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Archiv "Die Vortragsveranstaltung: Kassenärztliche Versorgung — Garant und Förderer wirtschaftlichen Aufschwungs" (07.05.1986)

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„Mißbrauchsbekämpfung"

auch als Ehrenschutz für den Berufsstand

Auf die „Mißbrauchsdiskussion"

eingehend, versicherte Bundesar- beitsminister Blüm, daß er die Miß- brauchsbekämpfung, die er ja nicht nur in der Krankenversiche- rung, sondern in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung ebenfalls betreibe, auch als Ehrenschutz für den Berufsstand der Ärzte insge- samt verstehe. Er fühle sich als

„Wach- und Schließgesellschaft"

des Sozialstaates und bitte um Un- terstützung, den Mißbrauch zu diskreditieren, ohne die ganze Ärzteschaft in Mitleidenschaft zu ziehen.

Für die Zukunft erwartet der Mini- ster auch Antwort auf die Frage, was mit den Pflichtbeiträgen in der Krankenversicherung finan- ziert werden solle. Die „Grundaus- stattung" müsse jedenfalls ge- währleistet sein. Wichtig erschei- ne dabei die Einigung auf Prioritä- ten. Dazu brauche er den Sachver- stand der Wissenschaft, der Ärzte, und deshalb habe er den Sachver- ständigenrat gebildet: „Die Ent- scheidungen wollen wir dann aber gemeinsam treffen."

Daß die Deckelung der Ausgaben der Krankenversicherung unbe- friedigend ist, gestand Blüm zu:

„Deckelung droht zu mumifizie- ren"; aber aus seiner Sicht sei in den hundert Milliarden Gesamt- ausgaben der Krankenversiche- rung auch noch Spielraum für Fortschritte.

Zum guten Schluß wandte sich Bundesarbeitsminister Dr. Blüm temperamentvoll gegen die „neue deutsche Wehleidigkeit". Es gebe keinen Grund, sich „in die miefi- gen Betten der Resignation" zu- rückzuziehen. So wie die Genera- tion nach dem Krieg sich an die Arbeit gemacht und die so schwie- rigen Probleme des Wiederauf- baues bewältigt habe, sei er mit der heutigen Generation voller Zu- versicht: „Wir werden mit den Pro- blemen fertig!" ❑

In einer sich immer mehr in eine Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Gesell- schaft polarisierenden Wirt- schaftsordnung nimmt der Dienst- leistungssektor (und hier beson- ders die Freien Berufe) eine be- sondere Stellung ein. Die kassen- ärztliche Versorgung als Teil die- ses wachstumsintensiven Sektors spielt dabei in vieler Hinsicht eine wesentliche Rolle. Das weitgefä- cherte Spektrum dieses dem terti- ären Sektor zuzurechnenden Wirt- schaftsfaktors „kassenärztliche Versorgung" (mehr als 67 000 Kassenärzte sind in eigener Praxis niedergelassen), die Angebotsviel- falt, die medizinische Versor- gungsfunktion, der Wohlfahrts- aspekt, aber auch die säkularen Trends (etwa der Ausgabenboom, die demographische Entwicklung, das Nachfrageverhalten, die Ratio- nalisierung, Spezialisierung, der Leistungswettbewerb, die Preis- und Mengenkomponente, die öko- nomische wie humane Effizienz) standen im Mittelpunkt der Kurz- referate der Professoren Dr. Diet- rich Dickertmann, Universität Trier, Dr. Gerhard Wittkämper, Universität Münster, und von Dr.

Karsten Vilmar, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Bremen, während der Nachmittagsveran- staltung der Vertreterversamm- lung der KBV in Hannover.

Wesentliche Akzente zum Thema setzte der Bundeswirtschaftsmini- ster, Dr. Martin Bangemann.

Bundesminister Bangemann würdigte die Leistungs- und Innovationskraft der freiberuflichen Ärzte

Für ihn sind die Anstrengungen zur Beseitigung der Arbeitslosig- keit und die anhaltende wirtschaft- liche Prosperität entscheidende Voraussetzungen dafür, auch die Finanzen der Systeme der sozia- len Sicherung wieder auf solide Fundamente zu stellen. Für die so- ziale Sicherung im allgemeinen und für das kassenärztliche Ver- sorgungssystem im besonderen gelte uneingeschränkt das Theo- rem, daß der gesamte soziale Auf- wand aus dem in der laufenden Wirtschaftsperiode erarbeiteten gesamtwirtschaftlichen Ertrag fi- nanziert werden müsse. Die So- zial- und Gesundheitspolitik, so fügte der Minister hinzu, dürfe je- doch nicht als bloßer „Kostgän- ger" der Wirtschaftspolitik apo- strophiert werden, wie umgekehrt das Spannungsverhältnis zwi- schen Wachstumsdynamik des Dienstleistungssektors „Ärztliche Versorgung" einerseits und die Belastung von Arbeitnehmern und Unternehmen mit Sozialversiche- rungsbeiträgen und Abgaben auf der anderen Seite nicht außer acht gelassen werden dürfe.

