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Mitverschulden des Anlegers bei Beratungsfehlern / eingereicht von Markus Winklbauer

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich Eingereicht von Markus Winklbauer Angefertigt am Institut für Unternehmensrecht Beurteiler / Beurteilerin Univ.-Prof. Heinz Keinert

September 2018

Mitverschulden des

Anlegers bei

Beratungsfehlern

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

(2)

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Ort, Datum

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung...Seite 1 1.1. Die Bankenkrise und ihre Auswirkungen

1.2. Das Urteil des BGH vom 8.Juli 2010 - III ZR 249/09 1.3. Mitverschulden

1.4. Das Ziel der vorliegenden Arbeit

2. Sachverhalt zum Urteil des BGH vom 8.Juli 2010 – III ZR 249/09...Seite 3

3. Beratungsvertrag und Beratungsfehler...Seite 5 3.1. Haftung für einen Rat oder eine erteilte Auskunft (§ 1300 ABGB)

3.2. Zur Klarstellung, was ein Anlageberater „kann“ und, was er „nicht kann“ 3.3. Das Zustandekommen eines Beratungsvertrages

3.4. Der Inhalt des Beratungsvertrages (BGH vom 8.Juli 2010 – III ZR 249/09)

4. Mitverschulden des Anlegers bei Beratungsfehler...Seite 13 4.1. Mitverschulden im österreichischen Recht

4.1.1. Schadensminderungspflicht des Geschädigten

4.1.2. Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Mitverschuldens 4.1.3. Rechtsfolgen des Mitverschuldens

4.2. Mitverschulden im deutschen Recht

4.2.1. Die deutsche Rechtsprechung zum „Mitverschulden“ im Lichte des Urteils vom 8.Juli 2010 – III 249/09

4.2.2. Zur Verjährungsproblematik im Urteil des BGH vom 8.Juli 2010 – III 249/09 4.2.3. Zur grob fahrlässigen Unkenntnis des Anlageprospekts durch den Anleger

5. Die Rechtsprechung des österreichischen OGH zum Mitverschulden des Anlegers bei Beratungsfehlern...Seite 27

5.1. Allgemeines

5.2. Das Urteil 2 Ob 133/16x vom 28.9.2017 5.3. Der wirtschaftserfahrene Anleger 5.4. „Irreal hohe Gewinnversprechen“

5.5. Weitere Fallkonstellationen im Zusammenhang mit „mangelhafter Anlageberatung“ und „Mitverschulden“

5.6. Fälle, die kein Mitverschulden begründen

5.7. Mitverschulden von Anlegern bei mehrfach fehlerhafter Beratung 5.7.1. Die Entscheidung 7 Ob 95/17x vom 29.11.2017

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Abkürzungsverzeichnis

ABGB = (österreichisches) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

AG = Aktiengesellschaft

Az = Aktenzeichen

BGB = (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch BGH = (deutscher) Bundesgerischtshof bzw = beziehungsweise CD = Compact Disk dh = das heißt DM = Deutsche Mark EG = Europäische Gemeinschaft EU = Europäische Union

GmbH = Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Hrsg = Herausgeber

idR = in der Regel

idS = in diesem Sinne

iSd = im Sinne des

JBl = Juristische Blätter

KG = Kommanditgesellschaft

Mio = Million

Mrd = Milliarde

Nr = Nummer

OGH = (österreichischer) Oberster Gerichtshof

OLG = Oberlandesgericht

ÖBA = Österreichisches Bankarchiv ÖJZ = Österreichische Juristenzeitung

p.a. = per anno

RIS = Rechtsinformationssystem RS = Rechtssache Rsp = Rechtsprechung Rz = Randziffer S = Satz sog = sogenannt stRsp = ständige Rechtsprechung ua = unter anderem UR = Unternehmensrecht vgl = vergleiche WAG = Wertpapieraufsichtsgesetz zB = zum Beispiel ZR = Zivilrecht

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Literaturverzeichnis

Bamberger/Roth (Hrsg.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, 3. Auflage, 2012. Bollenberger/Kellner in Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen, 66. Jahrgang, März

2018.

Dullinger, Aktuelle Fragen der Haftung wegen Beratungsfehlern bei der Vermögensanlage,

Beweislast und Mitverschulden des Geschädigten, Juristische Blätter, 2011.

Graf, Bankvertragsrecht, 4. Auflage, 2017.

Kepplinger, Mitverschulden von Anlegern bei mehrfach fehlerhafter Beratung, Österreichische

Juristenzeitung, 73.Jahrgang, 12/2018.

Klostermann, Die Beraterlüge.

Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts.

Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven

Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010.

Merz, Mangelhafte Anlageberatung.

Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil, Band III, 6. Auflage, 2017.

Rummel (Hrsg.), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Band II, Teil 2a, 3.

Auflage, 2007.

Schredelseker, Den Finanzmarkt verstehen, 2015.

Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB Praxiskommentar, Band 6, 4. Auflage, 2016.

J. von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und

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1. Einleitung

1.1. Die Bankenkrise und ihre Auswirkungen

Vermögen im Umfang von 750 Mrd. Euro wurde seit Beginn der Bankenkrise im Sommer 2008 weltweit vernichtet. Diese Summe ist so unfassbar groß, dass kaum jemand imstande ist, sie sich bildlich vorzustellen – geschweige denn sich selbst als Teil eines solchen Ganzen, nämlich der Summe dieser gigantischen Verluste, zu begreifen. Einzelschicksale nehmen sich dagegen allzu bescheiden aus, wiegen für den Einzelnen deshalb aber nicht weniger schwer.1

1.2. Das Urteil des BGH vom 8.Juli 2010 – III ZR 249/09

In Relation zu der oben genannten volkswirtschaftlichen Schadenssumme mutet die Schadenersatzforderung eines betroffenen Anlegers mit 102.879,46 € als geradezu gering an. Und doch beschritt dieser Anleger den Rechtsweg und machte geltend, dass der Berater seine Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt habe.2

Mit diesem konkreten Fall beschäftigte sich der deutsche Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09.

Das Ergebnis lässt sich in folgendem Leitsatz des Urteils vom 8. Juli 2010 (Az. III ZR 249/09) zusammenfassen:

„Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlageberaters oder der unrichtigen Auskunft eines Anlagevermittlers ergibt sich nicht schon allein daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den ihm überreichten Emissionsprospekt durchzulesen und auf diese Weise die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder -vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.“

1 Klostermann, Die Beraterlüge Seite 7. 2 Klostermann, Die Beraterlüge Seiten, 7, 8.

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1.3. Mitverschulden

Der beklagte Anlageberater versuchte geltend zu machen, dass der betroffene Anleger selbst Mitschuld an seinem Schaden trägt, da er sich das überreichte Prospekt nicht durchgelesen habe. Dies veranlasste den BGH, grundsätzlich Stellung zum Mitverschulden zu beziehen und dadurch einen Meinungsstreit zwischen deutschen Oberlandesgerichten zu entscheiden.

1.4. Ziel der vorliegenden Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die relevanten juristischen Hintergründe zu diesem Fall zu erläutern, wobei sie sich insbesondere mit dem Mitverschulden des Anlegers bei Beratungsfehlern befasst.

Es soll dabei auf die jeweiligen Rechtslagen in Deutschland (da das gegenständliche Urteil vom deutschen Höchstgericht BGH erging) eingegangen werden, es soll aber auch die spezifische österreichische höchstgerichtliche Rechtsprechung in der vorliegenden Arbeit dargestellt und erörtert werden.

Um einen umfassenden Blick über die Materie zu erlangen, wird es notwendig sein, zunächst allgemein „Beratungsfehler“ im rechtlichen Kontext zu erklären.

Im Anschluss daran soll das System des „Mitverschuldens“ sowohl im deutschen Recht als auch im österreichischem Recht näher beleuchtet werden.

