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MISSION ln KATHOLISCHER SICHT

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MISSION lN KATHOLISCHER SICHT

von Johannes B. Bauer

Wenn ich heute als katholischer Theologe zum Thema Mission, noch dazu im Zusammenhang mit Säkularisierung und Ökun1ene sprechen soll, befinde ich mich in einer gewissen Verlegenheit. In Verlegenheit nicht. weil ich un- vermittelt einspringen mußte. sondern weil ich mich als Katholik in der gegen- wärtigen Situation der römisch-katholischen Kirche schwer tue. Da läuft im Augenbück alles dem zuwider, was Mission impliziert: Bewegung auf eine kul- tureil polyzentrische Christenheit hin und auf eine in den jeweiligen Orts- kirchen/feilkirchen selbstverantwortliche und selbständige Christengemein- schaft hin.

Zur Zeit aber sehen wir uns einem zentralen römischen Alleinvertre- tungsanspruch gegenüber, wie es ihn im ersten Jallrtausend der Kirche und auch Jallrhunderte später noch nicht gegeben hat. Dialog. Gewissen, Menschen- rechte, Religionsfreiheit, alJ das sind die Begriffe, von denen um so weniger verwirklicht wird, je mehr von ihnen geredet wird, nicht zuletzt in der Kirche.

Jesus und die Mission

Seit der Makkabäerzeit kann man, was das Judentum betrifft, von einer missionarischen Periode sprechen. Das war etwas gänzlich Neues. Das Judentum ist die erste große missionarische Religion des Mittelmeerraumes.

Zur Zeit Jesu und der Apostel hat diese Entwicklung ihren Höhepunkt erreicht.

Nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 und nach der zweiten Einnahme Jerusalems im Jallr 135 erschlaffte die missionarische Aktivität der Juden. Der missionarische Eifer war damals außerordentlich groß. Paulus zeigt Röm 2,17- 23, wie die Juden stolz durch den Besitz der Offenbarung des göttlichen Willens es als eine Verpflichtung empfunden hatten, diesen Gotteswillen den Heiden zu vermitteln.

Dieser Proselytismus beschränkte sich nicht auf die mündliche Verkün- digung; das hellenistische Judentum hat eine reiche missionarische Literatur hervorgebracht. Man denke an die sibyllinischen Orakel, Propagandaschriften, wie das Buch Joseph und Asenath, das in stralllenden Farben die Bekehrung Asenaths zum Judentum ausmalt. In Palästina war die Zal1l der Proselyten außerordentlich groß. Wie stark die jüdische Gedankenwelt damals von der missionarischen Aktivität bestimmt war, zeigt die Tatsache, daß das Wort

"Diaspora" seinen traurigen Klang verloren hat; die Zerstreuung Israels unter

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die Nationen, die zuvor als Gericht Gottes verstanden wurde. wird nunmehr zur Gelegenheit. die Gon dem Volk aufzwingt. um ihn unter den Heiden 7U loben.

In der hellenistischen Welt selber kam eine intensivere religiöse Welle dem jüdischen Missionseifer entgegen. Die dekadente geschwächte antike Welt war für den religiösen Gedanken offen. und man war überzeugt, daß die wahre ReligiOn aus dem Osten käme. Der JÜdiSChe Monothetsmus m1t scmcr strengen Moral übertraf die religiösen Systeme der Zeit bei weitem und machte deshalb großen Eindruck, trol7 des in der antiken Welt verbreiteten Antisemitismus.

Das jüdische Proselytenwesen war in jeder Weise bestrebt, den Heiden die Bekehrung zu erleichtern, sowohl hinsichtlich der rituellen Vorschriften wie be7üglich der Moralvorschriftcn. Besonders die Schule Hilicis tat sich in dieser Hinsicht hervor. Hillel sagt zu einem Hc1dcn. der sich bekehren wollte, indem er die Tora in einem Wonzusammenfaßt: "Was du nicht willst, was man dir tut, tue es auch deinem Nächsten nicht, das ist die game Tora, alles andere 1st nur Kommentar dazu. Gehe hin und lerne das" (Baba Schabbath 31 a). Hindernis für die Bekehrung war die Verpflichtung zur Beschneidung. Dtcscm Umstand Rechnung tragend, bildete man um die Synagogen herum Gruppen von Leuten.

die "Gott fürchten", und von denen man außer der Anerkennung des eimigen Gottes nur die Beobachtung der wichtigsten Gebote. also des Sabbatgebots und der Speisevorschriften verlangte. Die Erfahrung lehne. daß mit der Zeit auch diese Leute eine volle Bekehrung mitsamt der Beschneidung auf sich nal1men.

Der Erfolg dteses Proselytenwesens war außerordentlich. Wir erfahren aus der Apostelgeschichte, daß die Apostel, die christlichen Missionare überall Proselyten und Gottesfürchtige trafen. Trolldem darf man da~ Proselytenwesen nicht mit unserer heutigen Mission vergleichen. Man schickte kaum Missionäre aus. jedenfalls hielt man es in Palästina mit einer passiven Erwanung, man wartete. daß Heiden kamen: "proselytos" ist derjenige. der kommt. Die Schammaiten verhielten sich skeptisch gegenüber den Proselyten. Lediglich ihr Gegenspieler H1llel (gegen das Jahr 20 v. Chr) war dem Proselytentum günstig gesinnt: "Liebe alle Geschöpfe und führe sie zur Tora" war einer seiner Leitsätze.

