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Wie Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen an nötige Informationen kommen können. NRW

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Academic year: 2022

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Verbesserungen in der Altenpflege

durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

Wie Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen an nötige Informationen kommen können.

NRW

(2)

Impressum

Herausgeberin ver.di-Landesbezirk NRW

Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen Karlstraße 123-127

40210 Düsseldorf V.i.S.d.P.

Wolfgang Cremer Bearbeitung

Monika Kuhlen-Heck, Haja Schneider, Harry Fuchs, Markus Neuhaus, Daniel Behruzi Gestaltung

werkzwei Detmold Druck

Eigendruck

1. Auflage November 2019

(3)

Personalmangel, Überlastung, Mehrarbeit – und zugleich unfreiwillige Teilzeit.

Das ist die Situation in vielen Einrichtungen der Altenpflege. Und was tun betrieb- liche Interessenvertretungen dagegen? Sie setzen sich für Verbesserungen und Entlastung ein. Doch oft fehlen ihnen die dafür notwendigen Informationen. Wie können sie feststellen, ob die von Einrichtungen und Kostenträgern vereinbarte Personalbesetzung stimmt? Wie erhalten sie Auskunft über die jeweils aktuelle Belegung nach Pflegegraden und Auslastung? Wie können sie kontrollieren, ob die vorgeschriebene Fachkraftquote in allen Einsatzbereichen eingehalten wird?

Diese Broschüre soll helfen, die entsprechenden Informationen beim Arbeitgeber einzufordern. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass betriebliche Interessenver- tretungen – also Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen – ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können. Nur so ist eine konsequente Vertretung von Belegschaftsinteressen überhaupt möglich. Wir zeigen in Teil II anhand von sechs Fallbeispielen, wie es geht. In Teil III finden sich Tipps zum Vorgehen. Hier werden alle erforderlichen Verträge beschrieben, die in den Fallbeispielen genannt werden. Wie man Auskünfte einholt, an Unterlagen kommt und Ansprüche durch- setzt, steht ebenfalls hier. Die abgedruckten Muster-Beschlussvorlagen helfen dem Gremium bei der Umsetzung. In Teil IV werden am Beispiel des Betriebsverfas- sungsgesetzes die Unterrichtungsansprüche beschrieben. Auf Ausführungen zum MVG EKD, der MAVO und dem Personalvertretungsrecht haben wir in diesem Teil der Broschüre verzichtet. Die Unterrichtungsansprüche dieser Interessenvertre- tungen können aus den Darlegungen zum Betriebsverfassungsgesetz abgeleitet werden.

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

Wie Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen in der Altenpflege an nötige Informationen kommen können, um Verbesserungen durchzusetzen.

Eine Handlungshilfe.

(4)
(5)

I. Vorwort 6 II. Praxisbeispiele:

Welche Informationen brauchen wir und was machen wir damit? 8 Beispiel 1: Überlastung angehen – Personalberechnung offenlegen 8 Beispiel 2: Überforderung verhindern – Fort- und Weiterbildung einfordern 9 Beispiel 3: Einsätze außerhalb der Einrichtung – mitbestimmen! 10 Beispiel 4: Anordnung von Überstunden prüfen – Ursachen klären 11 Beispiel 5: Erzwungene Teilzeit verhindern –

Personalplanung transparent machen 12

Beispiel 6: Stellenbesetzung einfordern –

Gewinne privater Konzerne zum Thema machen 13

III. Tipps zum Vorgehen 14

Schritt 1: Erforderliche Verträge und Informationen identifizieren 14

Schritt 2: Auskünfte und Unterlagen anfordern 17

Schritt 3: Ansprüche durchsetzen 19

IV. Anspruchsgrundlagen nach Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) 21

Inhalt

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

(6)

In Politik und Gesellschaft wird neuerdings viel über die Pflege gere- det. Nur an den Zuständen in den Einrichtungen hat sich bislang wenig geändert. Pflegekräfte sind überlastet, unterbezahlt und gehen über ihre Grenzen. Ihrem eigenen Anspruch an eine gute Versorgung können sie aufgrund der Rahmenbedingungen allzu oft nicht mehr gerecht werden.

Darunter leiden die pflegebedürftigen Menschen und die Beschäftigten gleichermaßen.

Die Bedingungen müssen sich verbessern – auch, damit sich in Zukunft noch genug Menschen für diese so wichtige Arbeit entscheiden und im Beruf bleiben. Es ist gut, dass die Bundesregierung die Entwicklung eines Verfahrens zur Personalbemessung beschlossen hat. Frühestens im Jahr 2020 steht es zur Verfügung. Mit Spannung erwarten wir die Ergebnisse.

Wie und wann die Bundesländer dieses neue Instrument zur Personalbe- rechnung dann umsetzen, ist bislang nicht entschieden.

Es muss sich aber jetzt etwas ändern. Deshalb fordert ver.di die verbind- liche und bundeseinheitliche Anwendung wissenschaftlich belegter, am Bedarf pflegebedürftiger Menschen orientierter Personalbemessungs- instrumente für den stationären und ambulanten Bereich. Die gestiege- nen Anforderungen an die pflegerische Versorgung und die demogra- fische Entwicklung machen es notwendig, mehr beruflich Pflegende, insbesondere Pflegefachkräfte, einzusetzen. Allein durch die Umwid- mung des Pflegevorsorgefonds in einen »Pflegepersonalfonds« könnten 1,3 Milliarden Euro mobilisiert und zur Schaffung von 40.000 zusätzli- chen Stellen bei einer Fachkraftquote von 50 Prozent eingesetzt werden.