Nach diesen Betrachtungen wird sich diese Arbeit schließlich mit dem Urteil des BGH vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09 näher auseinandersetzen und die einschlägige österreichische OGH-Rechtsprechung dazu präsentieren.

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2. Der Sachverhalt

Der BGH entschied am 8. Juli 2010 (Az. III ZR 249/09) in einem Urteil über einen Sachverhalt, der sich wie im Folgenden beschrieben darstellt:

Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Vorwurf fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

Auf Empfehlung des Beklagten, eines Anlageberaters, zeichnete der Kläger am 28. Oktober 1999 über eine Summe von 150.000 DM zuzüglich 5 % Agio (7.500 DM) eine Beteiligung an der C. G. GmbH & Co. Vermietungs KG (Turmcenter F.), einem geschlossenen Immobilienfonds. Die hierfür benötigten Mittel hatte der Kläger aus dem Verkauf eines von seinem Vater ererbten Hausgrundstücks gewonnen.

Der Fonds wurde zum 31. Dezember 1999 nach Vollplatzierung geschlossen. Nach anfänglichen Ausschüttungen geriet der Fonds aufgrund deutlichen Rückgangs der Mieteinnahmen ab dem Jahre 2002 in zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Versuch, die im Eigentum des Fonds stehende Büroturm-Immobilie, die einen wesentlichen Teil des Fondsvermögens ausmachte, zu veräußern, blieb ohne Erfolg. Auf Antrag der finanzierenden Bank wurde am 4. August 2005 die Zwangsverwaltung des Objekts angeordnet. Die Hauptmieterin kündigte das Mietverhältnis außerordentlich zum 31. Dezember 2005. Am 17. Februar 2006 ordnete das Amtsgericht München die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fondsgesellschaft an.

Der Kläger hat seine Schadensersatzforderung unter Einberechnung der Kosten für die Beteiligung an dem Fonds und entgangener anderweitiger Anlagezinsen – nach Abzug ihm verbliebener Ausschüttungen – mit 102.879,46 € beziffert und geltend gemacht, der Beklagte habe seine Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt, da er ihm mit der Fondsbeteiligung eine Anlage empfohlen habe, die seinem erklärten Anlageziel einer sicheren Altersvorsorge widersprochen habe. Der Beklagte habe ihn nicht auf die spezifischen Risiken dieser Anlage, insbesondere nicht auf das Risiko eines Totalverlustes, hingewiesen, die gebotene Überprüfung der wirtschaftlichen Plausibilität, Seriosität und Tragfähigkeit des Beteiligungsangebots unterlassen und negative Pressestimmen nicht berücksichtigt. Als Fachmann hätte der Beklagte erkennen müssen, dass das Beteiligungsangebot auf eine Täuschung der neu eintretenden Anleger abgezielt und von vornherein keine Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg gehabt habe.

(9)

Der Beklagte ist diesen Vorwürfen entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen – bis auf einen geringfügigen Teil der (erstinstanzlich) zugesprochenen Zinsen – ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

(10)

3. Beratungsvertrag und Beratungsfehler

In seinen Entscheidungsgründen erörtert der BGH den Vorwurf des Klägers, dass er falsch beraten worden sei, und führt dazu die Begründung des Berufungsgerichts an: Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Vertragspflichtverletzung des Beklagten zu.

Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die ihm hieraus erwachsenden Pflichten habe der Beklagte verletzt, da er keine anlegergerechte - das heißt dem erklärten Anlageziel des Klägers gemäße – Beratung geleistet habe. Der Beklagte habe dem Kläger eine Kapitalanlage empfohlen, die für das Ziel einer Altersvorsorge erkennbar ungeeignet gewesen sei: Die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds berge schließlich das Risiko des Totalverlustes.

Nach den zu Grunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts habe der Kläger eine Kapitalanlage gewünscht, die gerade auch dem Zweck der Altersvorsorge hätte dienen sollen. Durch den von ihm zu vertretenden Beratungsfehler habe der Beklagte einen Schaden in der mit der Klage geltend gemachten Höhe (102.879,46 €) herbeigeführt.

Der BGH folgt dieser Auffassung und hält fest, dass der Beklagte dem Kläger, also der Anlageberater dem Anleger, den geforderten Schadensersatz nach den Grundsätzen der Haftung wegen positiver Vertragsverletzung schulde.

Der BGH bejaht somit das Zustandekommen eines Beratungsvertrages zwischen dem Anlageberater und dem Anleger.

Der BGH führt aus, dass in casu die verletzte Rechtsnorm ein Anlageberatungsvertrag ist. Diese Verträge sind praktisch immer die Rechtsgrundlage für Beratungsverträge und deren Verletzung bzw Nichteinhaltung und bilden somit den Haftungsansatzpunkt für Schadenersatzforderungen für Schäden, die aus der Verletzung bzw Nichteinhaltung dieser Verträge resultieren.

Daher ist es notwendig in den nächsten Schritten, die Rechtswidrigkeit, die überhaupt die Grundlage für Schadenersatzforderungen bildet, näher zu umschreiben.

Eine Rechtswidrigkeit ist die Folge einer Verletzung bzw Nichteinhaltung einer gesetzlichen oder sonstigen rechtlichen Norm. Im konkreten Fall ist dies ein Vertrag, genauer gesagt, ein Anlage-bzw Beratungsvertrag. Denn wie aus dem vorher beschriebenen Sachverhalt hervorgeht, haben der Anlageberater (= der Beklagte) und der Beratene (= der Geschädigte, dh der Kläger) sich vor der Beratung durch den Berater darauf geeinigt, dass grundsätzlich der Berater in dieser seiner Funktion (dh als Berater) gegenüber dem Beratenen tätig wird.

(11)

Einen Berater zeichnet in der Regel aus, dass er Kenntnis von Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und auch rechtliche Kenntnisse aufweist, die es ihm ermöglichen, Empfehlungen in der Art und Weise abzugeben, welche es dem Beratenen erlauben Anlegeprodukte zu erwerben, die genau abgestimmt sind auf seine Anlageziele, seine Risikoaversion sowie seinen Anlagehorizont, weiters auf die voraussichtliche Dauer der Finanzanlage und allenfalls noch weitere Umstände, auf die der Beratene Wert legt.

3.1. Haftung für einen Rat oder eine erteilte Auskunft (§ 1300 ABGB)

In concreto wurde vom erkennenden BGH- Senat zwar festgestellt, dass ein Anlageberatungsvertrag zwischen den Parteien abgeschlossen wurde, jedoch darf an dieser Stelle auch die Haftung des Sachverständigen für Rat und Auskunft gemäß der österreichischen Norm § 1300 ABGB nicht unerwähnt bleiben.

§ 1300 ABGB lautet:

„Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachtheiligen Rath ertheilet. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Ertheilung des Rathes dem Anderen verursachet hat.“

§ 1300 ABGB regelt die vertragliche und deliktische Schadenersatzpflicht dessen,der durch einen nachteiligen Rat einen reinen Vermögensschaden herbeiführt.3

Dem Rat stehen die Auskunft, ein gutachten oder sonstige Stellungnahme und Expertise gleich.4

Nach Satz 1 dieser Bestimmung haftet ein Sachverständiger (iSd § 1299 ABGB) für jede nachteilige Auskunft, die er zumindest leicht fahrlässig erteilt, wenn diese „gegen Belohnung“ erfolgt ist.5 Die „Belohnung“ wird hierbei nicht als Entgeltlichkeit, sondern als sehr viel

weitreichender verstanden.6 Entscheiden ist, dass der Rat nicht aus reiner Gefälligkeit, also nicht

selbstlos, erteilt wird.7 An einer solchen Selbstlosigkeit fehlt es auch bei einmalig erteilter Auskunft

bereits dann, wenn sie der Vorbereitung eines künftigen Geschäfts dient.8

3 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

4 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

5 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

6 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

7 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

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Der Anwendungsbereich des § 1300 ABGB überschneidet sich mit der Haftungsgrundlage einer vertraglichen oder vorvertraglichen Sorgfaltspflicht.9

Die Ersatzpflicht tritt zB ein, wenn jemand den falschen Rat im Rahmen eine privat- oder öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses auch ohne gesonderte Honorierung erteilt; die Erteilung einer Bankauskunft.10

3.2. Zur Klarstellung, was ein Anlageberater „kann“ und, was er „nicht kann“

Landläufig herrscht unter nicht versierten Anlegern die Meinung vor, ein Anlageberater könne dem Anleger eine Anlagealternative vorschlagen, die es ihm ermöglicht, „überdurchschnittliche“ Gewinne „einzufahren“, dh dass ein Anlageberater über besondere Marktkenntnisse verfügt, die es ihm erlauben Anlagen zu empfehlen, die in Zukunft auch „gut laufen“. Dies ist allerdings nicht möglich.