Angesichts dessen ist es verwunderlich, daß die einzige Stellungnahme Jcsu zum Proselytenwesen außerordentlich negativ erscheint. Mt 23,15 steht ein altes Logion. das sicher aramäischer Tradition entstammt: "Wehe euch, ihr Schrifl- gelehnen und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr reist über Land und Meer. um nur emcn einzigen Menschen zum Judentum zu bekehren, und wenn es euch gelungen ist, da macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, doppelt so schlimm.

wie ihr selbst!" Gewiß, Jesus verdammt h1er offenbar nur das obernächlichc

"Proselytenrnachen". Aber immerhin: das hane und rätselliafte Wort über die Söhne der Hölle ist die einzige Erklärung Jesu, die wir hinsichtlich des jüdi-

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sehen Proselytenwesens haben und das zu einer Zeit jüdischer missionarischer Aktivität, die ihresgleichen in der jüdischen Geschichte nicht hat.

Jesus verbietet die Heidenmission

Das Rätsel wird noch verwirrender, wenn wir die Befehle Jesu an seine Jünger lesen: "Geht nicht zu den Heiden; betretet keine Stadt der Samariter, geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel (Mt I 0,5f.). Die Mission der Apostel war für das Volk Israel bestimmt. Die Zwölfzahl ist aus- drücklich gewählt, damit die Intention Jesu klar wird, sich an das Zwölfstäm- mevolk zu richten.

Es gibt freilich gegenüber diesen zwei Logien des Matthäus, die die Mis- sion der Apostel auf Israel beschränken, eine Reihe Erklärungen Jesu, die eine Heidenmission ins Auge fassen. Aber sie hatten eine andere Bedeutung. wenn sie nicht überhaupt transformierte, interpretierte Jesusworte sind. Da ist Marlcus 13,10 und 14,9. 14,9 hat wohl einen strikt eschatologischen Sinn: Wahrlich ich sage dir, wenn (der Engel Gottes) das ewige Evangelium der ganzen Welt verkündigen wird, dann wird man auch (vor Gott) erzählen, was sie getan hat, damit er sich ihrer (beim letzten Gericht wohlwollend) erinnert. Das bedeutet also, daß es nicht um die Verkündigung des Evangeliums, um die christliche Mission geht, die bis dahin vollzogen sein soll, sondern, daß sich dieses Logion auf das letzte Gericht bezieht. Es ist also ursprünglich nicht von menschlicher Predigt, sondern von einem apokalyptischen Ereignis der Proklamation des Gerichtsengels die Rede. Das gilt im übrigen auch für andere Stellen, die man für eine Mission der Jünger zu den Heiden in Anspruch nehmen könnte: Mt 5,13f. "ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt", 10,18 "ihnen zum Zeugnis und den Heiden". "Und den Heiden" fehlt bei Mk 13,9 und Lk 21,12.

Daß Jesus zu seinen Lebzeiten seine Jünger nur zu Israel gesandt hat, wird durch die Haltung der Urldrche bestätigt. Die bedeutendste Stelle ist Gal 2,7f., wo es heißt. daß Petrus mit der Heilsbotschaft für die Beschnittenen betraut wurde. Aus Gal 2,9 ergibt sich, daß Jakobus, Kaiphas und Johannes die Judenmission betrieben, während Paulus und Bamabas die Erlaubnis erhielten, zu den Heiden zu gehen. Die Korneliusgeschichte Apg 10,1-11,18 lehrt das gleiche: Petrus tauft den Heiden Kornebus nur infolge einer ausdrücklichen Offenbarung Gottes (10,44-48). Er hat damit trotzdem einen Entrüstungssturm in Jerusalem ausgelöst (Apg 11,1-3), was nicht auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß Petrus einen Heiden getauft hat, sondern vor allem auf die Tatsache zu- rückgeführt werden muß, daß Petrus Komelius getauft hat, ohne daß dieser vor-

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her die Beschneidung empfangen hat ( 11,3 vgl. 15,1 und 5). Aus alt dem sieht man jedenfalls, daß die Urgemeinde keineswegs sofort nach Ostern die Mission unter den Heiden aufgenommen hätte. Ihre Träger. nämlich die Träger der Mission, waren vor allem die Hellenisten der Urgemcinde, die nach der Steinigung Stephanus' vertrieben worden waren (8,25f.; 11.20f.), bis endlich Paulus zum Heidenapostel wird.

Jesus beschränkt seine Tätigkeit auf Israel

Das Rätsel wird noch unlösbarer, wenn man die Aktivität Jcsu selbst be- trachtet. Auch ohne die Grenzen von Palästina zu überschreiten. mußte Jesus mit Nichtjuden in Kontakt kommen, weniger in Galiläa, aber am Sec Gennesareth und vor allem in Jerusalcm. Das Problem einer Verkündigung an die Heiden mußte sich ihm notwendig stellen. Tatsächlich hat Jcsus Stellung genommen. aber absolut negativ: "Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt" (Mt 15,24: die Parallele bei Mk 7.25 läßt diese Logion aus). Über die Echtheit von Mt 15,24 kann man nicht im Zweifel sem. Ein solch partikularistisches Wort mußte für die Kirche schockierend sein, die seit der vorpaulinischen Zeit ihre missionarische Aktivität unter den Heiden (Apg ll,20f.) begonnen hatte. Das Logion fehlt also bei Mk und Lk nicht aus Zufall.

