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Es erscheint möglich, daß die Dichtung mehreren geschichtiichen Situationen gedient hat, was, wie wir noch sehen werden, keineswegs ungewöhnhch wäre

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LEITUNG: HANS JÖRG NISSEN, BERLIN

RITUAL, GESCHICHTE UND MYTHOS

Von J . van Dijk, Rom

Eine der schwierigsten Aufgaben der literarkritischen, geschichtlichen und re¬

ligionsgeschichtlichen Exegese der uns überlieferten sumerischen und akkadischen

Texte scheint mir zu sein, die Bezugnahme von mythischen und dann auch epischen

Stoffen auf aktueUe Ereignisse zu erkennen, kurz gesagt, Geschichte vom Mythos,

Mythos von Geschichte zu trennen.

Das Problem ist keineswegs neu: die sehr alte Meinung, daß die Götter von Helden

abstammten, wird bekanntlich Euhemerismus genannt; wenn es um die Verknüpfung

von mythischen und epischen Stoffen mit aktuellen Ereignissen geht, spricht man

von Historisierung. Wir haben nicht so sehr Schwierigkeiten, die Tatsache dieser

Verknüpfung festzustellen, sondern diese Verknüpfung konkret zu benennen und

schließlich den Beweis zu füliren, in welchen historischen Kontext eine Dichtung oder eine theologische Überiieferung zu plazieren ist.

Ein Beispiel könnte das klar machen: das sogenannte Erra-Epos, von dem jetzt

der weitaus größte Teil bekannt ist, hat eine nicht zu verkennende historische An- bindung, und zwar eine als Gottesstrafe ausgegebene Zerstörung der Stadt Babylon.

Allerdings sind sich die Gelehrten nicht darüber einig, auf welche Zerstörung die

Dichtung anspielt. Am ehesten wird man annehmen wollen, daß hier auf die Plünde¬

rung der Stadt und die Ermordung der Bevölkerung durch Sutruk-Nahhunte im

Jahre 1160 angespielt wird, da die Erwähnung der Elamer für eine Datierung an das

Ende der Kassitenzeit spricht. Andererseits wird die Annahme durch die Erwähnung

der Sutäer zusammen mit den Elamem in Frage gesteUt. Es erscheint möglich, daß

die Dichtung mehreren geschichtiichen Situationen gedient hat, was, wie wir noch

sehen werden, keineswegs ungewöhnhch wäre.

Der Autor dieser Dichtung, Kabti-häni-Marduk hat mit Sicherheit ein Beispiel

vor Augen gehabt; so hat er sicher den Ninurta-Hieroslogos, der mit der Dichtung

lugal-e ud me-läm-bi nir-gäl anfängt, und von dem weiterhin noch die Rede sein

wird, gekannt. Das geht nicht nur aus der Stihsierung der praesentatio argumenti hervor, sondern vor allem auch aus einer direkten Anspielung auf die Ninurta-Dich-

tung. Ich beziehe mich dabei auf den Text KAR 169 Rs. 1, 30-34, wo der Gott

Isum spricht, der im Erra-Epos eine dem Sarur in lugal-e ähnliche RoUe spielt:

,,Wehc meinen Landsleuten, gegen die sieh Erra erzürnt hat . . .

die er wie der Held Nergal (I.: Ninurta) am Tage der Schlacht gegen den Asakku |zu ermorden beabsichtigt?] ;

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wie damals, als es dem bösen Anpatu-Vogel galt, ruhen seine Arme zum Morden nicht, wie damals gegen den bösen Anzu-Vogel ist sein Fangnetz ausgebreitet . . ."

Das bisher in Z. 32 gelesene Uu ab tu ist wohl sicher mit lugal-e Z. 266 als an-pä-ta zu lesen. Der Asakku steigt dort vor seinem Tode auf den Berg und schreit auf ,,wie der Anpatu-Vogel'". Der Autor zitiert hier somit lugal-e.

Ein ganz ähnhches Problem begegnet uns bei der Deutung des GilgameS-Epos.

