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Die Inschrift von 'Aräk el-emir.
Von K. Budde.
Zwei neue Besprechungen der Inschrift, die für das Werden
der hebräischen Quadratschrift immer wieder angezogen wird, be¬
gegneten mir kürzlich bald nach einander, bei Bauer und Leander,
Historische Grammatik der Hebräischen Sprache des Alten Testa¬
ments, Erste Lieferung, 1918, S. 57 und in G. Dalman's Palästina- Jahrbuch, 13. Jahrgang, 1917, S. 137, in der Beschreibung der großen
Institutsreise des Jahres 1911 von R. Graf. Handelt es sich an der
zweiten Stelle auch nur um eine ganz kurze Erwähnung, so erhalten
wir dafür die Wiedergabe einer vorzüglichen Lichtbildaufnahme des
Verfassers, die von der Inschrift und ihrer Umgebung die denkbar
beste Anschauung bietet. In der Hauptsache, der Lesung der fünf
Buchstaben, gehn diese beiden Besprechungen wieder in der bisher
gewohnten Weise auseinander. Graf, und wir dürfen danach wohl
annehmen auch Dalman, vertritt die älteste Lesung nia-.ü*), Bauer-
Leander mit einem ,wohl' die neuerdings beliebtere rr'D^y. Wie
sehr die Wahl zwischen diesen beiden Lesungen bis heute schwankt,
mag man daraus ersehen, daß Kautzsch in der 28. Auflage von
Gesenius' Grammatik, 1909, S. 26 sich unter Berufung auf Driver
und Lidzbarski für n^a"iy entscheidet, Driver aber (Notes on the
Hebrew text . .. of the books of Samuel, 2"» ed., p. XX) 1913 mit eingehender Begründung zu TT'aiü zurückkehrt.
Da der Sachverständigen, die die Inschrift selbst gesehen haben, nicht gar zu viele sind, ist es vielleicht nicht überflüssig, daß auch
ich mein Urteil abgebe , zumal es von beiden bisher vertretenen
wesentlich abweicht. Mit meinem Freunde Francis Brown, dem im
Herbst 1916 Verstorbenen, seiner Gattin und seinen Schülern vom
amerikanischen Archäologischen Institut in Jerusalem traf ich am
12. März 1908 dort ein. Erst gegen Sonnenuntergang traten wir
an die Felswand, die die Inschrift trägt. Zu einer photographiscben 1) Daß mit diesem Tobia der Gegner Nehemia's Neh. 2, 10 gemeint sei (so Graf), darf man angesichts der Tatsache, daß der Großvater Hyrlian's, des Erbauers von 'Aräk el-emlr (um 180 v.Chr.) Tobia hieß, wohl sehr unwahr¬
scheinlich nennen.
Budde, Die Inschrift von 'Aräk d-etntr. 187
Aufnahme reichte das Licht nicht mehr; aber auf den Schultern
eines Freundes stehend konnte einer der jungen Leute einen Ab¬
klatsch von der Inschrift nehmen, der ganz zufriedenstellend aus¬
fiel. Deutlich zeigte er, was ich auf den ersten Blick gesehen und
den Reisegefährten gegenüber entschieden hervorgehoben hatte, daß 5
das erste Zeichen keineswegs bloß einen Kreis darstellte , wie es
zumeist wiedergegeben wird, sondern eine 6 mit kreisrundem Körper
und weit von rechts oben her ausholendem Ansatz. Von den beiden
photographiscben Wiedergaben, die mir vorliegen , ist die größere,
im übrigen vortreffliche bei G. A. Smith (Jerusalem 1908, II zu lo
S. 428) irreleitend, weil der obere Teil des Buchstabens in tiefem
Schatten liegt und so nur der Kreis deutlich erkennbar bleibt ; die
von Graf dagegen läßt die Fortsetzung der linken Kreishälfte nach
oben rechts hin klar genug erkennen, obschon das Licht auch hier nicht
günstig einfällt*). Sofort machte ich damals geltend, daß das weder is