Daß Jcsus bei der heidnischen Frau Mk 7.24ff. und bei dem heidnischen Hauptmann Mt 8,5ff. eine Ausnahme macht, bestätigt nur die Regel. Derm der Syrophönizierin sagt er: "Laßt zuerst die Kinder satt werden, denn es ist nicht recht. den Kindem das Brot wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen!

Ein ganz hartes Wort, das vom Hund. aber die Frau äußert Glauben und Vertrauen: "auch für die Hunde fällt etwas vom Tisch herunter!"

Und zum Hauptmann sagt Jesus auch zuerst Nein und erst als der Heide meint (wie es Luther übersetzt hat und wir es noch kennen): "Herr, ich bin nicht wen. daß du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund!" ... erst daraufhin wirkt Jesus die Femheilung, weil er. wie er sagt, solchen Glauben in Israel nicht gefunden hat.

Das Johannesevangclium behauptet immer wieder. daß die Stunde der Heiden erst nach dem Kreuz kommt. Dieselbe Idee findet sich am Schluß des Matthäus-Evangeliums (28,10-20), die eschatologische Stunde hat mit Tod und Auferstehung Jesu geschlagen, nunmehr ist die Heidenmission flillig (Mt 28,18- 20). Jetzt beschränkt Gott seine Heilstätigkeit nicht mehr auf Israel, sondern wendet sich der ganzen Heidenwelt zu. Von nun an muß das eschatologische Gottesvolk allen Völkern verkünden, daß auch sie dem Reich des Menschen-

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sohns zugehören. Der Schluß des Matthäus-Evangeliums bestätigt also indirekt die Tatsache, daß die irdische Tätigkeit Jesu die Heiden nicht um faßt hat.

Des Rätsels Lösung: Jesus und die Heiden

Man muß nun wieder die geschichtliche Stunde der Zeit Jesu in Palästina ins Auge fassen, um seine Haltung zu verstehen. Die Heiden waren die Feinde, die Römer hielten das Land besetzt, die Heiden galten als gottloses, sittenloses Volk, der Messias. der erwartet wurde, sollte das Judenvolk von der Herrschaft der heidnischen Völker befreien und ein glorreiches Reich aufbauen. Über das Schicksal, das die Heiden erleiden sollten, gingen die Meinungen auseinander.

Die einen meinten im Anschluß an Jes 61,5f., daß die Heiden zu SkJaven Israels würden, andere stützten sich auf Prophetentexte des Alten Testaments und meinten, daß die Heiden, die an der Unterdrückung nicht teilgenommen hatten, am Ende an der Herrlichkeit Israels teilhaben würden. Aber die populäre Erwartung, die gegenüber diese beiden theologischen Meinungen bei weitem arn stärksten war, haue zum Irlhalt den Gedanken der göttlichen Rache. Rabbi Eliezer ben Hyrkanos (gegen 90 n. Chr.) lehrte: "Kein Heide wird an der zu- künftigen Welt teilhaben"! Eliezer ist Repräsentant einer alten Tradition. die meinte, daß die Heiden für die Hölle bestimmt sind, daß es für sie keine Rettung gebe. Diese Haßgefühle sind bei einem unterdrückten Volk verständ- lich. Es ist jedenfalls diese die populäre Form der eschatologischen Erwartung.

Jesus aber weist aiJe nationalen Rachegefühle zurück. Am besten zeigen das die Samaritanergeschichten, die die Evangelien berichten. denn die Bezie- hungen der Juden zu den Samaritanern waren zur Zeit des Neuen Testaments besonders gespannt. Hinsichtlich der Römer ist die Haltung Jesu nicht anders.

Als er. selbst Galiläer, die Nachricht von dem Massaker erhält, das die römi- schen Legionäre unter seinen galiläischen Landsleuten angerichtet haben, antwortet er nicht -zum Staunen seiner Hörer - mit einem Wort des Hasses.

sondern mit einem BuBruf an Israel (Lk 13,1-5).

Jesus hat überhaupt aiJe nationalen Racheideen abgewiesen, am deutlich- sten kommt das in den Versuchungsgeschichten zum Ausdruck. Jesus ist nicht der Messias, den Israel erwartet, er will nicht das Reich Israels bauen, sondern das Reich Gottes. Es ist nicht das Joch der Römer, das er seinem Volk abneh- men will, sondern er will sein Volk befreien von der Macht Satans. Am deut- lichsten kommt das Gesagte zum Ausdruck in der Nazarelh-Perikope (Lk 4,16- 30), wo er das Zitat aus Jes 61,2 verwendet: "Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, um den Armen frohe Kunde zu bringen, er hat mich gesandt, Gefangenen ihre Freilassung zu verkünden und Blinden, daß sie sehen

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können, Mißhandelte frei zu lassen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen."

Und da lesen wir weiter, daß ihm das Volk Beifall spendete und "über die be- gnadeten Worte", wie man gewöhnlich übersetzt. "staunte". Allerdings sollte man nicht "begnadete Worte" übersetzen, sondern "Worte der göttlichen Gnade, Worte des Heils". Schlägt man den Jesaia-Text auf, dann macht man eine überraschende Entdeckung: 61,21autet ungekürzt: "Auszurufen ein Gnadenjahr des Herrn, einen Rachetag Gones zu der Trauemden Trost". Jesus hat den Rachetag weggelassen. Deshalb sind seine Zuhörer nicht "erstaunt" im guten Sinn, sondern "erstaunt" im bösen Sinn. Man sollte also übersetzen: "Sie alle protestierten und waren indigniert darüber, daß er (nur) von der Gnade Gottes sprach und die messianische Rache unterdrückte. Von daher versteht sich auch das folgende ganz natürlich; sie sagten: "Ist das nicht der Sohn Josefs". nämlich der nicht studiert hat, der nicht geweiht ist: wte kann der die Ankunft der mes- sianischen Zeit verkünden und woher nimmt er das Recht. aus eigener Autorität einen Satz der Schrift wegzulassen"? Wenn man Lk 4,22 so übersetzt, dann vermeidet man den Bruch mit dem folgenden Vers 28, wo dann alle in Wut geraten, Jesus aus der Stadt hinausstoßen und ihn über den Felsabhang hinab- stoßen wollen.

