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Soziale & ökologische Beschaffung Ein wirksamer Hebel für mehr Gerechtigkeit und Umweltschutz?

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OKTOBER 2009 51. AUSGABE

Soziale & ökologische Beschaffung

Ein wirksamer Hebel für mehr Gerechtigkeit und Umweltschutz?

Eine verlockende Perspektive, in der Tat: die geballte Einkaufs- macht von Bund, Ländern und Gemeinden – ein Investitionsvolu- men von 360 Milliarden Euro pro Jahr oder 17 Prozent des Bruttoso- zialprodukts – dafür einzusetzen, dass Menschenrechte und Umwelt- schutz einen großen Schritt nach vorne kommen. Kaum vorstellbar, was wäre, wenn alle Verwaltungen auf Kommunal-, Landes- und Bun- desebene täten, was sie seit diesem Jahr auch von Gesetzes wegen aus- drücklich dürfen: beim Einkauf soziale und ökologische Kriterien anlegen. Doch bis dato ist die große Kehrtwende in der täglichen Be- schaffungspraxis staatlicher Be- hörden ausgeblieben. Um zu tun, was man darf, muss man es wollen und man muss es können.

Im Juni forderte deshalb CorA, das Netzwerk für Unternehmensver- antwortung, die Bundesregierung auf, mehr Verantwortung zu über- nehmen und bei der Beschaffung nach sozial-ökologischen Kriterien mit gutem Beispiel voranzugehen.

Den Appell tragen über 40 Ver- bände mit, unter ihnen kirchliche Institutionen, Gewerkschaften, verbraucher-, umwelt- und ent- wicklungspolitische Organisatio- nen, auch die Werkstatt Ökonomie.

In einem Aktionsplan soll die Bun- desregierung zum einen klare und überprüfbare Zielvorgaben festle- gen. Konkret schlagen die Initiato- ren vor, dass im Jahr 2014 bei 50 Prozent der Beschaffungen des Bundes soziale und ökologische Kriterien angelegt werden; bis zum Jahr 2018 soll der Anteil auf 100 Prozent erhöht werden.

Zum anderen muss der geforderte Aktionsplan die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese Zielvor- gaben auch erreicht werden kön- nen: So müssen präzise und über- prüfbar Kriterien definiert und vor allem Verfahren dafür entwickelt werden, wie ihre Einhaltung nach- gewiesen werden kann. Um Be- schaffer auf kommunaler und Landesebene zu unterstützen und unnötige Doppelarbeit zu vermei- den, soll eine Service-Stelle ge- schaffen werden, die unter ande- rem die nötigen sozialen und öko- logischen Kriterien für die Be- schaffung definiert und eine zent- rale Bieter-Datenbank führt.

Mit der Umsetzung des vorgeleg- ten Aktionsplans würde Deutsch- land mit anderen europäischen Ländern gleichziehen, die zum Teil schon seit Jahren an einer verant- wortlichen öffentlichen Beschaf-

CorA-Netzwerk fordert einen „Aktions- plan sozial-ökologische Beschaffung“

Inhaltsübersicht

Soziale & ökologische Beschaffung 1 Projekt für sozial verantwortliche Beschaffung der Landeskirchen 2

Geldanlage mit Vision 3

EU-China: Begegnungen & interna-

tionale Konferenz 5

Zivilgesellschaftliche Artikulations- formen im Südlichen Afrika 6 Südafrika: Demokratie in Gefahr? 7 Blutdiamanten aus Simbabwe 9 Aus der laufenden Arbeit

Forum Kinderarbeit 11

Jahrbuch Gerechtigkeit 11

Ökologische Schuld 12

Klima der Gerechtigkeit 13 Social Watch Deutschland 13

Aktion fair spielt 14

Veranstaltungshinweis 13

Aus dem Vorstand 14

Aus dem Team 15

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fung arbeiten. Vorreiter sind die Niederlande, wo eine staatliche Agentur bereits für 80 Produkt- gruppen sozialökologi- sche Kriterien festgelegt hat und Verwaltungen vor Ort unterstützt.

Ganz nebenbei würden von einem solchen In- strumentarium nicht nur öffentliche Beschaffer profitieren, sondern auch etwa kirchliche Gliede-

rungen und Einrichtungen sowie alle individuellen und institutio- nellen VerbraucherInnen, die bei ihren Kaufentscheidungen soziale und ökologische Kriterien berück- sichtigen wollen, denen aber die notwendigen Voraussetzungen für eine verantwortliche Kaufent- scheidung in vielen Produktberei- chen noch fehlen.

Uwe Kleinert

Mehr dazu unter

http://www.cora-netz.de

Baden & Württemberg

Projekt für eine sozial verantwortliche Beschaffung in den Landeskirchen

Die Ausgangslage

Landeskirche und Diakonie sind mit ihren Beschaffungen ein nicht zu vernachlässigender Wirt-

schaftsakteur. Außerdem richtet sich auf sie in besonderer Weise das Augenmerk, ob und in welcher Weise die in Richtung Gesellschaft formulierten ethischen Grundsätze selbst beachtet und praktisch um- gesetzt werden. In Folge des Kon- ziliaren Prozesses für Gerechtig- keit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung hat die Diskussion dar- über, was eigenverantwortlich im kirchlichen Bereich getan werden kann, zu vielen Impulsen und kon- kreten Projekten geführt. Beispiele dafür sind die Eine-Welt-Läden, das Projekt Grüner Gockel oder die Beschlusslage zur ethischen Geld- anlage.

Angestoßen durch entwicklungs- und verbraucherpolitische Organi-

sationen findet im Bereich der öffentlichen Beschaffung und Be- auftragung derzeit eine intensive Auseinandersetzung darüber statt, inwieweit über das haushaltsrecht- liche Gebot der Sparsamkeit und der ordentlichen Auftragsgewähr- leistung hinaus auch bisher so genannte „vergabefremde“ Aspekte zu berücksichtigen sind, etwa sozi- ale und ökologische Kriterien. Dem können und sollen sich Kirche und Diakonie nicht entziehen –schon aus Gründen der eigenen Glaub- würdigkeit.

Die Ziele

Anknüpfend an Erfahrungen in Umweltprojekten wie dem Grünen Gockel bzw. dem Grünen Hahn will das Projekt bei Einkauf und

Dienstleistung neben der ökologi- schen Dimension soziale Kriterien als Entscheidungsgrundlage he- ranziehen. Das ist bezogen auf

Produkte im Rahmen der globalen Wertschöpfungskette nicht ganz einfach, auch wenn es schon eine Reihe von Labels mit einschlägigen Prüf- und Beurteilungsverfahren gibt. Daneben hat die kirchliche Initiative „Zukunft einkaufen“

bereits entscheidende Vorarbeit geleistet. Bei der Beauftragung von Dienstleistungen gibt es dage- gen noch keine Kriterien für die Auswahl von Anbietern. Diese müssen erarbeitet, von den zu- ständigen Gremien politisch be- schlossen und mit konkreten Hilfe- stellungen und Handlungsanlei- tungen umgesetzt werden.

Dienstleistungen werden vor allem lokal und regional erbracht. Von daher werden in der Regel nicht die fehlenden Kontrollmöglichkei- ten das entscheidende Hemmnis bei der praktischen Umsetzung sein. Vielmehr wird es vor allem auf den politischen Willen an- Die Gesetzeslage

„Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähi- ge und zuverlässige Unternehmen vergeben.

Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an den Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezo- gene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie in im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auf- tragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“

(Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen,

§ 97 Abs. 4 in der Neufassung vom Februar 2009)

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kommen, die Arbeitsbedingungen, den Umgang mit MitarbeiterInnen, die Tariftreue oder die Mitbestim- mungsrechte bei der Auftragsver- gabe zu berücksichtigen.

Werkstatt Ökonomie beauftragt

Nachdem die Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt in Baden und Württemberg nach einem Exper- tengespräch die grundsätzliche Entscheidung getroffen haben, das Projekt in Angriff zu nehmen, ist die Werkstatt Ökonomie damit beauftragt worden, zunächst eine Vorstudie zu erstellen. Darin soll aufgearbeitet werden, welche An- sätze es für das Anliegen bereits gibt, welche Kriterien und Nach- weisverfahren diskutiert werden und was davon für das geplante Vorhaben nutzbar gemacht werden kann.

In enger Abstimmung mit einer Arbeitsgruppe der beiden KDAs und im Dialog mit möglichen Part- nern soll festgelegt werden, ob das Projekt eher breit angelegt oder auf einzelne Produkte bzw. Dienst- leistungen zugespitzt sein sollte.

Parallel zu dem Prozess der inhalt- lichen Klärung und Präzisierung der Projektschritte soll geprüft werden, ob das Vorhaben als Pro- jekt der Landeskirchen angelegt werden kann. Die Vorstudie soll bis Anfang 2010 fertig gestellt sein.