Wir kennen zwei Rezensionen der Episode des Zuges von Gilgames gegen Huwawa,

eine mythisch-historische Figur etwa der Gorgo Medusa ähnhch. Wie bei der Medusa ist sein Antlitz wie das einer Kargestina-Schlange, und wie Perseus tragen Gilgames und Enkidu schheßhch den abgeschlagenen Kopf zum Gott, hier zu Enlil. Die ältere

sumerische Fassung ia-lu-lum sucht den Schreckensmann im Osten, im Land des

Sonnenaufgangs; wie alle älteren sumerischen Epen ist diese Dichtung nach Osten, nach Elam orientien. Die jüngere sumerische Langfassuhg kur-lü-ti-la ist, soweit wir sehen können, in dieser Frage neutral. Erst die akkadische Fassung sucht den Feind im Hermon-Gebirge und hat sich somit auf die jüngere historische Situation einge¬

steht.

Auch die Flucht des Tammuz vor den HöUendienern wird eine relativ junge Hi¬

storisierung sein: zwei der Schergen kommen aus Adab, zwei aus Aksak, je zwei

aus Uruk, Ur und Nippur.

Diese fünf Städte entsprechen den vorsintflutlichen Zentren der fünf Amphi¬

ktyonien : Eridu , Badtibira , Larak, Sippar und Suruppak. Die Dichtung muß daher aus

einer Zeit stammen, in der Adab, Aksak, Uruk, Ur und Nippur politisch mächtig

waren; das kann kaum vor der Zeit der 1. Dynastie von Ur gewesen sein.

Aber wie steht es nun um die „Helden" dieser Epen, denen wir als geschicht¬

lichen Königen in den Listen, als Helden in den Epen und als Göttern im Pantheon begegnen?

Es ist natürhch ein Leichtes, die Könige als nicht-historisch, die Vergöttlichung

dieser Helden euhemeristisch zu erklären. Dies wäre aber eine contradicüo in ad-

jecto, denn die Helden wären dann nicht geschichtlich. Auch sonst finden wir die

krassesten Widersprüche: Dumuzi der König von Uruk ist Dumuzi der Jäger; der

vorsintflutliche Tammuz ist dagegen Dumuzi der Hirte. Dieser matrilinear Sohn

der Duttur/Lahar, des Mutterschafes, gehört also in die Kulturphase der Domesti¬

zierung der Weidetiere. Der Jäger dagegen gehört in die Kulturphase der Sammler, die vor der Phase der Domestizierung der Weidetiere liegt. Mit den Vegetationsgott¬

heiten, die alle weiblich sind und Töchter des Himmelsgottes, hat Tammuz nichts

zu tun. Gegen die Tradition der Königsliste ist in der literarischen Überiieferung

der Tammuz aus Uruk aber wiedemm der Hirte. Wie kann nun aus dem rezenten

Herrn von Uruk der zu einer völlig anderen und sehr viel früheren Kulturphase

gehörende göttliche Hirte Dumuzi werden?

Dasselbe gilt natüriieh auch für den göttlichen Lugalbanda, den aus Epen bekann¬

ten Helden und König von Uruk. Mit seiner Gemahlin Ninsun und ihren matrUinear

gedachten Kindern führt er die fünfte Tafel der babylonischen Götteriiste an, die

gleichfalls die matrihnearen VegetaUonsgöttinnen mit ihren kriegerischen Gefährten aufführt. Dabei ist es sehr merkwürdig, daß diese Aufzählung von Göttern Ninurta nicht enthält, sondem Pabilsag, Ningirsu, Enzag usw., denn es gibt keinen einsich-

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tigen Grund, Lugalbanda zu einem zum Gott gewordenen Helden zu erklären, den Lugalmarada, Zababa, Enzag-Nabu, Ningirsu, Pabilsag, Nergal usw. aber nicht.

Man fragt sich, ob diese Widersprüche nicht auf andere Weise aufgelöst werden

könnten, und könnte kurz einen Aphorismus formuheren; „Im frühen Mesopota¬

mien sind mehr Götter Mensch oder Held geworden, als umgekehrt Helden zu

Göttern wurden". Wenn die göttlichen Könige von Uruk schon nicht als Gott ge¬

boren waren, könnten sie es im Kult geworden sein. Götter werden in dem Moment

geboren, in dem das, was ihre Hypostase ist, entstanden oder erfunden worden ist.

