitig vorge- schlagen, ernannt u n d auf L e - benszeit u n k ü n d b a r ins A m t ge- setzt, seit Jahren a uch politisch genehme, sogenannte „ k r i t i s c h e "

(also linke) Stellvertreter u n d selbst deren Nachfolger ausge- w ä h l t u n d herangebildet. A l l e s schien perfekt. Ihre eigenen M e - d i e n b e s t ä t i g t e n i h n e n t ä g l i c h , w i e r i c h t i g sie gehandelt haben, d i e Parteien beschlossen i n i h r e m Sinne, u n d d i e B e h ö r d e n u n d Gerichte f ü h r t e n i h r e n W i l l e n aus.

D i e ganze Sache w a r idiotensi- cher u n d scheinbar für die E w i g - keit installiert, bis p l ö t z l i c h d i e W i e d e r v e r e i n i g u n g , für d i e m e i - sten der 68er eine Katastrophe, für alle eine narzistische K r ä n - k u n g , hereinbrach. - G r a s s ' B u c h

„ E i n weites F e l d " w a r nichts w e i - ter als ein P r o t o k o l l dieser K r ä n - k u n g , d i e jeder auf seinem Gebiet erlebt hatte. W a r e n es nicht die deutschen Intellektuellen, von Grass

Klaus J. Groth: Die Diktatur der G u - ten. München 1996, geb. mit Schutz- umschlag, 319 Seiten, 39,90 D M bis Bahr und von Gaus bis Bednarz, d i e i n bester A b s i c h t jahrelang H o n e c k e r ( „ H o n n e y " ) u n d Breschnew, H e r m a n n K a n t u n d C h r i s t a W o l f s t ü r m i s c h u m w o r - ben hatten u n d d e n Insassen der d u r c h d e n „ a n t i f a s c h i s t i s c h e n S c h u t z w a l l " e i n g e z ä u n t e n D D R , n a c h meist k u r z e n Besuchen, ger- ne b e s t ä t i g t hatten, d a ß sie dort eigentlich ganz g e m ü t l i c h lebten u n d nicht a l l z u v i e l auszustehen h ä t t e n ?

P l ö t z l i c h aber g i n g e n Leute, d i e nie eine Z e i l e v o n d e n 68er P r o - pheten gelesen hatten ( w o h l aber unseren k l u g e n u n d eigentlich zutiefst a n t i k o m m u n i s t i s c h e n D i c h t e r Bertolt Brecht), auf die S t r a ß e u n d riefen w i r s i n d das V o l k u n d b a l d darauf: Wir sindein Volk. E i g e n t l i c h nichts Neues, w ü r d e n Franzosen u n d Italiener, E n g l ä n d e r u n d P o l e n sagen. K e i - ner i m A u s l a n d w a r ü b e r r a s c h t , aber der Schock i n d e n „ T u g e n d - E t a g e n " w a r gewaltig. W u t a u s - b r ü c h e , w i e d i e des Berliner Journalisten W i g l a f Droste, es g ä b e „ n i c h t s A b s t o ß e n d e r e s als

die V o r s t e l l u n g einer Wiederver einigung: noch mehr Deutsche auf einem H a u f e n " , blieben die A u s n a h m e . D i e meisten schluck- ten die E n t t ä u s c h u n g herunter u n d verstummten - jedoch nur für eine ganz kurze Zeit. D a n n , nach einer Pilotveranstaltung der S E D auf d e m Alexanderplatz, schlugen auch sie A l a r m : Eine

„ n e u e Rechte" sei aufgetaucht, populistisch mit den „ S t a m m t i - schen" verbunden, dringe i n die demokratischen Parteien ein, sei eine Gefahr für die Demokratie.

