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S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T - U N D W E I N B A U 2 2 / 1 5
K U R Z - I N F O
Arbeiten im Keller
Bereits zwei Topjahrgänge im 21. Jahrhundert!
In den Jahren 2003 und 2015 wurden die Reben von der Sonne verwöhnt. Die Trauben lagerten viel Zucker ein und die Reife war optimal. Aber die Reben litten in beiden Jahrgängen auf- grund der langen Trockenperioden zum Teil unter Trocken- stress, was zur Anreicherung von Indolessigsäure (IES) führen kann. IES ist eine Vorstufe von 2-Aminoacetophenon, der Hauptsubstanz, die zum sogenannten UTA (UnTypischer TT Alterungston) führt. Vor der Abfüllung des Jahrgangs 2015 sollte deshalb vor allem bei Weissweinen ein UTA-Schnelltest durchgeführt werden. Bei Verdacht, dass ein Wein UTA anfäl- lig sein könnte, kann bis 150 mg/L Ascorbinsäure (Vitamin C) zugegeben werden.
2003 wurden sowohl in Traubensaft als auch in Jungwei- nen pH-Werte weit über 3.4, teilweise bis 4.0 gemessen. Eine Ansäuerung war in den meisten Fällen unumgänglich. Dage- gen lagen 2015 die Werte sowohl im Traubensaft als auch im Jungwein unter pH 3.4. Das heisst, dass die Entwicklung von unerwünschten Milchsäurebakterien nicht zu befürchten ist.
Es gibt natürlich auch hier Ausnahmen, zum Beispiel Gara- noir und Gamaret, bei denen die pH-Werte meist höher liegen als bei anderen Sorten.
Zur Erinnerung …
O Solange die erwünschten mikrobiologischen Vorgänge nicht abgeschlossen sind, darf die Temperatur im Keller nicht zu tief absinken. Für den biologischen Säureabbau (BSA) sind 18 °C bis 20 °C ideal. Aus qualitativer Sicht ist es besser, die Temperatur nach der Gärung auf diesem Niveau zu halten, als sie absinken zu lassen und dann den Wein wieder aufzuheizen.
O Ein wichtiger Stabilitätsfaktor ist der pH-Wert. Bekanntlich können sich unerwünschte Milchsäurebakterien über pH 3.4 gut entwickeln. Dieser Wert wird in unserer Region in den meisten Weinen nach dem BSA erreicht oder überschritten.
O Mit dem Einsatz einer Starterkultur kann der BSA gefördert werden und man hat grössere Sicherheit, dass die «richti- gen» Bakterien am Werk sind.
O Man sollte sich vergewissern, ob kein Restzucker mehr vor- handen ist, oder aber Weine, die nicht ganz durchgegoren sind, besonders gut überwachen. Pediokokken produzie- ren aus dem Restzucker Milchsäure, Lactobacillen Essig-
säure. Hohe Milchsäuremengen können nicht mehr ent- fernt werden. Essigsäure wirkt sich ab etwa 0.7 g/L senso- risch negativ aus und führt ab 1.0 g/L bei den meisten Hefen zu Gärstockungen. Die genannten Bakterien können sich selbst dann noch entwickeln, wenn vorher ein vollständi- ger Säureabbau mit Oenococcus oeni stattgefunden hat. Die Oenococcus oeni Entwicklung läuft meist schleichend und bleibt oft unbe- merkt, bis es zu spät ist.
O Auch bei Weinen, die für den Barriqueausbau vorgesehen sind, lohnt sich eine mikrobiologische Kontrolle. Durch die
«Portionierung» eines grösseren Postens Wein auf viele kleine Gebinde wird die Überwachung schwieriger.
O Eine regelmässige Kontrolle auf Mikroorganismen ist auch besonders bei Weinen zu empfehlen, die nach dem BSA nicht sofort stabilisiert, sondern noch auf der Feinhefe aus- gebaut werden. Im Hefegeläger ist der pH-Wert durch die Autolyse der Hefezellen etwas höher und das Nährstoff- angebot für Bakterien gross.
O Nach dem BSA sollte die freie schwefl ige Säure auf über 30 mg/L stabil über zwei bis drei Wochen aufgestockt wer- den. Eine Vorfi ltration ist ebenfalls angebracht.
O «Ein bisschen Brett ist nett» – aber diese «Brett-Aromatik»
darf im Wein nicht zu dominant sein. Gerade in so warmen Jahren wie 2015 ist eine erhöhte Population von Brettanomy- ces bruxellensis zu erwarten – sie mögen es heiss. Sobald ces bruxellensis
die typische Brett-Aromatik im Wein wahrgenommen wird, ist eine Behandlung mit «No Brett Inside» (Lallemand) an- gebracht. Die wirksame Substanz in diesem Präparat ist Chitosan aus Austernschalen. Es bindet spezifi sch Bretta- nomyces spp. Zellen. Der Einsatz wird aber erst empfohlen, wenn alle erwünschten mikrobiologischen Prozesse abge- schlossen sind.
O Wir hoffen, dass dieses Jahr nicht wie 2003 die uner- wünschten Pediococcus parvulus auftreten, die Glycerin Pediococcus parvulus zu Propenal (Acrolein) abbauen; bei dessen Reaktion mit Anthocyanen entsteht ein Bitterton. Die andern für Pedio- coccus spp. typischen unerwünschten Substanzen werden in diesem Fall auch gebildet. Der Wein wird aber nicht
«lind» wie bei der Anwesenheit von Pediococcus damnosus.
O Und was tun bei Gärstockungen? Sofort die Weinhefe 1895C einsetzen!
Es chund scho guet! Jürg Gafner, Agroscope Q
Unerwünschte Bakterien: Pediokokken (entweder
Pediococcus damnosus, Pediococcus parvulus
oderPediococcus pentosaceus
).Pediococcus pentosaceus Pediococcus pentosaceus
Ebenfalls unerwünscht: Lactobacillen (entweder
Lacto- bacillus brevis
oderLactobacillus hilgardii)
.(Fotos: Monika Volkan, Agroscope)