Nicht nur Fach- und Hilfskräfte in der Pflege arbeiten an ihrer Belastungs- grenze. Auch für die Beschäftigten in den Verwaltungen, in der Technik, im Sozialen Dienst, in der Reinigung oder der Hauswirtschaft ist das Ar- beitspensum stetig angewachsen. Zusätzliche Kollegen oder Kolleginnen wurden nicht eingestellt. In Nordrhein-Westfalen und den meisten ande-

I. Vorwort

(7)

ren Bundesländern hat sich diese Personalberechnung seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995 nicht verändert.

Wir wollen, dass sich der Wettbewerb der Altenpflegeeinrichtungen zukünftig an der Versorgungsqualität ausrichtet. Gewinnen dürfen nicht länger diejenigen, die die niedrigsten Löhne bezahlen. Ein Schritt dahin ist ein flächendeckender Tarifvertrag, der Lohndumping durch kom- merzielle Anbieter verhindert. ver.di hilft tatkräftig mit, diesen Plan der Bundesregierung mit in die Tat umzusetzen.

Die vorliegende Broschüre soll helfen, die Handlungsfähigkeit der be- trieblichen Interessenvertretungen zu erhöhen. Nur wenn sie über die nötigen Informationen verfügen, können sie die Interessen ihrer Kollegin- nen und Kollegen konsequent vertreten und Entlastung einfordern. Das macht uns gemeinsam stärker.

Monika Kuhlen-Heck

Vorsitzende der ver.di-Landes- bezirksfachbereichskommission Altenpflege NRW

Wolfgang Cremer

ver.di Landesbezirk NRW – Landesbezirksfachbereichsleiter des Fachbereichs 03 – Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

(8)

-

Welche Informationen braucht die Interes- senvertretung, um gegen die Überlastung angehen zu können? Als erstes sollte sie kontrollieren, ob die nötige Personalzahl anhand der Pflegegrade der Bewohner*in- nen (Bewohnerbedarfe) korrekt errechnet wurde – und ob sie in der Realität zur Ver- fügung steht.

Dazu benötigt die Interessenvertretung

 die Vergütungsvereinbarung zwischen Einrichtung und Kostenträgern.

 die aktuelle Belegungsstruktur nach Pflegegraden und die Auslastung der Einrichtung.

 die aktuelle AU-Rate: Wie viele Kol- leg*innen sind derzeit krankgeschrieben?

 die Fachkraftquote.

Aufgrund dieser Informationen kann sich die Interessenvertretung selbst ein Bild machen.

Es stellt sich heraus, dass keine strukturierte Personalplanung existiert. Stattdessen wird

»Pi mal Daumen« geplant. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber Schwierigkeiten hat, genügend Fachkräfte zu finden.

Die Konsequenz: Die Interessenvertretung fordert den Arbeitgeber auf, gemeinsam mit der Interessenvertretung eine Personalpla- nung zu erstellen, die die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt.

Dazu gehört ein Ausfallmanagement, mit dem kurz- und langfristige Ausfälle ausgegli- chen werden.

Als eine Maßnahme gegen den Fachkräf- temangel benennt die Interessenvertretung fünf examinierte Teilzeitkräfte, die gerne länger arbeiten würden und fordert die Auf- stockung ihrer vertraglichen Arbeitszeit.

II. Praxisbeispiele: Welche Informationen brauchen wir und was machen wir damit?

Die Beschäftigten eines Pfle -

geheims mit etwa 80 Bewoh -

ner*innen beschwer

en sich beim Betriebsrat: »Die Arbeit ist mit

dem vorhandenen P ersonal nicht zu schaffen.« Sie haben

etliche Überlastungsanzeigen geschrieben – doch verbessert

hat sich nichts.

§

Rechtliche Grundlagen

BetrVG: § 80 II, § 87 I Nr. 2 u. 7, § 91, § 92 LPVG NW: § 65 I, § 72 IV Nr. 1 u. Nr. 7,

§ 73 Nr. 4

MAVO: § 26 II, III, § 27 II P. 2, § 27a, § 27b,

§ 29 I Nr. 4, § 36 I Nr. 1, 2, 10, § 37 I Nr. 1, 2, 10, § 38 I Nr. 2, 3, 12

MVG EKD: § 34 I,II,III, § 40 b, d, i, § 46 e,

§ 47

Beispiel 1

Überlastung angehen – Personalberechnung offenlegen

(9)

-

Den betroffenen Kolleginnen und Kollegen fehlt die spezifische Qualifikation für ihre Aufgabe. Um in Fragen der Fort- und Weiter- bildung aktiv zu werden, muss die Interessen- vertretung zunächst die Aufgabenstellung der Beschäftigten kennen.

Dazu benötigt sie

 den Versorgungsvertrag zwischen Ein- richtung und Kostenträgern.

 die einschlägigen Festlegungen in den Altenpflegegesetzen der Bundeslän- der. In diesen wird beschrieben, welche Beschäftigten welche Aufgaben und Verantwortungen haben und welche fachlichen Standards für die Ausübung dieser Tätigkeiten gefordert sind.

 das verbindliche Konzept für die Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten.

Auch dieses ist in den Altenpflegegeset- zen der Länder zu finden.

Aus den Unterlagen wird deutlich, welche konkreten Aufgaben die Beschäftigten haben und welcher Fort- und Weiterbildungsbedarf eventuell besteht. Auf dieser Grundlage kann die Interessenvertretung eine Vereinbarung zur Fort- und Weiterbildung einfordern. Im Interesse der pflegebedürftigen Menschen und der Beschäftigten ist auszuschließen, dass Kolleginnen und Kollegen mit ihren Aufgaben überfordert werden.

II. Praxisbeispiele: Welche Informationen brauchen wir und was machen wir damit?

Die junge Kollegin ist verzweifelt: Seit einigen Wochen arbeitet sie auf der Palliativstation der Pflegeeinrichtung.

