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Abfallwirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung

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Academic year: 2021

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(1)

Luchterhand

Bernd Hecker

Günter Heine

Hedwig Risch

Andreas Windolph

Claudia Hühner

Abfallwirtschafts-kriminalität

im Zusammenhang

mit der EU-Osterweiterung

Eine exploratorische und

(2)

Alle Rechte vorbehalten

© 2008 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln.

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Satz: Satzoffizin Hümmer, Waldbüttelbrunn

Druck: Wilco, Amersfoort

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Publikationen der BKA-Reihe Polizei + Forschung

(ausgenommen VS-NfD-eingestufte Bände)

sind im Internet im PDF-Format unter

www.bka.de (Kriminalwissenschaften/Kriminalistisches Institut)

eingestellt.

Redaktion:

Heinrich Schielke

Bundeskriminalamt

Kriminalistisches Institut

(3)

Polizei + Forschung

Bd. 37

herausgegeben vom

Bundeskriminalamt (BKA)

Kriminalistisches Institut

Beirat:

Wolfgang Gatzke

Direktor des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen

Prof. Dr. Wolfgang Heinz

Lehrstuhl für Kriminologie und Strafrecht der Universität Konstanz

Prof. Dr. Hans-Jürgen Kerner

Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen

Waldemar Kindler

Landespolizeipräsident im Bayerischen Staatsministerium des

Innern

(4)

Vorwort

Mit dem vorliegenden Bericht werden erstmals eine exploratorische Unter-suchung und ein Rechtsgutachten zur grenzberschreitenden Abfallwirtschafts-kriminalitt vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung und der am 01.06.2005 in Deutschland in Kraft getretenen Reform des abfallrechtlichen Entsorgungs-standards vorgelegt. Der Begriff „Abfallwirtschaftskriminalitt“ erfasst alle kri-minologischen Phnomene auf dem deutschen und europischen Entsorgungs-markt, die sich je nach Fallgestaltung als Gemengelage aus Umwelt-,Wirtschafts-und Korruptionsstraftaten sowie kartellrechtlichen Verstçßen darstellt Umwelt-,Wirtschafts-und markt-technisch neben Entsorgungsvorgngen kommunale Pflichtenbertragungen und den Entsorgungsanlagenbau einbezieht. In den Untersuchungsbereich einbezo-gen sind alle Formen grenzberschreitender Abfallverschiebung, die sowohl Im-port- als auch Exportvorgnge in Richtung der osteuropischen EU-Beitrittstaa-ten umfassen.

Whrend der exploratorische Teil des Berichtes im Wesentlichen auf einer Exper-tenbefragung sowie Polizeierkenntnissen basiert, sttzt sich das Rechtsgutachten auf eine rechtswissenschaftliche Auswertung der aktuellen Gesetzgebung, Recht-sprechung,Verwaltungs-, Polizei- und Strafverfolgungspraxis. Bei der Interpreta-tion der Ergebnisse des empirischen Teils wurden neuere Entwicklungen nach-trglich eingearbeitet, die rechtlichen nderungen sind bis Juli 2007 bercksich-tigt.

Auf dem europischen Entsorgungsmarkt ist von einem großen Dunkelfeld ille-galer Verbringungspraktiken, insbesondere von so genannten „Scheinverwertun-gen“ auszugehen. Da infolge der EU-Osterweiterung mit einer erheblichen Aus-weitung und Verschrfung der Problematik zu rechnen ist, erschien eine Befas-sung mit der Thematik dringend geboten. In dem hier vorgelegten Bericht werden u. a. die kriminogenen Faktoren als Folge der bestehenden çkonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten der EU herausgearbeitet. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist zwar unter Bercksichtigung des explorati-ven Charakters der Untersuchung zu relativieren, gleichwohl werden schon hier Defizite bei der Verfolgung der Abfallwirtschaftskriminalitt erkannt und von den Interviewpartnern ein umfangreicher Forderungskatalog erstellt. Der darin dokumentierte Forschungsbedarf zeigt die Notwendigkeit auf, den Unter-suchungsgegenstand weiterhin zu verfolgen und reprsentative Ergebnisse auf einer empirischen Basis zu erarbeiten.

Von besonderem Interesse ist die Frage, ob das bestehende Rechtsinstrumenta-rium eine ausreichende Handhabe gegen illegale grenzberschreitende Abfall-verbringungen bereitstellt. Das Rechtsgutachten beschftigt sich daher eingehend mit den einschlgigen, zum Teil hoch komplizierten europa-, verwaltungs- und strafrechtlichen Bestimmungen, zeigt anhand bestehender Gesetzgebungs- und

(5)

Vollzugsdefizite den Handlungsbedarf fr Kriminalpolitik und Strafverfolgungs-behçrden auf und unterbreitet konkrete Lçsungsvorschlge. Der Bericht liefert eine Flle von rechtstatschlichen und rechtsdogmatischen Erkenntnissen, die es kriminalpolitisch durch den Gesetzgeber bzw. in der Rechtspraxis durch Ge-richte, Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehçrden umzusetzen gilt. Die hohe Aktualitt und Brisanz des Untersuchungsgegenstandes liegen auf der Hand. Mçge der Bericht dazu beitragen, die vielfltigen Bemhungen um eine ver-strkte Bekmpfung der grenzberschreitenden Abfallwirtschaftskriminalitt auf europischer und nationaler Ebene nachhaltig zu untersttzen.

Die Ergebnisse der Expertenbefragung (Teil 1, zweites Kapitel) bringen die Mei-nungen der Interviewpartner zum Ausdruck. Diese Ergebnisse mssen im Einzel-nen nicht unbedingt mit der Amtsmeinung des Bundeskriminalamtes berein-stimmen.

Dr. Heinz Bchler

Leiter der Forschungs- und Beratungsstelle fr Organisierte Kriminalitt und Wirtschaftskriminalitt

(6)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . V Teil 1

Abfallwirtschaftskriminalitt im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung – Eine exploratorische Studie –

Vorbemerkung der Autoren von Teil 1. . . 3

Abfallwirtschaftskriminalitt im Zusammenhang mit der EU-Osterweite-rung . . . 3

1 Einfhrung in die Thematik . . . 5

1.1 Derzeitige Situation auf dem Entsorgungsmarkt in Deutsch-land . . . 5

1.1.1 Beseitigungs- oder Verwertungsabfall . . . 5

1.1.2 Verwertungswirtschaft in Deutschland. . . 6

1.1.3 Grenzberschreitende Entsorgungen . . . 7

1.1.4 Fehlende Entsorgungskapazitten in Deutschland ab Juni 2005 7 1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen . . . 8

1.2.1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996 . . . 8

1.2.2 Auswirkungen des Vorrangs der Verwertung . . . 8

1.2.3 bergangsvorschriften . . . 9

1.3 Lagedarstellung Abfallwirtschaftskriminalitt. . . 9

1.3.1 Fallkategorien . . . 9

1.3.2 Kontrollkriminalitt . . . 10

1.3.3 Straftaten im Zusammenhang mit gewerblichen Entsorgungs-vorgngen . . . 11

1.3.3.1 PKS-Problematik . . . 11

1.3.3.2 Erweiterte Datenbasis . . . 12

1.3.3.3 Phnomenologische Einordnung und Modus Operandi . . . 13

1.3.3.4 Grenzberschreitende Abfallverschiebung . . . 14

1.3.4 Straftaten im Zusammenhang mit dem Entsorgungsanlagenbau 15 1.3.5 Straftaten im Zusammenhang mit kommunalen Pflichten-bertragungen . . . 16

1.4 Kriminogene Faktoren . . . 17

1.5 Thesen . . . 17

2 Befragung von Experten . . . 19

2.1 Einleitung und Methode. . . 19

2.1.1 Ausgangslage und Zielsetzung. . . 19

2.1.2 Methode . . . 19

2.1.2.1 Interviewpartner. . . 19

(7)

2.1.2.3 Expertentum . . . 20

2.1.3 Mndliche Befragung . . . 21

2.2 Ergebnisse . . . 21

2.2.1 Entwicklung der Entsorgungskapazitten in Deutschland und Auswirkungen auf die grenzberschreitende Abfallentsorgung. 21 2.2.1.1 Expertenmeinungen zu der von der Deutschen Projektunion (DPU) skizzierten Sogwirkung . . . 21

2.2.1.1.1 Prognostizierte Sogwirkung . . . 21

2.2.1.1.2 Transitland Deutschland . . . 23

2.2.1.1.3 Kapazittsengpsse in Deutschland nach dem 01.06.2005 . . . . 23

2.2.1.1.4 Verneinung der Kapazittsengpsse. . . 24

2.2.1.1.5 Scheinverwertung von Gewerbeabfllen durch Ausnutzen von Grauzonen im Abfallrecht . . . 25

2.2.2 Weitere Probleme im Zusammenhang mit unterschiedlichen Entsorgungsstandards in der EU . . . 27

2.2.2.1 Verkehrsaufkommen . . . 27

2.2.2.2 Wettbewerbsvorteile der neuen Mitgliedslnder . . . 27

2.2.2.3 kologische Probleme . . . 28

2.2.2.4 Situation in Polen. . . 29

2.2.2.5 Zwischenstaatliche Probleme bei prognostizierten illegalen Praktiken . . . 30

2.2.2.6 Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft . . . 30

2.2.3 Prognose zur Gefahr illegaler Abfallimporte aus den neuen Mitgliedslndern . . . 31

2.2.3.1 Verneinung illegaler Abfallimporte . . . 31

2.2.3.2 Besttigung illegaler Abfallimporte. . . 31

2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen und Folgeprobleme . . . 32

2.3.1 Defizite im Abfallrecht . . . 32

2.3.1.1 Abgrenzung Verwertungsabfall zu Beseitigungsabfall. . . 33

2.3.1.2 Defizite im EU-Recht . . . 34

2.3.1.3 Defizite im deutschen Abfallverwaltungsrecht . . . 35

2.3.1.4 Unklare Entsorgungszustndigkeiten . . . 37

2.3.1.5 Keine Rechtsklarheit durch Rechtsentscheidungen . . . 37

2.3.1.6 Strafbewehrung im Abfallrecht . . . 38

2.3.2 Rechtsentwicklung. . . 39

2.3.2.1 Unterschiedliche Umweltstandards auf EU-Ebene . . . 39

2.3.2.2 Hohe Umweltstandards in Deutschland . . . 40

2.3.2.3 Entwicklung des EU-Rechts . . . 41

2.3.2.4 Strafrecht . . . 42

2.3.3 Rechtsprobleme im Vergaberecht . . . 42

2.3.3.1 Auswirkungen der Vergaberechtsentwicklung auf der kommunalen Ebene in Deutschland. . . 43

(8)