A u s g e l ö s t w u r d e dieser A l a r m d u r c h fremdenfeindliche Strafta- ten v o r w i e g e n d jugendlicher, meist betrunkener R o w d i e s , frei- l i c h auch d u r c h a b s t o ß e n d e anti- semitische Schmiererein u n d G r a b s c h ä n d u n g e n , w i e sie auch 1964 u n d 1967 die deutsche Öf- fentlichkeit e m p ö r t hatten. Diese aber waren, w i e m a n heute w e i ß , v o m tschechoslowakischen G e - heimdienst i n Zusammenarbeit mit d e m Staatssicherheitsdienst der D D R inszeniert w o r d e n . D i e W i r k u n g dieser sinnlosen Terror-

akte w a r die gleiche: E i n Signal für die Berliner R e p u b l i k ? Die von der S E D / P D S i m Februar 1990 i n der ehemaligen D D R - Hauptstadt organisierte Demonstration für eine „antifaschistische Einheitsfront" Foto dpa

Jakobinischer Meinungsterror

In Deutschland macht sich wieder die Zensur breit

V o n K L A U S R A I N E R RÖHL F ü n f z i g Jahre nach d e m K r i e g

e r k l ä r t e m a n , den A n f ä n g e n e i - nes neuen Faschismus, ja A n t i s e - m i t i s m u s w e h r e n z u m ü s s e n . Es s t ö r t e k a u m , d a ß Statistiken, M e i - nungsumfragen u n d Wahlergeb- nisse das pure Gegenteil bewie- sen.

Das w a r die Geburtsstunde der

E

olitischen Korrektheit i n

•eutschland, die E i n t e i l u n g der M e n s c h e n i n gute (korrekte) u n d b ö s e (inkorrekte). A u s d e m K u l - turbetrieb der amerikanischen Campus-Gesellschaft (der Ost- k ü s t e ) ü b e r n a h m m a n lediglich das W o r t p o l i t i c a l correct. D o c h der Begriff erlebte i n Deutsch- l a n d einen erheblichen Bedeu-

Klaus J. Groth

D I E D I K T A T U R D E R

GUTEN

Political Correctness

Herbig

tungswandel. D i e Sprache des Protestes verwandelte sich i n eine Sprache der Herrschaft. D e r meist aus psychoanalytischen u n d marxistischen B e s t ä n d e n k o m m e n d e Jargon der 68er w a n - delte sich, w i e G r o t h an u n z ä h l i - gen Beispielen vorzeigt, i n die Sprache der „ p o l i t i s c h e n K o r - rektheit". Ü b e r d e n richtigen Sprachgebrauch, die E i n h a l t u n g der richtigen Tabus u n d Denk- verbote - ü b e r die Aufrechterhal- t u n g der guten Sitten, die G e - s c h ä f t s g r u n d l a g e des guten L e -

bens, wachen fortan die „ G u t e n Deutschen", die der Sachbuchau- tor K l a u s G r o t h , f r ü h e r Chefre- dakteur einer g r o ß e n deutschen Tageszeitung, kenntnisreich u n d ironisch p o r t r ä t i e r t , selbster- nannte Tugend-Kommissare w i e Bednarz u n d Pleitgen, Sommer u n d Bissinger, G i o r d a n o u n d Lea Rosh, F r i e d m a n n u n d Bubis, Bahr u n d Gaus, Grass u n d Jens.

N a t ü r l i c h ü b e r t r u g e n die p o l i - tisch Korrekten auch ein paar halb scherzhafte, halb bierernste Gleichstellungsvokabeln aus d e m A m e r i k a n i s c h e n i n die Be- h ö r d e n s p r a c h e u n d erfanden ei- gene deutsche W o r t u n g e t ü m e w i e die M a g n i f i z e n z i n oder die D o k t r i x , die S c h ö p f e r i n oder die Geschwisterlichkeit, statt Brü- derlichkeit. G a n z z u schweigen v o n d e m „ M i t b ü r g e r afrikani- scher Herkunft", u m dessen Hautfarbe oder ü b e r h a u p t Farbe (amerikanisch: black!) nicht z u e r w ä h n e n oder z u umschreiben m a n wahre A f f e n t ä n z e veranstal- tete oder den i n aller Welt so ge- nannten Zigeunern, die m a n selbst als „ L a n d f a h r e r " oder „ r u - m ä n i s c h e A s y l b e w e r b e r " aus der K r i m i n a l s t a t i s t i k a u s b l e n d e n wollte.

