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Ueber die orientalischen Wissenschaften in den
Vereinigten Staaten von Amerika
von Prof. Edwards aus Audover.
Es giebt mehrere Umstände in der Stelhing der Bewohner
der Vereinigten Staaten, welche auf eine erklärliche Weise
einer ernsteren und allgemeineren Beschäftigung mit den orien¬
talischen Wissenschaften Schwierigkeiten und Hindernisse
entgegen setzen. Das Land ist noch jung, der am frühsten
angebaute Theil ist etwas über 200 Jahre alt, ein grosser
Theil davon ist noch gegenwärtig mit Urwaldung bedeckt.
Die mittlere Länderstrecke, die zwischen dem Alleghany- und
dem Felsen-Gebirge liegt und das Mississippi - Thal heisst,
da es vomMississippi und seinen Nebenflüssen bewässert wird,
ist für sich grösser als das halbe Europa. Es hat jetzt nur
6,000,000 Einwohner, während es doch fähig ist mehr als
100,000,000 aufzunehmen. In einem so grossen und so reis¬
send schnell durch Einwanderer sich füllenden Lande sind
natürlich viele neue Anstalten erforderlich. Colleges und Schu¬
len müssen gegründet werden. Eine grosse Anzahl von Leh¬
rern ist nöthig, und jedem Gebiete der Erziehung und des
Lebens giebt man eine praktische Richtung, Wenn ein Ge¬
lehrter Vorliebe für die abstracten Wissenschaften oder
auch für Sprachforschung hat, findet er wenig Gelegenheit
seiner Neigung folgen zu können, denn er wird vielleicht ab¬
berufen um auf einem Gymnasium die Elemente der classischen
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Studien zu lehren oder die Leitung eines neubegründeten
College in den Wildnissen des Westens zu übernehmen. Ferner
haben wir keine grossen Bibliotheken. Die zwei grössten,
deren eine der Stadt Philadelphia angehört und die andere
im Harvard College bei Boston sich befindet, — jede enthält
ungefähr 50,000 Bände, — besitzen sehr wenig orientalische
Bücher und kaum ein MS. Haben unsere Gelehrten Ge¬
schmack an orientalischen Wissenschaften, so müssen sie sich
persönlich nach Paris oder nach Deutschland begeben, oder
aber eine eigne Bibliothek mit einem Kostenaufvvande an¬
legen, den wenige bestreiten können.
Auf der anderen Seite sind dagegen zwei Umstände dem
Studium der orientalischen W^issenschaftcn in den Vereinigten
Staaten ganz günstig. Der eine ist der Welthandel, der von
den grossen Kaufleuten daselbst mit jedem Theile der Erde
getrieben wird. In dem Stillen Ocean beschäftigen diese
mehr als 700 Schiffe mit dem Wallfischfang. Sie unterhalten
ebenfalls einen lebhaften Verkehr mit der Ostküste Afrika's,
mit Arabien, Indien, den Hauptinseln im östlichen Archipel,
mit China und dessen Inseln. Manche Schilfscapitäne sind
gebildete Männer, und viele von ihnen Leute von Einsicht
und Urtheil. Sie pflegen allerlei Seltenheiten, auf die sie
stossen , mit nach der Heimath zu bringen , wie Münzen,
Bücher, Manuscripte und Exemplare für die verschiednen
Gebiete der Naturwissenschaft. In der Stadt Salem, in der
Nähe von Boston, findet sich ein sehr werthvolles ostindisches
Museum, gesammelt und im Besitze von einer Gesellschaft von '
Schiftscapitänen. Jeder, der dieser Gesellschaft angehört, muss
selbst das Vorgebirge der guten Hoffnung umsegelt haben.
Der andere Umstand, den ich andeutete, ist der Mis¬
sionsgeist, Welcher viele Jahre lang in den Vereinigten Staaten
geherrscht hat. Mehr als 100 in fremde Länder ausgegangene
Missionare sind im theologischen Seminar zu Andover gebildet
worden, an welchem Schreiber dieser Zeilen fungirt. Unter
Deutschen morgeniändischen Gesellschaft: — Rev. Eli Smith
in Beyrut, Rev. William G. Schauffler in Constantinopel, und
Rev. J. Perkins, Doctor der Theol., in Urinia in Persien.