Es gibt somit viele Umstände, deren Bedachtnahme in einer fundierten Beratung („zugunsten“ eines nicht sachkundigen Kapitalanlegers) notwendig und sinnvoll sind. Dazu zählen unter anderem:11

● Detaillierte Informationen über die Eigenschaften, Chancen und Risiken der verschiedenen Anlagealternativen;

● Informationen über die mutmaßlichen finanziellen Folgen absehbarer demografischer Entwicklungen;

● Aufklärung über steuerliche Aspekte der Vermögensplanung;

● Einverständniserzielung mit dem Kunden über dessen Risikobereitschaft und dem Hintergrund seiner aktuellen und künftig zu erwartenden Vermögenssituation;

● Informationen über die am Markt angebotenen Finanzinnovationen und ihren Einsatz im Rahmen der Vermögensverwaltung;

● Erklärung der teilweise sehr kompliziert strukturierten Produkte, der ihnen zugrunde liegenden Finanzinstrumente und der Kosten, die für die offerierten Vorteile zu bezahlen sind; ● Herstellung von Transparenz darüber, wofür und aus welchem Grund für Leistungen seitens der Finanzdienstleister Gebühren erhoben werden;

● Möglichkeiten, Transaktionskosten für Leistungen zu sparen, die der Kunde nicht in Anspruch zu nehmen beabsichtigt.12

9 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

10 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 14/21.

11 Schredelseker, Den Finanzmarkt verstehen Seite 306. 12 Schredelseker, Den Finanzmarkt verstehen Seiten 306, 307.

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3.3. Das Zustandekommen eines Beratungsvertrages

Auch ein Beratungsvertrag kommt grundsätzlich wie übrigens jeder andere Vertrag auch -dadurch zustande, dass sich die Parteien einander gegenüber übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben.

Als Grundlagen für die Haftung des Beraters wegen fehlerhafter Anlageberatung kommen neben dem Beratungsvertrag noch die ständige Geschäftsverbindung oder vorvertragliche Aufklärungspflichten in Betracht.13

Die Verpflichtung zur Beratung ist aus dem Umstand abzuleiten, dass der Kunde zumeist auf dem Gebiet der Anlagegeschäfte unerfahren ist, und dass weiters die Besonderheiten sowie die Risikoträchtigkeit der einzelnen Anlageformen für einen Laien oftmals nur schwer durchschaubar sind.14 Der Kunde wird daher regelmäßig eine qualifizierte Beratung durch einen versierten

Anlageberater benötigen, um überhaupt die Sinnhaftigkeit eines Anlagegeschäftes richtig einschätzen zu können, wobei der Berater auf diesem Gebiet über die notwendige Sachkunde verfügt, um Interessenten vor der Durchführung des Geschäftes sachkundig zu beraten.15

Grundsätzlich ist sohin festzuhalten, dass ein Beratungsvertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt.

Ein Beratungsvertrag kann allerdings auch konkludent, also stillschweigend, abgeschlossen werden. Dies ist nach stRsp dann anzunehmen, wenn der Kunde erkennbar eine Vermögensdisposition treffen und der Berater, idR eine Bank, das Zustandekommen fördern will.16

Dass ein Beratungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zustande gekommen ist, sah auch der BGH im vorliegenden Fall als unproblematisch an.

13 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 95.

14 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 95.

15 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 95.

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3.4. Der Inhalt des Beratungsvertrages (BGH vom 8.Juli 2010 – III ZR 249/09)

In concreto ging es im Rede stehenden Erkenntnis des BGH um das erklärte Anlageziel des Anlegers. Schließlich wandte sich die gegenständliche Revision (des Beklagten) gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt habe, da er keine anlegergerechte - dh dem erklärten Anlageziel des Klägers gemäße - Beratung geleistet habe.

Die zunächst aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitete Beratungspflicht hat zuletzt in Österreich mit den Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 eine gesetzliche Regelung erfahren, die wiederum die Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFlD II) in innerstaatliches Recht umsetzt.17

Ergänzt werden die Bestimmungen des WAG 2018 durch die Verordnung (EU) Nr 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) NR 648/2012 (MiFlR) sowie die delegierte Verordnung (EU) NR 2017/565. Diese Verordnungen benötigen keine innerstaatliche Umsetzung, sie sind unmittelbar anwendbar. Durch das WAG 2018 und die beiden oben erwähnten Verordnungen (EU) soll sichergestellt werden, dass der Rechtsträger die Wertpapierdienstleistungen im bestmöglichen Interesse des Kunden erbringt.18

Die im WAG 2018 angeführten Wohlverhaltensregeln konkretisieren die bestehenden allgemeinen Schutz- und Sorgfaltspflichten.19

Die Beratung muss in diesem Sinne sowie nach der stRsp vollständig, richtig, rechtzeitig und für den Anleger verständlich sein, dh der Anleger muss die Auswirkungen seiner Entscheidung erkennen können; auf seine persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen ist dabei Rücksicht zu nehmen.20 Eine anlegergerechte Beratung erfordert daher grundsätzlich, dass die Bank bzw der

Berater auf jene Eigenschaften und Risiken des jeweiligen Anlageobjekts hinweist, die für die Entscheidung des Kunden von Bedeutung sind oder sein könnten.21 Umfang und konkrete

Ausgestaltung der Beratungspflichten ergeben sich hierbei jeweils im Einzelfall in Abhängigkeit vom Fachwissen des Kunden, seinen finanziellen Möglichkeiten, seiner Risikobereitschaft, dem von ihm ins Auge gefassten Anlageziel und dem Anlageobjekt.22

17 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 96;

Graf, Bankvertragsrecht4 Seite 100.

18 Graf, Bankvertragsrecht4 Seite 100.

19 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 96.

20 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 96.

21 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 96.

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Darüber hinaus ist auf das bisherige Anlageverhalten des Anlegers Bedacht zu nehmen.23

Es gilt dabei der Grundsatz, je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde, desto weiter reichen die Aufklärungspflichten, wobei diese beim versierten Anleger allerdings nicht überspannt werden dürfen.24

Im gegenständlichen Fall stellt der BGH, wie oben bereits angeführt, fest, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt habe, da er keine „anlegergerechte“ – das heißt dem erklärten Anlageziel des Klägers gemäße – Beratung geleistet habe.

Zu diesem Ergebnis kommt der BGH nach rechtlicher Prüfung der Feststellungen beider Vorinstanzen, die maßgeblich auf die Würdigung der Aussage des (erstinstanzlich vernommenen) Zeugen R. -H..E., (des Sohnes des Klägers), gestützt worden sind, hatte der Kläger dem Beklagten im Beratungsgespräch doch erklärt, dass es ihm neben dem Aspekt der Steuerersparnis gerade auch darum gehe, dass das Kapital „sicher“ sei und so angelegt werden solle, dass „es für das Alter reiche“; der Zweck der Alterssicherung und -vorsorge sei dadurch ausdrücklich mitgeteilt worden.

