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Archiv "documenta 8: Zwischen Kunstmarkt und Museum" (21.05.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KULTURMAGAZIN

Links im Gruppenbild mit Dame die Macher der documenta 8, die vom 12. Juni bis 20. September erhoffte 400 000 Besucher nach Kassel führen soll: in der vorderen Reihe von links nach rechts Lothar Romain, Vittorio Fagone, Elisabeth Jappe, Manfred Schneckenburger; dahinter von links Wulf Herzogenrath,

Armin Zweite und Edward Fry

Fotos: Renate Lehning/psk, Dieter Schwerdtle

documenta 8:

Zwischen

Kunstmarkt und Museum

„Kunst ist nicht in zwei Sätzen zu erklären", eröffnete der Macher der documenta 8, der Kunsthistori- ker und ehemalige Direktor der Köl- ner Kunsthalle, Dr. Manfred Schneckenburger, das Gespräch.

Dieser Satz trifft gewiß in besonde- rem Maße für die Kasseler docu- menta zu.

Steckte Arnold Bode, der Erfin- der und „Vater" der documenta, den Grundriß der ersten Ausstellung im Jahre 1955 noch umfassend in der Kunst des 20. Jahrhunderts ab, so richteten alle weiteren documenta- Ausstellungen ihren Blickwinkel auf die aktuelle Gegenwart. Und da gibt es wahrlich auch genug zu staunen und zu schauen.

Die erste von 7000 Eichen pflanzte Joseph Beuys 1982;

die letzte der 7000 pflanzt Wenzel Beuys am 12. Juni bei der_

Eröffnung der documenta 8

Vom 12. Juni 1987 bis 20. Sep- tember 1987 öffnet nun die docu- menta Kassel zum achten Mal ihre Tore. Es wird eine „Einhundert- und-ein-Tag-Schau" zwischen Fri- dericianum und Orangerie, Karls- wiese und Innenstadt.

Arnold Bode, der Kasseler Akademieprofessor, Maler und Ausstellungsdesigner, gründete 1954 zusammen mit seinen Freunden ei- ne „Gesellschaft Abendländische

Kunst des 20. Jahrhunderts e. V.", die als Träger der ersten documenta fungierte. Bodes vielgerühmtes Ge- nie der Unruhe, seine unbändige Lust an der räumlichen Inszenierung von Kunst und die bildungsstarke Kennerschaft des Kunsthistorikers und Chefideologen Werner Haft- mann waren die Pfeiler, auf denen die erste, zweite und dritte docu- menta ruhten. Diese Austellungen füllten zehn Jahre nach Kriegsende Dt. Ärztebl. 84, Heft 21, 21. Mai 1987 (75) A-1499

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einen kulturellen Leerraum, befrie- digten Nachholbedarf. Hier wurde der deutschen Kunst ein Weg in die Kontinuität der europäischen Mo- derne gewiesen. Hier war ein Forum geschaffen für die „europäischen Verflechtungen und Zusammenhän- ge". Die Diskussionen um den

„Schock der Moderne" begannen damit.

Die documenta 1 war primär hi- storisch orientiert. Die documenta 2, 1959, wurde auf die Nachkriegs- jahre zusammengezogen. Die Orga- nisationsform hatte sich schon wäh- rend der documenta 2 verändert: Sie ging von der privaten Gesellschaft in eine „documenta GmbH" über. Ar- beitsausschüsse wurden gegründet für Malerei, Skulptur und Druckgra- phik. 1961 trat das Land Hessen mit fünf von zehn Sitzen in den Auf- sichtsrat ein. Die Konzeptkompe- tenz lag nun bei einem 21köpfigen documenta-Rat.

documenta 3 und 4:

Geschäft und „Americana"

Die documenta 3, das war 1964, vermischte zum ersten Mal auch Kunst und Geschäft, was dann ab 1969 Schlagzeilen machte. Die docu- menta-Foundation bot Spenden der zur Ausstellung eingeladenen Künstler, Unikate und Druckgra- phik an.