2.3.4 bergangsvorschriften fr die grenzberschreitende

Abfall-verbringung im Verhltnis zu den neuen Mitgliedslndern . . . . 45

2.3.4.1 Beurteilung der bergangsvorschriften fr die grenzber-schreitende Abfallverbringung. . . 45

2.3.4.1.1 Grundstzliche Zustimmung . . . 45

2.3.4.1.2 Fehlende Einheitlichkeit . . . 46

2.3.4.1.3 Staaten mit bergangsvorschriften . . . 47

2.3.4.1.4 Staaten ohne bergangsvorschriften . . . 47

2.3.4.1.5 Vollzugsprobleme . . . 48

2.3.4.1.6 Problematik effizienter (Transport-) Kontrollen . . . 49

2.3.5 Prognose mit innerdeutscher und europischer Blickrichtung . . 49

2.3.5.1 Prozess der Angleichung der Umweltstandards in den neuen Mitgliedslndern . . . 49

2.3.5.2 Kriminalittsentwicklung. . . 50

2.4 Kontrolldefizite . . . 50

2.4.1 Gefahr illegaler Exporte in Anlagen der neuen Mitgliedslnder 50 2.4.1.1 Motiv Gewinnmaximierung . . . 51

2.4.1.2 Modus Operandi . . . 52

2.4.1.3 Kontrollaspekte . . . 53

2.4.2 Gefahr illegaler Exporte in so genannte wilde Abfalllager in den neuen Mitgliedslndern. . . 54

2.4.3 Entwicklung der in der PKS registrierten Kriminalitt nach § 326 StGB . . . 55

2.4.4 Dunkelfeldproblematik . . . 56

2.4.4.1 Grçße des Dunkelfeldes unbekannt . . . 57

2.4.4.2 Politische Einflussnahmen . . . 57

2.4.4.3 Mangelnde Kontrolldichte . . . 58

2.4.5 Vollzugsdefizite . . . 58

2.4.5.1 Vollzugsdefizite bei der Polizei . . . 58

2.4.5.2 Status Quo ist ausreichend . . . 59

2.4.5.3 Vollzugsdefizite bei der Strafjustiz . . . 60

2.4.5.4 Vollzugsdefizite in der Verwaltung . . . 60

2.4.5.5 Beurteilung des Verwaltungshandelns . . . 61

2.4.5.6 Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Strafverfolgung . . . 62

2.4.5.7 Vollzugsdefizite in den anderen EU-Staaten . . . 63

2.5 Korruptionsproblematik . . . 64

2.5.1 Ursachen der Korruptionsproblematik in Deutschland . . . 64

2.5.1.1 Gesellschaftlicher Wertewandel? . . . 65

2.5.1.2 Marktimmanente Faktoren . . . 65

2.5.1.3 Rahmenbedingungen von Ausschreibungsverfahren . . . 66

2.5.2 Korruptionsproblematik in den neuen Mitgliedslndern . . . 67

2.5.2.1 Marktzugang deutscher Unternehmen in den neuen Mitgliedslndern . . . 67

(9)

2.5.2.2 Faktoren fr Korruption . . . 68

2.5.2.3 Prventionsanstze. . . 69

2.5.3 Gefahr der Veruntreuung von EU-Beihilfen in den neuen Mitgliedslndern . . . 69

2.6 Privatisierungs- und Deregulierungspolitik in Deutschland . . . . 70

2.6.1 Privatisierung der çffentlichen Abfallentsorgung . . . 71

2.6.1.1 Pro Privatisierung . . . 71

2.6.1.2 Contra Privatisierung . . . 72

2.6.1.3 Prognosen zur Entwicklung der Privatisierung . . . 74

2.6.2 Staatliche Kontrolle der Sonderabfallentsorgung und Bewertung der Halbstaatlichen Trger. . . 74

2.6.3 Zertifizierung. . . 76

2.7 Gefahr kartellrechtlicher Absprachen . . . 76

3 Begleitende Auswertung . . . 79

3.1 Medienberichterstattung: Markt- und Kriminalittsentwicklung in der Abfallwirtschaft . 79 3.1.1 Kriminalitt im Bereich des Entsorgungsanlagenbaus und abfallrechtlicher kommunaler Pflichtenbertragungen . . . 79

3.1.2 Konzentrationsprozesse sowie Privatisierung çffentlich-rechtlich organisierter Aufgaben und Einrichtungen auf dem deutschen Markt. . . 80

3.1.3 Vernderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch den Prozess der EU-Osterweiterung und Kontrolldefizite 85 3.1.4 Neue Standards bei Abfallbehandlung und Deponierung im Inland ab dem 01.06.2005 sowie zur Verfgung stehende Entsorgungskapazitten . . . 92

3.2 Ermittlungsverfahren im Bereich Entsorgungsanlagenbau und abfallrechtlicher Pflichtenbertragungen einschließlich Justizentscheidungen . . . 100

3.2.1 Fall Mllverbrennungsanlage Hamm . . . 100

3.2.2 Komplex MVA Kçln . . . 100

3.2.3 Fall Ingenieurbro Gçpfert, Reimer & Partner, Hamburg . . . 111

3.2.4 Fall RMHK Restmllheizkraftwerk Bçblingen . . . 112

3.2.5 Fall Abfallentsorgungszentrum Asdonkshof (AEZ) in Kamp-Lintfort . . . 113

3.2.6 Fall MVA Weisweiler . . . 114

3.2.7 Fall MVA Iserlohn/AMK Abfallentsorgungsgesellschaft Mrkischer Kreis GmbH . . . 114

3.2.8 Fall MVA Bonn . . . 115

3.2.9 Fall RSAG Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft . . . 116

3.2.10 Fall GMVA Gemeinschafts-Mllverbrennungsanlage Niederrhein Duisburg-Oberhausen . . . 117

(10)

3.2.12 Fall Sonderabfallverbrennungsanlage (SAVA) Brunsbttel . . . . 117

3.2.13 Fall MVA Frankfurt/M. . . 118

3.2.14 Fall MVA Delitzsch . . . 118

3.2.15 Fall MVA Krefeld . . . 118

3.2.16 Zusatzinformationen . . . 119

3.3 Gutachten 2004 des Rats von Sachverstndigen fr Umwelt-fragen (SRU) . . . 119

3.3.1 Subsidiarittsprinzip . . . 120

3.3.2 Privatisierung des Entsorgungsmarktes . . . 120

3.3.3 Fçderalismusprobleme . . . 120

3.3.4 Umweltstandards in der EU . . . 121

3.3.5 Scheinverwertungen. . . 121

3.3.6 Vorbehandlungskapazitten 2005. . . 122

3.4 BfU-Studie „Organised environmental crime in the EU Member States“ . . . 122

3.4.1 Rechercheergebnisse zu dem Stand der Bekmpfung der Organisierten Umweltkriminalitt in den Mitgliedstaaten . . . 123

3.4.2 Lçsungsvorschlge. . . 124

3.5 BfU-Studie „Organised crime in the sphere of environment in a few Candidate Countries“ . . . 125

3.5.1 Datenbasis . . . 125

3.5.2 Bekmpfungsstrukturen . . . 125

3.6 Lehrbuch „Umweltstrafrecht“ von Staatsanwalt Ulrich Iburg und Ralf Busch . . . 126

3.7 Verçffentlichung des Umweltbundesamtes (UBA): „Umweltdelikte 2003 – Eine Auswertung der Statistiken“ . . . . 128

3.7.1 Aussagen zum Dunkelfeld . . . 128

3.7.2 Zusammenarbeit von Verwaltung und Strafverfolgung bei Umweltstraftaten . . . 128

3.7.3 Rechtliche Lçsungsanstze fr eine verbesserte Zusammen-arbeit . . . 129

4 Zusammenfassung der Befragung der Experten . . . 130

Anhang I Forschungsprojekte der kriminalistisch kriminologioschen Forschungsgruppe Kl 1 Kriminalstrategie und weitere Berichte seit 1987 in chronologischer Reihenfolge . . . 143

Anhang II Leitfaden fr die Befragung zum Forschungsprojekt: Abfallwirtschaftskiriminalitt im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung . . . 145

Anhang III Statistiken und bersichten . . . 149

(11)

Teil 2

Grenzberschreitende Abfallverbringung, Strafrecht und Europa – Eine rechtsdogmatische Untersuchung –

A Entwicklungen auf der EU-Ebene (Bernd Hecker) . . . 195

1 Einfhrung . . . 195

1.1 Rechtstatschlicher und umweltpolitischer Hintergrund . . . 195

1.2 konomischer Hintergrund . . . 198

2 Bestehendes Rechtsinstrumentarium zur Steuerung grenzberschreitender Abfallstrçme . . . 200

2.1 Kurzberblick mit Exkurs zu den Rechtsquellen und Charakteristika der Gemeinschaftsrechtsordnung – Abgrenzung zur PJZS . . . 200

2.2 Vçlkerrecht . . . 203

2.2.1 Basler bereinkommen (B) . . . 203

2.2.2 OECD-Entscheidung betreffend die grenzberschreitende Verbringung von Abfllen . . . 205

2.3 Europarecht . . . 206

2.3.1 Verordnung ber die Verbringung von Abfllen . . . 206

2.3.2 Ermchtigungsgrundlage und Bedeutung der VVA . . . 207

2.3.3 Anwendungsbereich der VVA . . . 207

2.3.4 Beseitigung und Verwertung von Abfllen . . . 209

2.3.4.1 Judikatur des EuGH . . . 210

2.3.4.2 Leitlinien zur Abgrenzung des Verbringungszwecks . . . 212

2.3.5 Notifizierungsverfahren . . . 213

2.3.5.1 Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfllen zwischen den Mitgliedstaaten . . . 214

2.3.5.2 Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfllen zwischen den Mitgliedstaaten . . . 218

2.3.5.3 Pflichten und Befugnisse der zustndigen Behçrden am Versand- und Bestimmungsort . . . 222

2.3.6 Reichweite der Geltung der VVA in den zwçlf neuen EU-Beitrittsstaaten. . . 223

2.3.6.1 Chancen und Risiken der EU-Erweiterung im Bereich der Abfallwirtschaft . . . 223

2.3.6.2 Uneingeschrnkte Geltung der VVA in Estland, Litauen, Malta, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. . . 224

2.3.6.3 bergangsvorschriften fr Bulgarien, Lettland, Polen, Rumnien und Slowakei . . . 224