Diese Ambivalenz bezeichnete Bangemann als eine dauerwäh- rende „wirtschaftspolitische Her- ausforderung".

Die Vortragsveranstaltung

Kassenärztliche Versorgung — Garant und Förderer

wirtschaftlichen Aufschwungs

Referate von Bundeswirtschaftsminister Dr. Martin Bangemann, Prof. Dr. Dietrich Dickertmann, Dr. Karsten Vilmar,

Prof. Dr. Gerhard Wittkämper, engagierte Diskussionsbeiträge, ein Schlußwort von Dr. Eckart Fiedler

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 19 vom 7. Mai 1986 (37) 1353

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Bestritten die KBV- Vortragsveranstal- tung: BÄK-Präsi- dent Dr. Karsten Vilmar, Bundesmi- nister Dr. Martin Bangemann, Gün- ther Windschild als Moderator, Prof. Dr. Dietrich Dickertmann, Prof. Dr. Gerhard Wittkämper

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Vortragsveranstaltung

Ausdrücklich anerkannte auch der Bundeswirtschaftsminister die Leistungs- und Innovationskraft der zum Dienstleistungssektor zählenden freiberuflich tätigen Ärzte. Und diese Würdigung unter- strich er mit den Worten: „Wenn wir das Gesundheitswesen finan- zierbar halten, können wir auch seine freiheitliche Komponente bewahren. Ein staatliches Ge- sundheitswesen ist für mich keine

Lösung!"

Die gesamtwirtschaftliche Ent- wicklung sollte nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Reihe aus- sagekräftiger Parameter beurteilt werden, die speziell mit dem Ge- sundheitswesen und der Ärzte- schaft korrespondieren:

I> Während sich die Bruttowert- schöpfung in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1983 verfünffacht hat, ist sie im privaten Bereich des Gesundheitswesens — im wesentlichen bei ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung — auf das Zehnfache angestiegen.

Im selben Zeitraum hat sich der Anteil der Krankenversicherungs-

leistungen am Bruttosozialpro- dukt von 3,1 auf 6,2 Prozent er- höht. Dieser Entwicklungstrend ist prinzipiell zu begrüßen und gibt nach Bangemann keinen Anlaß zu einer unberechtigten Fundamen- talkritik.

> Die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen wuchs gegen- über 1974 um insgesamt 40 Pro- zent auf weit über eine Million Fachkräfte. In den Arztpraxen fin-

den 40 000 Jugendliche ihre Aus- bildungsstelle. Allein im Jahr 1985 konnten mehr als 19 000 neue Ausbildungsverträge im Bereich der Arzthelferinnen abgeschlos- sen werden. Während der letzten drei Jahre ist es gelungen, das Ausbildungsplatzangebot der Arztpraxen auf eine neue Rekord- höhe zu bringen.

> Jeder Arzt, der sich selbständig macht, schafft in der Regel zwei bis drei neue sozialversicherungs- pflichtige Arbeitsplätze. Die Anla- geinvestitionen im privaten Be- reich des Gesundheitswesens nahmen von 1960 bis 1983 um das Dreizehnfache zu (in der Gesamt- wirtschaft: verfünffacht).

So sehr die Wirtschaftlichkeit und der Kostenaspekt im Gesundheits- wesen nicht aus dem Auge verlo- ren werden sollten, müsse doch anerkannt werden, daß es dank des Engagements der Ärzte und der Erfolge in der medizinischen Forschung gelungen ist, wesent- liche — nicht in Heller und Pfennig meßbare — gesundheitspolitische Fortschritte zu erzielen. Dies be- deute: mehr Lebensqualität, weni- ger volkswirtschaftliche Kosten.

Insofern bezeichnete Bangemann es als unzulässig, die Gesundheit zu einem Gut zu erklären, bei dem sich von vornherein eine ökonomi- sche Betrachtung verbiete. Und ei- ne Philosophie, die das Null- Wachstum propagiere, sei gerade- zu „kontraproduktiv". Sie bewirke wohl kaum eine Humanisierung al- ler Lebensbereiche und diene am wenigsten der sozialen Selbstver- wirklichung.