Klaus-Peter Spohn-Logé

Seit Anfang der 90er Jahre ist Uwe Kleinert Mitglied des elfköpfigen unabhängigen Anlageausschusses des Nachhaltigkeits-Fonds ÖkoVi- sion. Dem Gremium gehören Ex- pertInnen aus den Bereichen Um- welt- und Naturschutz, Verbrau- cherberatung, Fairer Handel und Entwicklungspolitik an. Einen Eindruck vom Selbstverständnis des Fonds wie des Ausschusses vermittelt der von Uwe Kleinert verfasste aktuelle Jahresbericht des Anlageausschusses, den wir im Folgenden in Auszügen dokumen- tieren.

Der Anlageausschuss traf sich im zwölften Jahr von ÖkoVision […]

zu drei mehrtägigen Sitzungen.

Dabei überprüfte er das Anlage- universum […] und entschied über Neuaufnahmen und Ausschlüsse von Firmen. […] Entsprechend seinem Auftrag und Selbstver- ständnis diskutierte der Ausschuss darüber hinaus inhaltliche Fragen und entwickelte damit die Anlage- kriterien weiter.

Textile Lieferketten

So beschäftigte sich der Ausschuss 2008 mit den ökologischen und sozialen Aspekten in der Wert- schöpfungskette der Textilbranche.

Er unterstrich dabei, dass es beim ÖkoVision nicht nur darum gehe, kritische Einzelaspekte in den Bereichen Umwelt und Soziales – gegebenenfalls erst auf Druck von außen – zu beseitigen. Vielmehr müssten Unternehmen, in die der Fonds investiere, einen absoluten

Beitrag zur nachhaltigen Entwick- lung leisten und dabei nach Mög- lichkeit eine Vorreiterrolle über- nehmen. Zwei Aspekte standen bei der Diskussion im Vordergrund:

Gerade im Modebereich trägt ag- gressives Marketing verbreitet zu einem möglichst schnellen „morali- schen Verschleiß“ der Produkte und zur Vertiefung einer Wegwerf- Mentalität bei. Die Umweltwir- kungen des so gesteigerten Ge- samtverbrauchs können durch einzelne ökologische Optimierun- gen in der „textilen Kette“ nicht kompensiert werden. In der Mode- branche ist darüber hinaus ver- breitet ein Geschäftsmodell anzu- treffen, in dem sich die Marken- firmen längst aus der Produktion zurückgezogen und diese an „un- abhängige“ Lieferanten, meist in Niedriglohnländern, übertragen haben. Trotz zum Teil weit gehen- der freiwilliger CSR-Initiativen (Corporate Social Responsibility, gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen) steht hinter diesem „Outsourcing“ im Kern vor allem das Interesse, aus billigen Arbeitskräften sowie niedrigen Arbeits- und Umweltstandards Nutzen zu ziehen. Vor dem Hin- tergrund der Diskussion entschied der Ausschuss, Inditex (Marken u.a.: Zara und Massimo Dutti) und Hennes & Mauritz aus dem Uni- versum auszuschließen.

Nanotechnologie

Nach einer intensiven Diskussion unter Beteiligung eines externen Fachmanns über die Chancen und

Geldanlage mit Vision

Bericht des ÖkoVision-Anlageausschusses

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Risiken der Nanotechnologien be- schloss der Anlageausschuss, die Frage, ob Unternehmen Nanopar- tikel herstellen oder einsetzen, künftig in das Screening von Titel- Neuvorschlägen und Wiedervorla- gen aufzunehmen. Gerade weil die Risiken der Nanotechnologien noch nicht abschließend bewertet wer-

den können und geeignete Mess- verfahren sowie Grenzwerte fehlen, muss das Vorsorgeprinzip konse- quent angewendet werden. Außer- dem plädiert der Ausschuss für eine differenzierte Betrachtung je nach Einsatzzweck und -form.

Grundlage der Entscheidungen des Anlageausschusses über die Auf- nahme von Unternehmen in den ÖkoVision sind deshalb Informati- onen darüber, ob und ggf. welche Nanopartikel hergestellt oder ver- wendet werden und ob es ggf. fest- gelegte Verfahren zur Vermeidung von Gesundheits- und Umweltrisi- ken gibt.

Die China-Frage

Schon seit Jahren ringt der Aus- schuss mit der Frage, wie mit Un- ternehmen zu verfahren ist, die in China (oder anderen Ländern, in denen vor allem das Recht auf freie Organisation oder das Recht auf kollektive Verhandlungen nicht gewährleistet ist) tätig sind.

Aufgrund aktueller Vorlagen wur- de die Diskussion der „China- Kriterien“ des ÖkoVision 2008 erneut auf die Tagesordnung ge- setzt. Leitfragen waren etwa, ob es angemessen ist, die Kriterien je nach Branche oder Qualifikations- niveau der Mitarbeitenden unter- schiedlich streng anzuwenden, und ob es zulässig ist, die sozialen Kri- terien dann weniger streng anzu- wenden, wenn das Unternehmen einen wesentlichen ökologischen Beitrag leistet. Selbst wenn bei den Beratungen wiederum kein Königsweg gefunden wurde und das Ringen andauern dürfte: Der Ausschuss betonte die Notwendig- keit der Mitsprache von Arbeite- rinnen und Arbeitern; er möchte deshalb bei seinen Entscheidungen

berücksichtigen, ob in den Betrie- ben vor Ort entsprechende Gre- mien, Verträge und Verfahren vorhanden sind und ob dort regel- mäßig Schulungsmaßnahmen für die Belegschaft durchgeführt wer- den. Auch welche Rolle die beson- ders verletzliche Gruppe der Wan- derarbeiter in der Produktion spielt und ob die Geschäftstätig- keit vor allem der Markterschlie- ßung dient oder insbesondere dar- auf abzielt, niedrige Arbeitskosten auszunutzen, soll bei den Beratun- gen künftig stärker beachtet wer- den. Kyocera wurde aus dem Anla- geuniversum ausgeschlossen, weil das Unternehmen dem Anlageaus- schuss auch auf konkrete Nachfra- ge keine hinreichenden Informati- onen zur Verfügung stellte, um seine Geschäftstätigkeit in China beurteilen zu können.

Schließlich verständigte sich der Anlageausschuss auf einige Ele- mente einer gemeinsamen Vision hinter ÖkoVision. Der Ausschuss will damit dazu beitragen, das besondere Profil des Fonds nach innen und außen weiter zu schär- fen. Er sieht im ÖkoVision ein Zei- chen für sozial und ökologisch ver- antwortliches Wirtschaften, ein Zeichen dafür, dass Geld mit Wer- ten verbunden werden kann, und ein Zeichen schließlich dafür, dass es Unternehmen gibt, die zum Teil in besonderer Weise ihrer sozialen, menschenrechtlichen und ökologi- schen Verantwortung gerecht wer- den und dabei mit weniger Risiko langfristig profitabel und überle- bensfähiger sind. […]

Uwe Kleinert

Mehr unter

http://www.oekovision.de

ÖkoVision-Kriterien

Positivkriterien

• umwelt- und sozialverträgliche Technologien

• sozial- und umweltverträgliche Pro- dukte

• Dienstleistungen, die eine nachhalti- ge Entwicklung fördern

Mittelbar positive Kriterien

• Sanierung oder Verringerung von Umweltschäden

• Minderung sozialer Probleme,

• transparente, verbraucher- und ar- beitnehmerfreundliche Unterneh- menspolitik

• hochqualitative Produkte, die dem allgemeinen Wohl dienen

Ausschlusskriterien

• Diskriminierung

• Kinderarbeit und Zwangsarbeit

• Behinderung gewerkschaftlicher Aktivitäten

• Unterstützung von Regimen, die gegen Menschenrechte verstoßen,

• Rüstungsproduktion

• Atomkraft

• Chlorchemie

• Raubbau an natürlichen Ressourcen

• Entwicklung gentechnisch veränder- ter Pflanzen, Tiere und Mikroorga- nismen in offenen Systemen

• Arbeit mit embryonalen Stammzellen

• vermeidbare Tierversuche

• sonstige gesundheits- und umwelt- schädliche Verfahren oder Produkte

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Das im letzten Jahr gegründete Netzwerk „EU-China: Civil Society Forum“ konnte in diesem Jahr seine Arbeit intensivieren. Am 20.

Januar 2009 setzte sich ein Work- shop in Frankfurt mit der China- Politik der Europäischen Union und mit der Rolle der Zivilgesell- schaft auseinander. Unter ande- rem zeigte Dr. Jörn-Carsten Gott- wald vom University College Cork in Irland Widersprüche der euro- päischen Chinapolitik auf, und Dr.