2.4 Nationales (deutsches) Abfallverbringungsrecht . . . 227

2.4.1 Ausfhrungsgesetz zum Basler bereinkommen . . . 227

2.4.2 Abfallverbringungsgesetz . . . 228

(12)

2.6 Vollzugsprobleme – Ursachen und Handlungsstrategien . . . 231

2.7 Kontrollaufgaben von Polizei, Zoll und Bundesamt fr Gterverkehr . . . 234

3 Perspektiven fr die Schaffung eines vereinheitlichten Umweltstrafrechts in der EU . . . 238

3.1 Forderung nach einheitlichen umweltstrafrechtlichen Standards in der EU . . . 238

3.2 Konvention des Europarates. . . 239

3.3 Richtlinienvorschlag der Kommission vom 15.03.2001. . . 239

3.4 Rahmenbeschluss des Rates. . . 241

3.5 Urteil des EuGH vom 13.9.2005: Nichtigerklrung des Rahmenbeschlusses . . . 243

3.6 Strafrechtliche Anweisungskompetenz der EG im Bereich des Umweltstrafrechts . . . 244

3.6.1 Subsidiarittsprinzip . . . 244

3.6.2 Verhltnismßigkeitsgrundsatz . . . 246

3.6.3 Reichweite der strafrechtlichen Anweisungsbefugnis der EG . . 247

3.7 Richtlinienvorschlag der Kommission vom 09. Februar 2007 . . . 248

B Grenzberschreitende Abfallverbringung – Mçglichkeiten und Grenzen des Strafrechts (Gnter Heine) . . . 251

1 Einleitung: Grundprobleme . . . 251

2 berblick und registrierte Verstçße: grenzberschreitende Abfallverbringung . . . 253

2.1 Bestandsaufnahme . . . 253

2.2 Praktische Befunde . . . 254

2.3 Problembereiche . . . 254

3 Mutterstraftatbestand: Illegale Abfallverbringung (§ 326 II StGB) . . . 256

3.1 Gegenstand des Strafrechtsschutzes. . . 256

3.2 Ratio . . . 257

3.2.1 Besonderheit: partielle Europarechtsakzessoriett. . . 258

3.2.2 Beispiel: Abfall im Spannungsfeld unterschiedlicher Regel-werke . . . 260

3.2.3 Reichweite der Straftatbestnde: Ausschluss rein innerstaat-licher Verbringung . . . 262

3.2.3.1 § 326 II StGB. . . 262

3.2.3.2 Zustndigkeit von § 328 III Nr. 2 StGB und § 326 I StGB . . . . 262

3.3 Inhalt des Abfallbegriffs . . . 263

3.3.1 Grundstruktur und Eckdaten . . . 263

(13)

3.3.1.2 Schillernder gemeinschaftsrechtlicher Abfallbegriff –

Kriterien. . . 264

3.3.2 Befund . . . 268

3.4 Maßgebendes Unrechtselement: Verbotswidrig oder ohne die erforderliche Genehmigung . . . 268

3.4.1 berblick . . . 268

3.4.1.1 „entgegen einem Verbot“: absolute Verbringungsverbote . . . 268

3.4.1.2 „ohne die erforderliche Genehmigung“ . . . 270

3.4.2 Funktionen des Notifizierungsverfahrens – Konsequenzen fr § 326 II StGB . . . 271

3.4.2.1 Partielle Bindungswirkung: Behçrdliche Freigabe . . . 272

3.4.2.2 Verbringen „ohne Genehmigung“ . . . 273

3.4.3 Einwnde der betroffenen Behçrden: Erheblich fr die Strafbarkeit oder nicht? . . . 275

3.4.4 Materielle Freigabefhigkeit und objektiver Strafaufhebungs-grund . . . 277

3.4.5 Grenzen der Freigabewirkung . . . 277

3.4.5.1 Begrenzung der Legalisierungswirkung. . . 278

3.4.5.2 Durchbrechung der Legalisierungswirkung . . . 278

3.4.6 Tathandlung Verbringen: Versuch – Vollendung . . . 282

3.4.7 Tterkreis: EU-weit . . . 282

3.4.8 Vorsatz – Fahrlssigkeit . . . 283

3.4.9 Speziell: Auftraggeber – besondere Pflichtigkeit . . . 285

4 Scheinverwertung und Scheinbeseitigung als Betrug (§ 263 StGB)? . . . 287

4.1 Problemstellung . . . 287

4.2 Eckdaten des § 263 StGB . . . 288

4.2.1 Grenzen des § 263 StGB . . . 289

4.2.2 Speziell: Bezugspunkt der Schadensbezifferung . . . 291

4.3 Strafrechtlich relevante Sachverhalte. . . 292

4.3.1 Fortbestehen der modifizierten çffentlich-rechtlichen Entsorgungsverpflichtung . . . 292

4.3.1.1 Umfassende Kettenverantwortlichkeit: Pflicht zur Wiedereinfuhr bzw. zur Kostentragung . . . 292

4.3.1.2 Konsequenzen fr Strafbarkeit wegen Betrugs . . . 292

4.3.1.3 Rechtlich relevantes Risiko: greifbare Vermçgensgefhrdung . 295 4.3.2 Erweiterung der Strafbarkeit infolge Vertragsgestaltung . . . 296

4.3.3 Befund . . . 299

C Schlussteil – Zusammenfassung und Perspektiven (Hecker/Heine) . . . 301

1 Grenzberschreitender Mlltourismus und europisches Abfallverbringungsrecht . . . 301

(14)

2 Grenzberschreitende Abfallverbringung und

Kriminalstraf-recht in Deutschland: Mngel und Optionen . . . 303

3 Europisches Umweltstrafrecht . . . 307

Literaturverzeichnis. . . 309

(15)
(16)

Teil 1

Abfallwirtschaftskriminalitt

im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung

– Eine exploratorische Studie –

Hedwig Risch

Andreas Windolph

(17)
(18)

Vorbemerkung der Autoren von Teil 1

Abfallwirtschaftskriminalitt im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung

Mit der vorliegenden Forschungsarbeit1zum Thema „Abfallwirtschaftskrimina-litt im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung“ wurde in gewissem Sinne wissenschaftliches Neuland betreten, da in Deutschland und auch EU-weit Unter-suchungen zu dieser konkreten kriminologischen Themenstellung im Jahre 2005 nicht vorlagen.

Zwar fhrt das Bundeskriminalamt seit 1987 Forschungsprojekte zur Umwelt-, Wirtschafts- und Organisierten Kriminalitt sowie zur Korruption durch2, im Zentrum des Interesses standen aber andere Aspekte, beispielsweise Prognose-Aspekte oder der Aspekt der polizeilichen Bearbeitung der Umweltkriminalitt nach der Einfhrung der Straftatbestnde in das StGB im Jahre 1980.

Die Notwendigkeit, das Thema Abfallwirtschaftskriminalitt im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung aufzuarbeiten, ergab sich einerseits aus dem Markt-geschehen der Abfallwirtschaft in Deutschland, bedingt durch die nationalen und internationalen (EU-weiten) rechtlichen und tatschlichen Rahmenbedingungen. Andererseits ergab sich die Notwendigkeit auch aus der Kriminalittsentwick-lung und insbesondere aus den Missstnden auf dem deutschen markt im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Entsorgungs-anlagen.

Der Forschungsansatz bercksichtigt eine rein marktspezifische Betrachtung von Kriminalitt. Abfallwirtschaftskriminalitt umfasst die kriminologischen Phno-mene auf dem deutschen Entsorgungsmarkt, die sich je nach Fallgestaltung als Gemengelage aus Umwelt-,Wirtschafts- und Korruptionsstraftaten sowie kartell-rechtlichen Verstçßen darstellt und markttechnisch neben Entsorgungsvorgngen kommunale Pflichtenbertragungen und den Entsorgungsanlagenbau einbezieht. Der vom BKA registrierten Kriminalittsentwicklung auf dem deutschen Entsor-gungsmarkt wurden allgemeine Marktentwicklungen gegenber gestellt und ana-lysiert. Aufgrund des Kontrollkriminalittsaspektes liegt nur ein geringes spezi-fisches Hellfeld vor.

Im Hinblick auf die Kriminalittsentwicklung sind die folgenden mit dem For-schungsvorhaben untersuchten Aspekte relevant:

 Zunahme registrierter Kriminalitt im Bereich des Entsorgungsanlagenbaus und im Bereich kommunaler abfallrechtlicher Pflichtenbertragungen auf dem deutschen Entsorgungsmarkt

1 Der Abschlussbericht der exploratorischen Untersuchung war zum 01.06.2005 fertig gestellt. Das erste Kapitel „Einfhrung in die Thematik“ sowie Anhang III „Statistiken und bersichten“ wur-den aktualisiert.

2 Vgl. Anhang I, eine chronologische Aufstellung der Forschungsprojekte zur Umwelt-,Wirtschafts-und Organisierten Kriminalitt sowie zur Korruption Umwelt-,Wirtschafts-und weitere Berichte.

(19)

 Korruptionsproblematik in den neuen EU-Mitgliedslndern  Kontrolldefizite bei grenzberschreitenden Abfallentsorgungen  Auswirkungen der EU-Osterweiterung

 nderungen des deutschen Abfallrechts zum 01.06.2005

Im ersten Kapitel „Einfhrung in die Thematik“ werden der deutsche Entsor-gungsmarkt, seine rechtlichen Rahmenbedingungen und die Kriminalittsent-wicklung beschrieben sowie kriminogene Faktoren identifiziert. Im zweiten Ka-pitel „Befragung von Experten“, dem Kernstck der Untersuchung, werden die Expertenmeinungen in einer beschreibenden Wiedergabe dargestellt, um die viel-fltigen und „originellen“ Sichtweisen zum Ausdruck zu bringen. Das dritte Ka-pitel, „Begleitende Auswertung“ beinhaltet die Analyse ausgewhlter Fachlitera-tur und Medienberichterstattung von 2002 bis 2005 (erstes Halbjahr). Dem Leser, der sich schnell ber die wesentlichen Erkenntnisse informieren will, wird emp-fohlen, neben der „Zusammenfassung der Befragung von Experten“ im vierten Kapitel auch das Kapitel „Schlussbemerkungen, Forderungen und Forschungs-bedarf“ zu lesen. Hier werden u. a. in komprimierter Form die wichtigsten aus der Befragung der Experten resultierenden Forschungsergebnisse dargestellt. Bei den befragten Experten mçchten wir uns ganz herzlich bedanken. Ohne ihre konstruktive Mitarbeit wre das Projekt nicht mçglich gewesen.