Doch sie und ihre Kolleg*innen fühlen sich überfordert. Im ganzen Team ist niemand für den Umgang mit S benden ausgebildet. Eine Supervisionter- gibt es nicht, die einzige Psychologin im Haus arbeitet nur T

eilzeit und ist anderweitig gefordert. Ein Drittel der Pflegekräfte auf der Station hat sich krank gemeldet, was den Druck auf die anderen noch erhöht.

Rechtliche Grundlagen

BetrVG: § 80 II, § 92, § 96, § 97, § 98 LPVG NW: § 65 I, § 73 Nr. 4

MAVO und Grundordnung Artikel 9: § 26 II, III Nr. 1, 2, 7, § 27 II P. 2, 3, § 27a, § 27b,

§ 29 I Nr. 5, 6, § 32 I Nr. 4, § 36 I Nr. 8, 10,

§ 37 I Nr. 8, 10, § 38 I Nr. 9, 12 MVG EKD: § 34 I,II,III , § 39 c u.d, § 47

§

Beispiel 2

Überforderung verhindern – Fort- und Weiterbildung einfordern

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

(10)

-

Um in dieser Angelegenheit im Sinne der Beschäftigten aktiv werden zu können, braucht die Interessenvertretung den Ge- samtversorgungsvertrag. Nur wenn sie diesen kennt, kann sie beurteilen, welche Personalplanung nötig ist.

Auf Grundlage dieser Informationen kann die Interessenvertretung ihre Mitbe- stimmungsrechte in Bezug auf Lage der Arbeitszeit sowie Ort und Art der auszu- übenden Tätigkeit nutzen. Hier hat die be- triebliche Interessenvertretung viele Gestal- tungsmöglichkeiten – wenn ihr die nötigen Informationen zur Verfügung stehen.

Seit einiger Zeit sollen die Pflegekräfte eines Wohnbe-

reiches eine pflegebedürftige Frau außerhalb der Einrichtung

versorgen. Der Arbeitgeber gibt an, er hätte einen Gesamtver

-

sorgungsvertrag abgeschlossen.

Die Kolleg*innen müssten nun entsprechende Dienste leisten.

§

Rechtliche Grundlagen

BetrVG: § 80 II, § 87 I Nr. 2, § 91, § 92, LPVG NW: § 65 I, § 73 Nr. 4

§ 26 II,III. § 27 § 27a § 27b, § 36 I Nr. 1, MAVO: § 37 I Nr. 1, § 38 I Nr. 2 MVG EKD: § 34 I, II, III, § 40 d,i § 46 e

Beispiel 3

Einsätze außerhalb der Einrichtung – mitbestimmen!

II. Praxisbeispiele: Welche Informationen brauchen wir und was machen wir damit?

(11)

-

Um beurteilen zu können, ob Überstunden notwendig sind, sollte die Interessenver- tretung zunächst feststellen, ob überhaupt ausreichend Personal vorhanden ist und wie hoch die Krankenrate tatsächlich ist.

Dazu benötigt die Interessenvertretung

 die Vergütungsvereinbarung, um die zwischen Einrichtung und Kostenträgern verhandelte Personalstärke zu kennen.

 die aktuelle Belegungsstruktur und Auslastung, um zu sehen, ob das vereinbarte Personal in der Realität auch eingesetzt wird.

 den aktuellen und durchschnittlichen Krankenstand des betreffenden Wohn- bereiches.

 die aktuelle Fachkraftquote.

Erst wenn die Interessenvertretung über die- se Informationen verfügt, kann sie erkennen und beurteilen, ob die Überstunden erforder- lich sind, weil sie zum Beispiel wegen einer Krankheitswelle anfallen. Im vorliegenden Fall stellt die Interessenvertretung fest, dass schlicht zu wenig Personal vorhanden ist. Der Träger setzt Geld, das für die Kosten des Pfle- gepersonals gedacht ist, anderweitig ein. Die Interessenvertretung widerspricht daraufhin der Überstundenanordnung und fordert eine verbesserte Personalbesetzung. Ihrem Argu- ment, dass Mittel zweckentfremdet werden, wird auch die Einigungsstelle folgen.

Für einen Wohnbereich ordnet der Arbeitgeber sehr oft Überstunden an. Als Grund nennt er zumeist einen hohen Krankenstand. Die Interessen- vertretung soll den Überstunden zustimmen, obwohl keine konkreten Informationen über den Krankenstand und die Auslastung der Station vorliegen.

Rechtliche Grundlagen BetrVG: § 80 II, § 87, § 92 LPVG NW: § 65 I, § 73 Nr. 4

MAVO und Grundordnung Artikel 9:

§ 26 II, III Nr. 1, 2, 7, § 27 II P. 2, 3, § 27a,

§ 27b, § 29 I Nr. 5, 6, § 32 I Nr. 4, § 36 I Nr. 8, 10, § 37 I Nr. 8, 10, § 38 I Nr. 9, 12 MVG EKD: § 34 I,II,III , § 39 c u.d, § 47

§

Beispiel 4

Anordnung von Überstunden prüfen – Ursachen klären

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

(12)

-

Die Interessenvertretung will der unfreiwil- ligen Teilzeitarbeit entgegenwirken. Um in den Personalplanungsgesprächen entspre- chend konstruktiv mitwirken zu können, benötigt sie folgende Informationen:

Dazu benötigt die Interessenvertretung

 die Inhalte der Vergütungsverein- barung.

 die aktuelle Belegungsstruktur und Auslastung.

 den aktuellen Krankenstand.

 den Stellenplan.

 die Schichtmodelle: Wie viel Personal muss zu welcher Zeit vorgehalten werden?