D o c h u m alle diese kleinen K o r - rekturen u n d Umbenennungen geht es der F ü h r u n g s r i e g e der po- litisch Korrekten u n d „ g u t e n Deutschen" nicht. W o r u m es i h - nen, den dauerbetroffenen T r a u - erarbeitern geht, ist dies: ihre ei- genen Positionen z u sichern, s i - cherzustellen, d a ß auch fünfzig Jahre nach d e m Kriegsende die - nach ihrer A n s i c h t - weiterhin n ö t i g e E r z i e h u n g der S t a a t s b ü r - ger deutscher A b s t a m m u n g ( P C - Ersatzbegriff für: Deutsche) z u

„ g u t e n Deutschen", „ g u t e n E u r o - p ä e r n " , W e l t b ü r g e r n u n d Welt- Zahlmeistern weiterhin stattfin- det. A u s den Anstandsregeln der Politischen Korrektheit ist i n z w i - schen ein Tugend terror durchaus jakobinischer Machart gewor- den. Gerade wir als Deutsche. M ü s - sen, sollten, d ü r f e n nicht. Besorg- nisse ü b e r die E u r o p a - W ä h r u n g

gelten als a n t i e u r o p ä i s c h , diffe- renzierte Studien ü b e r den N a t i o - nalsozialismus als Sympathie für den „ F a s c h i s m u s " . Geschichts- forschung, auch ü b e r das erste Auftreten des Wortes deutsch z u r Zeit K a r l s des G r o ß e n , als natio- nalistisch! Bloße A n s ä t z e z u einer nationalen Selbstwahrnehmung, geschweige denn z u einem natio- nalen S e l b s t b e w u ß t s e i n , gelten als Gefahr v o n rechts.

A b e r etwas fehlt. Sie selbst w ü r - den es, i n ihrer verquasten Spra- che, mangelnde A k z e p t a n z nen- nen. Das V o l k , d a ß ein V o l k sein wollte, w i l l nicht dienlich sein.

D i e Mehrheit der Deutschen, die v e r h a ß t e n „ S t a m m t i s c h e " : V e r - triebene, Sportvereine, S c h ü t z e n - vereine, K e g e l b r ü d e r , Gesang- vereine, Karnevalsvereine, A l - p e n v e r e i n e , T a u b e n z ü c h t e r , Bergwanderer, Bausparer, H a u s - besitzer u n d H ä u s l e o a u e r , Rent- ner u n d P e n s i o n ä r e , H o b b y g ä r t - ner u n d K l e i n g ä r t n e r , A u t o f a h - rer, Segel- u n d Tennisclubmit- glieder, sie alle m ö g e n eben nicht Bednarz u n d seine Freunde jeden A b e n d gramzerfurcht die deut- schen Z u s t ä n d e beklagen h ö r e n ,

leidigt i n den P a r t e i f ü h r u n g e n , bei den Rundfunk- u n d Fernseh- Kommentatoren h e i ß t u n d i n Leitartikeln u n d Diskussionen landauf, landab beklagt w i r d . D o c h die Deutschen sind keines- wegs politikverdrossen. Sie sind nur ü b e r die Politik, die heute ge- macht w i r d , ü b e r die meisten P o - litiker u n d ihre Parteien verdros- sen. Sogar z u n e h m e n d verdros- sen. In der Tat, sie machen die W a h l e n i m m e r verdrossener mit, u n d die A n z a h l der N i c h t W ä h l e r steigt. Viele halten A u s s c h a u nach einer Partei, die sie mit we- niger Vorbehalten w ä h l e n k ö n n - ten als die C D U , die nicht nur die Partei H e l m u t K o h l s u n d Wolf- gang S c h ä u b l e s ist, sondern, i m Gegensatz z u r C S U , auch die Par- tei Rita S ü s s m u t h s , deren E i n - schaltquoten aus d e m SPD-Lager k o m m e n .

Der erbitterte K a m p f der V o r - k ä m p f e r der politischen Korrekt- heit i n den M e d i e n gegen die Mehrheit der Deutschen, die

„ S t a m m t i s c h e " erweist sich da- her keineswegs als Verfolgungs- w a h n oder Wahnvorstellung. E r