Die Unruhejahre der '68er gin- gen auch an der documenta 4 nicht vorüber. Wie konnte die documenta 4 die „Generationenexplosion" der 60er Jahre auffangen? Sie wurde ei- ne immens vitale, je nach Standort museale oder antimuseale Ausstel- lung, die mit Riesenformaten den Durchbruch der Amerikaner und die Faszination am Environment, an der künstlerischen Umgebungsge- staltung mittels Objekten aus dem Alltagsleben, vorführte. Herausge- hoben wurden Bilder der Farbfeld- malerei und Objekte der Minimal- Art. Bodes Inszenierung hob den Ambiente-Charakter stark hervor.

Ein Drittel der Werke kam aus Amerika, und schon reagierten deutsche Künstler mit Protest auf die „documenta Americana". — Die wichtige Frage der documenta 4:

Können, dürfen Ausstellungen noch reine Kunstausstellungen sein, hin- terließ ein offenes Problem. „Flu- xus", „Happening", die aktionisti- schen Antikunst-Tendenzen stellten den überkommenen Kunst- und Ausstellungsbegriff in Frage.

Die documenta 5, das war 1972, wird oft als wichtigste Zäsur in der documenta-Geschichte angesehen.

Sie wurde zu einer bedeutenden in die Gegenwart katapultierte Kunst- ausstellung. Sie trug ganz und gar die Handschrift von Harald Szee- mann, dem früheren Direktor der Berner Kunsthalle. Bode war hoch- geehrter Patron, mit Szeemann lief seine Ära ab.

Szeemann verwirklichte sein stark proklamiertes Konzept des

„Hundert-Tage-Ereignisses", ein die ganze Stadt ergreifendes „be- gehbares" Ereignis: Der Protest der 68er fand in der Kunst seinen Nie- derschlag in Form von „Fluxus"

und „Happening", einer Kampfan- sage an statische Kunstausstellun- gen, an Museen und Kunsthandel.

Die Präsentation dieses antimuse- alen Konzeptes war 1972 offenbar zu früh, das „breite" Publikum hinkte damals noch hinterher. Und doch hinterließ die documenta 5 einen faszinierenden, unauflösbaren Ein- druck. Ihr Kern waren „Individuelle Mythologien", Fotorealisten, Kon- zeptkunst und die parallelen Bild- welten von psychiatrischer Kunst und Kitsch.

documenta 6:

Wieder mehr für die Kunst

Das Gerangel um die Organisa- tionsstruktur blieb auch der docu- menta 6 von 1977 erhalten. Man ver- suchte, mit dem Direktor des Berli- ner Künstlerprogrammes, Karl Ruhrberg, ein Grundkonzept zwi- schen Aktualität, historischer Per- spektive und Thematisierung zu er- stellen. Erstmals erschien Manfred Schneckenburger auf der documen- ta-Szene, nachdem Ruhrberg demis- sionierte. Alles sollte anders wer- den, die Kunst gegenüber den Theo- rien zu ihrem Recht kommen.

Schließlich brachten die Diskus- sionen ein „Medienkonzept" her-

vor. Es wurde ein Vorstoß in die öf- fentlich-rechtlichen Kanäle des Fernsehens. Allwöchentlich liefen Bänder aus der Videothek der docu- menta über den Bildschirm.

Der Auepark wurde erschlossen und mit „horizontalen Skulpturen"

besetzt. Schwerpunkte waren die Künstlerräume, der suggestiv insze- nierte Video-Bereich im Museum Fridericianum, die reiche Abteilung der Handlungen in der Orangerie, die Künstlerbücher in der Neuen Galerie.

Umgebaut und renoviert:

Gerüstet für documenta 8

Unsichtbares Wahrzeichen wur- de Walter de Marias „Vertikaler Erdkilometer" , dessen A-Visualität sich als Verweigerung gegenüber der Bildwelt im Sinne des Medienkon- zeptes verstehen ließ. Der Sehlehrer Bazon Brock war zum dritten Mal mit seiner Besucherschule präsent.

Die documenta 7 brachte 1982 mit 380 000 Besuchern einen neuen Rekord. Sie war die theorienfernste documenta, die es jemals gegeben hat, mit einer deutlichen Vorliebe für die klassische Gattung Malerei.