Der BGH hatte an dieser Beweiswürdigung revisionsrechtlich nichts zu beanstanden.

Das Ziel einer sicheren Altersvorsorge wurde vom Kläger also ausdrücklich genannt und er wich auch in späteren Gesprächen, bei denen der Sohn des Kläger nicht mehr als Zeuge anwesend war, nicht mehr von diesem Ziel ab.

Weiters hielt der BGH fest, dass - ausgehend davon, dass der Kläger (ausdrücklich) auch eine „sichere“, zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage wünschte, das Berufungsgericht einen Beratungsfehler das Beklagten zu Recht schon darin gesehen hat, dass dieser dem Kläger die Anlage in dem streitgegenständlich (geschlossenen) Immobilienfonds empfohlen hat.

Dem BGH zufolge verletzt eine solche Empfehlung die Pflicht zur „anlegergerechten“, dh auf die persönlichen Verhältnisse und Anlageziele des Kunden zugeschnittene Beratung. Der BGH folgt damit der Auffassung, dass die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft ist.

Der BGH verweist hierbei auf seine Urteile vom 19. Juni 2008 – III UR 159/07 und auf das Urteil vom 19. November 2009 – III ZR 169/08 und bestätigt damit vorangegangene Urteile, die

23 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1300 Rz 96.

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geschlossenen Immobilienfonds ein Totalverlustrisiko bescheinigen und diesen durch den Status der „sicheren“ Kapitalanlage absprechen.

Zutreffend räumt der BGH zwar ein, dass bei Beteiligung an einem Immobilienfonds das Risiko eines anteilsmäßig hohen Kapitalverlusts als gering zu veranschlagen sei (dies gilt insbesondere für das Risiko eines Totalverlustes, da dem Fonds in aller Regel der Sachwert des Immobilienvermögens verbleibt), gleichwohl handle es sich hierbei allerdings um eine „unternehmerische Beteiligung“, die als solche bereits das Risiko in sich birgt, dass das eingesetzte Kapital - zumindest zum Teil - verloren geht. Dieses Risiko hänge in seinem Ausmaß unter anderem von der Eigenkapital-/ Fremdkapitalsquote, der Entwicklung der Immobilienpreise und Mieteinnahmen und den zu Grunde gelegten Wertansätzen ab.

Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass die vom Beklagten empfohlene Fondsanlage sogar - im „Extremfall“ - ein „Totalverlustrisiko“ aufwies. Eine solche Beteiligung durfte sohin keineswegs als praktisch (weitgehend) „risikofrei“ und mithin „sichere“, sohin zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage angepriesen werden.

Unter diesen Umständen hätte der Beklagte dem Kläger demgemäß die hier eingegangene Beteiligung keinesfalls empfehlen dürfen, sondern hätte - im Gegenteil - sogar hievon abraten müssen.

(Einen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger - allenfalls unter dem Eindruck entsprechend deutlicher Hinweise des Beklagten - von seinem Anlageziel einer „sicheren“, zur Altersvorsorge geeigneten Kapitalanlage abgerückt sei und sich letztlich bewusst auf eine diesem Anlageziel widersprechende Fondsbeteiligung eingelassen habe, hat der Beklagte in dem durchgeführten Gerichtsverfahren indes nicht vorgetragen.)

Somit hat der BGH einen Beratungsfehler unzweifelhaft als gegeben angenommen.

Die Kausalität des Beratungsfehlers des Beklagten für die Anlageentscheidung des Klägers und den ihm daraus erwachsenen Schaden habe, so der BGH in seinem Erkenntnis, das Berufungsgericht im Übrigen mit Recht bejaht. Allerdings richte sich, so der BGH weiter, die gegenständliche Revision ohnehin nicht gegen die Kausalität des Beratungsfehlers.

Auch für den Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Beratung und der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung. (Der BGH verweist diesbezüglich auf das Urteil vom 9. Februar 2006 – III ZR 20/05.)

(17)

In jenem Fall (Urteil vom 9. Februar 2006, Az. III ZR 20/05) stand die Beweislast bezüglich des Ursachenzusammenhangs im Zentrum: Beweiserleichterungen kommen einem Anleger zu Gute, der seine Beteiligung rückgängig machen will, wenn ein Immobilienfonds-Prospekt falsche Angaben über die an den Vermittler für den Vertrieb gezahlte Innenprovision enthält.

Und zwar wird in einem derartigen Fall zu Gunsten des Anlegers vermutet, dass der Anleger bei richtiger Aufklärung von der Zeichnung der Anlage abgesehen hätte. Das gilt selbst dann, wenn der Immobilienfonds in erster Linie als Steuerspar- Modell (vgl Rechtssache III ZR 20/05) beworben worden ist. Diese Vermutung muss dann die Gegenseite (im Urteilsfall die Vertriebsgesellschaft) entkräften. Gelingt dies dem Berater nicht, so haftet sie dem Anleger auf Schadenersatz.25

25 https://www.iww.de/wvm/archiv/geschlossene-immobilienfonds-zwei-wichtige-bgh-urteile-zur-prospekthaftung-im-ueberblick-f15074, abgerufen am 20.6.2018.

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4. Mitverschulden

Der BGH hält in seinem Urteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09 - dazu fest, die Würdigung des Berufungsgerichts, eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergebe sich nicht schon daraus, dass dieser es unterlassen hat, den ihm übergebenen Emissionsprospekt durchzulesen, um dabei auf durchgreifende Hinweise auf die fehlende Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu stoßen, den Angriffen der Revision jedenfalls stand.

Es geht dabei im Kern um den Vorwurf des Beraters gegen den Anleger, dass dieser aus den übergebenen Unterlagen selbst die Risiken hätte abschätzen können, oder anders ausgedrückt um den Vorwurf des Mitverschuldens gegen den Geschädigten.

Im Folgenden wird zunächst auf die Normierung des Mitverschuldens im österreichischen Recht eingegangen und sodann – umgehend - auf die deutsche Rechtslage.

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4.1. Mitverschulden im österreichischen Recht

Der Grundtenor des österreichischen Schadenersatzrechts wird in § 1311 S 1 ABGB ausdrücklich so festgelegt:

„Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet.“

Die Rechtslage folgt damit dem Grundsatz „casum sentit dominus“. Somit hat der Geschädigte den erlittenen Schaden, dieser Regel folgend, selbst zu tragen.26

Durchbrochen wird dieses Prinzip allerdings durch § 1304 ABGB:

„Wenn bey einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnißmäßig; und, wenn sich das Verhältniß nicht bestimmen läßt, zu gleichen Theilen.„

Darin wird also festgeschrieben, dass der Geschädigte bei Mitverschulden an der Schadensentstehung zwar nicht seinen gesamten Ersatzanspruch verliert, wohl aber eine Schadensteilung eingreift, sodass der Geschädigte vom Schädiger nur den Ersatz eines Teiles des Schadens begehren kann.27

Wird also ein Schaden nicht ausschließlich durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Schädigers, sondern auch durch eine Sorglosigkeit des Geschädigten verursacht, so spricht man in diesem Sinne von Mitverschulden.28

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass im Grunde jeder selbst Herr seiner Rechtsgüter und daher die Verletzung eigener Rechtsgüter nicht rechtswidrig ist. Daraus folgt, dass „Mitverschulden“ im eigentlichem Sinn eine dem Geschädigten vorwerfbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten darstellt.

Umgangssprachlich wird aber weiterhin oft der beschreibende Ausdruck „Mitverschulden“ verwendet.