Die gleiche Beobachtung läßt sich Mt ll,Sf. machen. Warum sollte jemand daran Anstoß nehn1en, daß Blinde sehen, Lahme gehen, Tote auferweckt wer- den. daß den Armen die Frohbotschaft verkündet wird? Der Anstoß sitzt tiefer.

Jesus zitiert die prophetische Verheißung Jes 3S,Sf. frei und fügt unter dem Einfluß von Jes 29,18f. die Worte Jes 61,1 hinzu: die Frohbotschaft an die Armen! An allen drei Stellen ist im Grund jedoch von der eschatologischen Rache die Rede. Jes 35,4: "Schon kommt euer Gon, zu vollziehen die Rache.

Der Herr kommt selbst und hilft euch. Dann werden geöffnet der Blinden Augen und der Tauben Ohren sich auftun". Ebenso Jes 29,18ff.: "An jenem Tage werden vernehmen die Tauben Worte der Schrift, aus dem Dunkel sehen die Augen der Blinden und wieder sich freuen im Herrn die Am1en. und die Elenden jubeln, denn fort sind Tyrann und Spötter, dahin. die auf Bosheit sin- nen". Und Jes 61,2 haben wir ja eben zitiert. Es kann kein Zufall sein, daß diese drei Racheankündigungen in der Botschaft Jesu keinen Widerhall finden. Selig also, der sich nicht daran stößt, daß die Zeit des Heils einen anderen Aspekt hat als den, der erwartet wurde, daß an Stelle der Rache Gones sich seine Barm- herzigkeit und Gnade den Am1en gegenüber manifestiert.

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Jesus verheißt das Heil den Heiden

Die negative Feststellung, daß Jesus die messianische Erwartung von allen politischen Rachegedanken gereinigt hat, ist nur ein Vorspiel des Wesentlichen, das Jesus gepredigt hat, nämlich das Endheil der Heiden. Er predigt, daß auch die Heiden auferstehen werden, die Niniviten und die Königin von Saba (Mt 12,41 f.), aber auch die Bewohner von Tyros und Sidon (Mt 11,22) und selbst die von Sodom und Gomorra (Mt 10,15). Das war nicht selbstverständlich, denn man diskutierte zur Zeit Jesu unter den Rabbinen, ob die Sodomiten auch auferweckt würden. Rabbi Eliezer ben Hyrkanos (gegen 90 n. Chr.), hatte auch als alte Tradition gelehrt: "Die Leute von Sodom werden nicht auferstehen".

Jesus sagt dagegen: Sie werden auferstehen. ebenso wie die Toten Israels (Mk 12,18-27). Alle Völker, ohne Ausnahme, werden vor dem Thron des Menschensohns erscheinen (Mt 15,3lf.). "Alle Völker" muß in universalem Sinn verstanden werden. ln letzter Stunde wird sich das Gericht Gottes also auch auf die Heiden, die auferweckt werden, in aller Strenge ausdehnen, aber, und das ist das Überraschende für die Hörer Jesu: Viele von ihnen werden aus dem Mund des Menschensohns das Gericht Gottes empfangen: "Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt das Reich in Besitz, das Gott euch von Anbeginn der Welt an bereitet hat" (Mt 25,34). Das betrifft nicht nur die Heiden, die Jesus begegnet und zum Glauben an ihn gekommen sind (Mt 8,10), sondern auch die, die Buße getan haben, indem sie das Wort des Propheten gehört haben (Mt 12,41), diejenigen, die sich vor der Weisheit Gottes gebeugt haben (Mt 12,42) und die, die Liebe geübt haben im Hinblick auf den verborgenen und verkannten Messias, der ihnen in der Gestalt der Armen und Unglücklichen begegnet ist (Mt 25,31-46). Alle diese Heiden, denen dann das Heil zugesprochen wird, werden dem Volk Gottes arn Ende der Zeit eingegliedert und nehmen teil am eschatologischen Gastmahl wie die Patriarchen Israels (Mt 8,11; Lk 13,29). Die Sicherheit, mit der Jesus den Heiden die Teilnahme am Reich Gottes ankündigt, gewinnt besonderes Relief auf dem Hintergrund jener Worte, auf die wir schon hingewiesen haben, in denen er Israel und die heidnischen Nationen einander entgegenstellt und die Erwählung Israels vor den Heidenvölkern betont. Jesu weitestgehende Erklä- rungen in Bezug auf die Heiden stehen gerade an Stellen, wo auch die Drohungen gegen Israel und die Bußrufe an Israel gerichtet werden. Israel hat zwar das Recht, als auserwähltes Volk das Heilsangebot zuerst zu erhalten, was aber nicht heißt, daß Jesus die Ansicht seiner Zeitgenossen geteilt hat. daß Israel allein bevorzugt werden sollte. daß, wie man damals meinte, kein Heide gerettet würde.