Und das liegt für die Urukfürsten in einer viel zu frülien Kulturphase als daß wir Auf¬

klärung durch die Texte erhoffen könnten. Dennoch möchte ich versuchen, diese

Frage mittels einer kurzen Analyse des großen Hieroslogos, dessen Anfangszeile

„lugal-e ud me-läm-bi nir-gal" lautet, etwas zu beleuchten, wenn nicht zu beant¬

worten.

Die Dichtung ist mit 728 Zeilen die größte sumerische Komposition und dürfte

wohl unter dem Stadtfürsten Gudea von Lagas entstanden sein. Wenigstens zwei

bilingue Rezensionen bestanden, eine der mittelassyrischen und eine der neubaby¬

lonischen Zeit. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fehlen noch etwa zehn Zeilen an der

Gesamtrekonstruktion des Textes. Etwa 4/5 des Textes ist in akkadischer Über¬

setzung vorhanden. Für den gegenwärtigen Übersetzer ist es ein Trost, daß auch die

Babylonier offensichtiich große Mühe mit der Übersetzung hatten, denn sie haben

den sumerischen Text ab und zu einfach nicht verstanden.

Die Dichtung gilt als ein Centon verschiedener disparater Mythen, die ohne in¬

nere Logik, zudem ungeschickt aneinander gereiht wären. Ich muß gestehen, daß

die mehr als 200 Zeilen, in denen Ninurta 30 Steine segnet, 15 andere verflucht und das in esoterischer, hermetischer Sprache, für den heutigen Menschen schwer zu ver¬

stehen sind, sie waren das aber vielleicht nicht für den Menschen der Steinzeit. Vor

dieser ingens moles verschiedenster hterarischer Motive kommt mir das Wort des

Heiligen Augustin in Erinnerung: „mysteria intentos nos debet facere,non adversos".

Eine Warnung vor der Annahme, daß die Dichtung eine Aneinanderreihung von

Mythen und Ätiologien ohne innere Ordnung sei, wäre eigentlich schon aus der

Korrelation zwischen Anfang und Ende der Dichtung zu gewinnen. Es ist viel ge¬

schrieben worden über die Verbindung von Mythos und Kult, von Mythos und

Ritual. Es dürfte klar sein, daß derartige Texte eine didaktische Verwendung im

Ritual fanden; es sind mir aber keine Texte bekannt, die mit einem aktueUen Bezug auf eine konkrete historische Situation im Festritual anfangen und dann vom Ritual zum Mythos aufsteigen. Das ist aber der Fall bei lugal-e und gerade dies ist das Bin¬

deglied für die ganze Dichtung. Das ermöglicht dem Dichter, die ganze Dichtung hin¬

durch auf zwei Ebenen zu arbeiten, von aktuehen zu mythischen Zeiten zu wech¬

seln, mit dem Mythischen auf AktueUes anzuspielen.

Die Dichtung beginnt mit dem Festritual (ZZ. 17—33):

„Als Ninurta sich auf den Thron gesetzt hatte, . ..

am Feste, an seinem Feiertag . ..

als er neben dem Himmelsgott und Enlil Platz genommen hatte, als Baba, seine Gemahlin, ihn im Gebet für den König anflehte, und er, der Sohn Eniils, die Entscheidungen traf:

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da ließ die Waffe des Henn ihren Bhck iiber das Feindland gehen, der Sarur schrie vom Himmel her zu seinem Herrn ..."

Wenn Ninurta alle seine Heldentaten voUbracht hat, im Epilog der Dichtung, be¬

fmdet sich Ninurta abermals auf dem Thron im Festritual. E)er Schauplatz ist nicht

etwa im Himmel oder in der himmlischen Götterversammlung, sondern ganz einfach

im Tempel.

An dieser SteUe spricht Enhl zu ihm:

„König, erhaben im Himmel und auf der Erde, wie Dein herrlicher Name, Herr, auf dem Thron der Fruehtbaikeitsriten hast Du Platz genommen ....