Nach § 1304 ABGB ist ein Verschulden des Geschädigten „verhältnismäßig“ zu berücksichtigen: Wenn eine Bestimmung der Verschuldensanteile nicht möglich ist, haften Schädiger und Geschädigter „zu gleichen Teilen“. Das ABGB lehnt - wie auch das deutsche BGB - die

„Culpa-26 Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts Rz 6/204. 27 Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts Rz 6/204. 28 Rabl/Riedler, Schuldrecht Besonderer Teil6 III Rz 13/64.

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Kompensation“ (Mitverschulden führt zum Wegfall der Haftpflicht: Weder der Geschädigte noch der Schädiger können Ersatzansprüche geltend machen) ab. Die sich daraus ergebende ratio ist, dass jeder die Folgen der eigenen Nachlässigkeit selbst zu tragen hat.29

§ 1304 ABGB erfasst demnach jene Schädigung, bei welcher „zugleich“ ein Verschulden des Schädigers und ein Verschulden des Geschädigten vorliegt. Die Beteiligten sind nach Maßgabe der von ihnen „eingebrachten Schadensfaktoren“ gleich zu behandeln. Deshalb muss auch ein Fehlverhalten des Geschädigten entsprechend berücksichtigt werden; dies gebietet schon das Prinzip der Selbstverantwortung und der Prävention.30

Das „Verschulden auf Seiten des Geschädigten“ wird – wie bisher angedeutet - gemeinhin als „Mitverschulden“ bezeichnet.31

Dagegen kann man allerdings einwenden, dass der Vorwurf des Verschuldens Pflichtverletzung voraussetzt: Da eine Pflicht zur Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten jedoch nicht besteht, sollte man die Verbindlichkeiten des Geschädigten im Zusammenhang mit § 1304 ABGB daher treffender als „Obliegenheiten“ bezeichnen.32

Korrekt ist es aber auch, wenn bei § 1304 ABGB von einem Verschulden im technischen (dh unechten) Sinn gesprochen wird: Der Geschädigte verhält sich sorglos gegenüber den eigenen Gütern, die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens wird dabei nicht vorausgesetzt.33

Das Schadenersatzrecht ist zu einem großen Teil Sanktion für fehlende Sorgfalt. Das bedeutet im Umkehrschluss hingegen nicht, dass der Geschädigte verpflichtet ist, in eigenen Angelegenheiten sorgfältig zu verfahren.34

Die schadenersatzrechtlichen Konsequenzen kommen indes erst zum Tragen, wenn das sorglose Verhalten zu einer Vergrößerung des (durch Dritte verschuldeten) Schadens geführt oder im Zusammenwirken mit dem Fehlverhalten Dritter zu einer Schadensentwicklung beigetragen hat.35

29 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 1.

30 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 2.

31 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 8.

32 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 8.

33 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 8.

34 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 9.

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Zusammenfassend ist festzuhalten: „Mitverschulden“ im Sinne des § 1304 ABGB ist als Sorglosigkeit im Umgang mit eigenen Rechtsgütern zu verstehen, wobei auch vorwerfbare Untätigkeit ein Mitverschulden begründen kann. Eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten liegt allerdings nur dann vor, wenn die Schutzmaßnahme nach dem allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise von jedem Einsichtigen und Vernünftigen anzuwenden gewesen wäre.36

4.1.1. Schadenminderungspflicht des Geschädigten

Aus § 1304 ABGB ergibt sich die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist.37

Maßgebend ist stets, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine (weitere) Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegt damit stets dann vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder wenigstens zu verringern, wobei diese – objektiv betrachtet – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten (1Ob118/16h).38

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bereits klargestellt, dass der Schädiger dem Anleger, der wegen der pflichtwidrigen Anlageberatung nicht die gewünschten risikolosen, sondern risikoträchtige Wertpapiere erworben hat, grundsätzlich den Einwand der Schadensminderungspflicht entgegenhalten kann (vgl RIS-Justiz RS0120785).

Dazu wird ausgeführt, dass die Verkaufs- oder Behalteobliegenheit unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nur für „besondere Fallkonstellationen“ zu bejahen ist. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass die Kursentwicklung im Regelfall keine sicheren Schlüsse des einzelnen Anlegers auf Unternehmenswert und objektiven Wert seiner Beteiligung zulassen.39

Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht („Rettungspflicht“) zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs,

36 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 9.

37 Reischauer in Rummel, ABGB3 II/2a § 1304 Rz 37 f.

38 https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20161018_OGH0002_0010OB00118_16H0000_000, abgerufen am 21.6.2018. 39 https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20161018_OGH0002_0010OB00118_16H0000_000, abgerufen am 21.6.2018.

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sodass damit im Zusammenhang stehenden Fragen regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl RIS-Justiz RS0027787).

Ob eine „besondere Fallkonstellation“ vorliegt, nach der dem Anleger eine Verkaufs- oder Behalteobliegenheit zugemutet werden kann, richtet sich daher ausschließlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und steht damit einer allgemein gültigen Aussage des Obersten Gerichtshofs zu diesem Problem entgegen (vgl RIS-Justiz RS0042405).40

Das Verhalten des Geschädigten ist jedenfalls anspruchsmindernd iSd § 1304 ABGB zu berücksichtigen, wenn dieser es unterlassen hat, die Entstehung des Schadens abzuwenden oder die Höhe bzw den Umfang des Schadens gering zu halten. Man kann diesbezüglich also von einer „Schadensminderungspflicht“ und einer „Schadensabwendungspflicht“ sprechen.41

In Bezug auf Anlageschäden hatte der OGH bereits mehrmals Gelegenheit, die Schadensminderungspflicht von Anlegern zu konkretisieren:42

So (zuletzt) in seinem Erkenntnis vom 18.10.2016: 1 Ob 118/16h.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts war in diesem konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden, weil es im Rahmen der Schadensminderungspflicht eine Veräußerung der Zertifikate durch den Anleger für zumutbar erachtete, zumal es noch vor Eintritt eines Kursverlusts die Risikoträchtigkeit der von ihr erworbenen Anlage erkannt hatte und auch noch nach Einhaltung einer angemessenen Überlegungsfrist diese mit Gewinn veräußern hätte können.

Grundsätzlich hat der Geschädigte zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um einen unnötige Vergrößerung des Schadens zu verhindern. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die richtige Deutung von Kursschwankungen gerade (den „nichtprofessionellen“ Anlegern) zumeist Schwierigkeiten bereitet. Auch Presseberichte, die von einer „Talfahrt“ einer bestimmten AG sprechen, begründen nicht die Verpflichtung, die Beteiligung (an dieser) zu veräußern. Eine abwartende Haltung kann daher im Allgemeinen hier nicht als eine Verletzung der Schadensminderungspflicht qualifiziert werden.43

Kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht wegen Nichtannahme eines Vergleichsvorschlags liegt außerdem vor, wenn dem Geschädigten zugebilligt werden muss, sich allfällige Ansprüche gegen die im Vergleichsanbot genannten juristischen oder natürlichen

40 https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?

Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20161018_OGH0002_0010OB00118_16H0000_000, abgerufen am 21.6.2018.

41 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 10.

42 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 18.

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Personen vorzubehalten, allfällige höhere Prozesschancen in Relation zum eher niedrigen Vergleichsangebot zu prüfen, wobei die Annahme des Vergleichsangebots die Gefahr in sich geborgen hätte, die (im vorliegenden Verfahren) geltend gemachten Ansprüche gegen das Beratungsunternehmen zu verlieren.44

4.1.2. Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Mitverschuldens

Die grundsätzlichen Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, um den Einwand des Mitverschuldens zu rechtfertigen, werden im Folgenden erörtert:

Eine Pflichtverletzung des Geschädigten ist nur dann relevant, wenn sie für die Entwicklung des Schadens kausal geworden ist45, also wenn sie nicht weggedacht werden kann, ohne das der

Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Der Kausalzusammenhang muss adäquat sein, dh er darf nicht gänzlich außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegen.