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Endlich stellen wir fest, daß Jcsus ausdrücklich den Heiden die Teilnahme am Reich Gottes verkündet und seinen jüdischen Zuhörern androht, daß die Heiden ihnen voran ins Gottesreich eingehen würden. Die Lösung finden wir in dem Logion Mt 8,11 f.: "Ich sage euch, viele aus Ost und West werden kommen und mit Abraham, lsaak und Jakob zu ammen zu Tisch liegen im Himmelreich.

die Söhne des Reiches aber werden in die äußerste Finsternis verstoßen werden"

(Lk 13,28ff. steht es m umgekehrter Reihenfolge). "Da wird Heulen und Zäh- neknirschen sein, wenn ihr seht, wie Abraham, lsaak, Jakob und alle Propheten im Reich Gottes smd, 1hr aber ausgeschlossen seid. und von Ost und West und Nord und Süd werden sie kommen und sich Lu Tisch legen im Reich Gottes.

Und siehe, es gibt Letzte. die dort die Ersten, und Erste. die dort die Letzten sein werden". Es handelt sich offenbar um den Gedanken der eschatologischen Pilgerschaft aller Völker zum Berg Gottes nach Jerusalem. So las es schon Jesus im Alten Testament. Da ist die Epipharue Gottes: "Alle Völker hoffen auf mich und vertrauen auf meinen Arm" (Jes 51.5). und die Herrlichkeit Gottes wird sich der ganzen Welt offenbaren (40,5). die Wahrheit Gotte strahlt auf wie ein Licht für alle Heidenvölker (51,4; 60.3). Gott ruft die ganLe Erde zusammen (Ps 50,1), er herrscht über alle Völker (Ps 96,3 u. 10), die Heiden.

die dem Gericht Gottes entkommen sind, verkünden die Herrlichkeit des Herrn allen Heidenvölkern (Jes 66,19f.). Nach Jes 19,23 tut sich em Weg auf, der aus dem Nahen Orient von Ägypten und Assynen nach Jerusalcm fühn (Jcs 19.23).

und alle Heiden sagen tueinander: "Kommt, 1iehen wir hinauf zum Berg des Herrn (2,3), laßt uns den Herrn anrufen und ihn suchen, den Herrn der Heerscharen" (Zach 8,2lf.) Jes 56,6f. heißt es dann: "Die Fremden, die sich schließen an mich. um mir zu dienen und mich zu lieben und meine Knechte zu sein. die bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfreue sie in meinem Bethaus, denn mein Bethaus wird ja ein Haus genannt für sämtliche Heidenvölker. so spricht der Herr". Jes 19.24f. heißt es: "An jenem Tag wird Israel als Dritter zu Ägypten und Assyrien hinzutreten als Segen auf Erden, den der Herr der Heerscharen gewährt hat mit den Worten: "Gesegnet sei mein Volk, die Ägypter und Assur, das Werk meiner Hände und Israel mein Erbe".

Dann wird das eschatologische Festmahl stattfinden (Jes 25,6-8), "bereiten wird der Herr der Heere allen Völkern auf diesem Berge ein fettes Mahl, ein Weingelage, markige Speisen, geläuterte Weine, und vernichten wird er auf diesem Berge die Hülle, die alle Völker verhüllt, die Decke. die alle Völker deckt, dann vernichtet er den Tod auf immer". Unter dem Bild der Nahrung und des Tranks wird die Gottesschau vom Anfang der Bibel bis zu ihrem Ende ver- standen (Gen 3.22 bis Offb 22,17). Jesus hat mit seinem Logion (Mt 8,11) diese bereits alttestamentliche Überzeugung, die auch in seiner Zeit sehr lebendig war, zusammengefaßt und allen Völkern sein eschatologisches Heil angeboten.

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Die Mission in der Alten Kirche

Die jüngsten Forschungen über das Thema, namentlich von Norbert Brox, haben gezeigt, daß die frühe Kirche über eine Theorie oder ein Programm der Mission wenig nachgedacht hat. Auch geredet hat man über dieses Thema we- niger als es bei der Bedeutung desselben zu erwarten gewesen wäre. Insofern läßt sich ein Kontrast zur Beredtsamkeil der urchristlichen Zeit in dieser Hin- sicht feststellen. Schon die Ausdrucksweise ändert sich. Gegen Ende des 2.

Jahrhunderts wird der Begriff des "Apostels" im Zusammenhang mit der Sicherung der Überlieferung und der Garantie der Rechtgläubigkeit verwendet und ist nicht mehr ein missiologischer Begriff. Ebensowenig gab es eine Orga- nisation der Mission, auch kein eigentliches kirchliches Amt für die Mission.

Der Klerus befaßte sich mit den bestehenden Gemeinden, weniger mit Neugründungen. Auch die frühen Predigten machen Mission nicht zu ihrem Thema. Von einer allgemeinen Pflicht aller Christen zur Mission, zur Glaubenswerbung, wird so gut wie nie gesprochen. Das ist erklärungsbedürftig.

Liegt es etwa an einem Desinteresse, an Unterschätzung der Missionsaufgabe oder muß man eher an eine Hochschätzung besonderer Art für den Vorgang von Verkündigung und Bekehrung denken. Brox hat eine Gruppe von Gedanken- reihen in der Alten Kirche namhaft gemacht, von denen gilt, daß sie das Fehlen einer theologischen Theorie des kirchlichen Missionsauftrags erklären können.

Alle laufen darauf hinaus, daß die Mission als Konfrontation der Welt mit dem Evangelium "der" entscheidende welthistorische Prozeß, aber nicht die Aufgabe der Kirche ist.