Ninurta, als Du ins Feindland gegangen bist, habe ieh auf Dich vertraut;

wie ein Wolfshund, der losgebrochen ist, um sich auf sein Opfer zu werfen, so hast Du im Sturm gegen das aufsässige Land die Vorderfüße gehoben.

Daß das Feindland, das Du unterworfen hast, nie wieder aufstehe!

Ihre Städte hast Du zu Ruinen gemacht, ihre Fürsten haben den Atem verloren!

Daß die himmüsehe Waffe, eine glückliehe Regierung, ein langes Leben, das Gute Vorzeichen Eniils,

König, daß die himmlische Kraft Deine Belohnung sei!"

Einem Gott braucht Enhl kein langes Leben zu wünschen und auch nicht eine

Regierung (bala) ohne Ende: das ist für einen Gott selbstverständlich. Wir fragen daher zu recht: auf welchen Fürsten wird hier angespielt, wer hat in diesem Ritual die

Stehe Ningirsu's eingenommen? Wir ziehen hier die bekannte SteUe aus dem Segens¬

spruch des Diorit-Steines heran (ZZ. 475--478):

„Für den König, der sich auf ferne Tage einen Ruhmesnamen erworben hat,

der diese Statue für immer hat anfertigen und im Eninnu, das voller Wonne ist, hat auf¬

stellen lassen,

mögest Du ruhmesvoll dastehen".

Diese SteUe zitiert wörthch eine ZeUe aus Gudea's Statue B. Ähnliches finden

wir im EpUog der Dichtung. Ninurta-Ningirsu befindet sich auf dem Rückweg nach

Girsu-Lagas, nachdem er nach dem ersten Sieg zu Enhl von Nippur gegangen war.

Er fährt auf seinem Götterschiff, Makarnunta'e und die Matrosen huldigen ihm

singend. Das Matrosenhed und der Segensspruch Enhls sind die einzigen strophisch gegliederten Teüe der Dichtung. Die letzte Strophe lautet (ZZ. 665-671):

„Mein König (= Ninurta), ein Held, Dir und Deinem Kulte hingegeben, gerecht in seinem Ruf, ist wie Du den Weg (des Krieges) gegangen.

Möge er, nachdem er im Tempel alles wie früher strahlend an seine Stelle gebracht hat, in Deinem Hochtempel, nachdem er ihn aus dem Staub wiederaufgebaut hat, für Dein Fest alles großartig richten.

Deine heiligen Riten möge er für Dich vollziehen,

einen Namen hat er dafür erfunden (formuliert), möge man ihn (den Namen) im Lande segnen!"

Die klare Anspielung auf den Wiederaufbau des Tempels, die wörtliche Wieder¬

holung bekannter Gudea-Phraseologie, bestätigen unsere Vermutung: es handelt

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sich um einen Kriegszug Gudeas, und zwar um einen Zug nach der Wiederherstehung

des Tempels. Das könnte auch die Tatsache erklären, warum der Asakku in den

Zylindern A und B nicht unter den von Ningirsu getöteten Helden genannt ist. Die

Tatsache, daß der ganze mythische Stoff in den Rahmen des Festrituals eingebettet ist, macht uns bekannt mit einer, so weit ich weiß, bis jetzt noch nicht belegten Li¬

teraturgattung des Hieroslogos. In dieser Dichtung lassen sich nämlich drei Ebenen erkennen:

- die kultische Umrahmung,

- den Bezug auf das aktuelle Geschehen,

- das mythische ModeU.

Die Dichtung ist somit als ein Hieroslogos mit einem bestimmten hterarischen Aufbau aufzufassen, und ist somit auch keine Aneinanderreüiung disparater Mythen;

vielmehr sind memer Auffassung nach die mythischen Stoffe organisch miteinander verbunden. Der rote Faden ist ein Mythos, den man bisjetzt in der mesopotamischen

Literatur nicht als solchen erkannt hat, oder dessen Bedeutung man weitgehend un¬

terschätzt hat. Es ist der Mythos des Menschengeschlechtes, das „von den Steinen"

geboren ist. Der Mythos ist aus dem klassischen Altertum wohl bekannt (RE unter

„Deukahon"): Deukahon und Pyrrha warfen nach der Flut Steine, „die Gebeine der Mutter Erde", hinter sich, die zu dem neuen Geschlecht der Menschen wurden. Y.