Christa Wichterich (WIDE – Wo- men in Development Europe, Bonn) erläuterte, dass die Europäische Union kaum auf die Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Organisati- onen bei der Gestaltung ihrer Chi- napolitik setzt. Ein Bericht über diesen Workshop und die wichti- gen Referate finden sich auf der Website des Netzwerkes unter www.eu-china.net.

Höhepunkt im ersten Halbjahr war dann eine elftägige Reise nach Südchina im Juni 2009, an der zehn Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland und Österreich (darunter Klaus Heidel) teilnah- men. Im Mittelpunkt der überaus spannenden Reise stand die Be- gegnung mit jungen Umweltakti- visten. Das Ausmaß des Engage- ments der jungen Chinesinnen und Chinesen überraschte ebenso wie ihr großes Interesse an einer Zu- sammenarbeit mit Umweltschutz- organisationen in Europa. Diese soll künftig intensiviert werden, eine solche Vernetzung von euro-

päischen und chinesischen zivilge- sellschaftlichen Organisationen stellt ein aufregendes Novum dar.

Über die Reise wird eine Doku- mentation berichten, die von der Asienstiftung in Essen gestaltet werden wird.

Vom 28. bis 30. September 2009 folgte dann eine internationale Konferenz zu sozialen Entwicklun- gen in China und Europa, an der auch zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Mitarbei- tende von Nichtregierungsorgani- sationen aus China teilnahmen.

Zwei Eröffnungsvorträge beschäf- tigten sich mit sozialer Sicherheit

in China (Prof. Dr. Mu Qioa, Bei- jing) und Europa (Klaus Heidel).

In den anschließenden Vorträgen und Arbeitsgruppen ging es um soziale Sicherheit für Wanderar- beiterinnen und –arbeiter, um grundlegende Rechte der abhängig Beschäftigten und um Geschlech- tergerechtigkeit. Im Anschluss an die Konferenz kamen die Gäste aus China auch für vier Tage nach Deutschland, um in Frankfurt, Mannheim und Heidelberg sozia- len Problemlagen in Deutschland kennen zu lernen – von der Arbeit mit Asylsuchenden bis hin zur betrieblichen Situation in Zeiten

der globalen Finanz- und Wirt- schaftskrise. Dieser Deutschland- besuch bot Gelegenheit zu erstaun- lich intensiven Gesprächen und führte zu dem Wunsch der Gäste aus China, die begonnenen Begeg- nungen fortzuführen.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Werkstatt Ökonomie im Rah- men des Projektes war die Pflege der Website und der Aufbau einer englischen Version der Website.

Eine chinesische Version wird zur- zeit vorbereitet.

Anfang des Jahres setzte sich ein Aufsatz von Staphany Wong (Werkstatt Ökonomie) mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf China aus- einander (auch dieser Aufsatz ist auf der Website des Netzwerkes zu finden). Zurzeit bereitet die Werk-

statt Ökonomie umfangreiche Bil- dungsmaterialien und eine Studie über chinesische Direktinvestitio- nen in Europa vor. Vor allem sind die Vorbereitungen für eine euro- päisch-chinesische Umweltkonfe- renz in Berlin im Mai oder Juni 2010 angelaufen, bei der es um globale ökologische Auswirkungen der europäischen und chinesischen Entwicklungspfade gehen wird.

Klaus Heidel

Mehr dazu auf der Website des Netzwerks unter http://www.eu-china.net

EU-China: Civil Society Forum

Begegnungen in Südchina &

internationale Konferenz in Wien

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Vom 4. bis 5. September fand in Kinshasa der 5. SADC Peoples’

Summit statt. Eines der Leitmotive war, die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) als offenen Raum effektiv zu nutzen, der nicht nur den Staats- und Re- gierungschefs und Vertretern aus der Wirtschaft, sondern auch NGOs, sozialen Bewegungen und allen gesellschaftlichen Gruppen zur Verfügung steht. Boniface Ma- banza von der KASA nahm als Beobachter teil und empfiehlt eine kritische Überprüfung der zivilge- sellschaftlichen Strategien.

2006 fand in Maseru (Lesotho) die erste Auflage dieses regionalen Gipfels statt. Das Forum wollte den Veranstaltern zufolge der Be- völkerung der SADC Gelegenheit geben, die Armut der Mehrheit der Bevölkerung zu thematisieren und nach Wegen zu suchen, die neoli- beral geprägten Wirtschaftspoliti- ken in der Region zugunsten der Interessen der Mehrheit zu beein- flussen. Außerdem sollte die Leichtfertigkeit ihrer Regierungen bei Vertragsabschlüssen mit inter- nationalen Finanzinstitutionen und transnationalen Konzernen deutlich gemacht werden. Das Fo- rum von Maseru endete mit einer Abschlusserklärung, die den Staats- und Regierungschefs über- geben wurde. Das Southern Afri- can People’s Solidarity Network (SAPSN) bewertet es als Erfolg, dass diese Erklärung nicht nur angenommen wurde, sondern zur Einberufung einer SADC-

Konferenz über Armut in der Regi- on führte. Diese fand 2008 auf Mauritius statt. Rückblickend kommt das SAPSN zu dem Ergeb- nis, dass die meisten seiner Forde- rungen keine Berücksichtigung fanden, hält aber die Teilnahme

„normaler Bürger“ an der Konfe- renz für einen großen Erfolg.

Seit diesem ersten Gipfel in Mase- ru im Jahr 2006 wurde der Peo- ples’ Summit dreimal einberufen:

2007 in Lusaka zum Thema „Eine SADC für die Entwicklung der Völker: Lasst die Völker sprechen“, 2008 in Johannesburg zum Thema

„Eine SADC für die Entwicklung der Bevölkerungen durch Solidari- tät von unten“ und 2009 in Kin- shasa unter der Überschrift „Re- claiming SADC for People’s Soli- darity and Development Coopera- tion: Taking Ownership of our re- sources for people’s security and justice.“

Als Teilnehmer und Beobachter des Gipfels in Kinshasa habe ich folgenden Eindruck gewonnen: Wie die vorherigen, endete der diesjäh- rige Peoples’ Summit mit einer Abschlusserklärung, in der die Konferenzteilnehmer zu vielen für die Region relevanten Themen Stellung bezogen. Die Hauptforde- rungen beziehen sich auf die Pri- vatisierung öffentlicher Güter, die Mitwirkung der SADC an der Lö- sung von Konflikten in den Mit- gliedsstaaten, die Schuldenlast, die internationale Hilfe und die Han- delbeziehungen, die Auswirkungen

der Finanz-, Wirtschafts-, Klima- und Energiekrise auf die Länder der SADC, die Armut und die Ar- beitslosigkeit in der Region.

Auffällig ist, dass es der Ab- schlusserklärung an Substanz und Dynamik fehlt. Zur Entlastung des Summit möchte ich festhalten, dass diese Abschlusserklärung nur ungenügend das widerspiegelt, was sich im Konferenzraum abge- spielt hat. Dort war die Entschlos- senheit deutlich spürbar, die Eli- ten ernsthaft herauszufordern und ihnen ins Gewissen zu reden. Ver- mutlich trug der Zeitdruck bei der Redaktion der Abschlusserklärung dazu bei, dass die Ergebnisse ver- wässert wurden. Mit guter Pla- nung wäre dieser unglückliche Umstand zu vermeiden gewesen.

Zu denken gibt die Selbstverständ- lichkeit, mit der die Initiatoren des Gegengipfels die Übergabe der Abschlusserklärung an die Delega- tion des offiziellen Gipfels als den Höhepunkt des Gegengipfels be- trachteten. In der Tat war der Ge- gengipfel vom Ablauf her darauf ausgerichtet, Forderungen an die Staats- und Regierungschefs zu richten. Stimmen, die sich wäh- rend der Diskussionen für andere Aktionsformen von der Basis her stark machten, fanden kaum Ge- hör, geschweige denn gebührende Berücksichtigung in der Ab- schlusserklärung. Es wurde kaum über Strategien nachgedacht, mit denen Druck auf Entscheidungs- träger ausgeübt werden kann, da- mit die Forderungen des Gegengip- fels nicht nur in Empfang genom- men, sondern auch umgesetzt wer- den. Als ob die zivilgesellschaftli- chen Organisationen der SADC keine Erfahrung damit hätten, wie

Eindrücke vom 5. SADC Peoples’ Summit

Zivilgesellschaft sollte ihre

Artikulationsformen überdenken

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zivilgesellschaftliche Beteiligung ausgenutzt wird, um die Anerken- nung und die Legitimität von Re- gierungsentscheidungen bei den Verfechtern des Good Governance- Konzeptes zu erhalten. Dieses setzt bekanntlich auf Partizipation der Zivilgesellschaft, aber nicht selten auf eine Partizipation, die über die Form nicht hinausgeht, etwa gemäß der olympischen Phi- losophie: „Dabei sein ist alles“.

Was für die olympischen Spiele gut ist, kann für Veränderungsprozes- se, bei denen es letztendlich um Leben angesichts des drohenden Todes geht, nicht gelten.

