Vorwort
Wenn ich diese kleine Schrift der Öffentlichkeit und damit der Kritik vorlege, so geschieht dies, um ein Rechtsprinzip sichtbar zu machen, das unserer gesamten Rechtsordnung immanent ist und das ich das Vertrauensschutz-Prinzip nennen möchte.
Ortega y Gasset hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der innere Fortgang der Wissenschaften von Zeit zu Zeit eine Neufundierung zum Ausgleich ihrer inne- ren Widersprüche nötig habe (1). Und Leibniz hat gesagt, daß die Wissenschaften fortschreiten, indem sie sich vereinfachen. Für das begünstigende Verhalten, für eines der wenigen Urphänomene (2) unserer Rechtsordnung soll diese Verein- fachung und Neufundierung hier versucht werden.
Ein akuter Ani aß kommt hinzu. Obwohl der Bundesminister des Innern Ende 1963 den Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgelegt und obwohl das Land Schleswig-Holstein diesen Entwurf, soweit er hier interessiert, im Früh- jahr 1967 als Gesetz verabschiedet hat (3), will die Diskussion um das Problem der Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte nicht zur Ruhe kommen. Es ist daher zu befürchten, daß die Verwirrung, die in der Frage ohnehin groß genug ist, noch größer wird, würde der Entwurf auch im Bund und den anderen Bundesländern Gesetz werden. So soll diese kleine Schrift auch zur Klärung dieser Problematik beitragen.
Darum gehen auch die Untersuchungen, die ihren Gegenstand bilden, von dieser Problematik aus. Die erstrebte Klärung setzt aber das Hinübergreifen in das Privatrecht und somit jene Neufundierung voraus, von der eingangs die Rede war. Der Weg dorthin ist ungewohnt und steinig.
Ob unter diesen Umständen alle Leser geneigt sein werden, bis zum Schluß zu folgen, um sich erst dann auf eine sachliche Auseinandersetzung einzulassen, kann ich nicht wissen. Hierin liegt ein Handikap dieser Schrift, in der das Ganze von Einzelnen, aber auch das Einzelne vom Ganzen her verstanden werden möchte. Ich hoffe aber, daß die Leser, die sich nicht vorzeitig entmutigen lassen, ihre Mühe nicht verschwendet haben werden. Sie werden, wenn ich recht sehe, schließlich das de lege lata geltende Vertrauensschutz-Prinzip in der Hand halten, das zunächst die Verwirkungs-, dann die erwähnte Rücknahme- und vielleicht sogar die Irrtumsproblematik in neuem Licht erscheinen lassen wird.
All meinen Kollegen und Mitarbeitern, die mir Mut gemacht und mir durch Rat und Tat geholfen haben, möchte ich an dieser Stelle danken. Nur zu oft habe ich ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. Besonderen Dank schulde ich dem Regierungsdirektor Dr. Rudolf Stich. Seiner Mainzer Dissertation aus dem Jahre 1954 konnte ich wertvolle Hinweise entnehmen.
Berlin, den 19. März 1968
Karl-Heinz Lenz