Vade hat das Material dazu in Revue de l'Histoire des Religions 191 (1977) 3 ff.

neu ZusammengesteUt: ,Menschen' kommt von ,Stemen' — Xoot < > Xäe<;; bzw.

„der von Kronos Geborene machte Steine zu Menschen". Die Tradition hätte dann

den Mythos vieUeicht mit der Flut verbunden, mit der zweiten Schöpfung also. Ich

bezweifle, daß dies die ursprüngliche Version ist.

In der mesopotamischen Literatur sind die Nachkommen der Stehie als die „Süt

abni" bekannt: „die von den Steinen", eine Bezeichnung, die eines der Rätsel der Assyriologie ist. GilgameS hat sie besiegt, sie gehören zu den getöteten Helden des Ninurta; ob sie auch hier zur Flutgeschichte gehören, ist sehr unsicher; in lugal-e existieren sie auf jeden FaU vor der Flut.

Die Hauptperson der Dichtung ist der Dämon Asakku. Seine Geburt wird in der

ersten Ansprache des Sarur beschrieben: es ist die Geburt durch „emersio", der

Asakku wächst aus der Erde, die vom Himmel befruchtet ist, empor. Er wird zum

Hauptfeind des Landes Sumer. Schheßhch wird er von Ninurta besiegt und in den

„zalaqqu" — Stein verwandelt. Für seinen Namen bestehen verschiedene Etymo¬

logien. Vielleicht ist er überhaupt nicht sumerisch, sondern — wie vieUeicht auch

utukku — die Relativform eines elamischen Verbum. Direkt nach der Usurpation

wird vom Entstehen einer „Steinekoalirion" berichtet, wie ich das nennen möchte (ZZ. 34-61):

,,Mein Herr, er (der Asakku) hat das Gebirge begattet und seine Nachkommenschaft zahlreich gemacht . . .

alle zusammen haben sie dort den „Pflanzenstein" zu ihrem König ausgerufen.

Dieser hat die Städte vom Kalkstein, Marmor, Diorit, . . .Hämatit und von ihrem Helden, dem Alabaster geplündert . . . (= ,, Freunde").

Er hat sich einen Thron aufgerichtet . . . wie Du, richtet im Lande . . .

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Dauernd ändert er die Wohnorte, sein Antlitz trägt eine Narbe . . . tagtäghch fugt er neue Gebiete seinem Machtbereich hinzu . . .

es gehen Gerüchte um über seine Armee, aber nie bekommt man seine Mannschaft zu sehen ..."

Vergleiche dazu den Passus aus dem Erra-Epos:

„Der Herr schrie ,,u'a", der Himmel ist erschüttert, die Berge stürzten ein, der Tag wurde zur Nacht, die Anunna-Götter zitterten"

Ninurta erhebt sich zur kosmischen Schlacht, zum Götterkampf, dessen Protago¬

nisten auch aus dem enüma eliS bekannt sind. Beide Dichtungen haben offensicht¬

lich die gleichen QueUen gebraucht, beide kennen dieselben getöteten Helden. Die

spätere Tradition hat selbst den Kingu dem Asakku angeglichen. Dies geht hervor

aus den von F. Thureau-Dangin und J. Nougayrol behandelten Texten in RA 16

(1919) 146 ff und RA 41 (1947) 30-38, sowie aus dem astralmythologischen

Kommentar, den B. Landsberger in AfK 1 (1923) 69-72 übersetzt hat. Da in Uga¬

ritica 5 (1968) 246 Antum mit Ti'amat gleichgesetzt wird, sind diese theologischen Gleichsetzungen bereits für die frülie Kassitenzeit belegt. Die „von den Steinen Ge¬

borenen" bleiben das verbindende Glied der Erzählung: nach der Erhöhung des

Ninurta in Nippur und nach der Ätiologie des Namens seiner Mutter Ninhursaga

fordert die Muttergöttin ihn auf, diesen ,,von den Steinen Geborenen" das Schicksal