Ebenso ist der Schutzzweck der verletzten Norm zu prüfen und die Zurechnung der Schadensfolgen entsprechend zu begrenzen („Mitverschuldenszusammenhang“).46

§ 1304 ABGB setzt schließlich voraus, dass ein Verschulden auf Seiten des Beschädigten selbst vorliegt. Es handelt sich dabei tatsächlich aber, wie oben bereits ausgeführt – in diesem Zusammenhang - um eine Nachlässigkeit des Verletzten beim Umgang mit eigenen Gütern. Bedeutsam ist vor allem, ob und in welchem Maß ein Fehlverhalten des Verletzten den Eintritt des Schadens wahrscheinlich gemacht hat. Der Umstand, dass sich der Geschädigte – ex post betrachtet – nicht richtig verhalten hat, bedeutet nicht eo ipso, dass ihn der Vorwurf eines Mitverschuldens trifft. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden.47

44 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 18.

45 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 22.

46 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 24.

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4.1.3. Rechtsfolgen des Mitverschuldens

Die Folge, die § 1304 ABGB anordnet, besteht darin, dass der Schaden „verhältnismäßig“ aufzuteilen ist. Maßgebend hierfür sind die Verschuldensanteile von Schädiger und Geschädigtem. Wenn sich dieses Verhältnis nicht bestimmen lässt, soll der Schädiger die Hälfte des Schadens ersetzen.48

Die Berücksichtigung des Mitverschuldens eines Geschädigten führt zu einer Aufteilung des Schadens nach Quoten. Von diesem Prinzip lässt die Rsp Ausnahmen zu.49

Der Schädiger soll den Schaden allein tragen, wenn die Abwägung ergibt, dass der Verschuldensanteil des Geschädigten nur „sehr geringfügig“ ist.50

Es kann aber auch nach der Rsp des OGH das „ weitaus überwiegende“ Verschulden einer Partei die Haftung des anderen Teils zur Gänze aufheben, dh der Geschädigte hat den Schaden allein zu tragen.51

Das Mitverschulden des Geschädigten ist zwar nicht von Amts wegen zu berücksichtigen; der Einwand des Mitverschuldens muss jedoch auch nicht ausdrücklich erhoben werden.52 Es genügt,

wenn sich dem (in erster Instanz erstatteten) Vorbringen des Schädigers eine entsprechende Behauptung entnehmen lässt; ohne entsprechende Einwendung (in erster Instanz) darf auf das Mitverschulden des Geschädigten jedenfalls nicht Bedacht genommen werden.53

Dh die bloße Bestreitung der Schadenersatzforderung reicht jedenfalls für die Prüfung eines nicht eingewendeten Mitverschuldens nicht aus. Allerdings impliziert die Einwendung des Alleinverschuldens des Geschädigten sehr wohl auch die Einwendung dessen Mitverschuldens. Die Einwendung der Verletzung der Schadensminderungspflicht betrifft die Schadenshöhe, nicht den Anspruchsgrund (und hindert demnach nicht die Fällung eines Zwischenurteils).54

Dem Schädiger obliegt die Behauptungs- und Beweislast in Bezug auf das Mitverschulden des Geschädigten; dh der Schädiger hat nachzuweisen, das sich der Geschädigte gegenüber eigenen Rechtsgütern sorglos verhalten hat. Ebenso trifft den Schädiger die Beweislast für die Verletzung der Schadensminderungspflicht.55

48 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 34.

49 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 38.

50 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 40.

51 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 100.

52 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 100.

53 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 100.

54 Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 6 § 1304 Rz 100.

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4.2. Mitverschulden im deutschen Recht

Im Folgenden soll erörtert werden, wie sich „Mitverschulden“ nach dem deutschen BGB gestaltet, wobei sich die deutschen Normen (zum „Mitverschulden“) inhaltlich weitgehend mit der (bereits beschriebenen) österreichischen Norm decken.

Regelungen zu Mitverschulden finden sich in § 254 BGB:

„(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.“

§ 254 BGB beruht (ebenso wie insbesondere § 1304 ABGB) auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Dinge erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder eine Kürzung des Schadenersatzanspruches hinnehmen muss.56

Das deutsche BGB folgt mit einer „elastischen“, (idR auf Schadensteilung abzielenden) Regelung im Wesentlichen dem Vorbild des französischen, des schweizerischen aber auch des österreichischen Rechtes.57

56 Unberath in Bamberger/Roth, BGB3 1 § 254, Rz 1.

57 Schiemann in J. vonStaudinger, Kommentar zum BGB mit Einführungsgesetz und Nebengesetze 2 § 254 Rz 1.

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4.2.1. Deutsche Rechtsprechung zum „Mitverschulden“ im Lichte des Urteils des BGH vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09

„Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlageberaters oder der unrichtigen Auskunft eines Anlagevermittlers ergibt sich nicht schon allein daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den ihm überreichten Emissionsprospekt durchzulesen und auf diese Weise die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder -vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.“

So lautet der Leitsatz des BGH in seinem Urteil vom 8. Juli 2010. Im Lichte dessen hatte nicht nur die Revision des beklagten Anlageberaters keinen Erfolg, sondern es bezog der BGH damit auch Stellung in einer Meinungsverschiedenheit, die bis dahin zwischen verschiedenen deutschen Oberlandesgerichten herrschte.

Bevor sich der deutsche BGH als oberste Instanz in Zivilrechtssachen in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Fall beschäftigen konnte, herrschte nämlich ein Dissens in der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte.

Zusammenfassend stellt der BGH darin Folgendes klar: 1. Der Beklagte hat den Kläger nicht anlagegerecht beraten. 2. Der Schadenersatzanspruch ist nicht verjährt.

3. Der Beklagte hat das Vorliegen der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen nicht bewiesen.

4. Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers ergibt sich nicht daraus, dass er den ihm übergebenen Anlageprospekt nicht gelesen hat.

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4.2.2. Zur Verjährungsproblematik in der Rechtssache II ZR 249/09 (Urteil vom 8. Juli 2010)

Im Jahre 1999 entstand mit dem Erwerb der vom Beklagten empfohlenen Beteiligung der Schadenersatzanspruch. Der Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen Kapitalanlage kann für sich allein genommen schon einen Schaden darstellen und ihn deshalb – unabhängig von der Werthaltigkeit der Anlage – dazu berechtigen, im Wege des Schadenersatzes die Rückabwicklung zu verlangen; der Schadenersatzanspruch entsteht dann schon mit dem Erwerb der Kapitalanlage. Gemäß § 195 BGB gilt eine dreijährige Regelverjährung.58

Der Lauf dieser Frist beginnt, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder seine diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen.

Auch nach dem österreichischem Recht beginnt die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche mit Bekanntwerden von Schaden und Schädiger.

Für eine dahingehende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers trägt der Beklagte als Schuldner die Darlegungs- und Beweislast.

58 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

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4.2.3. Zur grob fahrlässigen Unkenntnis des Anlageprospekts durch den Anleger

„Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergibt sich nicht schon daraus, dass dieser es unterlassen hat, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzulesen und hierbei die fehlende Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu erkennen.“

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner (eigenen) Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können. Ihn trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben. Wenn der Anlageinteressent den ihm überlassenen Anlageprospekt nicht durchgelesen hat, genügt dies für sich allein noch nicht, um die grob fahrlässige Unkenntnis eines Beratungsfehlers zu begründen.59

Diese Frage wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht einheitlich beantwortet.60

Eine Ansicht hält es für einen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigenden schweren Verstoß gegen die Gebote des eigenen Interesses des Anlageinteressenten, wenn er es unterlässt, den Anlageprospekt durchzulesen.61

Die Gegenansicht verweist demgegenüber darauf, dass der Anlageinteressent regelmäßig auf die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der ihm erteilten Anlageberatung vertrauen dürfe.62

Einerseits kommt dem Anlageprospekt in aller Regel sehr wohl eine große Bedeutung für die Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage zu. Sofern der Prospekt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen worden ist, kann die Aushändigung des Prospekts im Einzelfall ausreichen, um den Beratungs- und Auskunftspflicht Genüge zu tun; es liegt daher jedenfalls zweifellos im besonderen Interesse des Anlegers, den Prospekt eingehend

59 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

60 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite417.