Mitglieder der Interessenvertretung in einer stationären Pflegeeinrichtung nehmen regelmäßig an Teamsitzungen teil, um mitzubekommen, wo den Kolleg*in- nen der Schuh drückt. Bei einem dieser Treffen stellt sich heraus, dass in dem Wohnbereich besonders viele Teilzeitkräfte arbeiten. Viele von ihnen würden gerne eine befristete, besser noch eine unbe- fristete Arbeitszeiterhöhung erhalten.

Der Arbeitgeber hat entsprechende An- fragen mit dem Argument zurückgewiesen, dies gäben die Pflegegrade der Bewoh- ner*innen nicht her.

§

Rechtliche Grundlagen

BetrVG: § 80 II, § 87 I Nr. 2,3, § 92 LPVG NW: § 65 I, § 72 IV Nr. 1, § 73 Nr. 4 MAVO: § 26 II,III §29 I Nr. 4, § 27a, § 36 I Nr. 1 § 37 I Nr. 1 § 38 I Nr. 2

MVG EKD: § 34 I,II,III, § 40 d , § 46 e

Beispiel 5

Überlastung angehen – Personalberechnung offenlegen

II. Praxisbeispiele: Welche Informationen brauchen wir und was machen wir damit?

(13)

-

Der Betriebsrat stellt zunächst die Frage, warum nur ein Wohnbereich die behaupteten Mindereinnahmen kompensieren soll. Dies führe zu dauerhafter Überforderung und kön- ne durch das Engagement des Teams nicht mehr ausgeglichen werden.

Um die Gesamtlage beurteilen zu können, schaut sich die Interessenvertretung die Per- sonalverteilung in der Einrichtung insgesamt an. Wird eventuell das Personal einzelner Wohnbereiche nach dem »Nasenprinzip«

verteilt?

Um diese und weitere Fragen beantwor- ten zu können und handlungsfähig zu werden, benötigt der Betriebsrat

 den Stellenplan der Einrichtung und der einzelnen Wohnbereiche.

 die Vergütungsvereinbarung zwischen

Einrichtung und Kostenträgern.

 die aktuelle Belegungsstruktur und Auslastung.

 den aktuellen AU-Stand.

Nachdem der Betriebsrat diese Informationen erhalten und ausgewertet hat, wird klar: Stel- len werden nach Gutdünken auf die Bereiche verteilt. Vor allem aber: Der private Träger generiert Gewinne dadurch, dass er insge- samt notwendiges – und mit den Kosten- trägern vereinbartes – Personal nicht einstellt.

In ihrer Funktion als ver.di-Vertrauensleu- te machen die Aktiven dies in der Öffentlich- keit, gegenüber den Kostenträgern und im Stadtteil zum Thema. Denn dass gewinnori- entierte Konzerne am Personal sparen, um ih- ren Aktionären eine größtmögliche Dividende auszuschütten, geht nicht nur zu Lasten der Beschäftigten, sondern schadet auch den pflegebedürftigen Menschen, ihren Angehö- rigen und der Gesellschaft als Ganzes.

Die Aufregung in einem W

ohnbereich eines kommerziellen Pflegeheimbetr

ei- bers ist groß. »Wir haben dur

ch den Zusammenhalt im Team immer alles

hingekriegt. Aber jetzt sollen noch zwei Stellen nicht neu besetzt wer

den – das geht nicht mehr«, beschwert sich die

Teamleitung beim Betriebsr at. Der Arbeitgeber – ein international tätiger

Pflegekonzern – erklärt, die Maßnahme sei nötig, da dauerhaft im gesamten

Haus verteilt etwa dr

ei Betten nicht belegt und dadurch Mindereinnahmen

entstanden seien.

Rechtliche Grundlagen

BetrVG: § 80 II, § 87 I Nr. 2, § 91, § 92

§

Beispiel 6

Stellenbesetzung einfordern –

Gewinne privater Konzerne zum Thema machen

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

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III. Tipps zum Vorgehen

Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI Der zwischen Pflegekassen und Pflegeein- richtungen geschlossene Versorgungsver- trag ist die Genehmigung bzw. Zulassung zum Betreiben einer Pflegeeinrichtung. Zum Versorgungsvertrag gehört ein Struktur- erhebungsbogen, aus dem hervorgeht, welche Versorgungsarten und Aufgaben die Einrichtung übernehmen darf.

Vergütungsvereinbarung gemäß §§ 84 und 85 und § 87 SGB XI

In den Vergütungsverhandlungen zwi- schen Heimbetreibern, Pflegekassen sowie Sozialhilfeträgern werden Kostenblöcke verhandelt, die sich aus der prognosti- zierten Auslastung, dem zu erwartenden Pflegegradmix und den Durchschnittsge- hältern der jeweiligen Einrichtung ergeben.

In der Vergütungsvereinbarung sind diese Angaben enthalten. Zudem ist über den be- rechneten Bedarf hinaus geplantes Personal aufzuführen.

Die Interessenvertretung benötigt die Vergütungsvereinbarung, um die Rahmen- bedingungen für die Personalausstattung nachvollziehen zu können. Auf dieser Basis kann sie eine vom Arbeitgeber vorge- schlagene Maßnahme oder Problemsitu- ationen in den Arbeitsbereichen nachvoll- ziehen und beurteilen. Aus den Unterlagen lässt sich insbesondere erkennen, ob ein Träger das für die Wahrnehmung der

Aufgaben erforderliche Personal nicht ausreichend verhandelt hat, die Probleme durch Mängel in der Personalbewirtschaf- tung verursacht sind oder ob es objektive Schwierigkeiten gibt, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat. Auch kann die Interessenvertretung feststellen, ob in den Pflegesatzverhandlungen zum Beispiel zu- sätzliches Personal für bestimmte Bereiche vereinbart wurde.