Diese Missionare findet man beinahe in jeder Gegend des
Orients: im westlichen und östlichen Afrika — in Ceylon,
Madras, Bombay, und im nördlichen Theile Indiens in der
Nähe des Himmalaja - Gebirges — in Birma und Siam —
in Bornen und China — unter den Nestorianern im nord¬
westlichen Theile Persiens — in Trapezunt, Erzerum, in
verschiednen Gegenden Kleinasiens, in Syrien und Jerusalem.
Beinahe alle diese xMissionare haben, ehe sie ihr Werk an¬
traten, eine so gute Bildung erhalten, als die Schulen und
Colleges der Vereinigten Staaten zu gewähren vermögen.
Sie haben fast ohne Ausnahme vier Jahre im College und drei
im theologischen Seminare zugebracht, indem sie sich in
letzterem dem Studium des Griechischen, Hebräischen und
der verschiednen Zweige der Theologie widmeten. In den
mannigfaltigen Kreisen ihrer Thätigkeit, in denen sie jetzt be¬
schäftigt sind , haben sie nothwendig bald mehr bald weniger
ihre Aufmerksamkeit auf geographische und topographische
Forschungen und auf Philologie gerichtet. Im Missionary
Herald, der seit beinahe 40 Jahren in Boston monatlich erscheint,
findet sich ein Reichthum werthvoller Belehrung in Bezug
auf Geographie, Philologie, Literatur und allgemeine Statistik
der nicht christlichen Theile der Welt. Diese Belehrung ist
von Augenzeugen, welche sich Gewandtheit im Gebrauche der
Sprachen der Eingebornen erworben haben , oft nach langem
Aufenthalte an Ort und Stelle mitgetheilt. In mehreren Fällen
haben sie Sprachen, die vorher nicht geschrieben wurden,
auf eine regelmässige Form der Orthographie gebracht und
in dieselbe wertbvolle Schätze der auswärtigen Literatur, wie
z. ß. in die Sprache der Sandwich - Inseln , eingeführt.
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Zü den interessanten Dingen , die hier mitgetheilt werden
mögön , gehören folgende :
Ih den Vereinigten Staaten giebt es zwischen 20 und 30
Iheblogische Seminare. In den meisten derselben bildet die
hebräische Sprache einen wichtigen und nothwendigen Theil
der Studien aller Zöglinge. Das Studium des Syrischen, Chal¬
däischen und Arabischen treibt man oft in besonders dafür
gebildeten Classen. Auch schon in einigen wenigen der 100
Colleges, die dort bestehen, Avird die Aufmerksamkeit der
Schüler auf orientalische Studien gerichtet. Im Gale-College
in New-Haven, dem besuchtesten von allen unseren CollegeSj
das nmn eine Universität nennen kann, da es eine juristische,
medicinische und theologische Facultät hat, ist eine Professur
für das Sanscrit und das Arabische gegründet. Der Professor
ist Mr. Edward E. Salisbury, der mehrere Jahre unter de Sacy
in Paris und unter Professor Lassen in Bonn sludirte.
Es ist vielleicht unnöthig hier die Forschungen über das
heilige Land von Professor Robinson und Rev. E. Smith zu
ervVähtien — ein wohlbekanntes Werk, das hohes Ansehen
in der ganzen Chiislenheit geniesst. Ein Supplement zu
diesem Werke soll bereits zum Drucke fertig sein. Auch
Herr Smith ist im Begriff in der Bibliotheca Sacra, einem
Amerikanischen Journal für Theologie und classische Literatur,
die Früchte der Forschungen, welche er kürzlich auf dem
Berge Libanon und in Syrien angestellt hat, dem Drucke zu
übergeben.
Vor ungefähro zwei Jahren wurde in der Stadt New-York
eine Gesellschaft gegründet unter dem Namen: Amerikanische
ethnographische Gesellschaft. An ihrer Spitze steht der ehr¬
würdige Albert Gallatin, jetzt etwa 80 Jahre alt, früher
Secretär der Schatzkammer der Vereinigten Staaten. Die
Gesellschaft hat einen starken Band Veihandlungen heraus¬
gegeben. Darunter findet sich eine sehr fleissige Abhandlung
des Herrn Gallatin über die indischen oder Ur-Sprachen Nord-
anierika's. VAn anderer werthvoUer Aufsafz bezieht sich auf
die hiinjaritisciien Inschriften die in Süd-Arabien gefun¬
den worden sind.