ein U noch ein y sein könne. Kein D, weil dafür die Ausfüllung
des Hohlraums durch Kreuz oder Strich zur ünterscheidung vom
y unerläßlich ist; kein y, weil da zwar in der Quadratschrift das
oben aus dem Kreise herausgebrochene Stück auf der rechten Seite
gleichsam nach unten hin herumgeschlagen erscheint, so daß an- »o
nähernd ein oben offener Neuner entsteht, derselbe Fortsatz aber von
links nach oben hin und vollends bei noch geschlossenem Kreise
ganz ohne Beispiel dastünde. Statt dessen habe ich scbon damals
den Buchstaben für ein b erklärt und muß daran auch heute noch
festhalten. Dafür spricht zunächst das starke Herausragen des An- «s
satzstrichs über die obere Grenze aller übrigen Buchstaben, das in
der altsemitischen (vgl. nur Mesa- und Siloah-Inschrift) wie in der
Quadratscbrift, zu der sich hier der Übergang vollzieht, nur dem
b eignet. Sodann aber begreift sich die nur hier auftretende Form
leicbt sowohl als Spielart des altsemitischen Buchstaben wie als so
Zwischenglied zwischen diesem und dem der Quadratscbrift. In der
Siloah-Inschrift z. B. nähert sich der unten nach rechts geschlagene Kreis- oder besser Ellipsenbogen bis auf einen ganz geringen Zwischen¬
raum wieder der langen, von rechts oben kommenden Ansatzlinie:
führt man ihn nur ein wenig weiter fort, so ergibt sich genau unser »5
geschlossener Sechser, der hier bloß ins breite, runde, derbe stilisiert
auftritt. Das b der Quadratschrift aber kann man aus der alt¬
semitischen Form kaum anders ableiten«), als indem man den ge-
1) Von den Nachzeichnungen bieten den Ansatzbogen ricbtig Euting auf der Scbrifttafel zu Outlines of Hebrew grammar by Gustavus Bickell, Leipzig 1877 und Driver 1913 a. a. O. rechts, nur daß beide den Kreis oben links etwas offen lassen, so daß die Lini« von rechts her den Ansatzboeen nicht er¬
reicht. Ausdrücklich verbessert Driver diesen Febler in der Fußnote. Beide photographischen Wiedergaben zeigen deutlich den Abschluß des Kreises.
2) Man müßte denn das alte b nur in dem oberen und dem wagerecbten Balken sehen und den ganzen unteren Balken für einen müßigen Zusatzschnörkel erklären. Das ist schon darum unwahrscheinlich, weil dann dor ganze eigent¬
liche Buchstabe oben auf die Reihe aufgesetzt wäre.
188 Budde, Zur Inschrift von 'Aräk el-enür.
schlossenen Sechser von 'Aräk el-ennir als Mittelglied einschiebt.
Öffnet man seinen Kreis auf der linken Seite durch Herausbrechen
eines größeren Stücks von dem Punkte an, wo der Kreisbogen den
Ansatzbogen wieder erreicht, so ergibt sich das hebräische b. Es
sist wobl zu beachten, daß sich der gleiche Vorgang, die Öffnung
eines umschlossenen Raums, bei der Bildung der Buchstabenformen
der Quadratschrift geradezu gesetz- und regelmäßig vollzogen hat,
vor allem bei a, T, y, "i, aber auch bei X2 und n. Und meint
man, die Lücke links bei b sei doch für solcbe Annahme zu groß,
10 der Winkel zwischen dem oberen' und dem wagrechten Balken zu
stumpf und rund, so vergleiche man etwa das b der palmyrenischen Inschriften (bei Euting a a. 0. oder bei Driver a. a. 0., S. XXII),
und man wird sich überzeugen, daß da zu unsrem Sechser nur
wenig fehlt. Siloah, 'Aräk el-emlr, Palmyra scheinen mir daher
16 gute Ausprägungen der Vorstufen zu bieten , auf denen sich das
b der Quadratscbrift aufbaut.
