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Archiv "Notizen von der Nobelpreisträger-Tagung" (17.09.1987)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Notizen von der

Nobelpreisträger-Tagung

D

ie Angst vor allem, was irgend- wie mit Radioaktivität und Strahlung zu tun hat, ist in der Be- völkerung weit verbreitet. Zum Teil ist sie so groß, daß auch die medizi- nische Anwendung, also die Nu- klearmedizin, bereits abgelehnt wird. Auf der diesjährigen 37. Ta- gung der Nobelpreisträger in Lindau warnte Frau Professor Rosalyn S.

Yalow (Bronx/USA) nachdrücklich vor dieser Entwicklung. Radioakti- vität und Strahlung seien nämlich für unsere Gesundheit und für unser Wohlergehen von großer Bedeu- tung. Und es wäre „tragisch, wenn eine panische Angst vor der Strah- lung dazu führen würde, daß wir die- se Vorteile nicht mehr nutzen könn- ten. " Werde Radioaktivität und Strahlung sinnvoll eingesetzt, kön- nen sie in der Diagnostik und Thera- pie viel Gutes leisten und überdies die medizinische Forschung stimu- lieren.

Frau Yalow erinnerte in Lindau beispielsweise an den von ihr ent- wickelten Radioimmunassay (RIA), eine Methode, mit der sich winzigste Spuren biologisch interessanter Stof- fe — z. B. Hormone, Enzyme, Ei- weißkörper — noch in einem einzigen Tropfen Blut nachweisen lassen. Bei diesem relativ einfachen und schnel- len Test werden radioaktiv markier- te Reagenzien verwendet. Im übri- gen aber basiert er auf Vorgängen, die bei der Abstoßung von Trans- plantaten oder bei der körpereige- nen Abwehr von Infektionen eine Rolle spielen. Diese Vorgänge, bei denen körperfremde Stoffe aufge- spürt, erkannt und schließlich „ver- nichtet" werden, wurde von der Laureatin zur quantitativen Bestim- mung interessanter biologischer Substanzen im Reagenzglas ausge- baut. Dieses neue Nachweisverfah- ren wird heute in vielen tausend La- boratorien auf der ganzen Welt ein- gesetzt, um Hunderte von Substan- zen im Blut und in anderen Körper- flüssigkeiten nachzuweisen. So kön-

nen jetzt zahlreiche Krankheiten lange vor ihrem eigentlichen Aus- bruch bereits erkannt werden. Und diese Früherkennung bedeutet für die Behandlung zahlreicher Krank- heiten einen unschätzbaren Vorteil.

RIA gilt seit langem als eine Standardmethode der klinischen Medizin. So wird der Test zum Nachweis von Viren im Blut einge- setzt, die nach einer Bluttransfusion die so gefürchtete Gelbsucht hervor- rufen. Aber auch die Erreger der Immunschwäche AIDS können mit seiner Hilfe nachgewiesen werden.

Bei der Vorsorgeuntersuchung Neu- geborener wird dieser Test in Ame- rika ebenfalls mit großem Erfolg eingesetzt. Gewisse Unterfunktio- nen der Schilddrüse lassen sich mit seiner Hilfe schon so früh erkennen, daß rechtzeitig mit der Behandlung begonnen werden kann. Werden diese Fehlfunktionen nämlich nicht innerhalb von drei Monaten nach der Geburt erkannt, lassen sich die Folgeschäden — Zurückbleiben in der geistigen Entwicklung — nicht mehr beheben. In den USA kommt diese spezielle Erkrankung bei einer von achttausend Geburten vor. Die Liste der Krankheiten, die Frau Yalow in Lindau zeigte, ist weitaus größer. Sie enthält auch weniger die Leiden, die mit den konservativen diagnostischen Verfahren sicher und zuverlässig erkannt werden können, als vielmehr seltenere Krankheiten, denen die Medizin bislang hoff- nungslos gegenüberstand.

Angesichts der gesteigerten Angst vor Strahlung gerät der Ein- satz von radioaktiv markierten Stof- fen bei dieser im Reagenzglas durch- geführten Analyse genau so wie die klinische Diagnose und Therapie mit Röntgenstrahlen und radioaktiven Isotopen öffentlich in Mißkredit.

Auf ein klinisch sehr interessan- tes Problem der Strahlenbehandlung ging in Lindau Professor Allan M.