Die erzielten Erkenntnisse sind grundlegend fr das Phnomen der grenzber-schreitenden Abfallwirtschaftskriminalitt im Kontext des Prozesses der EU-Osterweiterung. Zusammen mit den Ergebnissen der rechtsdogmatischen Studie „Grenzberschreitende Abfallverbringung, Strafrecht und Europa“, im zweiten Teil der Publikation, erfhrt die vorliegende Forschungsarbeit eine hohe Aktuali-tt und Gltigkeit.

(20)

1

Einfhrung in die Thematik

1.1

Derzeitige Situation auf dem Entsorgungsmarkt in Deutschland

Die Abfallentsorgung in Deutschland untergliedert sich in:  Abfallbeseitigungs- und

 Abfallverwertungsmaßnahmen. Wesentliche Abfallgruppen3sind:  Bau- und Abbruchabflle,

 Siedlungsabflle (insbesondere Restabfall aus privaten Haushalten und haus-mllhnliche Gewerbeabflle),

 Produktions- und Gewerbeabflle,  Sonderabflle und

 getrennt gesammelte Fraktionen (Glas, Papier, Leichtverpackungen).

1.1.1

Beseitigungs- oder Verwertungsabfall

Die Einstufung eines Abfalls als Beseitigungs- oder Verwertungsabfall entschei-det ber das Entsorgungsverfahren, bestimmt Entsorgungszustndigkeiten und legt den berwachungsstandard fest. Abfallbeseitigung bedeutet, dass aus dem Abfall kein wirtschaftlicher Nutzen mehr gezogen werden kann.

Unter die Abfallbeseitigung fallen die klassische Deponierung von Abfllen und die Entsorgung von Sonderabfllen in Sonderabfallverbrennungsanlagen oder Sonderabfalldeponien.

Die Deponierung von Abfllen erfordert grundstzlich eine Vorbehandlung der Abflle. Zugelassene Vorbehandlungsverfahren sind in erster Linie die

 so genannte thermische Behandlung in Mllverbrennungsanlagen (MVA) und  Behandlung von Abfllen in mechanisch-biologischen Anlagen (MBA). Die Abfallbeseitigung einschließlich Vorbehandlung obliegt den Kommunen/ Bundeslndern, wird ber çffentliche Gebhren/Steuermittel finanziert und ist teilweise halbstaatlich organisiert. Die Gebietskçrperschaften haben dafr Sorge zu tragen, dass smtliche Beseitigungsabflle in ihren Zustndigkeitsbereichen entsorgt werden. Fr die Erzeuger von Beseitigungsabfllen besteht ein so ge-nannter (çrtlicher) Anschluss- und Benutzerzwang hinsichtlich der çffentlichen Abfallentsorgung.

(21)

Die Abfallverwertung wird hingegen berwiegend privatwirtschaftlich betrieben. Insbesondere mit dem 1996 vollstndig in Kraft getretenen Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)4 wurde die „Privatisierung der Abfallverwer-tung“ mit der umweltpolitischen Zielsetzung einer stoffstromorientierten Res-sourcenschonung auf den Weg gebracht. Diese Entwicklung hat u. a. zur Folge, dass gewerbliche/industrielle Abfallerzeuger tendenziell zunehmend Abflle als Verwertungsabfall einstufen und diesen bei privaten Entsorgern zu Verwer-tungszwecken entsorgen lassen. Dies wurde durch einen bis heute gesetzlich nicht hinreichend konkretisierten Verwertungsbegriff gefçrdert. Der Umfang dieser Entwicklung fhrte zwischenzeitlich in regional unterschiedlicher Ausprgung zu Auslastungsproblemen von technisch hochgersteten çffentlichen Vorbehand-lungs- und Beseitigungsanlagen, was u. a. zu Gebhrenerhçhungen beigetragen hat.

Bei Abfallverwertungsangeboten vollzog sich infolge Konkurrenzkampfes paral-lel ein Preisverfall, sodass sich die Kostenschere zwischen Abfallbeseitigung und -verwertung immer weiter ausdehnte. Relative berkapazitten fhrten zwi-schenzeitlich auch zu einem Konkurrenzkampf unter çffentlichen Anlagenbetrei-bern, die ihre Anlagen fr Abflle çffneten, die außerhalb ihrer regionalen Zu-stndigkeitsbereiche angefallen waren. Insbesondere çffentliche Betreiber von so genannten Altdeponien, die sptestens zum 01.06.20055geschlossen werden mussten, heizten den Konkurrenzkampf mit Billigangeboten an, indem sie umfas-send Ausnahmeregelungen hinsichtlich der gesetzlich vorgeschriebenen Vor-behandlung ausnutzten.

1.1.2

Verwertungswirtschaft in Deutschland

Mittlerweile haben sich auf dem deutschen Entsorgungsmarkt eine Vielzahl von Verwertungstechniken und -verfahren etabliert. Deutschland gilt weltweit fh-rend in der Abfallbehandlungs- und Verwertungstechnik. Durch den rechtlich an-spruchslosen und weiten Verwertungsbegriff ist aber auch eine Reihe von Verwer-tungsverfahren zu registrieren, deren çkologische und çkonomische Sinnhaftig-keit im Vergleich zu den Beseitigungsmaßnahmen fragwrdig sind. So landeten insbesondere bis Juni 2005 beachtliche Abfallmengen ohne Vorbehandlung auf çffentlichen (Alt-) Deponien im In- und Ausland, indem anspruchslose Verwer-tungsverfahren vorgeschaltet wurden, die teilweise nur geringe Fraktionen des Abfalls einer tatschlichen Verwertung unterziehen. Maßgebliche Triebfeder sind hierbei oftmals nicht die Verwertungserlçse, sondern die geringen Deponie-rungskosten. Hierbei trgt auch der Umstand Rechnung, dass Verwertungsverfah-ren weniger stark kontrolliert werden als BeseitigungsverfahVerwertungsverfah-ren. Daneben hat sich die Mitverbrennung von Abfllen in industriellen Feuerungsanlagen

(energe-4 Vgl. § 13 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) vom 27.09.199(energe-4 (BGBl. I, S. 1354), zuletzt gendert mit Gesetz vom 19.07.2007 (BGBl. I, S. 1462).

(22)

tische Verwertung) und der Versatz von Abfllen im Bergbau („Hohlraumverfl-lung“ – stoffliche Verwertung) wesentlich ausgedehnt.

Das Umweltgutachten 2002 kommt zu dem Schluss, dass die „Scheinverwertung“ gngige Praxis ist und bezeichnet die abfallwirtschaftliche Entwicklung als eine Perversion der Verwertungswirtschaft.6Der Wegfall des Anschluss- und Benut-zerzwanges bei Verwertungsmaßnahmen fhrte ferner zu einer erheblichen Stei-gerung des berregionalen und grenzberschreitenden Transportaufkommens, was gleichzeitig eine Erweiterung behçrdlicher berwachungsaufgaben nach sich zog.

1.1.3

Grenzberschreitende Entsorgungen

Noch in den neunziger Jahren waren ausschließlich deutsche Abfallexporte Ge-genstand der çffentlichen Diskussion. Bei gefhrlichen Abfllen und denen, die beseitigt werden, hat sich die Situation gendert. Seit dem Jahr 2000 importiert Deutschland bei insgesamt steigenden Mengen mehr derartige Abflle als expor-tiert werden. Ursache sind die Ausdehnung von Abfallverwertungsverfahren (auch fr gefhrliche Abflle), als auch ein relatives berangebot an Deponie-raum (Altdeponien). Angestiegen sind ferner die Durchfuhren der genannten Ab-flle.7

1.1.4

Fehlende Entsorgungskapazitten in Deutschland ab Juni 2005

Von den ehemals bundesweit rund 350 Siedlungsabfalldeponien mussten sptes-tens am 01.06.2005 rund 200 aufgrund neuer Umwelt- und Deponiestandards ge-schlossen werden.8Mit der Schließung deutscher Altdeponien drfen nach den gesetzlichen Bestimmungen bundesweit nur noch vorbehandelte Abflle depo-niert werden.9Diese Situation veranlasste die Deutsche Projekt Union GmbH (DPU) im Mai 2003 eine Studie zu der Gesamtproblematik mit der berschrift: „Keine Entsorgungssicherheit in Deutschland ab 2005“ zu verçffentlichen.10 In den meisten Bundeslndern fehlten die entsprechenden, gesetzlich vorgesehe-nen Deponiekapazitten, die auch wegen der Genehmigungs- und

Errichtungszei-6 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/8792 Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachver-stndigen fr Umweltfragen der Bundesregierung vom 14.04.2002, S. 334–335.

7 Vgl. Anhang III „Statistiken und bersichten“, bersichten des Umweltbundesamtes ber grenz-berschreitende Abfallverbringungen.

8 Vgl. Anhang III „Statistiken und bersichten“, bersicht des Umweltbundesamtes ber Sied-lungsabfalldeponien in Deutschland.

9 Vgl. Bestimmungen der Abfallablagerungsverordnung (AbfAblV) vom 20.02.2001 (BGBl. I, S. 305), gendert durch Art. 2 der Verordnung vom 24.07.2002 (BGBl. I, S. 2807) sowie der Verordnung ber Deponien und Langzeitlager vom 24.07.2002 (BGBl. I, S. 2807), gendert durch Art. 1 der Verordnung vom 26.11.2002 (BGBl. I, S. 4417).

10 Deutsche Projekt Union GmbH (Hg.): Keine Entsorgungssicherheit in Deutschland ab 2005, Kçln 2003, S. 139.

(23)

ten sowie wegen der Finanzierungsprobleme realistischer Weise bis Juni 2005 nicht zur Verfgung stehen konnten. Die DPU befrchtete, dass besonders dieje-nigen gewerbliche Abfallmengen, die vor dem 01.06.2005 ohne Vorbehandlung deponiert werden durften, in der Folge ins Ausland exportiert werden – vor allem in Lnder mit niedrigen Umwelt- und Ablagerungsstandards (Sogwirkung). Die neuen Mitgliedslnder wrden nur begrenzt in der Lage sein, diese Abfallstrçme zu unterbinden.

Allgemein wurde prognostiziert, dass abgesehen von den Deponieengpssen ab 2005 rund 15 neue MVA und ebenso viele neue MBA erforderlich sind.11Folgen entsprechender Deckungslcken sind notwendige Ausnahmegenehmigungen, die wiederum Umgehungsmçglichkeiten nach sich ziehen kçnnen.