Wenn sich zivilgesellschaftliche Organisationen für Kooperation mit den Mächtigen entscheiden, sollten sie sich der Grenzen und Risiken dieser Kooperation be- wusst sein. Die Durchsetzbarkeit sollte dabei das entscheidende Kri- terium sein. Wenn diese nicht ge- geben ist, ist das Risiko der Ver- einnahmung und der Instrumenta- lisierung zur Rechtfertigung be- stimmter politischer Konzepte groß, und es ist fatal, sich in diese Rolle zu begeben. Im konkreten Fall des Gegengipfels unter der Führung des Southern African People’s So- lidarity Network in Kinshasa be- stand für die Teilnehmer so gut wie kaum eine Chance, die Ergeb- nisse des Gipfels von Staats- und Regierungschefs zu beeinflussen.

Dies nicht nur, weil an diesem Gipfel Despoten wie Mugabe, Ka- bila, König M’swati und der Pre- mierminister der autokratischen angolanischen Regierung teilnah- men, die unter zivilgesellschaftli- cher Partizipation nur die bestäti- gende Form ihrer katastrophalen Politik verstehen, sondern vor al- lem weil das SADC-Sekretariat

dafür gesorgt hatte, dass diese bestätigende Funktion von den Regierungen nahe stehenden

„NGOs“ übernommen wurde. Die- sen wurde neben dem eigenen Gip- fel eine Teilnahme am offiziellen Gipfel ermöglicht und sie konnten somit dort an den wichtigen Wei- chenstellungen für die Zukunft der SADC mitstricken. Die kritische Zivilgesellschaft, die es zu allem Überfluss diesmal nicht schaffte, ihr kritisches Potential in der Ab- schlusserklärung deutlich zu arti- kulieren, war in diesem Spiel der

„moderaten Zivilgesellschaft“ über- flüssig. Die logische und politisch tragbare Konsequenz daraus wäre gewesen, gar keine Forderungen an die Staats- und Regierungschefs zu stellen und sich anderen Arti- kulationsmöglichkeiten und Akti- onsformen zuzuwenden.

Wenn die kritische Zivilgesell- schaft in der SADC eine wirksame Rolle in Transformationsprozessen spielen will, wäre sie gut beraten,

ihre Artikulationsformen grundle- gend zu überdenken. Nur so kann sie Stimmen und Stimmungen, die bei den Gegengipfeln und anderen Anlässen laut werden, so kanali- sieren, dass reale Erfolge bei der Beeinflussung von Gesellschafts- prozessen erzielt werden. Den Mächtigen die Hand zu reichen, ist kein Erfolg, auch nicht der richtige Weg zum Erfolg in Anbetracht der Machtverhältnisse in vielen SADC- Ländern.

Auch wenn dieser kleine Beitrag die Zivilgesellschaft im Südlichen Afrika in den Blick nahm: Meine Beobachtung ist, dass die europäi- sche Zivilgesellschaft bis auf ein paar Akzentverschiebungen mit ähnlichen Problemen konfrontiert ist. Daher betrifft die Forderung nach einem grundlegenden Über- denken ihrer Artikulationsformen auch die europäische Zivilgesell- schaft.

Boniface Mabanza

Südafrika

Demokratie in Gefahr?

Ende September überfallen ANC-nahe Schläger eine Armensiedlung in Durban (Südafrika), verwüsten die Häuser und den Besitz hauptsäch- lich der gewählten Vertreter der Gemeinschaft und vertreiben Mitglie- der der Basisorganisation Abahlali baseMjondolo (shack dwellers’ mo- vement). Dabei sterben mindestens vier Menschen, etwa 2000 Bewohner fliehen.

Das Kennedy Road Settlement in Durban ist zum Symbol für die neu- en sozialen Bewegungen in Südafrika geworden, die sich hauptsäch- lich um grundlegendste Verbesserung ihrer Lebensbedingungen ein- setzen. Dabei rekurrieren Basisorganisationen wie Abahlali baseMjon- dolo, die Anti-Eviction Campaign oder das Landless People’s Move- ment auf ihre verfassungsgemäßen Rechte auf Wohnung, Sanitär- und

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Gesundheitsversorgung und scheuen auch nicht vor Gerichts- verfahren zurück. Sie fühlen sich keiner Partei zugehörig und haben sich eher der direkten Demokratie verschrieben, nicht zuletzt weil keine der bestehenden Parteien sich ihrer Probleme wirklich an- nimmt. Sie, das sind die haupt- sächlich städtischen Armen Südaf- rikas, die immer noch auf die Frü- chte der Demokratie und der Frei- heit warten, denen Versprechun- gen gemacht werden, die keiner je vorhatte einzulösen und denen keiner zutraut, dass sie je zu den

„Leistungsträgern der Gesell- schaft“ gehören. Sie leben in elen- den Behausungen ohne sanitäre

Einrichtungen, Wasser und Strom.

Mehr und mehr beginnen sie, ihre Rechte einzufordern und die Spiel- räume, die ihnen ein demokrati- scher Staat gewährt, zu nutzen.

Ihre basisdemokratischen Struktu- ren verhindern eine Institutionali- sierung und machen sie so von

außen wenig korruptionsanfällig und beeinflussbar – auch von NGOs oder Spendenorganisationen.

Die Siedlung an der Kennedy Road entstand in Durban in den 1970er- Jahren, ertrotzte sich noch in der Apartheidzeit die Legalisierung, die ihr allerdings 1995 von der neuen Regierung wieder abgespro- chen wurde. Seither kämpfen die Bewohner um die offizielle Aner- kennung als Siedlung, um die Ver- besserung ihrer Lebensbedingun- gen und um eine positive Zusam- menarbeit mit der lokalen Regie- rung unter dem Dach von Abahlali baseMjondolo.

Es ging dabei nie um Parteizuge- hörigkeit, nie um Herkunft: „We are not a political party, we are a poor people’s movement – we are looking for justice and not political power.” Dies schien auch zu funk- tionieren, es gab ein Memorandum of Understanding mit der lokalen

Verwaltung, in der die weitere Verbesserung der Siedlung mit aufgenommen wurde. Doch seit Jacob Zuma zum Präsidenten ge- wählt wurde, ist eine neue Ten- denz im Kampf um die Siedlung aufgetaucht: „Die Ethnisierung der Politik innerhalb des lokalen ANC begann mit Jacob Zumas Wahl- kampf. Das kannten wir weder aus dem lokalen ANC noch aus unserer Siedlung. Doch dann begannen Leute aus dem ANC plötzlich zu sagen‚ jetzt sei es Zeit für die Zulu’.

Sie begannen, die wenigen ANC- Anhänger in unserer Siedlung da- von zu überzeugen, dass sie die Macht hier wieder von den Pondo (Xhosa-sprachige Gruppe) zurück- erobern müssten. Diese Art von Politik begann mit Zumas Wahl- kampf, deshalb liegt es auch in seiner Verantwortung, sie sowohl aus dem ANC als auch aus unse- rer Siedlung herauszuneh-

men…Wir glauben auch, dass jetzt, wo Abahlali baseMjondolo den Kampf gegen die Vertreibung und Zerstörung von Kennedy Road gewonnen hat und die Siedlung nun entwickelt werden soll, diese Leute mit Gewalt die Macht in der Siedlung übernehmen wollen, um Zugang zu den versprochenen Häusern bekommen zu können.“

Die ethnische Karte hat auch hier wieder den Zweck, Macht (zurück) zu gewinnen. Die lokalen ANC- Kader versuchen, die außerhalb und parallel zum ANC entstande- nen kommunalen Strukturen zu zerstören. Hinter den Attacken, so ist in vielen Äußerungen von Abahlali im Internet zu lesen, steht der lokale ANC-Sekretär Jackson Gumede sowie der ANC- Stadtrat Yacoob Baig.

Kennedy Road Settlement, Durban

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„Der ANC auf dieser Ebene hat Angst, denn wir tolerieren keine Korruption, wir wollen uns für die tatsächliche Entwicklung unserer Gemeinde einsetzen, so dass Pfusch, betrügerische Verteilung von Häusern, korrupte Ausschrei- bung und das Stehlen von Zement nicht stattfinden.“

Wenn sich lokale Strukturen be- kriegen, ist dies schon schlimm genug, stellt jedoch noch keine Gefahr für die nationale Demokra- tie dar. Doch wenn bei den Über- griffen die zu Hilfe gerufene Poli- zei nicht eingreift und statt der tatsächlichen Angreifer die ge- wählten Vertreter der Gemein- schaft verhaftet, dann bekommt das Ganze eine neue Dimension.

