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Glauben fern der Heimat : für afrikanische Christen ist Europa die Diaspora

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Academic year: 2022

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zeit durch die Umstellung auf Cash Crops behaupten. Sie hatten sich das Recht auf den von ihnen ge- nutzten Boden sogar im Schutzver- trag von 1884 ausdrücklich zusi- chern lassen.

Die kolonialen Aktivitäten zeitig- ten Folgen für die Metropole und wirkten in diese zurück. Im Bild der Kolonien formte sich beispielsweise die nationale Identität der deut- schen Bevölkerung neu, wie sich an der Diskussion um die »Misch- ehen« zeigt. Speitkamp verbindet moderne kulturgeschichtliche An- sätze mit den politik- und sozialge- schichtlichen Grundlagen. Fragen nach interkulturellen Begegnungen und den Spuren der Kolonialge- schichte im kollektiven Gedächtnis werden ebenso behandelt wie etwa die Verfassungs-, Verwaltungs-, Stadt- und Wirtschaftsgeschichte.

Einige Aspekte, die bei van Laak manchmal nur in einem Satz ange- deutet sind, hat Speitkamp zusam- menfassend in einem längeren Ab- schnitt dargestellt. In dem von van der Heyden und Zeller herausgege- benen populären Band finden diese Aspekte eine punktuelle Vertiefung in einzelnen Aufsätzen. Ohne eine Gesamtinterpretation zu versuchen, entsteht mit vielen Detailinforma- tionen und Bildern ein sehr viel plastischeres, dafür aber fragmen- tiertes Bild. Außerdem bereichern die Autoren die Deutung der deut- schen Kolonialgeschichte um Ele- mente einer Kontrastgeschichte der antiimperialistischen Vereinigungen

der 1920er Jahre und des Internatio- nalismus. Auch in der Ära scheinbar unaufhaltsamer weltweiter Koloni- alherrschaft hatten Wissenschaftler wie Gottlob Adolf Krause und ande- re Intellektuelle in der Berliner Presse alternative, regierungs- und kolonialkritische Ansichten geäu- ßert und dazu beigetragen, dass ei- nige Deutsche der rassistischen Ko- lonialpolitik des Kaiserreichs ableh- nend gegenüberstanden.

Gerade das Handeln einzelner Personen und ihr Beitrag zur deut- schen Kolonialgeschichte wird viel- fach sinnfällig, etwa die Rolle ein- zelner Kolonialpolitiker wie Wil- helm Solf oder des Nilforschers und Arztes Richard Kandt. Deutsch-afri- kanische Verflechtungen sollen durch das Porträt der afrikanischen Diaspora in Berlin aufgezeigt wer- den. Vor allem die Überlebensstra- tegien Afrodeutscher in der Zwi- schenkriegszeit werden anhand einzelner biographischer Beispiele erörtert. Die Biographien spiegeln vielfach Bedrückung, Herabsetzung und Ablehnung wider, aber auch vereinzelt erlebte Toleranz. Im Mit- telpunkt steht die Frage nach den Rückwirkungen des Kolonialpro- jekts auf die deutsche Gesellschaft.

Die Widersprüche des kolonialen Systems vor Ort werden am Bei- spiel eines Fotos deutlich, das zeigt, wie afrikanische Soldaten sich im Dienste der »Schutztruppe« als Henker ihrer eigenen Landsleute betätigten. Auf diese Weise trugen sie zum Aufbau und Erhalt der ko-

lonialen Herrschaft bei. Die Beiträge bestätigen die komplexe historische Situation und machen dabei die ko- loniale Kultur der Metropole sicht- bar. Totengedenken, Zirkus oder Kolonialausstellungen betonen den Kolonialismus als kulturelles Phä- nomen.

Die drei Bände präsentieren ein- drückliche Quellen und Zitate, sind verständlich geschrieben und gute Beispiele dafür, wie man neueste Forschungsergebnisse einer breite- ren Leserschaft nahe bringt, mithin Wissenschaft popularisiert. Die Au- toren entwickeln aus unterschied- lichen Perspektiven neue Sichtwei- sen auf Kontinuität und Wandel in der deutschen Geschichte. Sie sen- sibilisieren für die Offenheit und Widersprüchlichkeit der Geschichte und versagen sich einfachen Schlussfolgerungen. Der Kampf um die Deutung und Bewertung der kolonialen Erfahrung ist noch nicht beendet; er wird von den drei vor- gestellten Studien in bemerkens- werter Weise fortgesetzt. ◆