Belegungsstruktur nach Pflegegraden und Auslastung der Einrichtung

Auf Grundlage der Belegungsstruktur kann die Interessenvertretung den aktuellen Personalbedarf ermitteln. Eine Personal- planung »Pi mal Daumen« werden Träger in aller Regel nicht machen, da sie die Kontrolle über das Budget behalten müs- sen, um nicht in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Anhand der Kennzahlen – wie viele Bewohner*innen werden aktuell mit welchem Pflegegrad und bei welcher Aus- lastung in einem Arbeitsbereich versorgt – lässt sich genau ermitteln, wie viel Personal im jeweiligen Wohnbereich refinanziert und damit einzusetzen ist. Nur mit diesen Informationen ist die Interessenvertretung in der Lage, zu ermitteln, ob zum Beispiel alle Stellen besetzt sind.

Arbeitsunfähigkeits-Rate (AU-Rate) Die AU-Rate informiert darüber, wie viel

Schritt 1

Erforderliche Verträge und Informationen identifizieren

(15)

III. Tipps zum Vorgehen

Personal wegen Krankheit durchschnittlich fehlt und deswegen nicht in die Personal- planung einbezogen werden darf. Für die Interessenvertretung ergeben sich aus einer hohen AU-Rate folgende Fragen: 1. Was sind die Gründe für den hohen Kranken- stand? Sind die Beschäftigten womöglich überlastet und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um das zu ändern und die AU-Rate zu senken? 2. Mit Hilfe der AU-Rate kann die Interessenvertretung Aus- sagen des Arbeitgebers überprüfen und zum Beispiel entscheiden, ob sie Überstun- den aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle zustimmt oder nicht.

Fachkraftquote

In den Bundesländern gibt es unterschied- liche Quoten bzw. Richtwerte zum Fach- kräfteeinsatz in bestimmten Bereichen und Personalgruppen. Die Interessenvertretung sollte diese Vorgaben kennen und ihre Einhaltung überprüfen. Dafür müssen die jeweiligen landesspezifischen Regelungen herangezogen werden. Und der Interes- senvertretung muss auch die tatsächliche personelle Besetzung eines Wohnbereiches zum aktuellen Zeitpunkt bekannt sein.

Denn die Gefahr einer Überlastung entsteht oft dadurch, dass in einem Wohnbereich weniger Fachkräfte eingesetzt werden als es nach den Richtwerten bzw. dem Er- gebnis der Pflegesatzverhandlungen mög- lich wäre. Die Folge ist, dass die vorhan- denen Fachkräfte den gesamten vergüteten Arbeitsaufwand erledigen müssen.

Stellenplan

Mit Hilfe des Stellenplans ist die Interes- senvertretung in der Lage, einen genauen Vergleich zwischen dem refinanzierten und dem tatsächlich eingesetzten Personal an- zustellen. Natürlich ist der Stellenplan auch für weitere Aufgaben notwendig.

Schichtmodell

Träger arbeiten mit Schichtmodellen. In diesen ist aufgeführt, wie viele Beschäftigte mit welchen Qualifikationen zu welcher Tageszeit benötigt werden, um die Versor- gung der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten. Auch hieraus ergibt sich für die Interessenvertretung ein Bild, ob Hand- lungsbedarf besteht. Dann kann sie zum Beispiel die vertragliche Aufstockung von Arbeitszeiten von Teilzeitkräften verlangen.

Pflegesatzverhandlungen

Es ist für die Beschäftigten einer Einrich- tung von großer Bedeutung, wie der Träger bei den Pflegesatzverhandlungen mit den Kostenträgern vorgeht. Von daher sollte die Interessenvertretung ihre Teilnahme an den Verhandlungen einfordern, auch wenn es darauf keinen einklagbaren Anspruch gibt.

Ein Argument dafür ist, dass sie die Lage in der Einrichtung sehr gut kennt. Die Mit- arbeitervertretung bzw. den Betriebs- oder Personalrat hinzuzuziehen, kann daher für alle Beteiligten von Vorteil sein.

Gelingt es der Interessenvertretung nicht, an den Pflegesatzverhandlungen teilzunehmen, kann sie in größeren Unter- nehmen den Wirtschaftsausschuss nutzen,

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

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um an Informationen zu kommen. Sie kann dort zum Beispiel folgende Fragen stellen:

• Wie hoch sind die aktuellen durchschnitt- lichen Gehaltskosten in der Einrichtung?

• Welche Durchschnittsgehälter wurden in den Pflegesatzverhandlungen zugrunde gelegt?

• Wie hoch sind die Kosten für Überstun- den in der Einrichtung bzw. des Wohnbe- reiches XY?

• Wie sind die Details der Gewinn- und Verlustrechnung der Einrichtung bzw. des Wohnbereichs XY?

• Wie hoch sind die Mindereinnahmen durch nicht belegte Betten (Auslastung)?

• Welche Auslastungsquote wurde bei den Pflegesatzverhandlungen zugrunde gelegt?

III. Tipps zum Vorgehen

(17)

Nachdem für die jeweilige Situation geklärt ist, welche Verträge und Informationen von der Interessenvertretung benötigt werden, muss das Gremium deren Anfor- derung beim Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zunächst formell beschließen.

Der Beschluss kann so lauten:

TOP: Anforderung von Auskünften und Unterlagen Personalbesetzung

Um die Arbeitsüberlastung bzw. Überfor- derung der Kolleginnen und Kollegen zu minimieren oder abzustellen und den Ge- sundheitsschutz zu gewährleisten, muss der Betriebsrat/der Personalrat/die Mitarbeiter- vertretung kontrollieren, ob die vorhandene Personalmenge anhand der Pflegegrade der Bewohner (Bewohnerbedarfe) korrekt errechnet wurde.