Für bessere

existentielle Bedingungen Entschieden befürwortete der Bundeswirtschaftsminister Ver- besserungen der existentiellen Rahmenbedingungen auch für den Freiberufler Arzt. Allen Bestre- bungen, die den Arzt in mehr Ab- hängigkeit und staatliche Gänge- lungen führen wollen, sagte er sei- nen entschiedenen Widerstand an. Die Freien Berufe seien ein Ferment in unserer dynamischen Gesellschaft. Allerdings müsse sich gerade der niedergelassene Arzt seiner hohen sozialen Verant- wortung und seiner ökonomi- schen Schlüsselstellung im Kran- kenversicherungssystem stets be- wußt sein. Zwar sei die Freiheit, ei- nen attraktiven Beruf wählen zu können, noch keine Garantie für den beruflichen Erfolg. Wer aber die Mühen eines zeitaufwendigen und kostenintensiven Studiums auf sich genommen, wer sich ent- sprechend beruflich qualifiziert habe, der habe auch Anspruch darauf, daß der Staat für die not- wendigen existentiellen Rahmen- bedingungen sorge. Bangemann sprach sich für eine steuerliche Gleichbehandlung der Selbständi- gen und Freiberufler mit den Ar- beitnehmern bei der Berücksichti- gung der Vorsorgeaufwendungen für Alter und Krankheit aus (in der Tat klafft hier noch eine „Un- gleichbehandlungslücke" in Höhe von zur Zeit rund 8000 DM pro Jahr).

Sorge bereiten auch dem Bundes- wirtschaftsminister die „Kostenex- plosion" im Gesundheitswesen

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Die Vertreterversammlung: Fast sieben Stunden dauerten die Beratungen über Fragen der kasssenärztlichen Versorgung

und die ständigen Beitragssatzer- höhungen — trotz dynamisierter Bemessungsgrenzen. Hohe und weitersteigende Lohnnebenko- sten seien „beschäftigungsfeind- lich". Sie entzögen dem Soziallei- stungssystem den Boden einer so- liden Finanzierung. Für die ge- samtwirtschaftliche Beurteilung des Entwicklungsspielraums sei auch die Tatsache entscheidend, daß sich der Beitragssatz zur Krankenversicherung von 1970 bis 1985 um fast vier Prozentpunkte — das sind fast 50 Prozent Steige- rung — erhöht habe. Die Funktion

„Gesundheitssicherung" kostet heute insgesamt 214 Milliarden DM im Jahr; davon entfallen fast 110 Milliarden DM auf die gesetzli- che Krankenversicherung und rund 40 Milliarden DM auf die Lohnfortzahlung. Die „Schmerz- schwelle" bei der Abgabenbela-

stung sei mittlerweile erreicht. Die Leistungsmotivation schwinde, und die Schattenwirtschaft nehme in dem Maß zu, wie die Arbeitneh- mereinkommen mit Lohnneben- kosten belastet werden. Im Hin- blick auf die zweite Stufe der Steu- erreform postulierte Bangemann:

„Die geplanten steuerlichen Entla- stungen dürfen nicht in Form von weiteren Beitragssatzerhöhungen verfrühstückt werden."

Mut zu mehr Marktwirtschaft Auch im Gesundheitswesen soll- ten nach Bangemanns Meinung verstärkt marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen und Ele- mente der Marktöffnung installiert werden. Überkapazitäten, insbe- sondere im stationären Sektor, müßten ebenso abgebaut werden

wie obsolet gewordene Leistun- gen. Das zum Teil durch die Kran- kenkassen angeheizte Anspruchs- verhalten der Versicherten bedarf nach Bangemanns Überzeugung ebenfalls dringend wirksamer Kor- rekturen. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche- rung sollte überprüft und aus der solidarischen Finanzierung sollte jede Leistung gestrichen werden, die für den einzelnen ohne weite- res tragbar ist. Eine gründliche Strukturreform, die das verfügba- re Einkommen durch verminderte Sozialabgaben erhöht, sei nicht unsozial. Unsozial wäre nach Mei- nung des Ministers dagegen ein System, das jede Bagatelle be- zahlt, aber dringenden gesund- heitlichen Bedarf redressieren müsse. Für Bangemann ist es kein Tabu, auch mit ökonomischen An- reizen die Leistungsträger des Ge- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 19 vom 7. Mai 1986 (43) 1355

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Vortragsveranstaltung

sundheitswesens, aber auch die Patienten/Beitragszahler zu mehr Sparsamkeit und zum gezielten Einsatz knapper Ressourcen anzu- halten. Eine so konzipierte Struk- turpolitik sei eine der geltenden Wirtschafts- und Gesellschaftsord- nung weit eher gemäße Alternative als ein noch mehr aufgeblähtes, im- mer teuerer werdendes zentralver- waltetes Einheitssystem.