Cormack (Medford/USA) ein. Im Jahre 1979 hat er gemeinsam mit

dem Briten Godfrey Newbold Hounsfield den Medizin-Nobelpreis für die Entwicklung der Computer- Tomographie erhalten. Dieser medi- zin-technische Fortschritt knüpft un- mittelbar an Röntgens Erfindung an und hat sich, wie der Radioimmun- assay, in der Medizin sehr schnell durchgesetzt. Die Computer-To- mographie ermöglicht es dem Arzt, in den menschlichen Körper zu blik- ken und so krankhafte Veränderun- gen zu erkennen. Die Bilder aus dem Körperinneren sind einmalig und faszinieren, sie liefern eine Fülle von wertvollen Informationen. Bei diesem neuen Verfahren bedient man sich der Röntgenstrahlen.

Wenn auch die Strahlenbelastung durch technische Tricks inzwischen wesentlich reduziert werden konnte, so ließ sich bislang das Risiko doch nicht vollständig ausschalten. So hat sich Professor Cormack in den letz- ten Jahren immer wieder mit der Reduzierung des Strahlenrisikos be- faßt. In Lindau vermittelte er einen interessanten Einblick in seine For- schungen, die sich nicht nur auf die Verbesserung der diagnostischen Geräte beschränkt.

In der Krebstherapie spielt be- kanntlich die Nachbestrahlung eine große Rolle. Dabei wird aber nicht nur der Krebsherd getroffen, son- dern in der Regel auch gesundes Ge- webe. Aber diese gesunden Zellen möchte der Arzt auf keinen Fall schädigen.

Ionisierende Strahlen werden in der Krebstherapie schon seit langem eingesetzt, weil sie Zellen, die sich rasch vermehren, schneller abtöten als normale Zellen. Krebszellen ver- mehren sich rasch und sind deshalb gegen Strahlung empfindlicher als gesunde Zellen. Für die Strahlen- therapie kommen vor allem soge- nannte schwere Ionen in Betracht.

Da sie jedoch nur mit einem großen technischen Aufwand in Beschleuni- gern erzeugt werden können, wer- den — so Professor Cormack — in den nächsten zwanzig Jahren wohl noch 95 Prozent der Patienten mit Rönt- genstrahlen behandelt werden. Die Röntgenbestrahlung allerdings ist — obwohl schon „uralt" — noch mit ei- nigen Schwierigkeiten behaftet. Bei der heute meist angewandten Rota- A-2462 (54) Dt. Ärztebl. 84, Heft 38, 17. September 1987

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tionstherapie wird der Patient als idealisierter gleichförmiger Zylinder oder als Kugel betrachtet. Durch Drehung von zwei Strahlen aus ent- gegengesetzter Richtung um den Pa- tienten herum stellt man sicher, daß der als kreisförmiges Gebilde im In- nern angenommene Tumor eine konstante Dosis erhält und das nor- male gesunde Gewebe überall einer geringeren Dosis ausgesetzt ist.

Doch die Patienten sind keine Zylin- der oder Kugeln, und die Tumore sind in der Regel weder kreisrund noch befinden sie sich genau in der Mitte des Zylinders oder der Kugel.

Welche Dosis soll der Patient erhal- ten? Soll die Dosis für das gesunde Gewebe möglichst gering sein?

Kann man vielleicht ein gesundes Organ zur Hälfte opfern, um so ein anderes Organ funktionsfähig zu halten, oder sollte die Dosis gleich- mäßig auf beide Organe verteilt wer- den? Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigen sich derzeit Wissenschaftler in der Arbeitsgrup- pe von Cormack. Wenn sich auf- grund dieser Untersuchungen auch das Strahlenrisiko reduzieren läßt,

ganz auf die Bestrahlung wird die Medizin in Zukunft nicht verzichten können. Im Interesse der vielen tau- send Patienten wäre es auch unver- antwortlich, wenn aufgrund einer ins

„Panische gesteigerte Angst" die medizinische Anwendung von Ra- dioaktivität und Strahlung einge- schränkt werden müßte.

Die Ursache für unsere Angst vor Strahlen beruht, so Frau Profes- sor Yalow, auf einer Fehlinforma- tion über die Spätfolgen der Born- benabwürfe auf Hiroshima und Na- gasaki. Wissenschaftler, die sich mit den Auswirkungen dieser verhee- renden Ereignisse befassen, haben inzwischen ermittelt, daß bei den 82 000 Überlebenden, die eine mitt- lere Strahlendosis von 25 rem emp- fangen hatten, nur rund 250 durch Strahlung hervorgerufene Krebsfälle auftraten. Das sind weniger als 6 Prozent der bis einschließlich 1978 verzeichneten 4500 Krebstoten, bei denen die Strahlung keine Rolle spielte.

