DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
E
rstmals seit 1979 zeichnet die Bundesregierung wie- der ein positives und gün- stiges Bild der Wirtschaftsla- ge. Jedenfalls interpretiert sie die Prognosen des Jahreswirt- schaftsberichtes '86 und die Wirtschaftsentwicklung in 1985 als untrügliches Zeichen dafür, daß sich ein Trend zum Besseren abzeichnet. Wird dieser auch das Gesundheits- wesen einschließen?Das Wirtschaftswachstum lag mit + 2,5 Prozent genau in der Größenordnung der ur- sprünglichen Zielprojektion.
Allerdings hat sich die In- landsnachfrage nicht so stark wie erwartet entwickelt. Dies wird insbesondere auf einen Anstieg des Außenbeitrages zum Bruttosozialprodukt zu- rückgeführt. Das Außenhan- delsplus belief sich in 1985 auf rund 73 Milliarden DM.
Die Zahl der Beschäftigten hat sich um insgesamt 201 000 erhöht, davon waren 189 000 unselbständige Be- schäftigte. Dennoch erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt um 400 000 auf 2,304 Millionen.
Weniger stark als erwartet stieg die Bruttolohn- und Ge-
Im Aufwind
haltssumme je Beschäftigten mit 3 Prozent (Prognose: 3,5 Prozent). Die Verbraucher- preise erhöhten sich mit 2 Pro- zent etwas geringer als vor- hergesagt (2,2 Prozent). Den- noch war das Nettorealein- kommen je beschäftigten Ar- beitnehmer um 0,4 Prozent rückläufig. Zur Hälfte wird dieser Rückgang auf die ge- stiegenen Beitragssätze in der Krankenversicherung zurück- geführt. Für 1986 erwartet die Regierung eine kräftige Erhö- hung der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, eine wei- terhin niedrige Preisentwick- lung und einen vergleichs- weise höheren Anstieg der Bruttolohn- und Gehaltssum- me. Die Eckdaten für 86 lau- ten: Wirtschaftswachstum: 3 Prozent, Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen 300 000;
Rückläufigkeit der Arbeitslo- sigkeit auf 8,4 Prozent (im Jahresdurchschnitt 2,15 Mil- lionen); weiteres Absinken der Verbraucherpreise auf 1,4 Prozent bei gleichzeitig stei- genden Einkommen aus Un-
ternehmertätigkeit und Ver- mögen von 6 bis 7 Prozent.
Von zentraler Bedeutung für die Prosperität ist auch das unterstellte Wachstum der Bruttolohn- und Gehaltssum- me von 3,7 Prozent je Arbeit- nehmer.
Vorausgesetzt, daß sich der Aufschwung verstetigt, wäre die Bundesregierung gut be- raten, wenn sie ihrer optimi- stischen Einschätzung auch den notwendigen Rücken- wind dadurch verschaffte, daß sie die Entfaltung des Dienst- leistungssektors nachhaltig fördert. Darin kommt dem Ge- sundheitswesen sowohl eine große wachstums- als auch beschäftigungspolitische Be- deutung zu. Bei aller Einsicht auch der Heilberufe, die Aus- gabenentwicklung im Ge- sundheitswesen in vernünfti- ge Bahnen zu lenken und die Leistungsfähigkeit der Kran- kenversicherung zu garantie- ren — diejenigen, die längst Selbstdisziplin üben und mit- hin ihren Beitrag für den her- beigesehnten wirtschaft- lichen Aufschwung leisten, dürfen nicht weiterhin mit un- zumutbaren Sparopfern be- straft werden. HC
D
ie saarländische Landes- regierung hat die Ärzte, die ärztlichen Berufsver- bände und die Krankenhaus- träger aufgefordert, „bei der extrakorporalen Befruchtung eine sorgfältige Prüfung auf der Grundlage medizinischer und ethischer Wertungen vor- zunehmen". Die extrakorpo- rale Befruchtung, so erkennt Lafontaines Ministerrat, „ver- langt Problembewußtsein".Das Saarland wird wohl über Gebühr mit innersaarländi- schen Problemen beschäftigt gewesen sein, und die sind ja groß genug. Deshalb ist es verständlich, daß dem Mini- sterrat erst relativ spät, im Fe- bruar 1986, das Problembe- wußtsein kommt. Immerhin hat der Deutsche Ärztetag be- reits im Mai des vergangenen
Späte Erkenntnis
Jahres jenes Problembewußt- sein demonstriert und doku- mentiert, das die saarländi- sche Landesregierung jetzt von den Ärzten fordert. Der Ärztetag hat damals Ände- rungen der Musterberufsord- nung beschlossen, um der In- vitro-Fertilisation und dem Embryo-Transfer den gebüh- renden berufsrechtlichen Rah- men zu geben. Dem Wissen- schaftlichen Beirat der Bun- desärztekammer war sogar schon seit 1984 bewußt, daß es auf diesem Gebiet Probleme gibt; seine Erkenntnisse sind in detaillierten Richtlinien ein- gegangen, die vom Ärztetag 1985 gebilligt wurden.
Mittlerweile haben zehn der zwölf Landesärztekammern Änderungen der Berufsord- nung beschlossen und ihren Aufsichtsbehörden vorgelegt.
Vier der Aufsichtsbehörden haben die Ergänzungen der Berufsordnungen bereits ge- nehmigt, andere dürften in Kürze folgen. Die saarländi- sche Landesregierung hinge- gen erklärte, sie wolle die Än- derung der Berufsordnung zu- rückstellen und zunächst ein- mal eine Kommission einset- zen, um die „bestehenden Probleme" zu prüfen. Ob es demnächst eine spezifisch saarländische Regelung der extrakorporalen Befruchtung geben wird? Wahrschein- licher ist, daß die Saarländer problembewußt der Rechts- entwicklung hinterherhinken werden. NJ
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 8 vom 19. Februar 1986 (1) 433