Nach Professor Dickartmann un- terstreicht allein schon der Ausga- ben- bzw. Kostenaspekt der ambu- lanten ärztlichen Versorgung den eminenten Wirtschaftsfaktor, den das Gesamt der kassenärztlichen Versorgung für die Volkswirt- schaft im allgemeinen, für das Ge- sundheitswesen im besonderen darstellt. Die ambulante ärztliche Versorgung ist in den leistungsdy- namischen Wachstumsprozeß des tertiären Sektors eingebunden.

Trotz gesetzlicher Rahmenbedin- gungen und vielfältiger reglemen- tierender Kautelen hatte auch der ambulante ärztliche Sektor in den vergangenen Jahrzehnten über- proportionale Ausgabensteige- rungsraten zu verzeichnen. Dies ist auch nicht verwunderlich, so Professor Dickertmann, schließ- lich ist der .,Dienstleistungsbe- trieb Arztpraxis" besonders per- sonal- und anlagekostenintensiv.

Auch der medizinische und medi- zinisch-technische Fortschritt for- dert seinen Tribut. Insofern wäre es verfehlt, die Meßlatte Ökonomie zu Maß und zur Mitte des ärzt- lichen Handeins und zur maßgeb- lichen Entscheidungsgrundlage für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu deklarieren.

Wirtschaftliches Handeln in der Arztpraxis könne deshalb stets nur als .. strenge Nebenbedingung bei den medizinisch für notwendig er- achteten Handlungen und Verhal- tensweisen Beachtung finden", betonte Dickertmann. Zudem wer- den die ärztlichen Entscheidun- gen von gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingun- gen überlagert. Deren Konstella- tionen muß der Arzt beachten, will er zielrational und seiner Verant- wortung verpflichtet handeln.

Ökonomische Daten von Bedeutung

für Beruf und Existenz

Die ökonomischen Daten, die die existentiellen und beruflichen Be- dingungen der Arztpraxis kenn- zeichnen, lauten (nach Dickert- mann):

~ Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind von 1970 bis 1985 um 205 Prozent- punkte gestiegen. Sie erreichten 1985 einen Betrag von 114 Milliar- den DM (einschließlich Verwal- tungskosten -1985: 5,4 Milliarden DM; gleich fünf Prozent). Im glei-

Professor Dr. Dietrich Diekerlmann hat den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Universität Trier inne

chen Zeitraum stieg dagegen das Bruttosozialprodukt - bewertet mit den jeweiligen Preisen - nur um 126 Prozentpunkte.

~ Der Beitragssatz in der GKV stieg in den letzten 15 Jahren von durchschnittlich 8,2 auf 11,8 Pro- zent. Gleichzeitig ist die Beitrags- bemessungsgrenze in der Kran- kenversicherung infolge der jähr- lichen Dynamisierung von 1200 auf 4050 DM (1985) emporge- schnellt. Zur Zeit liegt der Durch- schnittsbeitragssatz bereits bei 12,15 Prozent, die Bemessungs- grenze bei 4200 DM.

~ An diesen Wachstumsraten der Ausgabenentwicklung und der Beitragssätze waren die einzelnen Sektoren in unterschiedlichem Maße beteiligt. Bezogen auf den Zeitraum von 1970 bis 1985 gab es folgende Steigerungsraten bei den Ausgaben der GKV:

[> Zahnersatz: + 366 Punkte;

[> Krankenhausbehandlung:

+

248 Punkte;

[> Zahnärztliche Behandlung:

+

184 Punkte;

[> Arzneien, Hilfs- und Heilmittel

aus Apot.heken: 184 Punkte;

[> ambulante ärztliche Behand-

lung: 167 Prozentpunkte.

Die Bandbreite der Steigerungsra- ten für die einzelnen Ausgabenka- tegorien betrug demnach in 1985 199 Prozentpunkte (nach 192 Pro- zentpunkten 1984). Daraus folgt:

Die ambulante ärztliche Versor- gung weist im Vergleich der Lei- stungsträger untereinander und im Vergleich zur Wachstumsrate des Bruttosozialproduktes die ge- ringste Steigerungsrate auf.

Betrachtet man die Anteile der am- bulanten Behandlung an den Ge- samtausgaben der Krankenkassen (einschließlich der Verwaltungs- ausgaben) im Zeitverlauf, so ergibt sich folgendes Bild: 1970 betrug der Anteil für die ambulante Ver- sorgung knapp 22 Prozent, 1985 hingegen nur noch 17,3 Prozent.