Der Präsident des Südafrikani- schen Kirchenrats, Prof. Maluleke, schreibt in einer Presseerklärung:

„Es ist schon ungerecht genug, arm und mittellos zu sein, aber wenn man wegen seines Kampfes gegen Armut und Elend attackiert und getötet wird, ist das noch schlim- mer. Wir werden mit den politisch Zuständigen Kontakt aufnehmen, um sicherzustellen, dass das Ver- trauen der Menschen in die Demo- kratie nicht zerstört wird.“

Simone Knapp

Im November sollen die Mitglieder des Kimberley-Prozesses (KP) in Windhuk (Namibia) darüber ent- scheiden, ob Simbabwe wegen Menschenrechtsverletzungen in seinem Diamantenfeld in Marange und wegen Diamantenschmuggels suspendiert werden soll. Der World Diamond Council steht hinter ei- ner vollen Suspendierung, wie sie das Untersuchungsteam des KP fordert. Sie könnte zunächst auf sechs Monate beschränkt sein, um Simbabwe die Chance zu geben, die Verhältnisse in Marange wie- der an den KP-Richtlinien auszu- richten. Auch eine Suspendierung, die sich nur auf den Handel mit Marange-Diamanten beschränkt, ist im Gespräch. Dabei ist unklar, um welche Größenordnung es sich handelt. Simbabwes offiziell ge- handelte Diamanten machen etwa 0,4% des internationalen Handels aus, das wären monatlich rund vier Millionen USD. Wie viel die Marange-Minen erwirtschaften, ist nicht bekannt. Ein kleiner Teil der geförderten Steine läuft wohl über offizielle Kanäle, die überwiegende Mehrheit jedoch wird geschmug- gelt.

In Marange wurden erst im Jahr 2005 Diamanten entdeckt und zunächst über eine in London re- gistrierte Bergbaugesellschaft ab- gebaut. Nachdem dieser die Lizenz wieder entzogen wurde, begannen simbabwische Schürfer die Felder zu überrennen – ermuntert durch die Regierung, die dadurch kosten- günstig an Diamanten kam. Doch die von staatlichen Stellen angebo- tenen Preise lagen weit unter Marktwert, so dass sich schnell illegale Händler etablieren konn- ten. Militär und Polizei wurden in das Diamantengebietgeschickt, angeblich, um die Ordnung wieder herzustellen. In der ersten Welle wurden 22.000 Menschen vertrie- ben und inhaftiert, im November 2008 kamen mindestens 200 Men- schen zu Tode. Die Übergriffe rich- teten sich dabei nicht nur gegen Schürfer und Händler, sondern auch gegen die Bewohner der um- liegenden Dörfer und dort meist gegen Oppositionelle – der Maran- ge-Distrikt zählt zu den Hochbur- gen der Oppositionspartei MDC.

Human Rights Watch veröffentli- che im Juni dieses Jahres einen erschütternden Bericht, wonach es

Der Kimberley-Prozess

Der Kimberley-Prozess ist ein komplexes System, das über staatliche Herkunftszertifikate den Handel mit sogenannten Blutdiamanten unterbinden soll. Als Blutdiamanten werden geschmuggelte Diamanten bezeichnet, durch die Rebel- lenorganisationen Kriege finanzieren bzw. die unter Verletzung von Menschenrechten produziert werden.

Die über illegal geschürfte Diamanten finanzierten Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone machten das Problem der Blutdiamanten in den 1990er Jahren deutlich. Im Mai 2000 trafen sich im südafrikanischen Kimberley Vertreter mehre- rer Diamanten produzierender Länder aus dem südlichen Afrika, um die Problematik grundsätzlich anzugehen. Seit 2003 ist der Kimberley-Prozess offiziell in Kraft: Seither dürfen nur noch solche Diamanten gehandelt werden, für die offizielle Herkunftszertifikate des jeweiligen Ursprungslandes vorliegen. Der Kimberley-Prozess vereinigt 47 Mitglieder (darunter die EU), die 75 Länder vertreten.

Blutdiamanten aus Simbabwe

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zu schweren Misshandlungen und Zwangsarbeit der lokalen Bevölke- rung kommt: „Man kann deshalb mit Fug und Recht von Blutdia- manten sprechen, denn die Leute werden mit Gewalt zur Arbeit auf den Diamantenfeldern gezwungen und werden zum Teil schwer miss- handelt; außerdem werden sie für die Arbeit nicht entschädigt“, be- richtete Dewa Mavhinga von Hu- man Rights Watch in einem Inter- view in Genf.

Mehr und mehr übernahmen Mili- tär und Polizeiverantwortliche gemeinsam mit Teilen der politi- schen Elite des Landes den Abbau und Vertrieb der Steine, wieder vorbei an den öffentlichen Kassen.

„…und, das ist vielleicht noch wichtiger, der Erlös aus dem Ver- kauf der Diamanten kommt weder dem Land noch der Bevölkerung von Chiadzwa bzw. Marange zugu- te. Simbabwe, das in der gegen- wärtigen Situation sehr auf Staatseinkünfte angewiesen ist, um sich wirtschaftlich wieder zu erholen, geht leer aus. Es sind die Armee und vor allem einzelne Mi- litärs, die von diesen Bodenschät- zen profitieren, die eigentlich dem Land und der Nation als Ganzes gehören“, so Mavhinga. Offiziere und die Elite der ZANU-PF ver- schaffen sich so finanzielle Spiel- räume, die ihnen aufgrund der Dollarisierung des Landes von der Regierung nicht mehr gewährt werden können. Gleichzeitig bleibt ihre Macht unangefochten, sie ha- ben durch den Schmuggel Zugang zu Waffen und bilden dadurch eine Gefahr für die Stabilität und den friedlichen Wandel des Landes.

Wie schnell Macht und Möglichkei- ten korrumpieren, zeigt das Bei- spiel des stellvertretenden Berg-

bauministers – seines Zeichens Mitglied der MDC und durch das Abkommen zwischen Opposition und Regierungspartei Teil der Einheitsregierung –, der angeblich ebenfalls in den illegalen Diaman- tenhandel involviert sein soll.

Die Diskussion um eine Suspen- dierung vom Kimberley-Prozess ist auch vor dem Hintergrund zu se- hen, dass sich die Einheitsregie- rung vor allem in der Person von Premierminister Morgan Tsvangi- rai international um Unterstüt- zung für den wirtschaftlichen Wie- deraufbau bemüht, gleichzeitig aber Ressourcen des Landes in die Taschen der alten Kader ver- schwinden. Zudem war die Ein- heitsregierung bisher nicht in der Lage oder gewillt, an den schweren

Menschenrechtsverletzungen et- was zu ändern.

„Anlässlich eines Treffens am 4.

Juli verpflichtete sich Bergbaumi- nister Obert Mpofu gegenüber der Überprüfungskommission (des KP) zur Umsetzung aller Empfehlun- gen der Kommission. Aber dieses Versprechen wurde von der Regie- rung nicht in die Tat umgesetzt.

Anstatt die Armee abzuziehen, wurde ihre Präsenz in Wahrheit verstärkt“, erklärt Dewa Mavhinga.

„Wir setzen uns dafür ein, dass Simbabwe solange vom Kimberley- Prozess suspendiert wird, bis es seine Diamantenindustrie in Ord- nung gebracht hat.“

Simone Knapp

Diamantenfeld in Marange, 2006

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Forum Kinderarbeit

Zum Abschluss eine neue Broschüre

Im September 2009 beschlossen die Träger des Deutschen NRO-

Forums Kinderarbeit, das seit dem Jahr 2000 bestehende Forum nicht weiter fortzuführen. Hintergrund dieser Entscheidung sind Schwer- punktverlagerungen in der Arbeit der Träger. Dies ist bedauerlich:

Das Forum war der einzige deut- sche Zusammenschluss von Nicht- regierungsorganisationen, der sich mit Nachdruck für eine differen- zierte Auseinandersetzung mit Kin- derarbeit einsetzte.

Diese Haltung prägte auch die im laufenden Jahr fortgeführte kriti- sche Begleitung der Erarbeitung einer umfassenden Kinderrechts- strategie durch die Europäische Union. Sie könnte gerade hinsicht- lich ihres Anspruchs, auch die Au- ßenbeziehungen der EU an kinder- rechtlichen Kriterien auszurichten, zu einem kinder- und darüber hin- aus allgemein menschenrechtli- chen Meilenstein werden. Doch die Europäische Kommission scheint das Interesse an der Kinderrechts- strategie verloren zu haben: Jeden- falls entwickelte sie in den letzten neun Monaten kaum noch ein- schlägige Initiativen. Deshalb nutzte das Deutsche NRO-Forum Kinderarbeit parlamentarische Beratungen, um für eine konse- quente Erarbeitung der Kinder- rechtsstrategie zu werben. Im Vor- feld der Beratungen des Europäi- schen Parlamentes über den Be-

richt seines Entwicklungsaus- schusses über die Mitteilung der EU-Kommission „Außenmaßnah- men der EU: Ein besonderer Platz für Kinder“ am 18. Februar 2009 wandte sich das Forum an alle deutschen Abgeordneten des Euro- päischen Parlamentes mit einer schriftlichen Stellungnahme.