Sie wollte die Kunst von ihrem so- ziologischen Unter- und ideologi- schen Überbau befreien.

Arnold Bode starb 1977. Er konnte sein Projekt, die documenta in den achteckigen Unterbau des Herkulesmonuments hoch über Stadt und Schloß zu verlegen, nicht mehr verwirklichen. War es eine Utopie gewesen, diese vielteilige bi- zarre Grottenarchitektur des 18.

Jahrhunderts aus Fels und Stein in eine documenta-Szene zu verwan- deln? Es gab realistische Bezüge.

Doch in den 70er Jahren fielen Bo- des Raumideen immer mehr den staatsbauamtlichen Renovierungs- trivialitäten zum Opfer. Ob der klas- sizistische Bau nach weiteren staats- baulichen Verschönerungen noch documenta-Ansprüchen genügen kann?

Endlich war es Anfang 1987 vollbracht! Für 48 Millionen war das Fridericianum umgebaut, renoviert und in Brandabschnitte zerteilt. Die frühklassizistische Fassade des Ar- A-1500 (76) Dt. Ärztebl. 84, Heft 21, 21. Mai 1987

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chitekten du Ry erhielt einen gelben Anstrich. Säulen, Pilaster und Ge- simse tünchte man hellgelb und grau. Zumindest war es so farblich in den Zustand versetzt, in dem der zweite Landgraf Friedrich 1779 das Museum der Öffentlichkeit überge- ben hatte. Hier wurde Denkmals- pflege zumindest bei der Fassade an- gewandt. Durch technische Umbau- ten wurde jedoch das Innere des Fri- dericianums seines historischen Am- bientes beraubt. Gewiß sind Aufzü- ge, Beleuchtung, Installation und statische Sicherung vonnöten, aber nun endet alles auf Hintertreppen, die elektrische und technische Ver- sorgung läuft in einem überdimen- sionalen Schaltpunkt ausgerechnet im Foyer zusammen. Das Museum ist zwar in seinen ursprünglichen Zu- stand versetzt, jedoch seines Rück- grates entblößt.

„Museal soll es nun beim achten Mal auch nicht zugehen", so Dr.

Manfred Schneckenburger, „und schon gar nicht dogmatisch." —

„Kein thematisches Muster, kei- ne einengenden kunsthistorischen Theorien, sondern ein durchgehen- der, in sich differenzierter, polarisie- render Erlebnisraum soll es sein.

Die Kunst gewinnt dadurch eine neue soziale und historische Dimen- sion". „In den 80er Jahren gewinnt die Kunst zunehmend an sozialer Dimension, und das werden wir hin- einpacken in diesen viereinhalbtau- send Quadratmetern großen sozia- len und historischen Erlebnisraum zwischen Museum und Auepark, wo selbst die Stadt mit einbezogen wird" , erläutert er.

„Wir werden den Bogen weit spannen und vom unterschiedlichen Klima der Ausstellungsorte profitie- ren. Im klassizistisch-strengen Fride- ricianum wird Nachdruck auf emo- tionell und intellektuell schwerge- wichtige Werke gelegt. Ein Radius wird geschlagen vom Mythos zur Geschichte hin bis zur Politik. The- men wie Großstadt, Gewalt, Zeit- kritik werden einbezogen. Namen von Beuys bis Kiefer, von Robert Longo bis Astrid Klein werden das verdeutlichen. Kunst der Gegenwart so zeigen, wie sie ist, das ist das Konzept der documenta 8."

Julika Oldenburg

Worüber lesen, reden, debattie- ren, streiten die Deutschen in diesen Wochen und Monaten? Mit Sicher- heit über das Thema „Frauen".

Und natürlich über „Berlin", wo die 750-Jahr-Feiern alle bisherigen Stadt-Jubiläen in den Schatten stel- len. Selten waren in den vergange- nen Jahren die Novitäten-Schwer- punkte im Sachbuch-Bereich so klar erkennbar wie diesmal.