Gestörtes Verhältnis zu demokratischen Regeln

nicht jeden A b e n d die M i ß m u t s - filme ü b e r die U n t e r d r ü c k u n g der Frau, der Obdachlosen u n d der Asylbewerber ü b e r den B i l d - schirm flimmern sehen, nicht mehr die tiefe Betroffenheit u n d das Gerade wir als Deutsche bei der E i n w e i h u n g des f ü n f h u n d e r t s t e n Denkmals ü b e r sich ergehen las- sen. D i e Deutschen, die i n der Sprache der politisch Korrekten eigentlich nur S t a a t s b ü r g e r deut- scher Herkunft h e i ß e n d ü r f e n , die M i t b ü r g e r , die eigentlich M i t - b ü r g e r i n n e n h e i ß e n sollen, die m ü n d i g e n W ä h l e r , denen die M ü n d i g k e i t i m m e r nur v o n Fall z u Fall bescheinigt w i r d , w e n n sie keine Rechtsparteien g e w ä h l t ha- ben, die Deutschen sind politik- verdrossen. W i e es ein w e n i g be-

dient schlicht u n d einfach der Er- haltung der eigenen Macht.

Sie wehren seit fünfzig Jahren den „ A n f ä n g e n " u n d w o l l e n das deutsche V o l k am liebsten noch weitere 50 Jahre „ e r z i e h e n " . D a - bei sind sie selbst, w i e K l a u s J.

G r o t h s o u v e r ä n zeigt, i n bezug auf die demokratischen Spielre- geln blutige A n f ä n g e r , w e n n nicht Versager. Deshalb sollten w i r ihnen auf allen Gebieten W i - derstand leisten.

Wehret den A n f ä n g e r n .

Weitere Literatur z u m Thema der Politi- schen Korrektheit: Michael Behrens, Ro- bert von Rimscha, „Politische Korrektheit in Deutschland, Bonn 1995, Klaus Rainer Röhl, Deutsches Phrasenlexikon. Politisch korrekt von A bis Z, Berlin 1995.

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Politik

£ a s O f J p m i ß m M a i i 5. Oktober 1996 - F o l g e 4 0 - S e i t e 4

In Kürze

Teures Bosnien

17 Milliarden Mark zahlte Deutsch- land bislang für den Bosnien-Krieg.

Dies geht aus internen Berechnungen des Auswärtigen Amtes hervor, die jetzt von der „Welt am Sonntag" veröf- fentlicht wurden. Die Summe umfaßt militärische wie humanitäre Aufwen- dungen der Deutschen.

Streit unter Balten

Wegen umstrittener Erdöl-Förder- rechte in der Ostsee ist es zwischen Lettland und Litauen zum Streit ge- kommen. Die Seegrenze ist ungeklärt, dennoch will Riga bereits in diesem Jahr Fakten schaffen: Amerikanische und schwedische Firmen wurden mit der Erkundung der Vorkommen be- auftragt. Litauen bestreitet, daß die Umbenennung der „Lettischen Straße"

in Wilna in „Dudajew-Straße" eine Antwort auf den Zwist mit Riga.

Bayern investieren

Als hundertprozentige Tochter der Bayerischen Vereinsbank A G hat die

„Vereinsbank Polska S. A . " ihre Ge- schäfte aufgenommen. Dies meldet das

„Handelsblatt". Das Geldinstitut hat demnach ein Eigenkapital von rund 60 Millionen Mark. Hauptkunden der Bank seien 50 bis 100 in Polen investie- rende und Handel treibende deutsche Unternehmen sowie 50 bis 60 polni- sche Exportunternehmen.

Umweltschutz passe?

Nur noch 28 Prozent der Deutschen antworten auf die Frage, wo es die meisten Probleme gibt, mit „Umwelt- schutz", in Mitteldeutschland gar nur 19 Prozent. 1989 sahen noch 66 Prozent der Westdeutschen Umweltschutz als wesentliche Frage an. Jetzt rangiert er in der Prioritätenskala nur noch-auf Rang zwölf.

y • • * r ' f ! U n f 0 : i S h . T 3 v ~ 5«

Berichtigung

Im Kommentar „PDS-Agitation"

(Folge 39, Seite 2) ist der Redaktion ein Fehler unterlaufen. Autor Wilhelm v.

Gottberg weist darauf hin, daß nicht

„Abgeordneten/mmuw/täf", sondern

„Abgeordnetenmdenwitä'f" Frau Jelpke vor rechtlicher Heranziehung für diffa- mierende Äußerungen im Parlament schützt. Immunität schützt Parlamenta- rier vor allgemeiner strafrechtlicher Verfolgung, Indemnität vor der Ahn- dung gewöhnlich strafwürdiger Äuße- rungen, im Parlement gefertigt wurden.