61 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

62 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

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durchzulesen.63

Andererseits misst nach allgemeiner Lebenserfahrung der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder -vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei.64

Die Prospektangaben, die notwendigerweise allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben „seines“ Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein „grobes Verschulden gegen sich selbst“ zu sehen.65

In einem derartigen Fall begründet die Nichtlektüre des Prospekts also kein Mitverschulden des Anlegers oder - anders ausgedrückt - das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Berater und dem Anleger wiegt hier schwerer als die oft als bloße „Formalität“ empfundene Übergabe eines Emissionsprospekts an den

Anleger.

Dazu kommt, dass die Argumente, die für ein Investment sprechen, wohl aus dem Munde eines „Experten“ für den Anleger überzeugender wirken, als die oft relativierenden Angeben in einem Prospekt.

Eine andere Betrachtungsweise stünde auch in einem Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des BGH in der Frage des anspruchsmindernden Mitverschuldens. Hiernach kommt ein Mitverschulden des Anlageinteressenten im Falle eines Schadenersatzanspruchs wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten nur unter besonderen Umständen zur Anrechnung, weil sich der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen darf. Zum anderen würde sie den Anleger unangemessen benachteiligen und seinen Schadenersatzanspruch oftmals ins Leere laufen lassen. Denn die Risiken und Nachteile einer Kapitalanlage wirken sich vielfach erst einige Jahre nach dem Erwerb finanziell spürbar aus.

63 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

64 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

65 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 417.

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Fiele dem Anleger bereits die unterbliebene Lektüre des Anlageprospekts zur Last, so wäre sein Schadenersatzanspruch häufig schon verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage überhaupt für ihn „bemerkbar“ machen und er sich daher veranlasst sieht, die Richtigkeit der von ihm von einem Anlageberater oder -vermittler gegebenen Empfehlungen und Auskünfte zu hinterfragen. Die Beurteilung der Sachlage, es habe kein dringender, den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis rechtfertigender Anlass für die Lektüre des Anlageprospekts bestanden, ist somit nicht zu beanstanden.66

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass der Anlageprospekt zwar im Einzelfall ausreichen kann, um den Aufklärungspflichten des Anlageberaters bzw -vermittlers zu genügen, dass der Prospekt aber insoweit keine „Pflichtlektüre“ ist, zumal es keine grobe Fahrlässigkeit begründet, wenn der Anleger den Prospekt nicht liest. (Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass dies anders sein kann, wenn der Anleger einen dringenden Anlass hat, den Prospekt zu lesen.)67

Mit Urteil vom 22. Juli 2010 (Az. III ZR 203/09)hat sich der III. BGH-Zivilsenat zu dem Umstand, dass eine grobe Fahrlässigkeit allenfalls dann vorliegt, wenn sich der dringende Anlass auf die konkrete Pflichtverletzung bezieht Stellung genommen, wobei der Leitsatz dieses Urteils lautet:68

„Erhält ein Kapitalanleger Kenntnis von einer bestimmten Pflichtverletzung des Anlageberaters oder -vermittlers, so handelt er bezüglich weiterer Pflichtverletzungen nicht grob fahrlässig, wenn er die erkannte Pflichtverletzung nicht zum Anlass nimmt, den Anlageprospekt nachträglich durchzulesen, auch wenn er bei der Lektüre des Prospekts Kenntnis auch der weiteren Pflichtverletzungen erlangt hätte.“

In jenem Fall war der Schadensatzanspruch des Klägers wegen einer Aufklärungspflichtverletzung verjährt. Von weiteren Aufklärungspflichtverletzungen hatte der dortige Kläger aber erst später nämlich, in noch nicht verjährter Zeit, Kenntnis erlangt. Das Berufungsgericht (OLG München, Urteil vom 17. Juni 2009, Az.: 20 U 567/08) hatte den hierauf gestützten Schadenersatzanspruch des Klägers als verjährt behandelt. Der Kläger hätte aufgrund der ersten Pflichtverletzung Anlass gehabt, den Prospekt zu lesen; dabei hätte er auch die weiteren Pflichtverletzungen erkennen können.69

66 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seiten 417, 418.

67 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

68 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

69 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

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Der III. BGH-Zivilsenat hat dieser Ansicht zu Recht widersprochen: Selbst wenn ein Anleger aus Anlass der Entdeckung einer Pflichtverletzung Anlass gehabt habe, den Prospekt zu studieren, beschränke sich dies nur auf etwaige, die konkrete Pflichtverletzung unmittelbar betreffende Passagen. Den Anleger treffe keine Obliegenheit, bei Entdeckung eines Fehlers den Anlageprospekt vorsorglich auf mögliche weitere Fehler durchzuarbeiten. Unterlasse er es allerdings grob fahrlässig, sich trotz eines konkreten Anlasses über einen bestimmten Umstand zu informieren, werde er so behandelt, als hätte er hiervon Kenntnis.70

Der Zusammenhang zwischen Obliegenheitsverletzung und Unkenntnis fehlt aber bei solchen Informationen, die der Anleger nicht gezielt hätte suchen müssen.71

Diese Ergänzung ist die logische Konsequenz der gefestigten BGH-Rechtsprechung, nach der jede Pflichtverletzung selbständig zu behandeln ist und deshalb auch die subjektiven Verjährungsvoraussetzungen für jede Pflichtverletzung getrennt vorliegen müssen (siehe dazu BGH im Urteil vom 9. November 2007, Az.: V ZR 25/07 und BGH im Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: XI ZR 171/08).72

Dem geschädigten Anleger bleibt es unbenommen, eine ihm bekannt gewordene Pflichtverletzung hinzunehmen und von einer Klage abzusehen, ohne Gefahr zu laufen, dass deshalb Ansprüche aus weiteren - ihm unbekannten - Pflichtverletzungen zu verjähren beginnen.73

(Denn die Verjährungsfrist, die in der Regel drei Jahre dauert, beginnt, wie bereits angegeben, mit dem Bekanntwerden des Schadens und des Schädigers.74)

Somit kann es dem Anleger auch nicht als grobe Fahrlässigkeit angerechnet werden, wenn er die ihm bekannte Pflichtverletzung nicht zum Anlass nimmt, den Prospekt zu lesen oder sonstige Nachforschungen über weitere, ihm unbekannte Pflichtverletzungen anzustellen.75

70 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

71 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

72 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

73 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

74 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

75 Maier, Anlageprospekt ist keine Pflichtlektüre im Sinne der subjektiven Verjährungsvoraussetzungen, Verbraucher und Recht 11/2010 Seite 418.

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5. Die Rechtsprechung des österreichischen OGH zum Mitverschulden des Anlegers bei Beratungsfehlern:

Im Folgenden soll anhand ausgewählter Entscheidungen des österreichischen OGH erörtert werden, wie sich in die Rechtslage in Österreich darstellt.