Wie sollte Mission nicht Aufgabe der Kirche sein? Das kam so. Man hat den Auftrag des Auferstandenen Mt 28,16-20 als nur an die eU Jünger gerichtet betrachtet. So auch Apg I ,8: "lhr werdet die Kraft des Heiligen Geistes emp- fangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde".

Als angeredet sah man nur die elf Apostel an, nicht ihre Nachfolger, nicht die kommenden Generationen. Bischöfe und Theologen des 2. bis 5. Jahrhunderts waren nicht der Meinung, daß dieser Missionsauftrag sich an ihre Zeit richtete.

Die Ausdehnung des Beistands des Auferstandenen verstand man geographisch und nicht zeitlich als Verlängerung des Auftrags für die spätere Kirche. Es ging nur um die Aufgabe der Apostel. Sie hatten den Missionsauftrag bekommen, sie hatten ihn erfüllt. Nach Judas war kein weiterer Versager mehr unter ihnen, die Mission ist damals vollzogen worden und ist an ihr Ziel gelangt. Paulus stellt Röm 10,18 die Frage: "Haben sie die Boten etwa nicht gehört?" und antwortet:

"Doch, sie haben sie gehört; denn ihre Stimme war in der ganzen Welt zu hören und ihr Wort bis an die Enden der Erde". Also hat bereits zur Zeit der Apostel

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die ganze Welt das Evangelium verkündet bekommen. Ja. altkirchliche Autoren wie Klemens von Alexandrien (Teppiche 11,44, I f;) waren sogar der Überzeu- gung, daß die Apostel den Heiden, die früher gestorben waren. in der Unterwelt das Heil gepredigt hätten.

Ein weiterer Gedanke ist der, daß die Bekehrung der Heiden, die Mission, im Grund Sache Gottes ist. Die ersten Christen lebten vielfach in der Gewißheit, daß sie erwählt, daß sie zum Heil berufen seien, während die Welt eher Reich des Satans ist, auf den Untergang hin lebt. Daraus erklärt sich im Grund auch, daß in dieser Zeit sich nur selten Gebete für die Bekehrung der Heiden finden. Yves Congar und Adalbcrt Harnman haben trotz intensiver Nachforschung nur eine geringe Zahl derartiger Gebete fmden können.

Diefrühchristliche Mission in der Praxis

Es ist bekannt, wie stark sich die Kirche, das Christentum, über die antike Welt ausgebreitet hat und mit welcher Schnelligkeit das geschehen ist. Aber für diese Ausbreitung, für die Mission selbst, gab es eigentlich weder Theorie noch Programm. Man war wie gesagt überzeugt, daß die Welt durch das Erscheinen Christi in eine neue Situation gekommen ist, daß, wie Ignatius an die Epheser schreibt, "die ganze Schöpfung zugleich in Bewegung gekommen war, weil die Vernichtung des Todes eingesetzt hat, als Gott sich als Mensch zeigte zur Neuheit ewigen Lebens". Weil die Welt also grundsätzlich schon die Botschaft empfangen hat, missioniert war, können sich die Gemeinden nur mehr in ihrer Zahl vermehren, Einzelmenschen bekehren und zum Heil kommen. Was dabei zur Werbung für das Christentum getan wurde, geschah durch die Präsenz des Christentums allein. war nicht Ergebnis bestimmter missionarischer Unterneh- mungen, wenn es auch Missionsbemühungen gegeben hat, etwa Wanderpre- diger, wie sie Origenes noch im 3. Jahrhundert kennt. Wenn man diese Prediger verglich mit den aufdringlichen stoisch-kynischen Wanderpredigern, so zeigt das, wie diese Männer vorgegangen sind, daß sie bestenfalls zufällige Hörer- schaft auf öffentlichen Plätzen ansprachen, da und dort mit Nichtchristen in einen Dialog traten. Das war die Art, wie man damals die Öffentlichkeit informierte und religiöse Propaganda betrieb. Die apologetischen Schriftsteller christlicher Prägung haben dieses Medium in der Literatur fortgeführt wie Justin oder Tertullian. Ihre Apologien, zum Teil gerichtet an die Kaiser, ohne daß man weiß, ob diese Adressaten erreicht worden sind, verteidigen die Vernunftgemäßheit und Staatsungefahrlichkeit der neuen Religion.

Ein anderer Weg der Vermittlung christlichen Denkens und Glaubens war natürlich die Schule. Der altkirchliche Schulbetrieb reicht schon bis ins 2.

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Jahrhundert zurück. Das waren weniger Katechumenenschulen als vielmehr Bildungseinrichtungen in den Großstädten wie Alexandrien und Rom. wo Chri- sten sich mit den philosophischen Zeitströmungen auseinandersetzten und das christliche Gedankengut in den Kategorien der damaligen philosophischen Tradition zur Darstellung brachten.

1m übrigen war der christliche Alltag selbst durch das Zeugnis christlichen Lebens und Redens missionarischer Akt. Die vielen kleinen Leute in den großen Häusern trugen das Christentum unter ihresgleichen weiter. Von den Gebildeten war das wie aller Aberglaube beargwöhnt und abgetan. Der Chri- stenfeind Kelsos. um 180, entrüstet sich darüber beredt so: "Wir müssen an- sehen, wie in den Privathäusern Wollarbeiter, Schuster und Walker und die un- gebildetsten und ungeschliffensten Leute in Gegenwart ihrer Dienstherren, die etwas gelten und gebildet sind, den Mund nicht aufzutun wagen. Sobald sie sich aber ohne Zeugen mit den Kindem und einigen ungebildeten Frauen allein wissen, dann bringen sie die seltsamsten Dinge vor und weisen nach, daß man ihnen zu gehorchen habe, nicht dagegen dem eigenen Vater und den Lehrern.