Wir bitten das Versehen der Schlußre- daktion zu entschuldigen. d. Red.

Königsberg:

Regierungen behindern Verständigung

Russen und Ostpreußen kommen sich dennoch näher: Beispiel das Samland

„Die großen Hoffnungen, die w i r vor fünf Jahren hegten, sind verflo- gen." Damals glaubten alle an den großen Durchbruch für Königsberg, so auch der damalige Bürgermeister von Rauschen, Anatolij Mazin. Heu- te gibt sich der 43jährige Fischerei- kaufmann, der von 1990 bis 1992 an der Spitze des traditionsreichen Feri- enorts stand, etwas ernüchtert. N u r eines, so stellt der Vater von zwei Jungen beim Besuch des Pinneberger Samlandmuseums zufrieden fest, habe sich besser entwickelt als man- cher z u hoffen wagte: die menschli- chen Kontakte zu den Deutschen, vor allem z u den Samländern. Die jungen Verbindungen an der Basis naben offenbar aucn die politischen Irritationen und Rückschläge der jüngsten Zeit schadlos überstanden.

Nicht zuletzt ein Verdienst des Fisch- hausener Kreisvertreters Louis-Fer- dinand Schwarz. M i t i h m verstand M a z i n sich auf Anhieb, als er diesen

„sehr dynamischen M a n n " (so M a - zin) i m Juli 1991 kennenlernte.

A u s der neuen Freundschaft er- wuchs bald ein nicht eben alltägli- ches Projekt - ein ganzes Kreistreffen in der alten Heimat. Im Juni 1993 war es dann soweit: Stolze 450 Samländer kamen nach Rauschen.

So sehr ihn diese Fortschritte auf der menschlichen Ebene aber auch begeistern, die Schatten der Politik kann Anatolij M a z i n damit nicht ver- treiben. Moskauer Poliker betonten bei jeder Gelegenheit, d a ß das nörd- liche O s t p r e u ß e n russisch, nichts als russisch sei, und das für immer und ewig. Über diesen pausenlos wieder- holten Seitenhieb gegen eingebildete Begehrlichkeiten anderer Länder kann der Ex-Bürgermeister nur schmunzeln. „Als wenn sich die gan- ze Welt gerade u m uns risse", wovon nun wirklich nicht die Rede sein kön- ne. Im Gegenteil: Bei den von den Moskauer Oberen besonders bearg- w ö h n t e n Deutschen ist jede A r t von

„Königsberg-Euphorie verflogen.

Etliche potentielle Investoren son- dierten bloß und verschwanden so- gleich wieder. Andere scheuten die Unsicherheiten des russischen Rechts, etwa die Tatsache, d a ß Nicht- russen kein Land erwerben dürfen.

U n d schließlich wurden nicht weni- ge von einer sowjetgetrimmten Bü- rokratie so lange hängengelassen oder von Pontius z u Pilatus ge- schickt, bis sie entnervt das H a n d - tuch warfen.

Z u den Moskauer Spinnereien ge- sellt sich treffend die Bonner Linie,

e s s e s c h a u

„Deutschfeindlich"

In der „Zeit" setzt sich der russisch-jüdi- sche Schrißsteller Lew Kopelew kritisch mit der These von Daniel Jonah Goldhagen auseinander, die NS-Judenverfolgung sei aus der besonderen deutschen Geschichte geradezu zwangsläufig hervorgegangen.

Bereits in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es Pogrome in den südlichen Gebieten Rußlands. Mit dem Pogrom in Kischinjow 1903 be- gann eine Reihe massenhafter, mörde- rischer Ausschreitungen des von der zaristischen Polizei aufgehetzten Pö- bels, denen Zehntausende Juden in Odessa, Nikolajew, Bjelostok und in vielen Schtetln zum Opfer fielen.

1918 war ich sechs Jahre alt, doch jetzt noch kann ich mich sehr gut daran erinnern, wie in Kiew meine Eltern, deren Verwandte und Bekannte dar- über sprachen, daß allein die Deut- schen die Juden vor Verfolgung und Vernichtung retten würden.