Am 4. März 2009 folgten Beratun- gen mehrerer Ausschüsse des Deutschen Bundestages über diese Kommissionsmitteilung. Auch im Vorfeld dieser Beratungen wurde allen Mitgliedern der entsprechen- den Bundestagsausschüsse eine Stellungnahme des Forums zuge- schickt.

Zweiter Schwerpunkt der Arbeit des Forums war die Fortsetzung der Werbung für eine differenzier- te Auseinandersetzung mit Kin- derarbeit. Diesem Ziel dient die neue 56seitige und von Klaus Hei- del herausgegebene Broschüre des Forums „Kinderarbeit – Kinder- rechte. Beiträge zur Qualifizierung

des Umgangs mit Kinderarbeit in kinderrechtlicher Perspekti- ve“ vom Juni 2009, die bei der Werkstatt Ökonomie bestellt oder als PDF von der Website herunter- geladen werden kann.

Ob nun nach 16 Jahren die Be- schäftigung der Werkstatt Ökono- mie mit Kinderarbeit fortgeführt werden wird, ist noch offen.

Klaus Heidel

Mehr dazu:

http://www.forum-kinderarbeit.de

Jahrbuch Gerechtigkeit

Neukonzeptionen

Schon im vergangenen Jahr hatte die Herausgeberkonferenz für das Jahrbuch Gerechtigkeit eine zwei- jährige Erscheinungsweise be- schlossen, da das Jahrbuch künf- tig mithilfe eines Konsultations- prozesses der beteiligten Kirchen, kirchlichen Werken und Gruppen sowie – je nach thematischem Schwerpunkt – unter Beteiligung weiterer Kirchen vorbereitet wer- den soll.

Deshalb fand zur Vorbereitung des Jahrbuches Gerechtigkeit IV, das von rund 35 Kirchen, kirchlichen Werken und Gruppen herausgege- ben werden und sich mit sozialen und ökonomischen Herausforde- rungen in den „neuen“ EU- Mitgliedsländern beschäftigen wird, am 2. und 3. Februar 2009 eine große europäische ökumeni-

Aus der Laufenden Arbeit

Kinderarbeit – Kinderrechte: Die neue Broschüre des Forums Kinderarbeit

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sche Konsultation im Kardinal König Haus in Wien statt. Bei die- ser Konsultation trugen Vertrete- rinnen und Vertreter von Kirchen aus Estland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien sehr unterschiedli- che Sichtweisen auf ihre Länder vor und wiesen dabei auf die Not- wendigkeit eines intensiveren eu- ropäischen Dialoges der Kirchen hin: Geprägt von unterschiedlichen historischen Erfahrungen und kul- turellen, sozialen und politischen Kontexten lagen diese Sichtweisen zum Teil weit auseinander. Dies wird der zweite Teil des Jahrbu- ches Gerechtigkeit IV dokumentie- ren, der mit Bedacht auf jeden Versuch einer Harmonisierung verzichtet.

Die Wiener Konferenz wurde in Kooperation mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) durch- geführt; die Kommission Kirche und Gesellschaft der KEK trat überdies dem Herausgeberkreis bei. Auf diese Weise bietet sich das Ende 2009 erscheinende Jahrbuch für den europäischen ökumeni- schen Diskurs an und wird daher zumindest in Auszügen auch auf Englisch erscheinen. Im ersten Quartal 2010 soll dann eine euro- päische ökumenische Konsultation zum Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung durchgeführt werden, die gemein- sam von der KEK und dem Kirch- lichen Herausgeberkreis Jahrbuch Gerechtigkeit getragen werden wird.

Inzwischen haben die Vorarbeiten für das Jahrbuch Gerechtigkeit V zu Fragen ökologischer Gerechtig-

keit begonnen. Im Mittelpunkt dieser Ausgabe wird das Konzept ökologischer Schuld stehen; hierzu verabschiedete der Zentralaus- schuss des Ökumenischen Rates der Kirchen im September 2009 eine Stellungnahme. Dieser fünfte Band wird zugleich von einer wei- teren Neuausrichtung des Jahrbu- ches geprägt sein: Künftig wird es nicht mehr um regionale, sondern um thematische Schwerpunkte gehen.

Klaus Heidel

Ökologische Schuld

Ende Juni nahm Klaus Heidel als Vertreter der Evangelischen Kir- che in Deutschland (EKD) an einer Konferenz des Ökumenischen Ra- tes der Kirchen in Toronto zur Frage der ökologischen Schuld teil.

Klaus Heidel vertritt die EKD in der Arbeitsgruppe des ÖRK „Ar- mut, Reichtum und Ökologie. Im September 2009 nahm der Zent- ralausschuss eine Erklärung zu ökologischer Schuld an, die in To- ronto vorberaten worden war.

Erklärung auf der ÖRK-Website:

http://www.oikoumene.org/de/dokumen tation/documents/oerk-zentralausschuss/

genf-2009/reports-and-documents/be richt-des-ausschusses-fuer-oeffentliche- angelegenheiten/erklaerung-zu-oeko- gerechtigkeit-und-oekologischer- schuld.html

Countdown to CO

2

penhagen

Kirchen, evangelische Entwicklungswerke und ökumenische Initiativen wollen gegenüber den politisch Verantwortlichen im Vorfeld der Klima- konferenz von Kopenhagen verdeutlichen, dass in den Industrieländern deutliche Emissionsminderungen nötig sind und dass es eine Verpflich- tung gibt, die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawan- del und bei deren Reduktionsanstrengungen finanziell und technologisch zu unterstützen

Engagieren Sie sich, mobilisieren Sie Andere, unterschreiben Sie den

„Kopenhagen-Aufruf der Kirchen“, um die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft daran zu erinnern, dass es keinen wirksamen Klimaschutz ohne globale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung und die Respektierung der Menschenrechte gibt.

„Countdown to Copenhagen“ ist eine internationale Kampagne, getragen von ökumenischen Entwicklungswerken, dem Weltkirchenrat, Kirchen und deren Partnerorganisationen in Europa, Afrika, Asien und Amerika.

Mehr dazu unter

http://www.countdowntocopenhagen.de http://www.countdowntocopenhagen.org

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Klima der Gerechtigkeit

Die Werkstatt Ökonomie ist der entwicklungspolitischen Klima- plattform der Kirchen, Entwick- lungsdienste und Missionswerke

„Klima der Gerechtigkeit“ beige- treten. Am 1. September nahm Klaus Heidel an der Unterzeich- nerkonferenz teil. Er wies dabei unter anderem darauf hin, dass die Klimaplattform einen menschen- rechtlichen Ansatz vermissen lasse.

Außerdem blieben die Vorschläge für Handlungsmöglichkeiten zu blass. Dennoch sei diese Klima- plattform eine wichtige Initiative und eine gute Grundlage für die Arbeit in Gruppen und Gemeinden.

Mehr dazu:

http://www.ekvw.de/fileadmin/sites/ekvw/

Dokumente/texte/Klima_der_Gerechtigkeit _screen.pdf

Social Watch Deutschland

Zurzeit wird der diesjährige Social Watch Deutschland Report vorbe- reitet, der im November 2009 er- scheinen und sich mit den sozialen Auswirkungen der globalen Krisen beschäftigen wird.

Nachhaltiges Wirtschaften trotz Finanz- und Wirtschaftskrise?

Vortrag und Diskussion

Freitag, 13. November 2009 20.00 Uhr

Katholisches Gemeindehaus St. Peter, Albert-Fritz-Straße 35, 69124 Heidelberg- Kirchheim

Prof. Dr. Hans Diefenbacher, Forschungs- stätte der Evang. Studiengemeinschaft Heidelberg, Umweltbeauftragter der Evang.

Kirche in Deutschland

Moderation: Klaus Heidel, Evang. Blum- hardt-Gemeinde, Werkstatt Ökonomie

Ökumenischer Gottesdienst zum evangelischen Buß- und Bettag Mittwoch, 18. November 2009 19.00 Uhr

Evang. Gemeindezentrum Arche, Oppelner Straße 2, 69124 Heidelberg-Kirchheim Predigt: Pfr. i.R. Dr. Gerhard Liedke

Was wir als Kirchen vor Ort tun müs- sen. Zukunftsfähiges Deutschland als Herausforderung für die Kirchen Podiumsgespräch und Diskussion Mittwoch, 18. November 2009 20.00 Uhr

Evang. Gemeindezentrum Arche, Oppelner Straße 2, 69124 Heidelberg-Kirchheim

Teilnehmende:

• Benedikt Schalk, Erzbischöfliches Ordina- riat Freiburg, Referat für Energie und Umwelt

• Oberkirchenrat Stefan Werner, Evang.