zu bestimmen, je nachdem ob sie dem Gott während des Aufstandes freundlich

oder feindlich gesonnen waren. Diese groi?ie Perikope gehört somit zum Ganzen,

die hermetische, esoterische Methode, mit der die Wörter in üire phonetischen

Komponenten zerlegt werden, unabhängig von ihrer wirkhchen Bedeutung, bleibt

dagegen für uns weitgehend unverständlich. Die Herme tik scheint jedoch eben nicht eine Erfindung der Spätzeit zu sein, sondern ein Kind, ein Überrest aus der Vorge¬

schichte. In einer frülien Hymne an Ningizzida (= Hermes) (UET 6, 70) heißt es be¬

reits: „. . . Wer kennt Deinen Sinn? Dem Eingeweihten offenbarst Du Dein heiliges Wort; dem nicht Eingeweihten . . ." Das Bedeutsame ist, daß die Schicksalsbestini- mung mit der Aufforderung durch die Muttergöttin beginnt, die Mutter Erde, deren Gebeine ja die Steine sind, und damit endet, daß der kurgarränu-Stein, der als ein Element des Kultes der Ekstatiker beschrieben wird, dem Kultus der Muttergöttin zugeschrieben wird. Dies erinnert deutlich an den Kult der Kybele.

In diesem großen Rahmen hat also der Autor der Dichtung die mythisch-histo¬

rischen Themen behandelt. Wer nun aber in einem Hieroslogos einen Schöpfungs¬

mythos erwarten würde, wird diesen hier nicht finden, und sollte dies auch nicht

erwarten. Lugal-e hat in diesem Sinne keine kosmische Bedeutung und kann diese

aucii nicht haben, denn eine Kosmogonie darf man von einem Gott, der zum Ve¬

getationszyklus gehört, nicht erwarten. Ninurta ist in Nippur mit Lugalbanda,

Enzag-Nabu, Pabilsag und Ningirsu geglichen, und wie im klassischen Altertum

verbinden Unterwelts- und Kriegsgötter sich mit den Vegetationsgöttinnen. Aus

diesem Grund wird man den Ninurta, oder besser: Ningirsu der Kulturphase zu¬

weisen wollen, in der die Landwirtschaft erfunden wurde; aus diesem Grunde auch

güt er als der Autor der sumerischen Georgica.

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Der mythische Inhalt der Dichtung ist allerdings durch die Historisierungen der

Autoren verändert worden. So ist die Frage, ob der Asakku je zum Umkreis der Ar¬

beiten des sumerischen Herakles gehört hat. Die Heldentaten des Ninurta, die denen des Herakles ähneln, werden nur kurz erwähnt. Der starke Verdacht besteht daher, daß der Asakku eine ältere mythische Figur ersetzt hat, und zwar gerade deshalb,

weil viele Dämonen und überhaupt Vieles in der mesopotamischen Dämonologie aus

Elam stammen und er sonnt sehr gut geeignet schien, den Erzfeind von Sumer und

Akkad zu historisieren. Asakku vertritt sicher auch den Ermordeten, der am Ster¬

nenhimmel als „Leichen-Stern" steht. Diese Sternbilder sind die Katasterismen der

Mythologeme, die wir aus lugal-e und aus enüma ehs kennen. Enüma ehs ist aller¬

dings eine spätere Dichtung und ist daher eine richtige Kosmogonie. Es scheint sogar,

als ob enüma ehs Mythologeme aus lugal-e mit Hilfe dieser Kosmogonie synkreti-

siert hat.

Sind nun die Mythologeme

— der Tod des Asakku,

— seine Metamorphose in einen Stein,

— die Flut,

— die Erfindung des Bewässerungsfeldbaus nach dieser Flut

so unabhängig voneinander, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag?

Eine detaillierte Analyse dieser Mythologeme ist hier nicht möglich; wir werden

aber von der griechischen Mythologie belehrt, daß es durchaus eine Möglichkeit

gäbe, den Phaeton' schen Weltbrand mit der Deukalion' schen Flut zu verbinden.