Bezogen auf den durchschnitt- lichen Beitragssatz kostete die ambulante Versorgung folglich in 1970 1,8 Prozentpunkte, 1985 hin- gegen zwei Prozent ( + 11,1 Pro- zent). Was sich bei den Kranken- kassen als Ausgabenvolumen in Höhe von 19,8 Milliarden DM für die ambulante Versorgung nieder- schlägt (1985), wird in der volks- wirtschaftlichen Gesamtrechnung als Bruttoumsatz im Dienstlei- stungssektor Arztbetrieb als Bei- trag zur Bruttosozialproduktmeh- rung verbucht. (Zum Vergleich:

Das Aufkommen aus der Tabak- steuer betrug 1985 16,7 Milliarden

DM, ein Betrag, den allein die All-

gemeinen Ortskrankenkassen als

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Ausgaben für die Behandlungsfol- gekosten des Rauchens verbuch- ten.)

Aus der jüngsten amtlichen Ko- stenstrukturerhebung für Arztpra- xen läßt sich entnehmen, daß aus dem genannten Umsatzbetrag al- lein 10,4 Milliarden DM (= 52,6 Prozent) für praxisbedingte Be- triebsaufwendungen und Ab- schreibungen sowie Versorgungs- rückstellungen bestritten werden müssen. Mithin verblieb (in 1984) für sämtliche 64 000 nieder- gelassenen Kassenärzte ein Pra- xiseinkommen (vor Steuern und vor den Aufwendungen für die so- ziale Sicherung) in Höhe von ins- gesamt 9,4 Milliarden DM. Ohne Berücksichtigung der Privathono- rare bedeutet dies ein durch- schnittliches Bruttoeinkommen pro Kassenarzt in Höhe von 148 000 DM p. a.

Zusammenhang zwischen Sozialquote und Leistungskraft der Wirtschaft ...

Professor Dickertmann wies dar- auf hin, daß sich Einnahmen und Einkommen der Ärzte auf der an- deren Seite über die Sozialversi- cherungsbeiträge als Lohn- bzw.

Lohnnebenkosten für die Betriebe und Arbeitgeber niederschlügen, mithin die Leistungskraft der Wirt- schaft insgesamt „belasteten".

Die Sozialabgaben verteuerten mithin den Produktionsfaktor Ar- beit. Insofern hat die Sozialquote unmittelbaren Einfluß auf die Wettbewerbsfähigkeit, die interna- tionale Leistungskraft und Export- quote der deutschen Wirtschaft.

Je höher die Summe der Abzüge aus Sozialabgaben und Steuern ist, je mehr das Arbeitseinkommen mit lohnbezogenen Abgaben bela- stet wird, desto geringer ist die konsum- und investitionskräftige Nachfrage. Wird der psychologi- sche Grenzwert der Belastungsfä- higkeit mit Abgaben („brecking point") überschritten, so kann dies die Motivation und Leistungs- bereitschaft der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und insgesamt die Be-

schäftigungs- und Wachstums- chancen der Volkswirtschaft be- einträchtigen.

... aber auch zwischen Investitionskraft der Ärzte und Arbeitsmarkt

Auf der anderen Seite ist der ar- beitsmarkt- und beschäftigungs- politische Aspekt des Dienstlei- stungsbetriebes Gesundheitswe- sen nicht gering zu veranschla- gen.

Dr. Karsten Vilmar wies darauf hin, daß es dabei nicht nur um die mit-

Professor Dr. Gerhard Wittkämper ist Direktor des Instituts für Politikwissen- schaft an der Universität Münster

telbar und unmittelbar durch den Kassenarzt beschäftigten Arbeit- nehmer geht. Zu berücksichtigen ist auch das bei den Ärzten in frei- er Praxis zur kassenärztlichen Ver- sorgung allein für medizinisch- technische Geräte investierte An- lagevolumen in Höhe von 15 Mil- liarden DM. Bei einer durch- schnittlichen Lebensdauer von zehn Jahren wird allein zur Ergän- zung und zur Erhaltung des Gerä- teparkes ein Finanzvolumen in Hö- he von 1,5 Milliarden DM benötigt.

Diese Summe verdoppelt sich, wenn bei schnellebigen hochtech- nologisierten Geräten von einer

tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzungsdauer von nur fünf Jah- ren ausgegangen wird.

Im Zeitraum von 1974 bis 1985 sind im Gesundheitswesen 307 295 Arbeitsplätze neu ge- schaffen worden — eine Zahl, die dem im gleichen Zeitraum erfolg- ten Abbau der Arbeitsplätze im Hauptgewerbe entspricht. Hinzu- kommen zahlreiche weitere Ar- beitsplätze in der Zulieferindu- strie, wie etwa in der Geräteindu- strie, in der Pharmaindustrie oder im Kur- und Bädersektor. Insofern ist das Gesundheitswesen und ins- besondere der ambulante ärzt- liche Sektor „außerordentlich ar- beitsmarktproduktiv" (Vilmar).