Landeskirche in Baden, Referat für Lie- genschaften, Gemeindefinanzen, Bau

• Pfr. Dr. Brandt (SE Wieblingen, Pfaffen- grund, Eppelheim)

• Dekanin Dr. Marlene Schwöbel, Evang.

Kirche in Heidelberg Moderation:

• Isa Höflich, Kath. Pfarrgemeinde St. Peter

• Pfr. i.R. Dr. Gerhard Liedke, früher u.a.

Umweltbeauftragter der Evang. Landes- kirche in Baden

Was wir in Heidelberg tun müssen.

Zukunftsfähiges Heidelberg Podiumsgespräch und Diskussion Montag, 23. November 2009, 20.00 Uhr Kath. Gemeindehaus St. Peter, Albert-Fritz- Straße 35, 69124 Heidelberg-Kirchheim Teilnehmende:

• Martin Ehrbar, Stadtrat (CDU)

• Irmtraud Spinnler, Stadträtin (SPD)

• Karl-Heinz Rehm, Stadtrat (Die Heidel- berger)

• Judith Marggraf, Stadtrat (GAL) Moderation:

• Roland Blatz, Kath. Pfarrgemeinde St.

Peter

• Pfarrerin Christiane Drape-Müller, Evang.

Blumhardt-Gemeinde

Kirchheimer Woche 2009

Zukunftsfähiges Deutschland – zukunftsfähige Stadt

Veranstalter: Kath. Pfarrgemeinde St. Peter Heidelberg-Kirchheim, Evang. Blumhardt- Gemeinde Heidelberg-Kirchheim, Evang. Wichern-Gemeinde Heidelberg-Kirchheim, Werkstatt Ökonomie

Programm

Stand: 18. Oktober 2009, Änderungen vorbehalten!

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Aktion fair spielt

Standortbestimmung

Eine kritische Be- standsaufnahme des ICTI CARE-Prozesses wird die Aktion fair spielt noch im Okto- ber vorlegen. Darin wird das Programm des Weltverbandes der Spielzeugindust- rie zwar grundsätzlich als Versuch der Industrie anerkannt, ihrer Verantwortung für menschenwür- dige Arbeitsbedingungen gerecht zu werden. Angesichts des Zögerns bei der Beseitigung von Schwach-

stellen rücken aber eben diese stärker in den Vordergrund: Das Programm sei nach wie vor intransparent und in wichtigen Punkten unpräzise und unverbind- lich. Die ArbeiterInnen würden immer noch nicht beteiligt, und weiterhin kontrolliere sich die Branche ohne ausreichende Betei- ligung unabhängiger Akteure aus NGOs und Gewerkschaften selbst.

Ein eklatanter Schwachpunkt sei, dass Vorlieferanten nicht einbezo- gen würden.

In den Blick genommen hat die Aktion fair spielt die Beziehungen zwischen chinesischen Spielzeug- lieferanten und ihren westlichen

Abnehmern: Sie werden durch den Verhaltenskodex des Weltverban- des der Spielzeugindustrie über- haupt nicht angesprochen, obwohl die Abnehmer durch Kostendruck und enge Lieferfristen unmittelba- ren Einfluss auf die Produktions- und Arbeitsbedingungen haben.

Ein Diskussionspapier von Uwe Kleinert zu dieser Fragestellung wird ebenfalls in den nächsten Tagen vorliegen.

Uwe Kleinert

Mehr dazu demnächst

auf der Website der Aktion fair spielt unter http://www.fair-spielt.de

Karl-Heinz Dejung scheidet aus dem Vorstand aus

Mit einem herzlichen Dankeschön des Vorstands und des Teams wurde bei der Mitgliederversamm- lung im Juli Karl-Heinz Dejung aus dem Vorstandsamt verab- schiedet, das er sieben Jahre lang ausfüllte – in schöner Verbindung von kluger theologischer und poli- tischer Analyse, zuverlässigem Blick fürs Praktische und nicht zuletzt viel menschlicher Wärme.

In einer kleinen Laudatio wies Klaus Heidel darauf hin, dass die Werkstatt Ökonomie vor allem von seiner „ökumenischen Weite“ profi- tiert habe. Und vielleicht folge er mit seinem Entschluss zum Aus- stieg aus dem Amt ja dem 7- Jahres-Rhythmus der „Ökonomie des Genug“, mit der er die Werk-

statt Ökonomie in Verbindung gebracht habe.

Dabei begleitete Karl-Heinz De- jung die Arbeit der Werkstatt Ökonomie schon seit den 80er Jah- ren – etwa im Rahmen des Projek- tes „Herausforderungen für eine missionarische Kirche durch sozia- le Folgen bundesdeutscher Direkt- investitionen in Übersee“, das die Gossner Mission, deren Leiter er seinerzeit war, für das Evangeli- sche Missionswerk in Deutschland durchführte, oder im so genannten Multi-Forum, einer Plattform von Gruppen und Organisationen, die sich kritisch mit multinationalen Unternehmen auseinandersetzten.

Auch das laufende Projekt des

Jahrbuchs Gerechtigkeit hat sich unmittelbar aus der langjährigen, engen Kooperation mit der Evan- gelischen Kirche in Hessen und Nassau entwickelt, für die Karl- Heinz Dejung über lange Jahre das entscheidende Scharnier war. (uk)

Aus dem Vorstand

Karl-Heinz Dejung bei der Mitglie- derversammlung

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Thomas Posern

als neuer Vorstand kooptiert Seit rund zehn Jahren bin ich der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg durch ein gemeinsames Projekt ver- bunden: das

„Jahrbuch Gerechtig- keit“. Gemeinsam mit Klaus Hei- del bin ich Geschäftsführer dieses Projektes, das in der Werkstatt Ökonomie koordiniert und im Auf- trag eines Netzwerkes von über 30 kirchlichen und diakonischen Her- ausgebern erarbeitet wird.

Die Dimensionen und die Zielrich- tung dieses Jahrbuches sind durchaus charakteristisch für die Themen, die mich auch im Zent- rum Gesellschaftliche Verantwor- tung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ZGV) beschäf- tigen, wo ich seit 2001 als Referent für Ökumenische Sozialethik und seit 2005 auch als stellvertreten- der Leiter arbeite. Das Projekt

„Jahrbuch Gerechtigkeit“ wurde angestoßen durch Anregungen aus dem Umfeld des Ökumenischen Rates der Kirchen – so versteht sich auch die aus der Mainzer Ar- beitsstelle der Gossner Mission in das ZGV übergegangene „ökumeni- sche“ Sozialethik als eine christli- che Ethik im Zeitalter der Globali- sierung, die Bezug nimmt auf die ganze bewohnte Welt und sich speist aus dem Glaubensleben uni- versaler Kirchengemeinschaft.

Nicht zufällig gehöre ich seit vielen Jahren zum „Plädoyer für eine

ökumenische Zukunft“, seit 2001 auch zu dessen „Fortsetzungsaus- schuss“. Und die Arbeit der Goss- ner Mission begleite ich als Kura- tor der EKHN ebenfalls weiter.

Meine Arbeit im ZGV geschieht gleichzeitig als Teil des Kirchli- chen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) und versucht, die Wirklich- keit unserer Gesellschaft von den Prozessen in der Wirtschaft her zu verstehen: von der Wirklichkeit der Arbeitswelt unter den Bedin- gungen finanzmarktgetriebener Globalisierung in Betrieben und der Wirklichkeit jener, die aus den Marktprozessen als angeblich un- brauchbar ausgespieen werden.

Arbeit und Arbeitslosigkeit, Be- freiung und Gerechtigkeit, Leben unter den Bedingungen von Hartz IV und das Verstecken von ge- walthaltigen Strukturen unter einer scheinbar friedlichen Ober- fläche, Studienarbeiten und Betei- ligung an Netzwerken – all das und etliches mehr gehört zu den Themen und Arbeitsformen, die in meinem interdisziplinär geprägten Arbeitsumfeld im ZGV eine Rolle spielen. Schließlich geht es darum, auf diese Weise eine kritische, erfahrungsgesättigte und praxis- fähige Theologie zu entwickeln und mit den Verantwortlichen in den Gemeinden und der Kirche insge- samt zu teilen.

Aus dem Team

Beate Dohmen

Durch Simone Knapp kam ich im Februar 2009 zu KASA. Wir singen zusammen im Afrika-Chor der Musikschule und was sie von ihrer Arbeit erzählte hat mich sofort interessiert. Insbesondere nach der Chor-Reise durch Südafrika, Leso- tho und Swasiland, bei der wir verschiedene Chöre kennenlernten, war ich für die Probleme im südli- chen Afrika sensibilisiert. Nun arbeite ich

ehrenamtlich bei KASA und helfe bei der Redaktion des Newsletters, bei der Erstel- lung von Info- Material für den Kirchen- tag und beim Verfassen von

Pressemitteilungen. Seit April bin ich außerdem bei der Werkstatt Ökonomie als Projektassistentin angestellt, wo ich Uwe unterstütze bei seiner Arbeit für die Aktion fair spielt, bei der Buchhaltung und mit Beiträgen für die Website eu-china.net.

