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Die Entwicklung des Lexikons in den ersten 18 Monaten
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) Seminar: Phonetische Modelle des Spracherwerbs Professor: Dr. Jonathan Harrington Referentin: Clara Tillmanns Datum: 12.06.2007
Pensum
• Infants listen for more phonetic detail in speech perception than in word learning tasks (1997; 1)
• Infants‘ ability to learn phonetically similar words:
Effects of age and vocabulary size (2002; 2)
• The lexical acquisition of phonological contrasts (2004; 3)
• Überblick der Ergebnisse
• Diskussion der Korrelationen (2)
• Modellvorstellung Kapazität (2)
• Modellvorstellung OT (3)
• Zusammenfassung
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Infants listen for more phonetic detail in speech perception than in word learning
tasks (1997; 1)
• 10-12 Monate alte Kinder zeigen eine
perzeptive Einschränkung der Phoneme gegenüber, die in ihrer eigenen Sprache nicht bedeutungsunterscheidend sind.
• Geschieht dies um das Lernen von
Wörtern zu vereinfachen?
Aus (1)
Erfolgreich?
8 Mo. 14 Mo.
Nein Nein Ja Nein Ja Ja
Ja Ja
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Infants’ ability to learn phonetically similar words: Effects of age and vocabulary size
(2002; 2)
Gibt es einen qualitativen Unterschied in der
Perzeption geringer phonetische Unterschiede zwischen jüngeren (ca. 14 M.) und älteren
Kindern beim Erlernen neuer Wörter?
Oder
Waren die bisherigen Testmethoden bisher zu
schwer oder ungenau um es auch 14 M. alten
Kindern zu ermöglichen phonetisch ähnliche
Wörter zu lernen?
(2)
Deshalb:
• Vereinfachung der Aufgabe:
– Größere und deutlicher zu unterscheidende Objekte
– Längere Gewöhnungsphase – Mehr Durchgänge
• Durch CDI wurde die Größe des
aktiven (production score) und des
passiven (comprehension score)
Wortschatzes gesammelt
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(2)
Korrelation Alter Erfolg?
(2-W-O)
Production score Comprehension score
14 M Nein Ja Ja (aber gering)
17 M Ja Nein Ja
20 M Ja Nein n.a.
Zu vermuten ist also, dass ein qualitativer Unterschied zwischen den zwei Gruppen besteht.
Ergebnis und Korrelation des Zeitunterschieds same/switch mit production bzw. comprehension score:
(2)
Production score - Zeitdifferenz same/switch - PS von über bzw. unter 25 Wörtern (CDI)
zeigt den größten Unterschied der Zeitdifferenz
- D.h., Kinder mit einem Vokabular von über 25 Wörtern konnten, von unter 25 Wörtern konnten keine Objektverknüpfung eines
Minimalpaares herstellen
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(2)
Comprehension score - Differenz same/switch - 200 Wörter wurden als Trennung gefunden - Dieser Wert scheint nur dann eine
Verbindung zur Wahrnehmung von
phonetischen Details zu haben, solange ein
gewisser Wert unterschritten bleibt
Überblick
Alter Testverfahren Erfolg?
8 Monate 2 W-O [lIf]/[nim] nein
8 Monate 1 W-O [bi]/[di] ja
14 Monate 2 W-O [lIf]/[nim] ja
14 Monate 2 W-O [bi]/[di]* nein
14 Monate 1 W-O [bi]/[di]* nein
14 Monate 1 W-O [lIf]/[nim] ja
14 Monate 1 W-O Schachbrett [bi]/[di] ja
17 Monate 2 W-O [bi]/[di] ja
20 Monate 2 W-O [bi]/[di] ja
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Überblick
*trotz: veränderter Form zur richtigen phonologischen Form des Englischen [bin]/[din], Kontrast der Stimmgebung [bin]/
[pin], Artikulationsort s.o. und Stimmgebung und Artikulationsort [pin]/[din].(3)
-> Erkennen bekannter, geringfügig falsch ausgesprochene Wörter mit 15 Monaten möglich (6)
-> Unterscheiden bekannter geringfügig unterschiedlicher Wörter mit 14 Monaten möglich(7)
14 Monate 2 W-O [lIf]/[nim] ja
14 Monate 2 W-O [bi]/[di]* nein
14 Monate 1 W-O [bi]/[di]* nein
14 Monate 1 W-O [lIf]/[nim] ja
14 Monate 1 W-O Schachbrett [bi]/[di] ja
Diskussion Korrelation
Vokabular - Fähigkeit Minimalpaare zu lernen
Korrelation zwischen der Größe des Vokabulars und der Fähigkeit
Minimalpaare zu lernen
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Diskussion Korrelation
Vokabular - Fähigkeit Minimalpaare zu lernen
- 25-Wörter-Grenze (CDI) zeigt eine höhere Korrelation als das Alter
- Diese Phase geht der sog. Benennungsexplosion (50 Wörtern) voraus
- Und könnte diese durch die Fähigkeit Minimalpaare zu erlernen erst einleiten
Hypothese:
- Nicht die Größe des Vokabulars bestimmt Minimalpaar- Unterscheidung
- Sondern die Unterscheidung von Minimalpaaren ermöglicht eine höhere Lernrate
Diskussion Korrelation
Vokabular - Fähigkeit Minimalpaare zu lernen
Was lässt sich aus der Korrelation schließen?
Nach einer gewissen Anzahl von Wörtern wird eine Reorganisation des Lexikons notwendig.
(Vokabular als ursächliche Kraft / causal force)
oder
Ein größeres Vokabular zeigt grundsätzlich die
bessere Fähigkeit Wörter zu lernen und dass
mit diesem „Talent“ mehr Kapazitäten frei sind,
um sich phonetischer Details zu widmen.