1.2

Rechtliche Rahmenbedingungen

1.2.1

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996

Mit dem 1994 beschlossenen und im Wesentlichen im Oktober 1996 in Kraft ge-tretenen KrW-/AbfG wurde der Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfall-beseitigung festgeschrieben.12Gleichzeitig versumte es der Gesetzgeber, grund-stzliche Abgrenzungskriterien, insbesondere die Abgrenzung zwischen Abfall-verwertung und -beseitigung, hinreichend zu definieren. Nach geltendem Recht bzw. gerichtlicher Auslegung des geltenden Rechts kçnnen – wie bereits erwhnt – gewerbliche Mischabflle, von denen nur ein geringer Anteil verwertbar ist, ins-gesamt als Verwertungsabfall deklariert und damit der fr Beseitigungsabflle geltenden Pflicht zur berlassung an die jeweilige entsorgungspflichtige Kçrper-schaft entzogen werden. Darber hinaus bestehen Unsicherheiten bei Fragen der Vermischung und der Getrennthaltung von verschiedenen Abfallarten, der Ab-grenzung zwischen Produkt und Abfall sowie der Dauer der Abfalleigenschaft eines Stoffes.

1.2.2

Auswirkungen des Vorrangs der Verwertung

Einerseits verfolgte der Gesetzgeber mit dem Vorrang der Verwertung eine Res-sourcenschonung, verbunden mit einer hochgradigen Abfallnutzung nicht ver-meidbarer Abflle. Andererseits erçffnete sich durch unzureichende Normenkon-kretisierung eine Vielzahl von Grauzonen, die Vollzugsdefizite und Rechtsunsi-cherheiten verursachen und die verfolgte gesetzliche Zielsetzung insgesamt ge-fhrden.

11 Vgl. Anhang III „Statistiken und bersichten“, bersichten des Umweltbundesamtes ber MVA und MBA in Deutschland.

12 Vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 sowie Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG und Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachverstndigen fr Umweltfragen der Bundesregierung vom 14.04.2002, a. a. O., S. 333.

(24)

Die Prferenz fr die Verwertung drckt sich auch darin aus, dass Verwertungs-abflle weniger intensiv berwacht und deutlich weniger kontrolliert werden als die Beseitigungsabflle (§§ 41 ff. KrW-/AbfG). Dies hat zur Folge, dass inner-halb Europas die Freiheit der grenzberschreitenden Verbringung von Abfllen zur Verwertung sehr viel weniger eingeschrnkt ist als die Freiheit der Verbrin-gung zur BeseitiVerbrin-gung.13 Abflle fallen unter den europischen Warenbegriff und unterliegen grundstzlich auch der Warenverkehrsfreiheit.

Unter Ausnutzung von Grauzonen der Warenverkehrsfreiheit und abgeschwch-ten berwachungsmaßnahmen besteht fr die oben skizzierabgeschwch-ten „Scheinverwer-tungen“ ein weitgehender legaler Rahmen. Insbesondere durch Vermischen von Abfllen am Entstehungsort oder bei einem Entsorgungsunternehmen umgehen Marktteilnehmer die grundstzlich kostenintensivere Beseitigung. Die Entsor-gung auf dem Verwertungsweg erfolgt dann berwiegend an kostengnstigeren Standorten.

1.2.3

bergangsvorschriften

Fr lediglich fnf der zehn neuen Mitgliedstaaten gelten bergangsvorschriften fr die Abfallverbringung. Bei den Lndern mit bergangsvorschriften handelt es sich um Lettland, Malta, Polen, Slowakei und Ungarn.14Daneben gelten fr alle Beitrittslnder insgesamt 19 bergangsfristen zu unterschiedlichen Rechtsakten der Abfallwirtschaft (zum Beispiel fr Deponieanforderungen und die Abfallver-brennung). Moderne Verwertungs- und Behandlungstechniken sind in den neuen Mitgliedstaaten die Ausnahme. Abflle werden dort weitgehend unvorbehandelt deponiert. Sofern es nicht gelingen sollte, in angemessener Zeit flchendeckend moderne Entsorgungsstandards in den neuen Mitgliedslndern zu realisieren, werden zwangslufig technisch hochgerstete Deponien und Behandlungsanla-gen in Deutschland noch strker als bisher einem ruinçsen Preiskampf mit in-und auslndischen „Billigverwertern“ ausgesetzt sein.

1.3

Lagedarstellung Abfallwirtschaftskriminalitt

1.3.1

Fallkategorien

Die auf dem Entsorgungsmarkt von polizeilichen Fachdienststellen in der Ver-gangenheit registrierte Kriminalitt lsst sich markttechnisch wie folgt differen-zieren:

 Straftaten im Zusammenhang mit gewerblichen Entsorgungsvorgngen,  Straftaten im Zusammenhang mit kommunalen Pflichtenbertragungen,

13 Vgl. Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachverstndigen fr Umweltfragen der Bundesregie-rung vom 14.04.2002, a. a. O., S. 341.

14 Vgl. Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.): Umweltpolitik, Abfallwirtschaft und EU-Erweiterung, 2004, S. 21 f.

(25)

 Straftaten im Zusammenhang mit dem Entsorgungsanlagenbau und  Straftaten im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Verstçßen.

Abbildung 1: Fallkategorien/Entsorgungssektor

Das jhrliches Auftragsvolumen der çffentlichen Gebietskçrperschaften an die Privatwirtschaft betrug zuletzt ca. 55 Mrd.A, wobei der grçßte Anteil auf die Bereiche Abfallwirtschaft u. kommunaler Um-weltschutz entfiel (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Das Marktvolumen privater und çffentlicher Entsorgungsdienstleistungen beluft sich aktuell auf rund 38 Mrd.A.

Die von polizeilichen Fachdienststellen bearbeiteten Fallkategorien umfassen im Einzelfall Umwelt-, Wirtschafts- (einschließlich Vergaberechtsverstçße), Amts-trger- oder Korruptionsstraftaten.

Grundstzlich haben nur die Fallkategorien im Zusammenhang mit gewerblichen Entsorgungsvorgngen umweltstrafrechtliche Relevanz.

Straftaten im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Aspekten werden nicht ein-gehend behandelt, da sie in die Zustndigkeit des Bundeskartellamtes fallen.

1.3.2

Kontrollkriminalitt

berwiegend liegt bei den genannten Fallkategorien ein geringes spezifisches Hellfeld vor. Gleichzeitig wird ein großes Dunkelfeld angenommen. Urschlich sind der Aspekt Kontrollkriminalitt und die grundstzlich geringere persçnliche Betroffenheit von Opfern im Vergleich zu anderen Kriminalittsfeldern. Unmit-telbare Opferbetroffenheit bzw. leicht erkennbare Schadenswirkungen versuchen gewerbliche Tter weitestgehend zu vermeiden. Die Wahrnehmbarkeit der Straf-taten nimmt mit dem Professionalisierungsgrad der Tter ab. Darber hinaus lie-gen den Sachverhalten komplexe wirtschaftliche, rechtliche oder technische Zu-sammenhnge zugrunde, die fr Außenstehende nicht ohne weiteres nachvoll-ziehbar sind. Dies ist auch urschlich fr eine geringe Anzeigenrate der Brger.

(26)

Die Anzeigenrate zustndiger berwachungsbehçrden ist ebenfalls gering. Das hat vor allen Dingen strukturelle Ursachen – schlechtestenfalls korruptive Aspek-te. Strukturelle Ursachen sind in erster Linie der zunehmende Umfang und die Komplexitt der Gesetzeslage, was Vollzugsprobleme nach sich zieht (zum Bei-spiel werden im Abfallrecht die Aspekte Normenklarheit, Vollzugstauglichkeit und Rechtsicherheit permanent in der Literatur diskutiert). Ferner erfordern knappe Ressourcen zunehmend, dass Handlungsschwerpunkte von der Aktion auf die Reaktion verlegt werden mssen. Insgesamt bremsen die zunehmende technische und rechtliche Komplexitt von çffentlich-rechtlichen und marktwirt-schaftlichen Verfahren den Vollzug.

1.3.3

Straftaten im Zusammenhang mit gewerblichen

Entsorgungs-vorgngen

Bei dieser Fallkategorie ist zwischen Straftaten mit oder ohne umweltstrafrecht-licher Relevanz zu differenzieren. Die Mehrzahl der dem BKA bekannt geworde-nen Flle hat umweltstrafrechtliche Relevanz. Schwerpunkt der Ermittlungen sind hier Umweltstraftaten nach dem 29. StGB-Abschnitt oder nach dem Neben-strafrecht (zum Beispiel Straftaten nach dem Chemikaliengesetz).

Flle ohne umweltstrafrechtliche Relevanz betreffen grundstzlich Entsorgungs-vorgnge mit ungefhrlichen Abfllen. Schwerpunkt sind hier Ermittlungen we-gen Wirtschaftsstraftaten wie Betrug, Untreue und Urkundenflschung, bei-spielsweise Abrechnungsbetrgereien zum Nachteil des Dualen Systems Deutschland GmbH (DSD), Betrgereien an Deponiewaagen oder Straftaten im Zusammenhang mit der Hinterziehung von kommunalen Abfallabgaben, wenn der kommunale Anschluss- und Benutzerzwang bei ungefhrlichen Beseiti-gungsabfllen widerrechtlich umgangen wird. Das spezifische Hellfeld ist, wie oben angefhrt, gering.

Da Verpackungsabflle und andere ungefhrliche Siedlungsabflle auch grenz-berschreitend gehandelt werden, hat diese Fallkategorie potenzielle Relevanz im Zusammenhang mit den neuen EU-Mitgliedslndern.

Flle mit Umweltrelevanz betreffen vorwiegend Entsorgungsvorgnge mit ge-fhrlichen Abfllen und umfassen insbesondere Ermittlungen wegen Straftaten nach §§ 326, 327, 328 Abs. 3 StGB.

1.3.3.1

PKS-Problematik

Anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) kann lediglich eine allgemeine und weitgehend undifferenzierte Lagebeschreibung vorgenommen werden. Ab-gesehen von der Dunkelfeldproblematik lsst die PKS nur bedingt Rckschlsse auf das tatschliche Kriminalittsgeschehen zu. Sie bercksichtigt bekanntlich nur quantitative, aber keine qualitativen Aspekte. So enthlt die PKS keine

(27)

Dif-ferenzierung nach Abfallarten/Abfallmengen bzw. zwischen so genannten Baga-tellfllen und Fllen schwerer und/oder gewerbsmßiger Kriminalitt.15Nach all-gemeiner Auffassung drfte die berwiegende Anzahl der in der PKS erfassten Flle nach § 326 Abs. 1 StGB (Inlandsflle) die Ebene der so genannten Bagatell-kriminalitt betreffen.16Hier ist die Tendenz der registrierten Flle seit 1999 rck-lufig.17Da die bekannt gewordenen Flle weitgehend vom Kontroll- und Anzei-geverhalten abhngen, kann fr den Rckgang auch eine vernderte Anzeige- und Verfolgungsbereitschaft angenommen werden.