Diese seien Faselhänse und Schwachköpfe und in dummen Vorurteilen befan- gen ... Nur sie allein wüßten es, wie man leben müsse. Würden die Kinder ihnen folgen, so würden sie selbst selig werden und ihr ganzes Haus selig machen.

Sehen sie dann, während sie so reden, einen Lehrer der Wissenschaft kommen oder einen verständigen Mann oder auch den Vater selbst, dann laufen die Vorsichtigen unter ihnen gern auseinander, die Unverschämten aber hetzen die Kinder auf, den Zügel abzustreifen" (frg. 3,55). Die vielen menschlichen Kon- takte in den Dienstverhältnissen waren also zugleich missionarische Kontakte.

Hier wird auch, darauf verweist Brox mit Recht, sehr deutlich, welche Rolle die Frauen für die Ausbreitung des Christenturns gespielt haben. Wenn es 1 Kor 9,5 heißt: "Haben wir nicht das Recht, schreibt Paulus. unsere Frauen auf den Missionsreisen mitzunehmen wie Petrus und die übrigen Apostel". so erklärt Klemens von Alexandrien das dahin, daß die Apostelfrauen als Missionsschwe- stern gebraucht wurden, die auch in die Frauengemächer Zutritt hatten. Daß die Frauen bei dieser Art Mission auch in den Augen der heidnischen Gesellschaft solcher Art als Missionarinnen, als Zeugen, bekannt waren, läßt sich daraus ablesen, daß Frauen genauso wie Männer als Christinnen und Christen verhaf- tet, eingekerkert und zu Tode gebracht wurden. Frauen kommen deshalb auch so gut wie in allen Märtyrerberichten vor.

Von dieser nunmehr erarbeiteten biblischen und patristischen Grundlage aus können wir mit manchen brauchbaren und wertvollen Einsichten in unsere Zeit wechseln.

Die Kirche hat bis in die Neuzeit keine eigentlichen Missionsstrukturen ge- habt. Erst 1622 wurde in Rom die Kongregation zur Glaubensverbreitung ge-

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schaffen, die De propaganda fide. Es folgten 1660 die Mission etrang~res de Paris und langsam weitere Weltpriester- und Brüdergemeinschaften ...

Es ist hier nicht der Ort, über das, was in und durch dieses Missionswesen geleistet worden ist, 1u reden oder zu richten. Die christliche Missionstätigkeit stößt heute allerdings nicht nur bei Nichtchristen auf Ablelulung; selbst manche Christen tragen Bedenken. die vielfach durch die Missionsgeschichte verursacht sind: europäisches Überlegenheitsbewußtsein, Zerstörung fremder Kulturen, Verachtung anderer Religionen, lntoleram gegenüber Andersgläubigen, Zwang zur Bekehrung, Verbindung der Mission mit Imperialismus und Kolonisation werden mit Recht als Altlasten früherer "Missionierungen" empfunden und an- geklagt. Das erfreuliche Ergebnis der Mission, die jungen Kirchen, scheinen im übrigen die traditionellen Formen der Mission zu erübrigen. Schließlich kom- men vom Glaubensverständnis her Fragen: Ist das Christentum die absolute Religion? Ist die christliche Kirche notwendig, um das Heil 7U erlangen? Kann den nichtchristliehen Religionen jede Heilsfunktion abgesprochen werden? Die Dogmatiker machen sich in diesem Bezug reichlich Gedanken über die Ansiedlung einer Missionstheologie: in der Tnnitätslehre, der Christologie, der Ekk.lesiologie, der Eschatologie. Da wäre viel Spekulation w treiben! Wichtig ist die Einfügung in den Welthorizont, die Frage der Religionen: Denken sie an die jüngsten Werke von Hans Küng ... die Frage des Prinzips von der allein e- ligmachenden Kirche. Ich habe da viel Sympathie für den Ansatz von Henri de Lubac. Er führt die Idee der Stellvertretung an, die sich gut biblisch-theologisch begründen läßt. Um der wenigenwillenwerden alle gerettet (Gen 18): Es geht Abraham im Gebet nicht um eine Herauslösung der Unschuldigen im Gericht über Sodom ... sondern über die ganze Stadt ... Hierher gehört auch die Prophetie vom Sühneleiden des Gottesknechts. Die Kirche als der Leib Christi ist es, um dessentwillendie Welt gerettet wird: Ambrosius: sola Ecclesiae gratia qua redimimur. Soviel nur skizzenhaft!

Schließlich sind alte Fehlhaltungen der Mission früherer Zeit möglichst zu korrigieren: Die Mission der Neuzeit präsentierte sich als Sendungsveranstal- tung aus dem christlichen Abendland in kirchlichem Niemandsland. Heute er- eignet sich Mission indessen global. Damit sie aber nicht konturlos wird, ist sie neu zu strukturieren: als Sache der Ortskirchen ; die Vermittlung von ausländi- schen Missionaren und finanziellen Mitteln ist zwischenkirchliche Hilfe, keine Vormundschaft. Wichtig keine fundamentalistische Predigt, sondern lnkultura- tion! Echte missionarische Verkündigung artikuliert das Schöpferische des Wortes Gottes in einer neuen, gegebenenfalls fremden Situation (kontextuelle Theologie), um eine neue Glaubenstradition entstehen LU Jassen. Modell dafür ist die Inkarnation. In der Mission setzt sich die Auslegung geschichte des christlichen Glaubens weltweit fort. Dies geschieht in den Sprachen und Aus-

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drucksmöglichkeiten der Völker und ihrer Kulturen. Dabei muß die missiona- rische Verkündigung ihre Adressaten derart ernst nehmen, daß sie selber zu aktiven Tradenten der cluistlichcn Botschaft werden können.