Aus diesem Grunde möge der Be- triebsrat/der Personalrat/die Mitarbeiter- vertretung beschließen, die Herausgabe folgender Unterlagen und Auskünfte beim Arbeitgeber anzufordern, um dieser Ver- pflichtung nachkommen zu können:

• Vergütungsvereinbarung

• Aktuelle Belegungsstruktur nach Pflegegraden

• Auslastung der Einrichtung

• Aktuelle AU-Rate

• Fachkraftquote

Antrag auf der Sitzung:

Der/Die Vorsitzende beantragt, in der Sitzung darüber abzustimmen, die Herausgabe folgender Unterlagen und Auskünfte beim Arbeitgeber anzufordern:

• Vergütungsvereinbarung

• Aktuelle Belegungsstruktur nach Pflegegraden

• Auslastung der Einrichtung

• Aktuelle AU-Rate

• Fachkraftquote

Beschluss:

Der Betriebsrat/der Personalrat/die Mitarbei- tervertretung beschließt, über den Antrag des/der Vorsitzenden:

Ergebnis: Ja/Nein

Enthaltungen: Antrag angenommen oder abgelehnt

Nach dem Beschluss wird der Arbeitgeber bzw. Dienstherr schriftlich aufgefordert, die Verträge und benötigten Informationen herauszugeben. Das Aufforderungsschreiben kann so aussehen:

Schritt 2

Auskünfte und Unterlagen anfordern

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

(18)

An den Datum … Arbeitgeber

im Hause Ort …,

Anforderung von Auskünften und Unterlagen

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Betriebsrat/der Personalrat/die Mitarbeitervertretung hat gem. § 80 BetrVG/§ 64 Nr.2 LPVG NRW/§ 35 MVG EKD/§ 26 MAVO über die Einhaltung von Gesetzen zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu wachen. Hierzu gehören die Vorschriften zur Verbesserung bzw. für den Erhalt der Gesundheit der Arbeitnehmer*in- nen. Diese ergeben sich im Wesentlichen aus dem Arbeitsschutzgesetz. Des Weiteren ergeben sich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats/des Personalrats/der Mitar- beitervertretung zum Arbeits-und Gesundheitsschutz aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG/§ 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG NRW/ § 40 b MVG.EKD/ § 37 Abs. 1 Nr. 10 MAVO.

Um die Arbeitsüberlastung bzw. Überforderung der Kolleginnen und Kollegen zu minimieren oder abzustellen und den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, muss der Betriebsrat/der Personalrat/die Mitarbeitervertretung kontrollieren, ob die vorhandene Personalmenge anhand der Pflegegrade der Bewohnerinnen und Bewohner (Bewoh- nerbedarfe) korrekt errechnet wurde.

Aus diesem Grunde hat der Betriebsrat/der Personalrat/die Mitarbeitervertretung in seiner/ihrer Sitzung vom … beschlossen, die Herausgabe folgender Unterlagen und Auskünfte anzufordern, um dieser Verpflichtung nachkommen zu können:

• Vergütungsvereinbarung

• Aktuelle Belegungsstruktur nach Pflegegraden

• Auslastung

• Aktuelle AU-Rate

• Fachkraftquote

Der Betriebsrat/der Personalrat/die Mitarbeitervertretung erwartet die Erteilung der Auskünfte bzw. die Herausgabe bis zum ….

Nach ergebnislosem Ablauf der Frist wird der Betriebsrat/der Personalrat/die Mit- arbeitervertretung gezwungen sein, weitere Schritte einzuleiten, um die nötigen Auskünfte zu erhalten.

In der Hoffnung auf eine einvernehmliche Beilegung der Angelegenheit verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift) III. Tipps zum Vorgehen

(19)

Betriebsrat: Sofern der Arbeitgeber den Be- triebsrat nicht oder nicht ausreichend unter- richtet, kann das Gremium seine Unterrich- tungsansprüche gerichtlich durchsetzen. Das Arbeitsgericht entscheidet in diesen Fällen gem. § 2a ArbGG im Beschlussverfahren.

Personalrat: Sofern die Dienststelle den Personalrat nicht oder nicht ausreichend un- terrichtet, kann dieser seine Unterrichtungs- ansprüche gerichtlich durchsetzen. Zuständig sind gem. § 79 LPVG NRW die Verwaltungs- gerichte, die im personalvertretungsrechtli- chen Beschlussverfahren entscheiden, wobei die Vorschriften des ArbGG entsprechend an- zuwenden sind (§ 79 Abs. 2 LPVG NRW). Zur Durchsetzung seines Informationsanspruches kann der Personalrat einen Verpflichtungs- antrag stellen, der darauf gerichtet ist, dem Dienststellenleiter aufzugeben, den Perso- nalrat über einen bestimmten Sachverhalt zu unterrichten (Altvater u.a., BPersVG, § 68, Rn. 50). Im LPVG NRW ist die Möglichkeit, auf Durchführung einer Handlung gerichtete Anträge zu stellen, nunmehr ausdrücklich in

§ 79 Abs. 3 S. 1 geregelt.