Neben der Ebene der Bagatellkriminalitt differenziert die polizeiliche Praxis im Bereich gewerblicher Tatbegehungsweisen zwischen mittleren18und schweren/ organisierten Erscheinungsformen.19Ein Zusammenhang der Organisierten Kri-minalitt (OK) lsst sich allerdings nur in Ausnahmefllen vollstndig herstellen, weil das spezielle Merkmal der OK-Definition „unter Verwendung gewerblicher oder geschftshnlicher Strukturen“ normaler Bestandteil des Wirtschaftslebens ist und somit nur selten zur Qualifizierung als OK herangezogen werden kann.

1.3.3.2

Erweiterte Datenbasis

Um differenziertere Lagedaten im Bereich der gewerblichen Tatbegehungswei-sen zu erhalten, msTatbegehungswei-sen weitere Informationsquellen wie Anklage-/Urteilsschrif-ten der Justiz oder Informationen aus laufenden Ermittlungsverfahren herangezo-gen werden. Unter Zugrundelegung dieser Daten hat sich gezeigt, dass seit den neunziger Jahren eine ganze Reihe von Fllen aufgedeckt wurde, in denen ge-werbsmßig Sonderabflle in einem Umfang bis zu mehreren zehntausend Ton-nen illegal entsorgt worden waren. In der PKS kann ein Fall der illegalen Entsor-gung mehrere hundert oder sogar tausend Tonnen Sonderabflle umfassen, es kann sich aber auch „nur“ um ein „wild abgestelltes Altauto“ handeln.

Entsprechende Rechtstatsachen liegen zum Beispiel bezglich folgender Abfall-branchen vor:

15 Analoge Situation auch in der Strafverfolgungsstatistik der Justiz.

16 Vgl. Erster Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesregierung 2001, S. 176 ff. . Als Bagatell-kriminalitt werden Tatbegehungsweisen durch Einzeltter mit ausschließlich lokalen Bezgen und/oder geringem Schadensgrad wie zum Beispiel „Wilde Eigentumsaufgaben von Altautos“ angesehen.

17 Vgl. Anhang III „Statistiken und bersichten“, PKS-Auszug Umweltkriminalitt.

18 Hierunter fallen Tatbegehungsweisen mit berregionalen Bezgen, grundstzlich gewerbsmßi-gen Strukturen in der Form von kleineren Unternehmen (Ein- oder Mehrpersonengesellschaften) und/oder bedeutsamen Umweltschdigungen bzw. besonderen Gefhrdungslagen.

19 Hierunter fallen Tatbegehungsweisen mit berregionalen oder internationalen Bezgen, gewerbs-mßigen Vorgehen in der Form von auf Dauer angelegten Unternehmensstrukturen und/oder schweren Umweltschdigungen bzw. hohen Gefhrdungsgrad. Das Ttermotiv ist die Erschlie-ßung von dauerhaften Einnahmequellen auf krimineller Basis.

(28)

 Metallrecyclingwirtschaft,  Klrschlammentsorgung,  Rekultivierungen,

 Ersatzbrennstoffherstellung und -einsatz,  Altçlrecycling und

 Entsorgung von belasteten Bauabfllen.

1.3.3.3

Phnomenologische Einordnung und Modus Operandi

Auf der Tterseite werden hauptschlich Verantwortliche von deutschen Entsor-gungsunternehmen registriert. Neben der Verfolgung von Umweltstraftaten be-steht das Erfordernis verfahrensintegrierter Wirtschafts- und Finanzermittlungen sowie in Einzelfllen der Bekmpfung der Korruption. Phnomenologisch ms-sen diese Flle auch als schwerere Formen der Wirtschaftskriminalitt angesehen werden. Das Spektrum erfordert Spezialisierungen und Arbeitsteilungen auf Strafverfolgungs- und Verteidigerseite.

Hinsichtlich des Modus Operandi sind berregionale/bundesland-bergreifende Verschiebungen von Sonderabfllen kennzeichnend.

Folgende Vorgehensweisen haben sich herausgestellt:

 Umdeklaration von gefhrlichen in weniger gefhrliche Abflle bei gleichzei-tiger Manipulation der abfallrechtlichen Formulare,

 illegale Untermischung in weniger gefhrliche Abflle/Stoffe,  Verschiebung ber Zwischenlager/Behandlungsanlagen,

 Beauftragung von Subunternehmen fr den Transport falsch deklarierter Ab-flle und

 Verwendung manipulierter Analysen.

Insgesamt hat sich ein Trend zu so genannten verfeinerten oder abgetarnten Tat-begehungsweisen herauskristallisiert, bei denen zum Beispiel kein Einschreiten der Aufsichtsbehçrden oder der Verkehrspolizei provoziert wird.

Die in den neunziger Jahren auf den Weg gebrachte Teilprivatisierung der Abfall-wirtschaft20wirkte sich entsprechend auf die Erscheinungsformen und die Tter-struktur aus.

20 Einfhrung Duales System 1991 und Abfallrechtsreform 1996 („Privatisierung der Abfallverwer-tung“).

(29)

Insbesondere durch die Auswirkungen des 1996 vollstndig in Kraft getretenen KrW-/AbfG mit seiner Flle von unbestimmten Rechtsbegriffen und unbersicht-lichen Nachweisverfahren hat sich die Tatgelegenheitsstruktur fr illegale Entsor-gungen wesentlich erweitert. Die Mçglichkeiten zur Umgehung der çffentlichen Abfallbeseitigung kçnnen u. a. auch dazu genutzt werden, gefhrliche Sonder-abflle in einen Verwertungsvorgang fr ungefhrliche Abflle einzuschleusen. Im grenzberschreitenden Verkehr sind sowohl entsprechende Ex- und Import-vorgnge denkbar. Die Abflle werden hierbei umweltgefhrdend in einer in-oder auslndischen Anlage entsorgt, die fr gefhrliche Abflle nicht vorgesehen ist. Falsche Abfalldeklarationen und das Strecken von Schadstoffkonzentrationen durch Vermischen mit anderen Stoffen sind leicht zu realisierende Modi Operandi auf dem Verwertungsweg. Fr die Schleusung nicht verwertbarer gefhrlicher Abflle aus dem abfallrechtlichen berwachungsverfahren bestehen insbeson-dere in Zwischenlagern einfache Mçglichkeiten. Sie kçnnen als „black box“ ge-nutzt werden, um Abflle umzudeklarieren, zu vermischen oder hinsichtlich des Schadstoffpotenzials zu verdnnen. Entsprechende Modi Operandi gehen nach den Erfahrungen auch illegalen Abfallexporten voraus.

1.3.3.4

Grenzberschreitende Abfallverschiebung

Die grenzberschreitende Verschiebung von gefhrlichen Abfllen wurde in Deutschland im Herbst 1994 im Zuge der Umsetzung des Basler bereinkom-mens unter Strafe gestellt (§ 326 Abs. 2 StGB). Von der Vorschrift werden be-stimmte ungenehmigte Abfallimporte, -exporte, als auch -durchfuhren erfasst. Vorher stellten derartige Flle lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar. Nahezu zeitgleich erfolgte der Wegfall von Grenzkontrollen im Warenverkehr des EU-In-trahandels. Folglich ist das registrierte Fallaufkommen seit Beginn der Erfassung im Jahr 1996 ausgesprochen gering.21

Das zahlenmßig geringe Aufkommen im Hellfeld lsst nicht zuletzt auch wegen fehlender qualitativer Aspekte der PKS-Erfassung keine weitreichenden Bewer-tungen zu. Die Statistik ber die von den Grenzzollstellen erfassten Verstçße ge-gen das Abfallverbringungsrecht (Ordnungswidrigkeiten) weist ebenso nur we-nige Flle aus.

Der Rat von Sachverstndigen fr Umweltfragen der Bundesregierung warnt in diesem Zusammenhang vor fortbestehender verdeckter Kriminalitt und kritisiert die geringe Kontrollintensitt im EU-Intrahandel. Er weist darauf hin, dass den Zollfahndungsmtern das notwendige Personal fehlt, um flchendeckende Kon-trollen der grenzberschreitenden Abfalltransporte durchzufhren. Der Polizei hingegen, die ber grçßere personelle Kapazitten verfge, fehle teilweise die Kompetenz zu einer verdachtsunabhngigen, speziell die abfallrechtliche Seite

(30)

betreffenden berprfung von Abfalltransporten. Lediglich fnf Bundeslnder22 haben die Polizei nach Landesrecht fr Abfalltransportkontrollen ermchtigt. Eine gravierende Lcke im berwachungssystem ergebe sich, so der Rat von Sachverstndigen fr Umweltfragen, auch daraus, dass Abfalltransporte auf der Schiene berhaupt nicht berwacht werden, da hierfr keine zustndige Behçrde benannt ist.

Im Zuge der EU-Osterweiterung werden sptestens nach Ablauf vereinbarter bergangsfristen grenzberschreitende Abfallentsorgungen auch im Verhltnis zu den osteuropischen Staaten weniger intensiv kontrolliert werden als gegen-wrtig. Insofern wird sich auch im Bereich grenzberschreitender Abfallentsor-gungen die Tatgelegenheitsstruktur entsprechend erweitern.

1.3.4

Straftaten im Zusammenhang mit dem Entsorgungsanlagenbau

Sowohl in Deutschland und in anderen EU-Staaten, insbesondere aber in den neuen Mitgliedslndern werden in naher Zukunft erhebliche Investitionen in die Entsorgungsinfrastruktur notwendig sein. Seit den achtziger Jahren wurde zum Beispiel in Deutschland der Bau von Mllverbrennungsanlagen forciert. Gleichzeitig hat sich in jngerer Vergangenheit herausgestellt, dass bei einer be-achtlichen Anzahl der Errichtungsvorhaben Wirtschafts- (einschließlich Ver-gaberechtsverstçße), Finanz- und Korruptionsdelikte eine Rolle spielten.23Auf der Tterseite finden sich Verantwortliche von Entsorgungsunternehmen, Anla-genbauern und Planungsbros sowie Politiker und so genannte „Berater“. Ver-çffentlichten „Insiderinformationen“24zufolge sollen bei nahezu jedem MVA-Er-richtungsvorhaben Wirtschafts-, Finanz- und Korruptionsdelikte gngige Praxis gewesen sein. Im Hinblick auf die in Deutschland weiter anstehenden zustz-lichen Bauvorhaben an Mllverbrennungs- und anderen Entsorgungsanlagen wurde bereits çffentlich vor vergleichbaren Missstnden gewarnt. Die jeweiligen Investitionsvolumen bewegen sich im mehrstelligen Millionenbereich.