Wäre der Asakku dann nüt Phaeton zu verbinden? In der Tat gibt es Hinweise in

dieser Richtung, und zwar aus bildhchen Darstellungen: er wird wie Polyphem ein¬

äugig und mit einer Sonnenaura um das Haupt abgebildet, wobei wir uns daran er¬

innern, daß sein me-läm, der „göttliche Glanz" eine große Rolle spielt.

Zweitens ist die Flut nicht der Feind Ninurtas - auch nicht der Feind Marduks im enüma eliS —, sondern sie ist seine Waffe. Wenn ich richüg übersetze, zerschmet¬

tert Ninurta den Asakku „wie eine Riesenwelle" und macht ihn zu einem Schiffs¬

wrack.

Der Text ist jedoch nicht ganz klar. ZZ. 101-105 lauten:

„Das Licht im Gebirge leuchtete nicht mehr,

die Menschen dort machten den Hals lang, erhoben ihre Brust, man war krank, die Arme waren steif (vor Kälte).

man verfluchte die Erde,

man machte den Geburtstag des Asakku zu einen dies nefastus . . ."

ZZ. 276-277:

„Nachdem er im Nordwind (wie) der lillü-Dämon ohne Rücksicht gemordet hatte, wurde der Pferch von der lilitu-Dämonin verschlo.ssen, das Wasser trocknete in die Erde . . ."

Es bieten sich zwei naturalisfische Erklärungen an, die beide möglich sind und

die beide ein logisches Bindeglied zwischen dem Asakku-Mythologem und der Flut

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bilden könnten: der Weltbrand und die Eiszeit. J. Gonda (Utrecht) hat vor kurzem

in Mededelingen der Kon. Nederlandse Akademie, NR 41 (1978) No. 2 stark gegen

die Historisierung der Flutgeschichten argumentiert. Ich möchte Ihnen dagegen zum Abschluß einige Zeilen aus der 8. Tafel der Dichtung in meiner Übersetzung zitieren, die erhebhch von früheren abweicht:

„Damals stieg das heilbringende Wasser nieht aus der Erde empor, überflutete nieht die Gefilde,

Eis hatte sich überall angehäuft und am Tage, da dies zu schmelzen begann, brachte es Verheerung ins Gebirge.

Darum mußten die Götter des Landes die Arbeit venichten und wurden zur Deicharbeit aufgerufen . . .

Der Tigris endete noch nicht ins Meer, brachte das süße Wasser nicht;

Hunger lastete schwer, Geburten hatten aufgehört . . .

Man grub noch keine Kanäle, Bewässerungsgräben gab es nicht . . ."

In diesen Zeilen wird sehr deutlich gesagt, daß die Flut in dieser Dichtung, die

nicht von anderen Flutgeschichten getrennt werden kann, durch das Schmelzen des

Eises, das die ganze Erde bedeckte, verursacht wurde. Es wird dann erzählt, wie Ni¬

nurta die Flut am Weltrande anstaute, wie er den Bewässerungsfeldbau erfand und

wie seine Mutter zur Königin des Gebirges wurde. Die modernen Untersuchungen

auf dem Gebiet der Domestiziemng der Flora belehren uns, daß diese nicht lange

nach der letzten Eiszeit stattgefunden hat. Die Mythologeme sind nicht mit Gewalt

in die Dichtung eingefügt worden. Die Flut ist aufs Engste mit dem Kriegsgott Ni¬

nurta verbunden: er ist, als Erragal, der näsih tarkulli im Gilgames-Epos, der zu den Säulen des Herakles auszieht. Die ganze spätere Tradition hat ihn mit dem Entstehen

der Landwirtschaft in Verbindung gebracht. Die Figur des Asakku hat dem Dichter

die Gelegenheit geboten, die aktueUe historische Lage in die Dichtung einzuführen,

so sehr, daß man wiedemm zu der Frage genötigt ist: wer war der Held, der Gott,

oder der irdische Fürst?