Allerdings muß auch anerkannt und in der politischen Diskussion berücksichtigt werden — darüber stimmten die Referenten überein

—, daß viele kostenexplosive nach- fragesteigernde Impulse von au- ßen in die Arztpraxis hineingetra- gen werden, die sie selbst nicht steuern und abwehren kann. An- dererseits sind die Möglichkeiten des Produktivitätsfortschritts und der Rationalisierung in der Arzt- praxis relativ begrenzt, weil die hochsensiblen Leistungen an die Person des Arztes gebunden sind und weil weithin das Unoactu- Prinzip herrscht. Hinzu kommt:

Die Fortschritte der medizinischen und pharmazeutischen Forschung haben ihren Preis, einen immer teureren, in einer Wohlstandsge- sellschaft aber auch tolerablen Preis, wie die Referenten kom- mentierten. Der Einsatz der perso- nalen medizinischen Zuwendung, der Einsatz „von Mensch und Ma- terial" im Dienste der Gesundheit, also der Erhaltung des „Human- kapitals", bewirkte eine nie geahn- te Steigerung der Lebensqualität und eine enorme Verlängerung der Lebenserwartung. Allerdings:

Die Aufwendungen dafür werden bei abnehmendem Grenznutzen weiter steigen (so Dickertmann).

Professor Wittkämper und Dr. Vil- mar warnten vor einer ökono- misch verengten Interpretation Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 19 vom 7. Mai 1986 (47) 1357

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Vortragsveranstaltung

Der Sitzung der Vertreterversammlung vorgeschaltet: Sorgfältige Beratung aller an- stehenden Fragen in Vorstand und Länderausschuß (hier rechts im Bilde)

und einer ökonomistischen, fiska- lisch orientierten Gesundheitspo- litik: „Wiedergewonnene Lebens- qualität durch Erhaltung oder Wie- derherstellung der Bewegungs- freiheit, durch Unabhängigkeit von fremder Pflege und Versor- gung, durch die Möglichkeit, wie- der ein eigenes, sinnerfülltes Le- ben führen zu können, entzieht sich einer ökonomischen Kosten- Nutzen-Berechnung ebenso wie die aus humanitären Gründen nö- tige Hilfe für Alte, Todkranke und Sterbende ..." (Vilmar).

Warnung vor

einer ökonomisch-fiskalisch verengten Gesundheitspolitik Die auch grundgesetzlich aner- kannte, sozialethisch fundierte Funktion der ärztlichen Versor- gung lautet denn auch: „Medizin und ärztliche Versorgung sind hu- manitäre Dienstleistung und kein

‚Reparaturbetrieb'. Es ist ein Ge- bot der Menschenwürde, Kranke und Hilfsbedürftige vor nicht er- füllbaren Ansprüchen des Staates oder der Gesellschaft zu - schüt- zen." (Vilmar)

Der Ärztepräsident setzte sich ve- hement dafür ein, endlich den seit 1977 bestehenden Gesetzauftrag zu vollziehen, nämlich auch und in erster Linie medizinische Orientie- rungsdaten bei der Gestaltung des Gesundheits- und Sozialwesens einfließen zu lassen.

Jeder Arzt müsse sich der erheb- lichen sozialen Verantwortung tagtäglich bewußt werden, danach sein Handeln auszurichten und seine Innovationskraft trotz aller äußerer Widrigkeiten nicht erlah- men zu lassen. Allerdings bedarf es einer gemeinwohlorientierten Austarierung der existentiellen Rahmenbedingungen der beruf- lichen Betätigungsmöglichkeiten des Arztes, Professor Wittkämper postulierte: „Der Kassenarzt steht im magischen Dreieck, Ökonomie, Wohlfahrt und Freiheit zum richti- gen Handeln zu leiten, ohne ihn zu entmündigen."

Heute dürften die Kassenärzte nicht einfach „Betreuungs- und Versorgungsagenten" sein, die unter dem Einfluß omnipotenter Dritter stehen. Vielmehr seien sie als „Wirtschafts- und Wohlfahrts- faktor" sowohl dem Sozialstaat- lichkeitsprinzip als auch dem Frei- heitsprinzip verpflichtet. Gerade in Zeiten zunehmender Spezialisie- rung der Medizin und der immer größer werdenden Grauzonen zwi- schen „eindeutig gesund und ein- deutig krank" seien hohe Anforde- rungen an das Selbstwertgefühl und die Selbstverantwortung von Arzt und Patient zu stellen.