Das Buch über die „willigen Voll- strecker" berichtet nichts Neues, son- dern versucht mit feuilletonistischer Fertigkeit, die alte NS-Parole: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer" aufzufri- schen. Damit wird es zu einer üblen

Nachrede, die antisemitische und deutschfeindliche Emotionen beleben kann.

Ein Dilettant

Die schweren Unruhen in den Palästinen- ser-Gebieten nimmt das „Hamburger Abendblatt" zum Anlaß für eine bittere Generalabrechnung mit der Politik des is- raelischen Premiers Netanjahu:

Schmerzlich müssen die Israelis er- kennen, daß ein Dilettant ihre Geschik- ke lenkt.

Wer permanent Öl ins Feuer gießt, darf sich nicht wundern, wenn ein Fun- ke - wie der Tunnelbau am Jerusalemer Tempelberg, in dem die Araber vor al- lem eine Schmähung ihrer heiligsten Stätten sehen - genügt, einen Flächen- brand auszulösen.

Dabei hatte Ägyptens Präsident M u - barak frühzeitig gewarnt: „Beim Aus- bruch einer neuen Intifada wird es nicht beim Werfen von Steinen blei- ben." Tatsächlich hat es Israel nicht mehr mit steinewerfenden Jugendli- chen zu tun, sondern mit 30 000 be- waffneten palästinensischen Polizisten und Hunderttausenden aufgebrachten Arabern.

Königsberg wie den Felsen der Sire- nen stets in weitem Bogen zu umfah- ren. So gibt es in der Pregelstadt noch heute kein deutsches Konsulat. „Das macht die Zusammenarbeit mit Deutschland enorm schwierig", be- klagt Mazins Dolmetscherin, die Rei- severanstalterin Ljubow Mostakowa.

Auf Abhilfe ist hier aber in nächster Zukunft nicht zu hoffen. Enttäuscht

tigen lassen. „Die menschlichen Kontakte sind ja auch letztlich wich- tiger als die große Politik", stellt A n a - tolij M a z i n entschlossen fest. Schon 1998 soll es wieder ein Kreistreffen der Samländer in Rauschen geben, und M a z i n ist sich sicher, d a ß es dann noch weniger Probleme geben w i r d als 1993. Bis dahin w i l l man i n Rauschen vor allem an der touristi-

Wollen sich von der Politik nicht entmutigen lassen: Louis-Ferdinand Schwarz, Anatolij Mazin und Ljubow Mostakowa (v. 1. n. r.) Foto Heckel berichtet LO-Bundesvorstandsmit-

glied Schwarz, d a ß er erst i m vergan- genen Jahr beim Besuch einer Delega- tion von BdV-Repräsentanten Bei Bundespräsident Herzog erleben mußte, wie schroff das Staatsober- haupt den Wunsch nach einem Kon- sulat am Pregel vom Tisch fegte.

Der russische Ex-Kommunalpoli- tiker wie der deutsche Vertriebenen- vertreter haben so beide ihre Sorgen mit Bonn oder Moskau. Verkehrte Welt: Da wollen die Menschen an der Basis endlich völkerübergreifend z u - sammenkommen - und ihre Staats- führungen, die so gern von „Völker- v e r s t ä n d i g u n g " predigen, legen H ü r d e auf H ü r d e . Doch Russen wie O s t p r e u ß e n wollen sich nicht entmu-

Aktion:

sehen Infrastruktur einiges verbes- sert haben. „Die Leute wollen ja heu- te mehr als nur essen und schlafen", weiß M a z i n . U n d zwei deutsche Re- staurants („Seestern" und „Gode- wind") gibt es bereits wieder i n dem alten noolen Seebad. A u c h ein Drei- Sterne-Hotel, Tennisplätze u n d ein Sanatorium.

Frau Mostakowa w i l l jetzt vor al- lem auch den Russischen Tourismus ankurbeln. „In meinen Reisegrup- pen bringe ich gern Deutsche und Russen zusammen, Qft ist es für die Russen das erste M a l , d a ß sie auf Deutsche treffen." Aber gewiß nicht das letzte M a l , trotz der Halsstarrig- keit i n Moskau und i n Bonn.