Auch in dieser Hinsicht hat der Autor der Dichtung ein Beispiel von vielen vor

Augen gehabt: die Geierstele des E'annatum. Die Vorderseite bUdet den Gott Nin¬

girsu ab, seinen Siegeswagen sowie die Göttin; die Rückseite ist eine Wiederholung:

E'annatum als Krieger mit seinem Kriegswagen. Der irdische Fürst ist nun einmal

im Ritual und vieUeicht auch im Wesen für den Sumerer die Rephk des Gottes, den

er repräsentiert.

Die Frage nach der möglichen Identifizierung führt uns wieder zum Ausgangs¬

punkt zurück. Ist es möghch, daß das Ritual uns den Schlüssel hefert, die Rätsel zu

lösen, vor denen wir stehen bei der Betrachtung der Namen der frühen Könige wie

Lugalbanda, Gügames und Dumuzi u. a., deren Historizität wir nicht anzweifeln

wohen, die aber unmögüch in den mythischen Zeiten, in denen sie als Götter ge¬

boren sein sohen, gelebt haben können? Die Widersprüche, die wir oben angedeutet

haben, scheinen zu groß. Aber, wenn denn schon die Helden nicht zu Göttern ge¬

worden sind, so darf man sich fragen, ob nicht die Götter im Ritual Helden gewor¬

den sind. Die merkwürdige hterarische Formgebung der lugal-e Dichtung scheint

mir darauf ausgerichtet zu sein, die Taten Gudeas un Lichte der Heldentaten Ni-

nurta-Ningisus erscheinen zu lassen.

(9)

WEITERE VORTRÄGE

Manfred Görg, Bamberg: Beobachtungen zur großen Inschrift Tukulti-Ninurtas I

von Assur.

B. Kienast, St. Peter: Das pronomen personale des Sumerischen.

H. Sauren, Winksele: Die Königstheologie in der Kunst des 3. Jairrtausends.

W. Schule, Freiburg i.B.: Probleme der Teil-Bildung.

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LEITUNG: MARIANNE AWERBUCH, BERLIN

ON THE POLITICAL AND SOCIAL ORGANIZATION OF THE JEWS

IN BABYLONIAN EXILE

By Israel Eph'-al, Tel Aviv

Since I am interested in exploring the present state of our knowledge of the

political and social organization of the Jews in Babylonian exile, I have decided to

range broadly upon the issue and narrow matters down during the question period

or in later discussion.

My comments will deal with two subjects: First, the small communities of exiles

in the rual surroundings of Nippur, where Jews are known to have dwelt; second,

the bodies which constituted the leadership of the Jews in Babylonia.

During the first crucial generations of Babylonian Exile, when the Jews were

torn from their homeland and living as a minority in a pagan culture, the tools for the nation's survival were forged. The historical surveys tend to scotch this period, generally describing it as an epilogue to the First or a prologue to the Second Tem¬

ple period, with no comprehensive discussion. The studies concerned with it dwell mainly on its spiritual aspects, expressed in the oracles of Ezekiel and Deutro- Isaiah - prophets in Babylonia - and on the religious behaviour of the congrega¬

tion of exiles (_ niJiAn t'.lp ) who returned to Zion, recounted in the books

of Ezra and Nehemiah. This state of research derives essentially from the fact that, despite the considerable size of the Babylonian exile, ancient historiographical sources, biblical and Babylonian alike, omit it: The books of Kings, Chronicles,

Ezra and Nehemiah vis-a-vis the 6th and 5th centuries B.C. focus on the land of

Israel and its settlement, and include only incidental detaUs about life in Babylonia (even the Edict of Cyrus was included in the books of Chronicles and Ezra in regard

to Judah); while the Neo-Babylonian royal inscriptions - unlike the Assyrian - do

not deal with deportation and deportees. The books of Jeremiah and Ezekiel offer

some information about connections between Judah and the Jews in Babylonia be¬

tween the deportation of Jehoiachin and the final fall of Judah, and about the

status of prophets and "elders" during that period; but Ezekiel and Deutro-Isaiah

essentially mirror the stmggle, and spiritual and conceptual changes among the

exiles following the destmction of Jemsalem and the Temple, and life as a minority in exile.

The discovery of legal and economic documents in Babylonia added unportant

sources. Besides a few people designated laudaia, that is "Judaean", a Jew in the

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