5.1. Allgemeines:

Die zeitlich letzten Entscheidungen bestätigten den einhelligen Tenor76:

„Bei fehlerhafter Anlageberatung kann grundsätzlich ein Mitverschulden in Betracht kommen, wenn dem Kunden die Unrichtigkeit der Beratung hätte auffallen müssen, sei es aufgrund eigener Fachkenntnisse, oder weil er deutliche Risikohinweise nicht beachtet und Informationsmaterial nicht gelesen hat.“

Diese Ansicht hat der OGH in seinen Entscheidungen 8 Ob 132/10k vom 29.6.2011, 2 Ob 198/11y vom 22.12.2011, 2 Ob 99/16x vom 27.4.2017, 7 Ob 95/17x vom 29.112017, 3 Ob 167/17f vom 25.10.2017 und 1 Ob 112/17b vom 29.11.2017 bereits mehrfach bekräftigt.77

76 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seite 214. 77 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seiten 213, 214

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5.2. Die Entscheidung 2 Ob 133/16x vom 28.9.2017

Besonders erwähnenswert hierzu erscheint mir die Entscheidung des OGH 2 Ob 133/16x vom 28.9.2017, und zwar, weil es meines Erachtens eine besondere Nähe zu der vom deutschen BGH entschiedenen Rechtssache aufweist.

Der Tenor von 2 Ob 133/16x lässt sich wie folgt zusammenfassen:

„Vertraut ein wirtschaftserfahrener Anleger „blind“ auf die Zusicherungen seines Beraters und ignoriert er Risikohinweise in ihm ausgehändigten Unterlagen, so liegt ein

erhebliches, zumeist gleichteiliges Mitverschulden vor. Bei unerfahrenen Anlegern liegt unter vergleichbaren Umständen entweder gar kein Mitverschulden vor oder ein geringeres, das zumeist mit einem Drittel zu bewerten ist.“78

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin zeichnete nach Beratung durch den Beklagten Kommanditbeteiligungen. Der Beklagte übergab der Klägerin ein „Anspar- und Anlagekonzept“, wobei er der Klägerin erklärte, dass die „Produktlinie R“ ihre Anforderungen zu 98% erfülle. Des Weiteren übergab er ihr eine Mappe mit Unterlagen, wie Kapitalmarktprospekte und Produktinformations- CDs, welche die Klägerin aber nicht durchlas, sondern sich vielmehr ausschließlich auf die Beratung durch den Beklagten verließ.

Danach fasste die Klägerin ihren Anlageentschluss und tätigte die erwähnten Abschlüsse.

Im gegenständlichen Fall enthält jeweils die zweite Seite des Vertragsformulars ua einen mit der Überschrift „Erfolgte Rechtsbelehrung“ versehenen Abschnitt mit folgendem – teilweise fett gedrucktem – Text:

„Eine Aufklärung über die mit der Beteiligung verbundenen Risiken, wie sie auch im Prospekt enthalten sind, wurde durch den Vermittler vorgenommen. Ich bin daher mit den Risiken der

Beteiligung vertraut und habe diese zustimmend zur Kenntnis genommen.

Der wirtschaftliche Verlauf der Beteiligung hängt von verschiedenen, in der Zukunft liegenden Ereignissen ab. Mir ist bewusst, dass es sich um eine langfristige Kapitalanlage mit

unternehmerischen Charakter handelt, die besondere Chancen bietet, im ungünstigsten Fall

aber auch zu einem Totalverlust meines eingesetzten Kapitals führen kann.

(34)

Es handelt sich insbesondere nicht um eine festverzinsliche Kapitalanlage. Von großer Bedeutung ist daher insbesondere das Kapitel des Veranlagungsprospekts, worin die Risiken der Beteiligung umfassend beschrieben sind. Ich habe die Empfehlung, im Hinblick auf die auf die wirtschaftlichen und steuerlichen Auswirkungen der Beteiligung auf meine persönliche Situation einen Berater meines Vertrauens zu konsultieren, zur Kenntnis genommen.“

Der Beklagte las der Klägerin diese „Risikobelehrung“ nicht vor. Er hatte den Vertrag bereits ausgefüllt und erklärte der Klägerin, dass sie nur dort unterschreiben müsse, wo er ein „Kreuzerl“ gemacht habe (ua unter die „Risikobelehrung“). Das tat die Klägerin auch. Darüber hinaus unterfertigte die Klägerin weitere Bestätigungen, die Risikohinweise enthielten. Über ein Totalverlustrisiko wurde sie im Beratungsgespräch mit dem Beklagten nicht aufgeklärt. Wäre dies geschehen, hätte sie die Investition nicht getätigt.79

Der Beklagte informierte die Klägerin über die Dauer der Bindung und dass sie über die Laufzeit der Veranlagung 7% Zinsen erhalte. Das Geld sollte sie jedoch jederzeit „herausnehmen“ können. Letzteres war für die Klägerin wichtig, weil sie eine Eigentumswohnung verkaufen und eine neue kaufen wollte. Der Beklagte erklärte ihr, dass dies möglich sei, sie würde bei vorzeitiger „Herausnahme“ des Geldes nur die Zinsen verlieren. Er wies sie weiters darauf hin, dass sie die Beteiligungen jederzeit verkaufen könne und dass dies binnen drei Monaten möglich sei. Über die Bedeutung der vereinbarten Agios wurde die Klägerin ebenfalls nicht aufgeklärt.

Bei der Anlage handelt es sich um eine mitunternehmerische Beteiligung. Solche unternehmerische Beteiligungen bergen stets auch ein Verlustrisiko bis hin zum Totalverlust der Anlage.80

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab. Die Begründung lautete, dass die Klägerin in eigenen Angelegenheiten sorglos gehandelt hat, also dass sie Mitverschulden trifft. Die Klägerin habe das Infomaterial nicht gelesen, die Risikohinweise nicht beachtet und das „irreal hohe“ Gewinnversprechen von 7 % Zinsen nicht hinterfragt. Infolge der Unerfahrenheit der Klägerin bei der Veranlagung von Finanzen sei ihr Mitverschulden aber nur mit einem Drittel zu gewichten.81

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Jedoch sei die außerordentliche Revision zulässig, da die Rechtsansicht des Berufungsgerichts bezüglich Naturalrestitution von Schadenersatzanprüchen in

79 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seite 213. 80 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seite 213. 81 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seite 213.

(35)

Widerspruch zu einer jüngeren Rechtsprechung des OGH steht.82

Im Zuge dieser außerordentlichen Revision beschäftigte sich der OGH mit der Entscheidung des Berufungsgerichts und der darin aufgeworfenen Frage nach dem Mitverschulden der Anlegerin, da sie dieses Informationsmaterial nicht gelesen, Risikohinweise nicht beachtet und hohe Gewinnversprechen nicht kritisch hinterfragt habe.

Zum Mitverschulden stellt der OGH fest:

„Bei fehlerhafter Anlageberatung kann grundsätzlich ein Mitverschulden in Betracht kommen, wenn dem Kunden die Unrichtigkeit der Beratung hätte auffallen müssen, sei es aufgrund eigener Fachkenntnisse, oder weil er deutliche Risikohinweise nicht beachtet und Informationsmaterial nicht gelesen hat. Diese Ansicht des OGH wurde in den Entscheidungen 8 Ob 132/10k vom 29.6.2011, 2 Ob 198/11y vom 22.12.2011 und 2 Ob 99/16x vom 27.4.2017 bereits mehrfach ausgesprochen.“83

Auch die letzten Entscheidungen 7 Ob 95/17x vom 29.11.2017, 3 Ob 167/17f vom 25.10.2017 und 1 Ob 112/17b vom 29.11.2017 widersprechen dieser Ansicht nicht.

Die Behauptungs- und Beweislast für allfälliges Mitverschulden des Anlegers trifft den Beklagten, da ja er auch derjenige ist, welcher von einer allfälligen Schadensteilung zwischen ihm und dem Kläger profitiert. Auch dies wurde im Urteil 2 Ob 133/16x klargestellt.

82 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seite 213. 83 Bollenberger/Kellner, ÖBA 3/2018 Seite 213.

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