In Bezug auf die Beitrittslnder werden Missstnde im Bereich der Korruption be-klagt, deren allgemeiner Umfang im Vergleich zu Deutschland ausgeprgter ist.25 Hinsichtlich der dort notwendigen Investitionen in die Entsorgungsinfrastruktur, wofr auch erhebliche EU-Beihilfen zur Verfgung gestellt werden, ist von einer dynamischen Entwicklung im Bereich der Abfallwirtschaftskriminalitt auszuge-hen. Aufgrund ihrer im internationalen Vergleich fhrenden Stellung werden

22 Hamburg, Baden-Wrttemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen.

23 Vgl. Kapitel 3.2 „Ermittlungsverfahren im Bereich Entsorgungsanlagenbau und abfallrechtlicher Pflichtenbertragungen einschließlich Justizentscheidungen“.

24 Die Zeit Nr. 12/2002, S. 35.

25 Vgl. Transparency International’s „Corruption Perceptions Index (CPI)“ 2006, S. 5–7, (www.transparency.de) in Anhang III „Statistiken und bersichten“.

(31)

auch deutsche Anlagenbauer und Entsorgungsunternehmen versuchen, auf diesen Mrkten weiter zu expandieren.

1.3.5

Straftaten im Zusammenhang mit kommunalen

Pflichten-bertragungen

In den letzten Jahren besteht in Deutschland zunehmend ein Trend zur Privatisie-rung çffentlich-rechtlich organisierter Einrichtungen. Man verspricht sich davon, dass die knftig privatrechtlich organisierten Unternehmen wirtschaftlich effek-tiver arbeiten kçnnen.

Die Diskussion um die potenzielle Privatisierung çffentlich-rechtlich organisier-ter Einrichtungen wird oft mit dem Begriff „Public-Private-Partnership“ (PPP) belegt. Er ist ein Sammelbegriff fr die unterschiedlichsten Formen eines Zusam-menwirkens von Hoheitstrgern und privatwirtschaftlichen Wirtschaftssubjek-ten. In der kommunalen Praxis versteht man unter PPP verschiedene Koope-rationsanstze zwischen çffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Das breite Spektrum an Gestaltungsmçglichkeiten schlgt sich in einer Vielzahl von PPP-Modellen nieder. Als Organisationsmodelle sind im Wesentlichen Betreiber-, Ko-operations-, Beteiligungs- und Konzessionsmodelle zu unterscheiden. Von den Kommunen werden im Bereich der Abfallentsorgung vor allem Kooperations-modelle bevorzugt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die çffentliche Hand und private Partner gemeinsam als Gesellschafter eines privatwirtschaft-lichen Unternehmens agieren.

Seit Ablauf des 31.05.2005 stehen in Deutschland nicht gengend Verbrennungs-kapazitten zur Verfgung. Fr private Entsorgungsunternehmen besteht somit ein hohes wirtschaftliches Interesse, Anteile an einer Gesellschaft zu besitzen, die eine MVA oder eine andere Vorbehandlungsanlage betreibt. Die Verbrennung von Siedlungsabfllen auf dem derzeitigen Preisniveau verspricht den Anlagen-betreibern hohe Gewinne. Daneben werden entsprechende Beteiligungen auch hinsichtlich des Betriebes von anderen çffentlichen Anlagen (zum Beispiel Depo-nien) und der Abfallsammlung angestrebt.

Die Kommunen wiederum glauben mit der Privatisierung der Abfallentsorgung einen Ausweg aus den steigenden Kosten fr die Beseitigung von Siedlungsabfl-len zu finden. Aus dem Verkauf von GesellschaftsanteiSiedlungsabfl-len erzielt die çffentliche Hand zwar kurzfristig Erlçse, dafr werden aber der Kommune die Steuerungs-mçglichkeiten und Einflussnahmen auf die Unternehmen beschnitten.26 Mit der Privatisierung çffentlich-rechtlicher Entsorgungsaufgaben werden Politik und Wirtschaftsinteressen im Entsorgungsbereich zustzlich vermischt, mehr als es ohnehin bedingt durch die Berufung auf das Kooperationsprinzip bereits der

26 Vgl. Kapitel 3.2.2 „Komplex MVA Kçln“ sowie Abschlussbericht des Untersuchungsstabes An-tikorruption des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 30.06.2003.

(32)

Fall ist. Fr Außenstehende ist es nahezu unmçglich, das komplexe Netz von Be-teiligungsbeziehungen zu berblicken, das sich zwischenzeitlich bundesweit etabliert hat.

Im Zuge der berprfung der Vergabeverfahren zur Errichtung bzw. Erweiterung von MVA hatte der Untersuchungsstab Antikorruption des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen im Jahr 2003 auch eine Reihe von Hinweisen erhalten, die analoge PPP-Modelle im Bereich des Deponiebetriebes und bestimmter Ent-sorgungsvertrge betreffen.

Auch die neuen Mitgliedstaaten haben mit einer Teilprivatisierung çffentlich-rechtlicher Einrichtungen begonnen. An diesen Vorhaben sind u. a. deutsche Marktteilnehmer beteiligt. Man kann davon ausgehen, dass sich dieser Trend dort weiter etablieren wird.

1.4

Kriminogene Faktoren

Folgende kriminogene Faktoren wurden der Untersuchung zu Grunde gelegt:  Komplexe und in zentralen Fragen nicht eindeutige Rechtslage,

 Vollzugsdefizite,

 fehlende Entsorgungskapazitten in Deutschland ab Juni 2005,

 staatliche Steuerungsverluste durch Privatisierung çffentlicher Aufgaben,  unterschiedliche Umweltstandards innerhalb der EU und in den neuen

Mit-gliedslndern,

 Gefahr kartellrechtlicher Absprachen durch Konzentrationsprozesse und  Korruptionsproblematik in Deutschland und in Osteuropa.

1.5

Thesen

Auf der Basis der formulierten kriminogenen Faktoren wurden folgende Thesen entwickelt:

 Exportthese

Es wird die Gefahr gesehen, dass unter dem Deckmantel der Abfallverwertung gefhrliche Abflle in die neuen EU-Mitgliedslnder exportiert werden und dort in dafr nicht zugelassene Abfallentsorgungsanlagen geschleust werden. Darber hinaus kann analog zu den Erfahrungen in den neuen Bundeslndern aus der Nachwendezeit befrchtet werden, dass unter Ausnutzung der Arglosigkeit von Grundstckseigentmern ohne deren Wissen illegale Abfalllagersttten in den neuen Mitgliedstaaten entstehen.

(33)

 Importthese

Es wird die Gefahr gesehen, dass auch gefhrliche Abflle aus den neuen Mit-gliedstaaten unter dem Deckmantel der Verwertung in dafr nicht zugelassene deutsche Entsorgungsanlagen oder industrielle Feuerungsanlagen geschleust werden.

 Investitionsthese

Hinsichtlich der in den neuen Mitgliedslndern notwendigen Investitionen in die Entsorgungsinfrastruktur, wofr auch erhebliche EU-Beihilfen zur Verfgung ge-stellt werden, sowie bei der Privatisierung von çffentlichen Entsorgungsaufgaben werden analoge korruptive Verhltnisse wie in Deutschland befrchtet. Aufgrund ihrer im internationalen Vergleich fhrenden Stellung werden auch deutsche An-lagenbauer und Entsorgungsunternehmen versuchen, auf diesen Mrkten weiter zu expandieren.

(34)

2

Befragung von Experten

2.1

Einleitung und Methode

2.1.1

Ausgangslage und Zielsetzung

Auf der Grundlage des ersten Kapitels „Einfhrung in die Thematik“ wurden die Fragen zur Abfallwirtschaftskriminalitt im Zusammenhang mit der EU-Oster-weiterung an die Experten entwickelt. Hierbei wurde bewusst ein breiter For-schungsansatz gewhlt, der sowohl das Marktgeschehen auf dem Entsorgungs-markt, seine rechtlichen und tatschlichen Rahmenbedingungen, als auch die Kriminalittsentwicklung in ihren verschiedenen Fallkategorien (Straftaten im Zusammenhang mit gewerblichen Entsorgungsvorgngen, kommunalen Pflich-tenbertragungen, dem Entsorgungsanlagenbau und kartellrechtlichen Verstç-ßen) umfasst.

Der breite Ansatz wurde aus methodischen Grnden gewhlt, um im Rahmen einer marktbezogenen Betrachtung von Kriminalitt mçglichst alle Phnomene auf dem Entsorgungsmarkt einzubeziehen. Die Erfahrung aus Fllen der schwe-ren Abfallwirtschaftskriminalitt hat gezeigt, dass die einzelnen Fallkategorien grundstzlich nicht isoliert voneinander betrachtet werden kçnnen.

Zielsetzung der Expertenbefragung ist die Identifizierung aller kriminogenen Faktoren auf dem Entsorgungsmarkt und die Verifizierung der im Vorfeld der Befragungen entwickelten Thesen. Darber hinaus sollten insbesondere aus polizeilicher Sicht Rechtsprobleme sowie Vollzugs- und Zusammenarbeitspro-bleme beleuchtet und Lçsungsanstze einschließlich Prventionsmçglichkeiten aufgezeigt werden.

2.1.2

Methode

2.1.2.1

Interviewpartner

Die Befragung von Experten erfolgte im Rahmen qualitativer Interviews. In zwanzig Interviews wurden vierundzwanzig Experten aus den Bereichen Politik, Strafverfolgung, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft befragt.

Maßgebend fr die Entscheidung, Experten aus verschiedenen Bereichen in die Befragung mit einzubeziehen, ist der breite Forschungsansatz mit seiner markt-spezifischen Betrachtung der Abfallwirtschaftskriminalitt. Bestehende Kon-takte bei der Fachdienststelle Umweltkriminalitt zur Strafverfolgung und Ver-waltung und die Sondierung von Autoren in den entsprechenden Fachartikeln haben zu der Benennung der Experten gefhrt.

(35)

2.1.2.2

Leitfaden

27

Um die Einhaltung einer gewissen Gesprchsstruktur zu gewhrleisten, wurde ein Interview-Leitfaden mit insgesamt sieben inhaltlichen Fragenkomplexen und 20 Einzelfragen zu den

– Entsorgungskapazitten,

– rechtlichen Rahmenbedingungen,

– Straftaten im Zusammenhang mit grenzberschreitender Abfallentsorgung, – Kontrolldefiziten sowie zur

– Korruptionsproblematik und zu den illegalen Praktiken in den Bereichen – Veruntreuung von EU-Beihilfen und

– kartellrechtlicher Absprachen. erarbeitet.