Ich habe Ethnologie, Soziologie und Publizistik an der Freien Uni- versität Berlin studiert und inte- ressiere mich insbesondere für Menschen und ihre Lebensge- schichten. Ab 1999 war ich als Kulturredakteurin beim Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Heidelberg angestellt bis mein Vertrag als Elternzeitvertretung 2008 endete. Parallel zu meiner Arbeit bei KASA und WÖK mache

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ich ein Aufbaustudium für Public Relations und Öffentlichkeitsar- beit, wobei mich besonders Öffent- lichkeitsarbeit für Nichtregie- rungsorganisationen interessiert.

Ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder.

Sandra Salm

Mein Name ist Sandra Salm und ich bin Studentin an der Univer- sität Heidelberg mit den Fä- chern Spanisch, Geschichte und Französisch. Seit Februar 2009 arbeite ich als Teilzeitkraft für KASA. Meine Hauptaufgabe sind Übersetzungen ins Englische, zum Beispiel des KASA-

Newsletters. Durch die Überset- zungsarbeit und die Mitwirkung beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen und den Heidelberger Afrikatagen habe ich einen guten Einblick gewonnen in die Themen, für die KASA sich engagiert, wie Landverteilung, Basic Income Grant, StopEPA und die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Das hat mich motiviert, mich auch weiterhin mit entwick- lungspolitischen Fragen zu be- schäftigen.

Klaus Hornung

Mein Name ist Klaus Hornung und ich bin 32 Jahre alt. Ich habe in Heidelberg Philosophie und Sozio-

logie stu- diert und danach in einem In- dustrieun- ternehmen gearbeitet.

Im Moment schreibe ich meine Dok- torarbeit in Philosophie.

Seit Februar 2009 arbeite ich ca.

einen Tag in der Woche bei der Werkstatt Ökonomie und unter- stütze Klaus Heidel bei dem Pro- jekt „EU-China: Civil Society Fo- rum“. Hierbei ist es meine Haupt- aufgabe, Literatur und Statistiken zu den Beziehungen zwischen der EU und China zu recherchieren und aufzubereiten.

Tharaka Sriram

Seit Mitte Juli bin ich als Prakti- kantin bei der Werkstatt Ökono- mie. Ich habe meinen B.A. in His- panistik an der Universität Mann- heim abgeschlossen und studiere derzeit an der Universität in

Darmstadt Gover- nance and Public Policy. Im Rahmen meines Schwerpunk- tes Gender befasse ich mich – auch im Rahmen meines Praktikums – mit Wanderarbeiterinnen in China als indirekte Vermittlerinnen sozi- alen Wandels.

Dabei soll die Rolle der meist jun- gen Frauen untersucht werden, die auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Städte ziehen, und dort mit der westlichen, urbanen Lebensweise konfrontiert werden.

Neben Tatsachen wie den schlech- ten Arbeitsbedingungen in der Textilbranche, Ausbeutung, Recht- losigkeit etc. soll gezeigt werden, wie die Frauen ihren eignen Le- bensstil, vor allem aber die Gesell- schaft im Heimatdorf verändern.

Handelt es sich dabei um eine Mo- dernisierung durch die Hintertür?

Die Ergebnisse werden Ende des Jahres in einer Kurzstudie zur Verfügung stehen.

Impressum

Der Rundbrief wird herausgegeben von der Werkstatt Ökonomie – Christen für Arbeit und Gerechtigkeit weltweit e.V., Obere Seegasse 18, 69124 Heidelberg, Telefon (06221) 43336-0, Telefax 43336-29, E-Mail info@woek.de, Internet www.woek.de Bankverbindung: Werkstatt Ökonomie, Konto 190 687-759, Postbank Karlsruhe, BLZ 660 100 75

Der Rundbrief wendet sich in erster Linie an die Mitglieder und Freundinnen der Werkstatt Ökonomie. Er erscheint unre- gelmäßig und kann als elektronischer Newsletter kostenlos abonniert werden.

Redaktion: Uwe Kleinert

Dank: Die Werkstatt Ökonomie erhält re- gelmäßig projektunabhängige Zuschüsse vom Evang. Entwicklungsdienst (EED), vom Evang. Missionswerk in Deutschland (EMW), von der Initiative „Solidarischer Lohn – Ökumenisches Teilen“, der Evang. Kirche in Baden und der Evang. Kirche in Hessen und Nassau. Dafür bedanken wir uns herzlich!

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Werkstatt-Projekte

An den folgenden zivilgesellschaftlichen Vernetzungen ist die Werkstatt Ökonomie maßgeblich beteiligt:

Aktion fair spielt. Für faire Regeln in der Spielzeugproduktion

getragen von Misereor, Kath. Arbeitnehmer-Bewegung, Kath. Frauengemeinschaft, Nürnberger Bündnis Fair Toys und Werkstatt Ökonomie; tritt ein für die Durchsetzung von Arbeitsstandards in der Spielzeugproduktion, Koordination: Uwe Kleinert

CorA – Netzwerk für Unternehmensverantwortung

mit 40 Mitgliedsorganisationen unter anderem aus den Bereichen Entwicklungspolitik, Verbraucherschutz, Um- weltschutz und Gewerkschaften; strebt die Stärkung verbindlicher Rechenschaftspflichten für Unternehmen an;

Mitarbeit im Koordinierungskreis: Uwe Kleinert Deutsches NRO-Forum Kinderarbeit

getragen von Brot für die Welt, DGB-Bildungswerk, Kindernothilfe, ProNATs, terre des hommes Deutschland und Werkstatt Ökonomie; Ziel ist die Qualifizierung der Auseinandersetzung mit Kinderarbeit in Politik und Öffent- lichkeit; Koordination: Klaus Heidel

EU-China: Civil Society Forum

14 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Asienstiftung, Forum Umwelt und Entwicklung, INKOTA, IG Metall, Südwind-Agentur (Wien) und Weltumspannend Arbeiten; setzt sich u.a. für chinesisch-europäische Be- ziehungen auf der Grundlage sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Entwicklungsziele ein; Koordina- tion: Dr. Klaus Fritsche (Asienstiftung) und Klaus Heidel

Internationale Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika

in Deutschland koordiniert von KASA und KOSA; fordert die Streichung der durch die Apartheid verursachten Schulden im Südlichen Afrika und die Entschädigung der Opfer der Apartheid; Mitarbeit in der Arbeitsgruppe:

Simone Knapp Kick for One World

Vernetzung entwicklungspolitischer Organisationen, darunter KASA, KOSA, issa, medico international; Ziel ist es, die Fußball-WM 2010 in Südafrika für eine entwicklungspolitische Bildungsinitiative zu nutzen; Mitarbeit in der Steuerungsgruppe: Simone Knapp

Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA)

getragen und regelmäßig unterstützt von 18 kirchlichen Organisationen, darunter Brot für die Welt, EED, Mise- reor und Missio; leistet einen Beitrag zur politischen Durchsetzung und theologischen Reflexion wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit im Südlichen Afrika und hier; Koordination: Simone Knapp und Boniface Mabanza Kirchlicher Herausgeberkreis Jahrbuch Gerechtigkeit

zuletzt 31 Kirchen, kirchliche Werke, Dienste und Organisationen, darunter Misereor, Diakonische Werke, Lan- deskirchen, die Evang.-methodistische Kirche, die Kath. Arbeitnehmer-Bewegung, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt und die Werkstatt Ökonomie, Geschäftsführer: Klaus Heidel und Pfr. Dr. Thomas Posern (Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN)

Social Watch Deutschland/Forum Weltsozialgipfel

insgesamt 29 sozial- und entwicklungspolitische Organisationen, darunter Brot für die Welt, Caritas, DGB- Bildungswerk, EED, FIAN Deutschland, Friedrich-Ebert-Stiftung, IG Metall, Pax Christi, terre des hommes, ver.di;

Anliegen ist die Begleitung der Umsetzung u.a. der Beschlüsse des Kopenhagener Weltgipfels für soziale Ent- wicklung und der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen; Sprecher: Klaus Heidel

StopEPA-Kampagne

Vernetzung unter anderem mit KASA, KOSA, Germanwatch, Oxfam, terre des hommes und WEED; setzt sich da- für ein, die unfairen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen EU und AKP-Staaten zu verhindern; Mitar- beit im Koordinierungskreis: Boniface Mabanza

Working Group on Child Labour

NGO Group for the Convention on the Rights of the Child (Geneva), Convenor: Klaus Heidel World Council of Churches

Reference Group "Poverty, Wealth and Ecology", Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland: Klaus Heidel

Referenzen

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