Ein entsprechender Antrag könnte lauten:

Die Beteiligte wird verpflichtet, dem Antrag- steller folgende Auskünfte zu erteilen:

• Vergütungsvereinbarung

• Aktuelle Belegungsstruktur nach Pflege- graden

• Auslastung

• Aktuelle AU-Rate und Fachkraftquote Betriebsrat: In dringenden Fällen kann der Betriebsrat die begehrte Unterrichtung auch im Wege des einstweiligen Verfügungsver- fahrens gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass sich der konkrete Sachverhalt, an dem die Inter- essenvertretung zu beteiligen ist, bei Durch- führung eines Hauptsacheverfahrens durch Zeitablauf erledigen würde, weil dieses unter Umständen mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Betriebsrat über einen Schicht- plan und das einzusetzende Personal nicht ausreichend unterrichtet wird. Bei Durch- führung eines Hauptsacheverfahrens könnte der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte in diesem Fall nicht mehr wahrnehmen, da der Zeitraum, für welchen der Schichtplan erstellt wurde, längst abgelaufen wäre, bevor rechts- kräftig über den Unterrichtungsanspruch ent- schieden wäre. Bei der Frage der Eilbedürftig- keit ist insbesondere in den Blick zu nehmen, welche Bedeutung die Beteiligungsrechte für den Betriebsrat und die betroffenen Beschäf- tigten haben (OVG NW, Entscheidung vom 01.07.2014, 20 B 400/14.PVL).

Um solche juristischen Schritte anzustren- gen, braucht der Betriebsrat eine kompetente rechtliche Vertretung. Diese muss ordnungs- gemäß vom Gremium beauftragt werden, damit der Arbeitgeber/die Dienststelle die Kosten übernimmt:

Schritt 3

Ansprüche durchsetzen

Verbesserungen in der Altenpflege durchsetzen – ohne Infos geht es nicht!

(20)

Beauftragung eines Rechtsanwalts gem. § 40 BetrVG/§ 40 LPVG NRW zur Ein- leitung eines Beschlussverfahrens vor dem Arbeitsgericht wegen Herausgabe von Unterlagen des Arbeitgebers/der Dienststelle

Tagesordnungspunkt X:

Beauftragung des Rechtsanwalts…/Kanzlei… zur Einleitung eines Beschlussverfah- rens vor dem Arbeitsgericht wegen Herausgabe der Unterlagen zur Personalbe- darfsberechnung

Um die Arbeitsüberlastung bzw. Überforderung der Kolleginnen und Kollegen zu minimieren oder abzustellen und den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, muss der Betriebsrat/Personalrat kontrollieren, ob die vorhandene Personalmenge anhand der Pflegegrade der Bewohnerinnen und Bewohner (Bewohnerbedarfe) korrekt errechnet wurde. Der/die Vorsitzende stellt daher auf der Sitzung den Antrag die folgenden Beschlüsse zu fassen:

Der Betriebsrat/Personalrat beschließt, ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel einzuleiten, dass dem Arbeitgeber/der Dienststelle aufgegeben wird, die Vergütungsvereinbarung, die aktuelle Belegungsstruktur nach Pflegegraden und die Auslastung der Einrichtung sowie die aktuelle AU-Rate und die Fachkraftquote vorzu- legen bzw. mitzuteilen.

Der Betriebsrat/Personalrat beschließt zudem, Herrn/Frau Rechtsanwalt.../Kanzlei..., Straße und Hausnummer, Ort mit der Einleitung und Durchführung dieses Verfahrens zu beauftragen.

Abstimmung: Ja … / Nein … / Enthaltungen ...

Mitarbeitervertretungen:

Bei nicht ordnungsgemäßer Unterrichtung der Mitarbeitervertretungen sind diese auf den kirchenrechtlichen Rechtsschutz gem.

§§ 56 ff. MVG.EKD unter Berücksichtigung des Fristenregimes nach § 38 MVG.EKD ver- wiesen. Im katholischen Bereich ist Artikel 10 der Grundordnung einschlägig. Danach kann

bei Rechtsstreitigkeiten die Mitarbeitervertre- tung das kirchliche Arbeitsgericht anrufen.

Es wird empfohlen, kirchenrechtskundige Rechtsanwält*innen beratend hinzuziehen.

Die Beschlussfassung zur Beauftragung erfolgt unter Anwendung der mitarbeiter- vertretungsrechtlichen Vorschriften wie bei Betriebs- und Personalräten (siehe oben).

III. Tipps zum Vorgehen

(21)

IV. Anspruchsgrundlagen nach BetrVG

a.

Allgemeiner Unterrichtungsanspruch,

§ 80 Abs. 2 BetrVG

Der allgemeine Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats ist in § 80 Abs. 2 BetrVG gere- gelt. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 1. Halbs. BetrVG ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Der allgemeine Unterrichtungsanspruch ist also aufgabenbe- zogen. Ist dem Betriebsrat durch das Gesetz keine Aufgabe zugewiesen, besteht auch kein Unterrichtungsanspruch.

Zu den in § 80 Abs. 2 BetrVG genannten Aufgaben gehören die Wahrnehmung aller Mitbestimmungsrechte und die in § 80 Abs.

1 BetrVG genannten allgemeinen Aufgaben (Fitting u.a., Betriebsverfassungsgesetz, 28. Aufl. 2016, § 80, Rn. 51). Um seinen Unterrichtungsanspruch geltend zu machen, muss der Betriebsrat dem Arbeitgeber dar- legen, zur Wahrnehmung welcher Aufgabe er die gewünschten Informationen benötigt.

Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer Betriebsratsaufgabe ist dabei ausreichend, um den Unterrichtungsanspruch zu begründen. Der Betriebsrat soll durch die Unterrichtung des Arbeitgebers in die Lage versetzt werden, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich für ihn aufgrund eines betrieblichen Geschehens Aufgaben erge- ben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden soll. Die Grenze des Auskunftsanspruches ist erst dort erreicht, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe offen- sichtlich nicht in Betracht kommt (BAG, Ent-

scheidung vom 21.10.2003, 1 ABR 39/02).