Kassenärzte sind keine weisungsgebundenen und ferngelenkten Roboter

Mit dem „Freiheitsfaktor" der kas- senärztlichen Versorgung un- trennbar verbunden sei das Postu- lat der ärztlichen Unabhängigkeit im Arzt-Patienten-Verhältnis. Der Arzt müsse in einem Mindestmaß an staatsfreiem Raum agieren können, denn er sei kein wei- sungsgebundener, von staatlichen Instanzen ferngeleiteter Roboter.

Er dürfe auch nicht als ein unter einem starren Mandat stehender Funktionsträger mißbraucht wer- den.

Für Wittkämper ergeben sich theoretisch ableitbare und tat- sächlich feststellbare rechtliche und politische Grenzen für die Übertragung des (ökonomischen) Rationalitätsprinzips auf die kas- senärztliche Versorgung. Aller- dings bedeutet dies nicht gleich- zeitig einen Freibrief für einen So- zialstaat mit jedweder Eigendyna- mik.

Die Gefahren seien allemal groß, daß von der individuellen, patien- tenzentrierten Medizin auf eine kollektive sozial- und wohlfahrts- staatlich ausgerichtete Medizin umgeschaltet werde.

An die soziale Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen appellierten die Wissenschaftler, vorhandene Rationalisierungspo- tentiale aufzuspüren und eigen- verantwortlich zu nutzen, „soweit dem nicht die Verpflichtung zur humanen Effizienz entgegen- steht". An die Ärzteschaft appel- lierte Wittkämper, entsprechend den gewandelten ethischen Wer- ten auch ihr Selbstverständnis von der Gemeinschaft mit den Patien- ten neu zu definieren.

Bei alledem müsse der „offene so- zialethische Horizont, den uns die Verfassung anvertraut hat, immer im Auge behalten werden".

(7)

Diskussion und Schlußwort

Kassenärzteschaft:

Hochleistungsfähige Wachstumsbranche, kein Kostentreiber

Wie es der Moderator der Vor- tragsveranstaltung, Günther Wind- schild, vorgeschlagen hatte, dreh- te sich die Diskussion hauptsäch- lich um einen scheinbaren Wider- spruch: Das Gesundheitswesen, und insbesondere sein ambulan- ter Sektor, soll einerseits eine Wachstumsbranche sein; anderer- seits wird, während überall sonst vom Aufschwung geredet wird, nur für das Gesundheitswesen ein

„Abschwung" verlangt. Für die Kassenärzte wird, so ein Diskus- sionsredner, der Druck, mit dem man von ihnen immer wieder Bei- träge zur Kostendämpfung for- dert, geradezu unerträglich.

Unter diesem Gesichtspunkt wur- den in der Diskussion zahlreiche Teilfragen der ambulanten kas- senärztlichen Versorgung der Be- völkerung angesprochen. So läßt sich beispielsweise konstatieren, daß nach den früheren Klagen über „Opas Praxis", die angeblich zu kärglich ausgestattet war, aller- seits nach mehr Technik in der Medizin gerufen wurde, während jetzt aber wieder ein Schwenk von der Technik fort festzustellen ist.

Nunmehr wird wieder gefordert, daß der Arzt sich auch mehr um die psychische Begleitung seiner Patienten kümmern, daß er wieder seine alte seelsorgerische Aufga- be erfüllen soll.

Daß der kassenärztliche Sektor des Gesundheitswesens in sehr vielfältiger Weise ein volkswirt- schaftlicher Faktor ist, das wurde mehrmals betont. Es geht dabei nicht nur um die direkten Ausga- ben für die kassenärztliche Ver- sorgung oder um die von Kassen- ärzten veranlaßten Leistungen; es geht um Arbeitsplätze, zum Bei- spiel auch in denjenigen Orten,

die manchmal wirtschaftlich weit- gehend von Kuren und Heilverfah- ren abhängen; es geht beispiels- weise um die Exporte von Medi- zintechnik und Arzneimitteln.

Es wurde gefordert, die Umvertei- lungseffekte einmal genau zu überprüfen, die sich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversiche- rung ergeben. So könnte man fra- gen, ob nicht die studentische Krankenversicherung mit ihren niedrigen Beitragssätzen eigent- lich von der Bildungspolitik sub- ventioniert werden müßte.