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Diskussion Korrelation
Vokabular - Fähigkeit Minimalpaare zu lernen
• Die Größe des Vokabulars ist eher ein Index für, als der Ursprung von relativer Fähigkeit neue, phonetisch ähnliche
Wörter zu lernen.
• Also kein absoluter Wert als Kraft für
eine Veränderung
Modellvorstellung Kapazität
• Es wurde bereits gezeigt, dass Kinder abhängig von der Aufgabe, unterschiedlichen Details
Aufmerksam widmen. (4)
• Damit ist es wahrscheinlich, dass sich nicht die Mechanismen und Prozesse des Lernens und Wahrnehmens in der Entwicklung grundsätzlich verändern sondern die Gewichtung der
Aufmerksamkeitsverteilung.
• Dies ist ein Ansatz der Kapazität, die folglich
immer in gleichem Maße zur Verfügung steht,
neu zu erlernende Abläufe aber eines größeren
Teils bedürfen.
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Modellvorstellung OT
Optimalitätstheorie (optimality theory)
• Angenommen wird eine Verstrickung aus Treue- und Deutlichkeitsbeschränkungen, wobei immer eine Kategorie bevorzugt wird.
• Aus verschiedenen Kandidaten (auf
grammatischer, phonologischer ... Ebene) wird der Kandidat ausgewählt, der die
bevorzugte Kategorie erst an tiefster Stelle
verletzt.
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Modellvorstellung OT
Theorietisches Bsp. OT:
C1 > C2 > C3
1. Kandidat: *C1! C2 C3 2. Kandidat: C1 *C2 *C3
Input
/li:d/ Deutlich
keit Treue Input
/li:d/ Deutlich
keit Treue
[li:t] * [li:t] * *!
[li:d] *! [li:d]
1. 2. 2. 1.
Praktisches Bsp: Deutsch / Englisch
aus (5) (* Verletzung einer Beschränkung; ! Verletzung der
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Modellvorstellung OT
• Überleitung Kapazitätsmodell zu OT: reduzierte Kapazität für phonologische Verarbeitung führt zu einer reduzierten phonologischen Struktur der
Repräsentation
• Komplexität einer Struktur wird durch
Beschränkungen der Deutlichkeit (i.S. OT) reguliert
Phonologische -> Treue -> Akustische -> Deutlichk. -> Lexikale Repräsentation Repräsentation Repräsentation
Modellvorstellung OT
*Labial als Bsp. für die übergeordneten Deutlichkeitsbeschränkungen ID[Place] als Bsp. für die untergeordneten Treuebeschränkungen
14 M:
aus (3)
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Modellvorstellung OT
• Dies stellte die Ordnung von Deutlichkeit und Treue dar, bei 14 Monate alten Kinder, die
kognitiv beansprucht werden, neue Wörter zu lernen (identische Kandidatenwahl durch
Überordnung der Deutlichkeitsbeschränkung)
• Die Hypothese beschreibt weiter, dass bei
Kinder, bei denen Ressourcen frei werden,
der Treue ein höherer Wert beigemessen
wird.
Modellvorstellung OT
ID[Place] als Bsp. für die übergeordneten Treuebeschränkungen
*Labial als Bsp. für die untergeordneten 20 M:
aus (3)
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Modellvorstellung OT
• Die Gewichtung der Beschränkungen folgt einem graduellen Verlauf
-> bei sinkender Anforderung sollten die
Deutlichkeitsbeschränkungen an Relevanz
abnehmen und andersherum (ersteres: 17 Monate alte Kinder bemerkten die Änderung des
Artikulationsort)
-> wenn die Schwierigkeit einer Aufgabe konstant bleibt, sollten stärker markierte Unterschiede größere Probleme bereiten
(im linguistischen Sinne der Markiertheit: /b/, /d/ ist einer der geringst markierten Kontraste, anders Frikative wie /s/, /f/, welche schwieriger zu
unterscheiden sind)
Zusammenfassung
• Die qualitativen Unterschiede (zw. Kindern
verschieden weiter Entwicklung) wie zuvor benannt werden als solche verworfen und von einer
differenzierten Betrachtung, nämlich der der
unterschiedlichen Gewichtung von Kompetenzen oder Beschränkungen ersetzt
• Somit entspringen beide Ansätze den gleiche
Überlegungen - das Modell der Kapazität als das Anschaulichere, die OT als ein theoretisches, das den großen Vorteil der strukturierten Überprüfung genießt
• Die Verbindung beider sind in diesem Fall
sicherlich sehr passend
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Quellen
1. Stager, C.L., & Werker, J.F. (1997).Infants listen for more phonetic detail in speech perception than in word learning. Nature, 388(6640), 381-382 2. Werker, J.F., Fennell, C.T., Corcoran, K., & Stager, C.L. (2002). Infants’
ability to learn phonetically similar words: Effects of age and vocabulary size. Infancy, 3, 1-30.
3. Pater, J., Stager, C.L., & Werker, J.F. (2004). The lexical acquisition of phonological contrasts. Language, 80(3), 361-379
4. Cohen, L. B. (1998). An information-processing approach to infant perception and cognition. In F. Simion & G. Butterworth (Eds.), The
development of sensory, motor and cognitive capacities in early infancy:
From perception to cognition (pp. 277-300). Hove, England: Psychology Press.
5. http://de.wikipedia.org/wiki/Optimalitätstheorie
6. Swingley, D. & Aslin, R., 2002. Lexical neighborhoods and the word-form representations of 14-month-olds. Psychological Science 13.5.480-84.
7. Fennell, C. & Werker J. 2003. Early word learners‘ ability to acess
phonetic detail in well-known words. Language and Speech 46.2.245-64.