Hans Heckel

Gegen die Scheu vor Geschichte

Berliner Künstlerpaar bringt deutsche Historie auf Plakate

Eva und Sven Wiebers' Idee, Preu- ßen i n Plakatform z u präsentieren, ist i n eine Marktlücke gestoßen, de- ren Schließung dem Berliner Verle- gerpaar mittlerweile die Existenz si- chert. Vor nunmehr einem Jahr bann- ten sie die wichtigsten Etappen der Geschichte Preußens i n leicht ver- ständlicher Form auf einen Vier-Far- ben-Offsetdruck und fanden damit reißenden Absatz (Das Ostpreußen- blatt berichtete). Jetzt sind vier weite- re Plakate hinzugekommen.

Eva und Sven Wiebers wollen mit ihren großformatigen Plakaten inter- essierten Laien Geschichte nahebrin- gen. Übersichtlichkeit bei knappe- ster Darstellung ist ihnen dabei ober- stes Gebot, denn: „Die meisten M e n - schen scheuen geschichtliche The- men, weil ihnen z u m Verständnis ein klares Raster fehlt", erkannte Sven Wiebers.

Eine von ihren neuen Karten ordnet sämtliche Regenten der wich- tigsten deutschen Teilstaaten von 1500 bis 1918 überschaubar an einer Regierungsleiste. Schnell kann der Betrachter über dieses historische Koordinatensystem beispielsweise ermitteln, d a ß 1650 i n W ü r t t e m b e r g Eberhard III. regierte, oder feststel- len, d a ß Philipp 1., der „Großmütige Hesse", ein recht hübscher Kerl war.

Die 68 zugefügten Porträts setzen Leben vor die nüchternen biographi- schen Daten.

Die europäischen Regenten hat das Künstlerpaar auf einem Extraplakat beisammengerückt.

Im vierten Plakat ist die 500jährige Geschichte der Hanse erfaßt. E)ie

Darstellung behandelt die Vorzeit, die Anfänge und die Blütezeit der Hanse und vermittelt Einblicke in die politische, gesellschaftliche u n d k u l - turelle Entwicklung. Layout und Textauswahl verantwortet bei die- sem Thema ausschließlich Eva Wie- bers. Die gelernte Restauratorin ist i m norwegischen Bergen geboren, einem der wichtigsten H a n d e l s p l ä t - ze der Hanse. Darum „fühlte ich mich für dieses Thema i n die Pflicht

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enommen". A u c h der Sachse Sven Webers, den es i n den 80er Jahren nach Berlin verschlug, hatte das Ge- fühl, seinem Volksstamm etwas schuldig z u sein, und deshalb das Sachsenplakat entworfen. D a ß die Sachsen „ein Volk der Erfinder" wa- ren, hat der Kunstgeschichtler bei seinen Recherchen i n Berlins Biblio- theken herausgefunden. Dafür hät- ten sie i n der Politik die meisten Feh- ler begangen, findet er. Einige wer- den i n dem Plakat benannt:

Das Versagen König Friedrich A u -

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usts II. (Kurfürst August III.) etwa, er Graf Heinrich von Brühl soweit hat aufsteigen lassen, d a ß er sich 1738 z u m u n u m s c h r ä n k t e n Herrscher i n Sachsen erheben konnte und dann durch Korruption und Gewinnstre- ben den Staat zerrüttete.

Bislang belieferte der Wiebersver- lag (Linienstraße 75, 10119 Berlin) vornehmlich Museen und Buch- handlungen. Bleibt z u w ü n s c h e n , d a ß die ansprechenden Übersichts- karten auch in Schulen Einzug hal- ten, in denen man auf die Frage nach dem letzten deutschen Kaiser z u - meist nur ein Kopfschütteln als Ant- wort erhält. Kerstin Patzelt

Holstein:

Der SSW

macht mobil

Sollen die L ü b e c k e r z u r Bundes- tagswahl eine d ä n i s c h e Partei w ä h - len k ö n n e n ? D i e Frage k ö n n t e ihre A b s u r d i t ä t verlieren, w e n n der S ü d s c h l e s w i g s c h e W ä h l e r v e r b a n d (SSW), die Partei der i n S ü d s c h l e s - w i g w o h n e n d e n A n g e h ö r i g e n der d ä n i s c h e n M i n d e r h e i t , a u f einem a n g e k ü n d i g t e n Sonderparteitag b e s c h l i e ß e n sollte, sich 1998 an der Bundestagswahl z u beteiligen.