Etwa vor vier Jahren wurde die Anicrilianische orien¬
talische Gesellschaft in Hosten gegründet. Ihr erster Präsident
war Herr John Pickering, der — zum Leidwesen Aller —
im letzten Winter verstorben ist. Er war ein Mann der
wegen seines ausgezeichneten sittlichen Charakters und seiner
gründlichen und umfassenden Gelehrsamkeit grosse Hochachtung
genoss. Gegen die Zeit seines Todes war er Präsident der
Amerikanischen Akademie der Künste und Wissenschaften,
in diesem Amte Nachfolger von Nathaniel Howditch, dem Ueber¬
setzer der Mecanique celeste von La Place. Herr Pickering ist
in Europa durch seine Schriften über die indischen Sprachen
Amerika's bekannt. Er hat auch einige Aufsätze über das
Chinesische erscheinen lassen. Kurze Zeit, vor seinem Tode
war er damit beschäftigt eine zweite Ausgabe seines griechi¬
schen Lexikons zum Drucke vorzubereiten.
Die Orientalische Gesellschaft hat ihre Verhandlungen in
zwei Lieferungen herausgegeben; die erste enthält einen in
der ersten Hauptsitzung gehaltenen Vortrag mit vielen An¬
merkungen, der eine sehr umfassende Uebersicht der zu er¬
forschenden Gegenstände gewährt, — verfasst von Pickering;
die zweite ist eine Dissertation über Buddhismus von Prof.
Salisbury. Die Gesellschaft bat auch den Grund zu einer
werthvollen Bibliotiiek gelegt; unter den darin befindlichen
Bänden sind mehr als 100 die Bezug auf China haben.
Zum Schlüsse muss erwähnt werden, dass die Gelehrten
in den Vereinigten Staaten, welche den orientalischen Stu¬
dien obliesfen,O J ihren deutschen Freunden sich im höchsten
Grade verbunden achten. Tausende von Exemplaren der Aus¬
gaben der hebräischen Grammatik und des Lexikons des ver¬
storbenen Dr. Gesenius sind in den Vereinigten Staaten ver¬
kauft worden. Von der letzten Ausgabe seiner Grammatik,
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die von Prof. Rödiger besorgt wurde, sind zwei besondere
Uebersetzungen in's Englische veranstaltet worden. Das
Gleiche gilt in Bezug auf mehrere deutsche 'Ausgaben der
hebräischen Bibel und der Grammatiken und Wörterbücher
der semitischen Dialekte , — gilt von mehreren Ausgaben
der lateinischen und griechischen Classiker und von deut¬
schen periodischen Schriften welche orientalischen Gegen¬
ständen gewidmet sind. Die Schuld der Dankbarkeit welche
der amerikanische Gelehrte in dieser Hinsicht den ausgezeich¬
neten Philologen und Orientalisten Deutschlands abzutragen
hat, ist gross und wird dort gern und allgemein anerkannt.
Zu Seite 6 und 7.
lieber Krijäjogasära oder die Essenz der
OpferMerke von Dr. Wolllieim.
Dieses im höchsten Grade interessante und wichtige Werk
habe ich aus einer Handschrift der Königl. Bibliothek zu Berlin
copirt; ich hoffe noch eine zweite der Pariser Bibliothek zur
Vergleichung benutzen zu können, obgleich der Berliner Codex
so musterhaft geschrieben ist, wie ich noch wenige Manuscripte
gesehen habe, so dass die Collationirung mit einem zweiten
durchaus nicht als Nothwendigkeit erscheint. Das Werk ge¬
hört zum Padmapuräna, wie aus der Unterschrift des ersten
Kapitels: „iti pädme . . . krijäjogasära prathamo 'dhjäjah"
hervorgeht, und steht auch als Theil dieses Puräna im Hamilton-
und Langles'schen Catalog aufgeführt. Es ist meines Dafür¬
haltens ein zum Padmap. gehöriges Upapuräna, wie man aus
dem letzten Vers im letzten Kapitel ersehen kann; dieser lau¬
tet: „idam ati^ajagubjam nihsritam vjäsavakträt ( rutschiram
upapuränam pritidam vaischnavänäm " u. s. w. Es wäre also
das erste vollständig erscheinende Upapuräna und verdient
schon deshalb alle Aufmerksamkeit. Es kann auch theil¬
weise als eine Ergänzung des Mauavadharma^ästra, besonders
des 5., 6., 11. und 12. Buches angesehen werden. Aeusserst
wichtig ist dieses Werk für die gesammte Kunde des indi¬
schen Alterthums, für Sitten, Gebräuche, religiöse Ansichten,
Ceremonien , Gesetze u. ä, w. Andrerseits hat es auch einen