Da die Anzahl der nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl Eva- kuierten und ihre Strahlenbelastung

ähnlich sind, dürften die für Hiroshi- ma und Nagasaki ermittelten Werte die oberste Grenze für strahlenindu- zierte Krebskrankheiten darstellen.

Da die Evakuierten ihre Strahlenbe- lastung im Verlauf von Stunden, nicht in einem einzigen Augenblick bekommen haben, kann man anneh- men, daß bei ihnen die Erhöhung der Anzahl der Krebstoten in den nächsten 35 Jahren wohl noch unter der angenommenen Zahl von 6 Pro- zent der Krebstoten aus natürlichen Ursachen liegen. Frau Yalow ließ in ihren Ausführungen keinen Zweifel, daß Veränderungen der Lebensge- wohnheiten — zum Beispiel Rauchen

— die Anzahl der Krebstodesfälle weitaus stärker beeinflussen würde als die Strahlung aus Tschernobyl.

Ein Flug von den USA nach Europa oder ein Urlaub im Hochgebirge sei im Hinblick auf eine Strahlenbela- stung wesentlich „gefährlicher" als die zusätzliche Tschernobyl-Strah- lung.

Konrad Müller-Christiansen Krauskopfallee 66

6229 Schlangenbad 5

Z-1 I II ;1 11111111111

In sich eingesperrt : Locked-in-Syndrom

Der Autor beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem der Patient bei Tetraplegie und Hirnnervenläh- mung bei intaktem Großhirn nur über Augenbewegungen Kontakt mit der Umwelt aufnehmen kann.

Ursache dieses „Locked-in"-Syn- droms sind zum Beispiel durch In- farkt, Hämorrhagie oder Entmar- kung verursachte Läsionen in der vorderen Brücke oder der Medulla oblongata. Es kommt zur Paralyse der Pyramidenbahnen und der unte- ren Hirnnerven. Da das Tegmentum über den Trigeminuskernen ausge- spart ist, bleiben — mit Ausnahme des Abduceus — die Augenmuskel- funktionen bei sonst völlig immobi- len, aber alerten Patienten intakt.

Der EEG-Befund ist unauffällig, die oft eupnoische Atmung ist automati- siert. Um das Locked-in-Syndrom nicht mit einem Koma zu verwech- seln, so der Autor, sollten vermeint- lich komatöse Patienten aufgefor- dert werden, die Augen zu öffnen und zu zwinkern. jhn

Pearce J. M. S.: The locked in syndrome.

Brit. Med. Journal 294 (1987) 198-199 J. M. S. Pearce, Consultant Neurologist, Hull Royal Infirmary, Hull HU3 2JZ, England

Macht

Epstein-Barr Kopfweh?

In einer Untersuchung über die Verlaufsüberwachung hatten 27 von 32 (84 Prozent) Patienten mit täglich persistierenden Kopfschmerzen und 8 (25 Prozent) der 32 Kontrollperso- nen eine „aktive" Infektion mit Ep-

stein-Barr-Virus (EBV), wie durch EBV-Exkretion im Oropharynx und/oder Nachweis von IgM-Anti- gentiter über 1:32 bei 20 (62 Pro- zent) der Kopfschmerzpatienten und 4 (12 Prozent) der Kontrollpersonen nachgewiesen wurde. Der mittlere Titer der IgG-Antikörper zu den IgM-Antikörpern war bei den Pa- tienten signifikant höher als bei den Kontrollpersonen.

Nach Ansicht der Autoren könnte eine EBV-Reaktivierung bei der Pathogenese des täglich neu per- sistierenden Kopfschmerzes eine wichtige Rolle spielen. Alternativ — so die Autoren — könnten diese Pa- tienten auch für eine Reaktivierung des Virus ungewöhnlich anfällig sein. jhn

Diaz-Mitoma, F. et al.: Increased Fre- quency of Epstein-Barr Virus Excretion in Patients with new daily persistent Head- aches. Lancet I (1987) 411-415

Dr. Francisco Diaz-Mitoma, Department of Medical Microbiology and Infectious Diseases, 1-41B Medical Sciences Build- ing, Edmonton, Alberta, Canada T6G 2H7

Dt. Ärztebl. 84, Heft 38, 17. September 1987 (57) A-2465

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