Während der Suhrkamp-Verlag in der Abteilung Belletristik mit ei- nem „Im Jahrhundert der Frau"

überschriebenen, neuerlichen, 22 Titel bietenden „Weißen Pro- gramm" das Feld bestellt, scheint der Kampf um die weiblichen und vielleicht auch männlichen Leser bei den Sachbuch-Produzenten gerade- zu abenteuerlich-atemraubende Zü- ge anzunehmen. Was da nicht alles feilgeboten wird?! „Der Frauenat- las" bei Fischer, „Das Frauenhand- buch" bei Marion von Schröder, die Studie „Frauen in der Politik" bei Leske, die Kampfschrift „Frauenar- beit. Über wechselnde Tätigkeiten und die Ökonomie der Emanzipa- tion" bei Wagenbach, der Diskus- sionsband „Frauen, war das wirklich alles?" als „psychologie heute"- Spezialausgabe, die Analyse „Frau- en — die längste Revolution" bei S.

Fischer und und und.

Econ offeriert unter dem Titel

„Der Weg nach oben" ein Karriere- programm für Frauen. Bei Kösel wird gefragt: „Bin ich ohne Mann nichts wert?" Scherz setzt große Verkaufshoffnungen auf sein Spit- zenbuch „Am Anfang war die Frau". Luchterhand präsentiert Ge- spräche mit Frauen über deren sexu- elle Phantasien unter dem Etikett

„Das kann ich keinem erzählen".

Und für den Bund-Verlag ist es in ei- nem Bücherfrühling ohnehin glas- klar: „Die Zukunft ist weiblich.

Frauen und Macht", so der Titel ei- nes Buches der Vizepräsidentin der Sozialistischen Fraueninternationa- le, Christa Randzio-Plath.

Die vielen Berlin-Bücher wer- den unter anderem angeboten von

Verlagen wie Reclam, Ullstein, Ro- wohlt (dort sind es gleich drei, näm- lich der literarische Zweibänder

„Berlin in Bewegung" und die Es- saysammlung „Berlin Transit"), Siedler, List, Knaur, Hoffmann und Campe ( „Berlins Top Ten"), Kie- penheuer & Witsch, C. H. Beck (der Zweibänder „Geschichte Berlins"), arani und Rotbuch, wo das „beson- dere" Berlinbuch angezeigt ist:

„Antes & Co. Geschichten aus dem Berliner Sumpf". Außerdem: „Ber- lin — zwei Städte unter sieben Flag- gen" von Arno und Karin Rein- frank, Donat und Temmen Verlag, Bremen. Aber dieser Sachbuch- Frühling bietet noch Entdeckungen anderer Art. Bei Knaus könnte dies die „Göring"-Biographie von David Irving sein, bei Droemer Knaur Werner Masers Buch „Friedrich Ebert. Der erste deutsche Reichs- präsident". Ein weiteres Stück deut- sche Geschichte wird aufgearbeitet mit Titeln wie „Schuldig. Das Urteil gegen Adolf Eichmann" (bei Athe- näum), „Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz" (bei Kindler), „Die Gegen- wart der Vergangenheit. Dokumen- te einer deutschen Kontroverse"

(bei Siedler) oder „Uns eint vergos- senes Blut. Juden und Polen in der Zeit der „Endlösung" von Friedens- preisträger Wladyslaw Bartoszweski (bei S. Fischer).

Warum sollten nicht auch oder gerade Bücher wie „Wir lebten in Moskau" von Raissa Orlowa und Lew Kopelew (bei Knaus) oder

„Nach dem Sturm erhebt sich der gebeugte Bambus. China im Um- bruch" (bei C. Bertelsmann) genau den Zeitgeist treffen? Oder der Be- nimm-Ratgeber für die reifere Ju- gend „So nicht, Leute!" (C. Ber- telsmann)? Aber wer letztlich den großen Erfolg haben wird, das steht noch nicht einmal in den Sternen.

Doch genau darauf vertraut eine 366 (!) Bände umfassende Tageshoro- skop-Reihe, die der Delphin-Verlag gleich nach dem Sommer starten will. W. Christian Schmitt

Frauen und Berlin im Sinn

Sachbücher im Frühjahrs-Programm

Dt. Ärztebl. 84, Heft 21, 21. Mai 1987 (79) A-1503

Referenzen

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