1969 hatte der S S W nach mehre- ren vergeblichen Versuchen, sich einen Parlamentssitz i n Bonn zu sichern, beschlossen, f ü r d e r h i n sich nicht mehr u m einen Abgeord- neten i m Bundestag z u b e m ü h e n . N a c h d e m s p e k t a k u l ä r e n A n w a c h - sen bei der schleswig-holsteini- schen L a n d tags w ä h l auf etwa 38 000 S t i m m e n w u r d e n einige k ü h n : n u n sollte m a n auch den S p r u n g nach B o n n wagen, meinte K a r l Otto M e i e r , der sich eigentlich aus A l t e r s g r ü n d e n aus der Politik z u r ü c k z i e h e n wollte. D e r Partei- tag, der soeben i n H u s u m statt- fand, b e s t ä t i g t e aber mit n u r einer Stimme M e h r h e i t d e n alten Be- s c h l u ß , sich v o n der Bundestags- w a h l fernzuhalten. D e r Parteivor- sitzende k ü n d i g t e jedoch einen nur dieser Frage g e w i d m e t e n Sonder- parteitag an.

Setzt sich K a r l Otto M e i e r durch, d a n n w i r d m a n ü b e r d i e Landesli- ste auch i m Landesteil H o l s t e i n , i n d e m es niemals einen angestamm- ten d ä n i s c h e n B e v ö l k e r u n g s t e i l ge- geben hat, u m S t i m m e n werben.

D i e Folgen s i n d brisant.

Z w a r w ü r d e der S S W Direktkan- didaten n u r i m n ö r d l i c h e n Landes- teil Schleswig aufstellen, w o es seit

Gilt 5-Prozent-Klausel?

Jahr u n d T a g eine d ä n i s c h e M i n - derheit gibt, d o c h gilt die Landesli- ste i m ganzen L a n d bis z u r H a m - burger Stadtgrenze. D a n n k ö n n t e e i n Ratzeburger ebenso w i e ein B ü r g e r aus B r u n s b ü t t e l d i e D ä n e n - Partei w ä h l e n , Leute, d i e v o n Dä- nemark i n der Regel n u r wissen, d a ß es dort h ü b s c h e S o m m e r h ä u - ser u n d schmackhafte Hotdogs

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ibt. D e r T r e n d d ü r f t e sich verstär- en, der bereits bei der letzten L a n d t a g s w a h l d e u t l i c h w u r d e , d a ß sich n ä m l i c h der S S W v o n der Par- tei einer nationalen Minderheit wegentwickelt z u einer Protestpar- tei, gesellschaftspolitisch angesie- delt z w i s c h e n der S P D u n d den G r ü n e n .

Bislang w a r der S S W als Partei einer nationalen M i n d e r h e i t von der F ü n f - P r o z e n t - S p e r r k l a u s e l be- freit, w i e es das Bundestagswahl- gesetz vorsieht.

Fast z w a n g s l ä u f i g d ü r f t e die K a n d i d a t u r i m rein deutschen H o l - stein auc h z u r B i l d u n g v o n SSW- Orts- u n d K r e i s v e r b ä n d e n führen, die d a n n aber nicht aus D ä n i s c h g e - sinnten b e s t ü n d e n , sondern aus deutschen P r o t e s t w ä h l e r n . D i e Dä- nen w ü r d e n i n ihrer Partei z u einer M i n d e r h e i t .

Juristisch w ä r e es unvermeidbar, d a ß d a n n der S S W der Fünf-Pro- zent-Sperrklausel unterworfen w i r d , u n d d a m i t w ä r e sein Mißer- folg bei d e n W a h l e n programmiert, hat er d o c h z. Z. umgerechnet aufs ganze L a n d nicht mehr als 2,5 Pro- zent der S t i m m e n .

A b e r es gibt einen A u s w e g : wenn m a n e n d l i c h die l ä h m e n d e Fünf- Prozent-Klausel ganz u n d gar ab- schaffte, d a n n w ü r d e m a n nicht nur der D ä n e n - P a r t e i d i e Chance bieten, sondern au ch neuen und kleinen Parteien, die frischen W i n d in die Bundespolitik bringen k ö n n - ten. Jochen A r p r

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