Ist der erste Buchstabe b, so ist der zweite sicher nicht i,
sondern 1,-wie ihn ja auch die besten Kenner gelesen haben, und
das ganze Wort heißt dann n-a"ib, der darin enthaltene Name n'ai,
so während wir in dem b das b des Besitzers, Urhebers usw. gewinnen,
das sich vor Aufschriften , die aus einem bloßen Eigennamen be¬
stehn, nur selten vermissen läßt, das man in der Tat an dieser
Stelle zu allererst hätte suchen sollen. Nur daß man den zweiten
Buchstaben als 1 las und daß der Name n-ait: besonders erwünscht
86 schien, dürfte die ersten Entzifferer, soweit sie den oberen Ansatz¬
bogen bemerkten, an dieser natürlichsten Lesung'vorbeigefübrt haben.
Nach G. A. Smith und Littmann (vgl. Driver a. a. 0.) soll die
gleiche Inschrift sich an derselben Felswand zweimal finden. Ich
habe nur die hier besprochene gesehen, die auch von G. A. Smith
30 als die besser erhaltene anerkannt und abgebildet wird ; Dalman
und seine Schüler wissen ebenfalls augenscheinlich nichts von dem
doppelten Vorkommen. Daß der Ansatzstrich bei der andern fehle,
wie Driver annimmt, muß ich für zweifelhaft ansehen, es sei denn,
daß sie nur eine mißverstandene Wiederholung darstellte , was ich
35 für keineswegs ausgeschlossen halte.
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Zu arabisch fahJiär.
Von Mark Lidzbarski.
Das arabiscbe ^Lij gebt sicher über das Aramäische auf baby¬
lonisch pdhäru „Töpfer" zurück. Es findet sich in dem uns zu¬
gänglichen Schrifttum zuerst Kor. 55,13: „(Gott) schuf den Menschen
aus Ton gleich ^Li^i". Aber keiner der arabischen Erklärer faßt
hier jLjcväJ! im Sinne von „Töpfer" auf, obwohl dieses ganz gut 8
passen würde : „gleich dem Töpfer", sondem sie sehen darin den
Sinn „Tongeräte" oder „Krüge". Von den europäischen Gelehrten
wird angenommen, daß ^Li? aus Mißverständnis von Muhammed in
diesem Sinne gebraucht oder von seineu Erklärern so gedeutet sei,
vgl. Nöldeke, Mand. Grammatik, p. 120, n. 2; Neue Beiträge lo
zur semit. Sprachwissenschaft, p. 23, n. 1; Fraenkel, Aram.
/Fremdwörter, p. 70; Fischer, Arab. Chrestomathie, p. 96. Diese
Annahme ist nicht richtig.
Wie im Babylonischen bedeutet auch im Aramäischen N^nB,
■■ ursprünglich „Töpfer". In der PsTttä hat es nur diesen Sinn, is
Es findet sich in ihr besonders in der Verbindung J; .. o> « jjJ», Jv«»3 wjjSb- Auch da hat J; -^o» den Sinn „Töpfer", vgl. -isii -bs.
Aber sonst wird jjjjo durch die Nennung des Materials, nicht des
Herstellers, gekennzeichnet. Man sagt anr iNM, qoa "(NW, onD inm,
vgl. schon die Inschrift Nerab 2. Man sehe auch, wie z. B. in dem so
Satze b^/ ix5|oDj o/ ?oAa J^oijj |j|x) Joo) .Ja»
JV-Ä? ^/ .JoOdOy s2>/ U/ .op II. Tim. 2, 20 J;^ auf einer
Stufe mit j^cxj, j»Ji», Jm-Ä steht. In Lev. 6, 28 (21); 11, 33
hat die PSittä Jv-^Sj jjjjD, wo der Hebräer icin-'b?, Onkelos iNtt