Kirchengründung und Gemeindebildung: Da Cluistsein nur in Gemein- schaft möglich ist, bringt die missionarische Verkündigung immer wieder neue christliche Gemeinden hervor. Neue Cluistenheit entsteht. Auch wenn dabei die Communio (Gemeinschaft) mit der Gesamtkirche bzw. die ökumenische Ver- bundenheit aller Kirchen unaufgebbar ist, darf es sich nicht um "Wiederho- lungen dessen" handeln, "was man selber ist" (M. Kähler). Anzustreben ist eine wirkliche Selbständigkeit und Reife der jungen Kirchen, die sich selber leiten, erhalten und ausbreiten! Es darf-und damit sind wir bei der ökumenischen Problematik! - auch keine Proselytenmacherei, einen Wettlauf der missionie- renden Konfessionen mehr geben, das hat unendlich geschadet! Trotzdem ist die Mission zu einem jener Faktoren geworden, die zur ökumenischen Bewe- gung geführt haben. Die erste große Weltmissionskonferenz (Edinburgh 1910) war auch die erste große ökumenische Konferenz; sie regte die Gründung des Internationalen Missionsrates (1921) an, der 1961 in den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) integriert wurde. In einigen früheren Missionsgebieten sind Kirchenunionen entstanden. Seit Jahren laufen Bemühungen für ein gemein- sames Zeugnis in der Mission. Erschwert wird die ökumenische Zusam- menarbeit u.a. durch den Umstand, daß unsere römisch-katholische Kirche und viele evangelikale Missionsbewegungen nicht Mitglieder des ÖRK sind. Damit sind auch einige schwere Defizite im heutigen Katholizismus angesprochen, die kontraproduktiv wirken. Junge Kirchen sollen selbständig werden, während unsere Ortskirchen immer wieder unselbständig gehalten und übennachtet werden! Der Dialog mit den Nichtchristen ist angesagt. Aber innerhalb unserer Kirchen findet sich wenig Dialogbereitschaft. Wer zählt die Bischofssitze, nennt die Namen all jener, die sie einnehmen, ohne daß sie von allen gewählt wurden, weil sie allen vorstehen (Leo der Große, Brief 10,6)? Wie weit ist es her mit einer Ink:ulturation? Hat die afrikanische Theologie, hat die Befreiungs- theologie in unserer römisch-katholischen Kirche Heimatrecht? Wenn nicht einmal europäische Theologen mit ihrer europäischen Theologie Gehör finden und sich mit respektablen Erklärungen von Köln und anderswo zu Wort melden müssen?

Schließlich und endlich ist auch der sozial-ethische Dialog immer noch in den Anfängen: das Mittragen und Mitleiden der Christen mit den Entrechteten, Unterdrückten, an den Rand gedrängten. Noch dazu wo doch vielfach die Kolonisation den Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika gerade Unterdrückung und Ausbeutung gebracht hat: diese missionarisch-kolonisatori-

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sehe Verflechtung rückgängig zu machen, wäre heute mehr denn je Christen- pflicht.

Schauen wir zum Schluß unserer Überlegungen in einer Zeit der entkirchli- chten Religiosität. der weitgehenden Resäkularisierung auf den Anfang zurück:

Das Leben der Christen mehr als das Predigen hat Menschen gewonnen und zu Christen werden lassen. Ohne dieses Vorleben des herrschaftsfreien, ennuti- genden, Hoffnung begründenden Christentums kann es nicht wachsen, kann e nicht zu einer "christlichen" Pilgerfahrt aller zu dem symbolischen Gonesberg kommen, wie der Prophet, wie Jesus sie gesehen und gewünscht hat.

Literatur

J. Danielou, Vom Heil der Völker, Freiburg i. Br. 1952; J. Jeremias, Usus et 1cs pai'ens, Neuch§tel 1956 I Jesu Verheißung für die Völker, Stuttgart 1956; F.

Hahn, Das Ver.;tändnis der Mission im NT, Neukirchen 1963; Vatikanum II.

Ad Gentes: Dekret über die Missionstätigkeit der JGrche 1965 (Text, Über.;. u.

Kommentar; Lexikon f. TI1eologie und Kirche 14, 9-125); H. Frohnes-U. W. Knorr (Hg.), IGrchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. I Die Alte Kirche, München 1974; K. Kertelge (Hg.), Mission im NT, Freiburg 1982, darin bes.

N. Brox, Zur christlichen Mission in der Spätantike, 190-237; P. Löffler, Mission: Ökumenelexikon, Frankfurt/Main 1983. 815-818; R. Friedle, Mission:

Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe, München 3(1985)118-127; F.

Kollbrunner, Mission: Wörterbuch des Christentums, Güter.;loh 1988, 811-814;

W. Bühlmann, Handwörterbuch religiöser Gegenwartsfragen, Freiburg 21989, 275-279 (weitere Lit.).

Referenzen

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