Dennoch hatte jeder Proband im Rahmen der mndlichen Befragung gengend Freiraum ber konkrete Fragestellungen hinaus, Einzelprobleme und Besonder-heiten individuell darzustellen.

Mit der Vorlage des Leitfadens wurde gewhrleistet, dass die Probanden mit allen Teilaspekten gleichermaßen konfrontiert wurden. Die soziodemografischen Da-ten wurden jeweils zu Beginn der Befragung erhoben. Diese Informationen zur Person wiesen die Befragten als Experten aus.

2.1.2.3

Expertentum

Die befragten Experten sind im Durchschnitt 13 Jahre mit der Materie Abfallent-sorgung, Abfallwirtschaftskriminalitt, Umweltkriminalitt befasst. Es konnte so das Expertenwissen aus langjhriger Erfahrung genutzt werden.

Das Expertentum wird hier also hauptschlich nach dem Kriterium „Fachwissen auf dem betreffenden Gebiet auf Grund der praktischen Arbeit und wissenschaft-licher Befassung“ bestimmt, da es bei der Expertenbefragung weniger auf die An-zahl der Befragten als vielmehr auf das Wissen der Gesprchspartner ankommt. Diese Sachkompetenz schließt auch die Fhigkeit ein, zuknftige Entwicklungs-prozesse berschauen zu kçnnen.

(36)

2.1.3

Mndliche Befragung

Die Befragungen wurden von April bis Oktober 2004 durchgefhrt. Dass u. a. Juristen, Politologen, Wirtschaftswissenschaftler, Naturwissenschaftler und In-genieure zu Wort kamen, ist auch dem breiten Forschungsansatz geschuldet. Die jeweilige Interviewdauer betrug ungefhr dreieinhalb Stunden. Die ersten fnf Interviews wurden im Rahmen eines Pretestes durchgefhrt.

2.2

Ergebnisse

Nachfolgend werden die Statements der Experten in einer Gesamtschau ohne Wertung der Autoren wiedergegeben. Um dem gesprochenen Wort Rechnung zu tragen, sind diese Statements im Modus des Indikativs verfasst. Die von den Experten angefhrten Beispiele sind in kursiver Schrift abgebildet.

2.2.1

Entwicklung der Entsorgungskapazitten in Deutschland und

Auswirkungen auf die grenzberschreitende Abfallentsorgung

Wie bereits erwhnt28, ergibt sich die Notwendigkeit, die Abfallwirtschaftskrimi-nalitt auf empirischer Basis aufzuarbeiten aus dem Marktgeschehen der Abfall-wirtschaft in Deutschland. Darber hinaus sind Anlass zur Durchfhrung des For-schungsprojektes auch die Aussagen der Studie der Deutschen Projekt Union GmbH29aus dem Jahre 2003, wonach sptestens ab dem 01.06.2005 mit Deponie-und Vorbehandlungsengpssen in Deutschland zu rechnen ist. Das soll insbeson-dere fr Abflle aus dem produzierenden Gewerbe zutreffen. Diese Abflle, die vordem 01.06.2005 zu einem großen Anteil noch ohne Vorbehandlung im Inland deponiert wurden, sollen der DPU-Studie nach zuknftig in den neuen Mitglieds-lndern und in anderen EU-Staaten entsorgt werden. Dort kçnnen im Gegensatz zu Deutschland auch zuknftig noch Abflle ohne Vorbehandlung auf Altdepo-nien abgelagert werden.30

2.2.1.1

Expertenmeinungen zu der von der Deutschen Projektunion (DPU)

skizzierten Sogwirkung

2.2.1.1.1 Prognostizierte Sogwirkung

Die von der DPU prognostizierte Sogwirkung in die EU-Osterweiterungslnder wird von allen Befragten als zutreffend beurteilt. Gewisse Nuancen in den

Einzel-28 Vgl. Kapitel 1.1 „Ausgangslage und Untersuchungsbereich“.

29 Deutsche Projekt Union GmbH (Hg.): Keine Entsorgungssicherheit in Deutschland ab 2005, Kçln 2003.

30 Die Prognos AG und die Lnderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) besttigen in ihren Studien die Tendenz der Sogwirkung, vgl. Kapitel 3.1.4 „Neue Standards bei Abfallbehandlung und De-ponierung im Inland ab dem 01.06.2005 sowie zur Verfgung stehende Entsorgungskapazitten“.

(37)

Aussagen sind in den Formulierungen der Antworten erkennbar. So ist von einer „gewissen, bzw. sporadischen Sogwirkung nach dem 01.06.2005“ genau so die Rede, wie von einem „vollem Zutreffen der DPU-Prognose in diesem Bereich“ oder aber von einer „Entfaltung der Sogwirkung“ und „der Gefahr, dass zuknftig verstrkt Abfallstrçme in Richtung Osteuropa gehen“.

bertrgt man die Erfahrungen aus der Nachwendezeit, so wird die Sogwirkung mit der ffnung der Ostgrenzen von den Befragten als noch problematischer ein-geschtzt. „Der in der Nachwendezeit entstandene Preisdruck auf dem Entsor-gungsmarkt wird sich jetzt auf Grund der sich bietenden osteuropischen Mrkte wiederholen.“

Die damalige Sogwirkung in die neuen Bundeslnder und die Preisentwicklung wurden mit Inkrafttreten der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) am 19.05.1990 in Deutschland noch verstrkt.31

Beispiel:

Die Hausmlldeponie Buchschlag/Hessen musste damals aufgrund der neuen Standards geschlossen werden. Die Folge waren u. a. kriminelle Umgehungs-mechanismen, mit denen die Regeln der TASi umgangen wurden.

Die StA Frankfurt fhrte ein Verfahren, in dem illegale Abfalltransporte nach Frankreich, spter nach der Wiedervereinigung in die neuen Bundeslnder ermit-telt wurden. Modi Operandi waren Umdeklaration als Wirtschaftsgut und pseudo-mechanische Vorbehandlung und Vermischung.

„Dieses Szenario wird wieder passieren, der billige Deponieraum wird ausgenutzt werden.“ In diesem Zusammenhang wird betont, dass die neuen Deponiestan-dards in Deutschland unerlsslich sind, um Folgeschden fr die Umwelt zu ver-meiden. Die Sanierung von alten Deponien verursachte fr die Bevçlkerung be-reits enorme Kosten. Fr die Zukunft muss dies verhindert werden.

Mit den Worten: „Das Szenario ist da und wir merken es auch dadurch, dass die ,Großen bereits in den neuen EU-Mitgliedslndern Investitionen gettigt haben“, wird aus der Wirtschaft die Gefahr der Sogwirkung ebenfalls besttigt.

Die beschriebene Sogwirkung hngt von der Umsetzung bestehender Regelungen einschließlich der bergangsvorschriften32ab. Es gibt eine hohe Regelungsdich-te. Sofern sich keine gravierenden Vollzugsdefizite ergeben, kçnnte sich die Sog-wirkung in Grenzen halten. Es kommt dabei sowohl auf den Gesetzesvollzug im Inland, als auch auf den in den Mitgliedslndern an. „Alles steht und fllt mit der nationalen Kontrolldichte.“

31 Die TASi erhçhte die damaligen Rechtsstandards auf Deponien in Deutschland, enthielt aber eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die insbesondere in den neuen Bundeslndern den Betrieb von Altdeponien bis heute zulassen.

32 Vgl. Kapitel 2.3.4 „bergangsvorschriften fr die grenzberschreitende Abfallverbringung im Verhltnis zu den neuen Mitgliedslndern“.

(38)

2.2.1.1.2 Transitland Deutschland

Nach Meinung der Experten wird die Sogwirkung nicht ausschließlich deutsche Abflle betreffen. Ebenso werden aufgrund der Kostenunterschiede Gewerbeab-flle aus anderen EU-Staaten, z. B. Niederlande, in Richtung der neuen EU-Mit-gliedslnder verbracht werden, Deutschland wird also auch Transitland sein. Aus durchgefhrten Abfalltransportkontrollen liegen Erkenntnisse darber vor, dass bereits seit Jahren Abflle quer durch Deutschland transportiert werden. Be-troffen sind alle Abfallarten, auch Beseitigungsabflle, fr die Andienungspflich-ten am Ort der Entstehung existieren. So werden, wie von der Polizei beobachtet, auffllig viele Sonderabflle aus Baden-Wrttemberg nach Nordrhein-Westfalen und nach Belgien verbracht. Neben legalen Transporten, fr die ein großer Hand-lungsspielraum besteht, registriert die Polizei bei den Kontrollen regelmßig auch illegale Transporte. So wurden u. a. Sonderabflle aus Belgien festgestellt, die ohne entsprechende Genehmigung nach Ungarn verbracht werden sollten.

2.2.1.1.3 Kapazittsengpsse in Deutschland nach dem 01.06.2005

Fr die Entsorgung von Abfllen aus privaten Haushalten (ca. 20 Mio. Jahreston-nen) wird es nach berwiegender Auffassung der Experten keine Engpsse bei den kommunalen Entsorgungsanlagen geben.

Kapazittsengpsse, wie von der DPU und der Lnderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) prognostiziert, werden sich nur dann ergeben, wenn die in Deutschland jhrlich anfallenden 4,5 Mio. Tonnen hausmllhnlichen Gewerbeabflle zur Be-seitigung weiterhin auf dem gleichen Weg wie die Abflle aus privaten Haushal-ten entsorgt, nmlich den Kommunen angedient werden.

Hier wird eine Verdrngung der Gewerbeabflle aus den kommunalen Verbren-nungsanlagen prognostiziert.

Die finanzielle Situation bei den Mllverbrennungsanlagen (MVA) kehrt sich um.33In den vergangenen Jahren betrugen die Entsorgungskosten auf einer Alt-deponie rund 30Apro Tonne. Illegale Abfallverbringungen lohnten sich bei die-sen geringen Deponiekosten nicht. Nach der vorgeschriebenen Schließung der Altdeponien zum 01.06.2005 ziehen die Preise wieder an.

So werden insgesamt die Kosten fr Abfallbeseitigung erheblich ansteigen. Folge wird auch ein Rckgang der Abfallimporte zu deutschen Verbrennungsanlagen sein.

33 Vgl. Kapitel 3.1.4 „Neue Standards bei Abfallbehandlung und Deponierung im Inland ab dem 01.06.2005 sowie zur Verfgung stehende Entsorgungskapazitten“.

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