Winfried Speitkamp Deutsche Kolonialgeschichte

Reclam Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017047-8,

208 Seiten, 6 Euro.

Glauben fern der Heimat

Für afrikanische Christen ist Europa die Diaspora

R

oswith Gerloff ist eine Pionierin bei der Erforschung afrikani- scher Diasporakirchen in Europa, und zwar in verschiedenster Hin- sicht:

– was die Wahrnehmung von Kir- chen mit afrikanischen Mitglie- dern in Europa angeht;

– bezüglich der Anerkennung der theologischen und soziologischen Bedeutung dieser Kirchen, von denen die Mehrzahl zum charis- matischen Spektrum des Chris- tentums gehört;

– hinsichtlich der Organisation ih- rer Kooperation auf regionaler,

nationaler und internationaler Ebene, und

– in Bezug auf die Überbrückung des Grabens, der die forschenden Theologen und Soziologen von den praktizierenden Pastoren und Mitgliedern dieser Kirchen trennt.

Roswith Gerloff ist Theologin und evangelische Pfarrerin im Ruhe- stand. Sie hat sowohl in Deutsch- land als auch in England gearbeitet und unterrichtet. Der vorliegende Band versammelt 23 Artikel aus ihrer Feder, von denen die meisten in den vergangenen drei Jahrzehn-

ten an anderer Stelle publiziert worden sind. Viele haben ihren Ur- sprung in Vorträgen auf universitä- ren und kirchlichen Konferenzen.

Der Titel des Buchs »Das schwarze Lächeln Gottes« geht auf eine Be- gegnung zurück, die Gerloff in den 1970er Jahren in Oxford hatte: Ein jamaikanischer Pastor vermittelte ihr, dass Menschen afrikanischer Abstammung dazu in der Lage sei- en, selbst im Angesicht übelster Le- bensbedingungen noch zu lachen, und zwar aufgrund ihrer Überzeu- gung, dass sie vom Heiligen Geist erfüllt sind und gestärkt werden.

Der Autor Dr. Hartmut Ber- genthumstudierte Geschichte, Poli- tik und Deutsche Literatur- wissenschaft in Marburg, Gießen und Bristol (Eng- land) und forschte über die Ge- schichte der Ge- schichtswissen- schaft in Kenia.

Seit 2005 ist er Fachreferent für Afrika südlich der Sahara, Ozeanien und Geographie an der Universi- tätsbibliothek Jo- hann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main.

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Der Band wird eröffnet von ei- nem Vorwort von Gerloffs vormali- gem »dissertation advisor« Walter J. Hollenweger. Es folgen eine allge- meine Einführung der Herausgeber Gisela Egler und Paul Löffler sowie eine ausführliche und informative autobiographische Hinführung zum

Thema durch die Autorin. Sie mün- det in die Präsentation von zehn Fotos, die Gerloff mit ökumeni- schen Partnern bei verschiedenen Anlässen in den letzten drei Jahr- zehnten zeigen. Zur kontextuellen Einordnung sind jedem Artikel eini- ge einführende Sätze der Herausge- ber vorangestellt. Die Artikel sind in der jeweiligen Originalsprache be- lassen worden (5 in Englisch, 18 in Deutsch). Viele erscheinen hier in gekürzter Form, während es sich bei dem wichtigen akademischen Essay »Pfingstkirchen und charis- matische Bewegungen in Afrika,

Asien und Lateinamerika« um die erweiterte Fassung eines Eintrags in der kürzlich erschienenen vierten Auflage der theologischen Enzyklo- pädie »Die Religion in Geschichte und Gegenwart« (RGG) handelt.

Thematisch behandeln die Artikel die afrikanischen Erfahrungen in Britannien, die Bedeutung der afri- kanischen Diaspora für Europa, die weltweite Pfingstbewegung in der Kraft des Geistes, Kriterien für öku- menisch-interkulturelles Lernen und Handeln sowie Visionen und Herausforderungen für Theologie und Kirche. Die folgenden Bilanzie- rungen der Arbeit Gerloffs durch Sybille Fritsch-Oppermann, Sevda Demir, Klaus Hock, Wolfram Kist- ner und Devarakshanam Betty Go- vinden eröffnen neue theologische und kirchliche Perspektiven. Eine vollständige Bibliographie Gerloffs und bibliographische Angaben zu den 23 hier versammelten Beiträ- gen beschließen das Buch.