Aus diesen Voraussetzungen folgt eine zweistufige Prüfung: Zunächst ist zu prüfen, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist. Ist das der Fall, ist zu prüfen, ob die begehrte Information zur Aufgabenwahr- nehmung erforderlich ist (BAG, Entscheidung vom 10.10.2006, 1 ABR 68/05).

Wie sich aus den vorstehenden Praxis- beispielen in Teil II. ergibt, hat der Betriebs- rat eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen.

Diese ergeben sich zum einen aus seinem Beratungsrecht im Zusammenhang mit der Personalplanung gemäß § 92 BetrVG, worauf noch gesondert eingegangen wird. Aber auch jenseits der Personalplanung bestehen Beteiligungsrechte, die der Betriebsrat wahr- zunehmen hat:

Bei der Änderung von Arbeitszeiten sowie der Anordnung von Überstunden bestehen erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 (Lage der Arbeitszeit) und Nr. 3 (vorrübergehende Verlängerung der Arbeitszeit) BetrVG.

Sofern es zum Beispiel aufgrund von er- höhter Arbeitsbelastungen der Beschäftigten zu Gesundheitsgefährdungen kommt, kom- men Mitbestimmungsrechte des Betriebs- rats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sowie gemäß § 91 BetrVG in Betracht. Der Betriebs- rat kann insbesondere im Rahmen seines Initiativrechts Maßnahmen zum Gesundheits- schutz der Beschäftigten beantragen.

In Fragen der Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten bestehen Beteiligungsrechte gemäß §§ 96 ff. BetrVG.

Wird Beschäftigten ein anderer Arbeits- bereich zugewiesen, besteht ein Mitbestim-

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mungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 Abs.1 BetrVG, sofern die Voraussetzungen einer Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG erfüllt sind.

Darüber hinaus sind die allgemeinen Überwachungsaufgaben des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beach- ten. Danach hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeit- nehmer*innen geltenden Gesetze, Ver- ordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Ins Auge zu fassen ist hier insbesondere die Einhaltung des Ar- beitszeitgesetzes sowie der Vorschriften zum Arbeitsschutz. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, ist der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG zu unterrichten. Hinsichtlich der im Einzelnen durch den Arbeitgeber zu erteilenden Informationen und vorzulegen- den Unterlagen wird auf die Praxisbeispiele verwiesen.

Eine bestimmte Form für die Unterrich- tung des Betriebsrats sieht das Gesetz nicht vor. Handelt es sich allerdings um komplexe Informationen, wird eine schriftliche Aus- kunftserteilung erforderlich sein (BAG, Ent- scheidung vom 30.09.2008, 1 ABR 54/07).

Die Unterrichtung hat umfassend und rechtzeitig zu erfolgen.

Umfassend bedeutet, dass die Unterrich- tung so zu erfolgen hat, dass der Betriebsrat die notwendigen Kenntnisse erlangt, um seine ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erledigen zu können. Hierbei ist es grund- sätzlich erforderlich, dass der Betriebsrat den gleichen Informationsstand wie der Arbeitge- ber erhält (DKKW/Buschmann, § 80, Rn. 81).

Gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen auch die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderli- chen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Das können schriftliche Unterlagen aber auch Dateien sein (BAG, Entscheidung vom 07.08.1986, 6 ABR 77/83). Diese müssen dem Betriebsrat für eine angemessene Zeit überlassen werden.

Rechtzeitig bedeutet, dass der Arbeit- geber noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen hat, damit der Betriebsrat die ihm zugewiesenen Aufgaben noch ordnungsge- mäß erfüllen oder von sich aus initiativ tätig werden kann. Die vom Arbeitgeber beabsich- tigte Maßnahme muss also noch gestal- tungsfähig sein. Hierbei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat unaufgefor- dert und so früh wie möglich vollständig zu unterrichten hat.

b.

Unterrichtung über die Personal- planung, § 92 Abs. 1 BetrVG Darüber hinaus ergeben sich Unterrich- tungsansprüche des Betriebsrats aus § 92 Abs. 1 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maß- nahmen anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Dieser Unterrichtungsanspruch steht selbstständig neben dem allgemeinen Unterrichtungsan- spruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG und sperrt diesen nicht.

IV. Anspruchsgrundlagen nach BetrVG

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Der jeweilige und künftige Personalbedarf ist der Kernbereich der Personalplanung (Fitting u.a., Betriebsverfassungsgesetz, 28. Aufl.

2016, § 92, Rn. 23). Aber auch die Perso- nalbeschaffungs-, die Personalentwicklungs- und die Personaleinsatzplanung werden von

§ 92 BetrVG erfasst. Die Unterrichtung des Betriebsrats über sämtliche dieser Aspekte der Personalplanung hat ebenfalls umfas- send und anhand derjenigen Unterlagen zu erfolgen, die der Arbeitgeber selbst seiner Personalplanung zugrunde legt (Fitting u.a., Betriebsverfassungsgesetz, 28. Aufl. 2016,

§ 92, Rn. 34 a).

Im Rahmen der Personalplanung wird der Betriebsrat sich insbesondere die Frage stel- len müssen, ob ausreichendes Personal zur Erfüllung der Aufgaben vorhanden ist. Um das überprüfen zu können, hat der Betriebs- rat Anspruch auf Vorlage des Versorgungs- vertrages sowie der Vergütungsvereinbarung.

Ferner ist er zu unterrichten über die aktuelle Belegungs- und Auslastungsstruktur, die ak- tuellen und durchschnittlichen AU-Raten, den Stellenplan, das Schichtplanmodell sowie die Fachkraftquote. Zu den Einzelheiten wird hier ebenfalls auf die Praxisbeispiele verwiesen.

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