Gerloff enthält sich jeglicher Kri- tik an den afrikanischen Versionen des Christentums. Dies ist verständ- lich vor dem Hintergrund der Dis- kriminierungsgeschichte, die die Be- gegnung von Europäern und Afri- kanern im Allgemeinen geprägt hat und die insbesondere im Verhältnis zwischen europäischem Christen- tum und traditioneller afrikanischer Religion beziehungsweise zwischen europäischem und afrikanischem Christentum zum Ausdruck gekom- men ist. Viele dieser Artikel grün- den in persönlichen Erlebnissen und Begegnungen Gerloffs mit afri- kanischen Migrantengemeinden.

Sie unternimmt es, ihre Eindrücke einer europäischen Leserschaft zu kommunizieren, wobei sie den po- tenziellen Beitrag, den afrikanisch- charismatische Kirchen zu leisten vermögen, um verschiedene Män- gel in den etablierten Kirchen zu überwinden, kritisch reflektiert aus- lotet. In Bezug auf die europäischen Kirchen nennt Gerloff den Mangel an Spiritualität, lebendiger Kirchen- musik und Liturgie sowie an der ak- tiven Beteiligung von Laien am Gottesdienstgeschehen. Wie genau es aber vonstatten gehen soll, afri- kanische – sowohl spirituelle wie ge- meinschaftliche Lebens-erfahrun- gen – in europäische Parameter des Verständnisses und der Organisation von Wirklichkeit zu übersetzen, da- mit sie auch für Europäer bedeut- sam werden, bleibt ein Frage, die weiterhin bedacht werden muss. Es erscheint fraglich, ob Begriffe wie

»Harmonie mit der Schöpfung«

oder »Holismus« (Seite 168) sich dazu eignen, Manifestationen oder auch nur erwünschte Realitäten in- nerhalb des afrikanisch-charismati- schen Christentums angemessen zu erfassen.

Empfehlenswert ist diese Auf- satzsammlung für alle, die sich für das Phänomen afrikanischer Mig- rantenkirchen in Europa bezie- hungsweise das charismatische Christentum aus afrikanischer Per- spektive interessieren. Äußerst hilf- reich und inspirierend wird das Buch auch für diejenigen sein, die sich über die Zukunft der etablier- ten Kirchen in Europa Gedanken

machen. ◆

Roswith Gerloff Das schwarze Lächeln Gottes.

Afrikanische Diaspora als Herausforderung an Theologie und Kirche Beiträge aus 30 Jahren reflektierter Praxis, hrsg. von Gisela Egler und Paul Löffler, Verlag Otto Lembeck, Frankfurt 2005, ISBN 3-87476-443-5, 383 Seiten,

25,80 Euro.

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ie Frankfurter Filmwissen- schaftlerin Marie-Hélène Gut- berlet nimmt uns mit auf eine Reise in die Welt ge- und erfundener Bil- der und Töne des afrikanischen Ki- nos, das – bezüglich Kinoerfahrung und Filmschaffen – dem Kino in anderen Teilen der Welt so ähnlich und doch so anders ist. Schlagen Sie dieses Buch auf einer beliebigen Seite auf, Sie werden unweigerlich in den Text gezogen – eine seltene

Leistung, zumal für eine wissen- schaftliche Publikation. Mit der Rei- seführerin Gutberlet möchte man sich einlassen auf die Welt afrikani- schen Filmschaffens – und sei es nur im Rahmen eines der hiesigen Filmfestivals. Oder besser noch, au- genblicklich die Reise nach Ouaga- dougou antreten, um dort mit dem afrikanischen Publikum auch Filme aus Bollywood, Hongkong oder Hollywood zu schauen, dabei vom

Einmal zum Filmfestival nach Ouagadougou

Warum afrikanisches Kino ähnlich, aber doch anders ist

Kinosessel aufzuspringen und aus der Hüfte schießen zu lernen. Die Autorin bietet ihren Lesern eine Le- seerfahrung vergleichbar der Kino- erfahrung im frühen Kino, das un- terschiedliche Genres und Gattun- gen in einer Vorstellung verband und dabei ganz auf die Partizipation des Zuschauers setzte. Theoretische und selbstreflexive, ideengeschicht- liche und Film beschreibende Passa- gen werden ineinander verwoben, Der Autor

Privatdozent Dr. Werner Kahlist Studienleiter an der Missionsaka- demie Hamburg.

Er lehrt und forscht zur Charis- matisierung des Christentums in Westafrika, zur Rezeption der Bi- bel aus afrikani- schen Perspekti- ven sowie zu afri- kanischen Migrantengemein- den in Europa.

Referenzen

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