Der Gedanke der Einführung eines Prinzips der Grundsicherung trat

Dr. Eckart Fiedler unterstrich in seinem Schlußwort die hohe Leistungsfähigkeit unserer kassenärztlichen Versorgung

schließlich in den Vordergrund der Diskussion. Ähnlich wie bei der Grundausstattung eines Autos könnte man daran denken, daß al- les medizinisch Notwendige durch die Krankenversicherung bezahlt wird, während zusätzliche Bedürf- nisse von den Versicherten selbst finanziert werden müßten. Damit hängt die Möglichkeit der Aus- grenzung von Bagatellfällen zu- sammen, gegen die sich aber Ein- wände erhoben: Es ist nämlich so gut wie nicht möglich, „Grundsi- cherung" und „Bagatellfälle" zu definieren. Was ein Bagatellfall ist,

das wisse man im Grunde genom- men immer erst nach der ersten Konsultation eines Arztes. Diesem Problem könne man höchstens beikommen durch die Wiederein- führung von Karenzzeiten oder mit Hilfe einer prozentualen Selbstbe- teiligung.

In seinem zusammenfassenden Schlußwort, mit dem er auf den vorliegenden Entschließungsent- wurf (veröffentlicht auf Seite 1342) hinlenkte, wandte sich Hauptge- schäftsführer Dr. Eckart Fiedler vor allem gegen die einseitig öko- nomische Betrachtungsweise des Gesundheitswesens. Nachdem die Kassenärzte nun seit zehn Jahren im ständigen Kreuzfeuer der Kritik an den Ausgabensteigerungen stehen, nachdem ein Kosten- dämpfungsgesetz das andere jag- te, nachdem immer mehr dirigisti- sche Maßnahmen angewendet wurden, wird der kassenärztliche Sektor nun bereits als „Soziallast"

betrachtet. In der Öffentlichkeit sei das Bild eines völlig überdimen- sionierten, unwirtschaftlich arbei- tenden Systems entstanden, das minderwertige Leistungen erbrin- ge und von den „Leistungsanbie- tern" egoistisch ausgebeutet werde.

Bei dieser Betrachtungsweise werden die hohe Leistungsfähig- keit des deutschen Gesundheits- wesens und insbesondere seines ambulanten Sektors, der Fort- schritt durch die Erfolge der medi- zinischen Wissenschaft völlig in den Hintergrund gedrängt. Aus diesem Grunde, um nämlich von dieser einseitigen ökonomischen Orientierung wegzukommen, ver- suche man nun schon seit fünf Jahren, der Öffentlichkeit und den Politikern die medizinischen Ori- entierungsdaten nahezubringen.

Für die notwendige Kostendämp- fung, sagte Dr. Fiedler, seien die Kassenärzte immer gewesen; sie dürfe aber nicht zu Lasten der Qualität der gesundheitlichen Ver- sorgung gehen und auch nicht zu Lasten der beglückenden Auswir- kungen dieser hohen Qualität auf Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 19 vom 7. Mai 1986 (51) 1359

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VERTRETERVERSAMMLUNG Vortragsveranstaltung

den einzelnen Patienten. Wie falsch die einseitig ökonomische Betrachtungsweise ist, zeige sich schon daran, daß die gestiegene Lebenserwartung wohl die not- wendige Folge hat, daß mehr chronisch Kranke behandelt wer- den müssen — der dadurch entste- hende Gewinn an Lebensqualität sei aber unter den Aspekten von Effizienz und Effektivität gar nicht zu messen.

Trotzdem wolle nun die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung den Anspruch erheben, die kassen- ärztliche Versorgung sei ein ge- wichtiger Wirtschaftsfaktor. Und gerade diese Veranstaltung der KBV habe das überzeugend be- wiesen. Die kassenärztliche Ver- sorgung trägt zum Wirtschafts- wachstum bei, sie spielt eine be- deutende Rolle bei der Erhaltung der Arbeitskraft und der Lei- stungskraft der Bevölkerung, was wiederum der gesamten Volks- wirtschaft zugute kommt; sie för- dert auch die „gesellschaftliche Wohlfahrt", und das wirkt sich in den Familien aus. Unsere gute kassenärztliche Versorgung, er- klärte Dr. Fiedler, ist Garant und Förderer des wirtschaftlichen Auf- schwungs — in einem System, in dem freiberufliche Kassenärzte

wirken. Gerade sie haben ja Ver- ständnis für die Anforderungen an eine freiheitliche Wirtschaftspoli- tik. Gerade sie brauchen und ha- ben den Mut zu Investitionen, ge- rade sie arbeiten mit dem, was ei- ne entwickelte Volkswirtschaft vorantreibt: mit persönlichem Lei- stungseinsatz. Bei all dem sei es erstaunlich, fuhr Dr. Fiedler fort, daß anteilsmäßig der Zuwachs der Ausgaben bei den Kassenärzten von allen Sektoren in der Kranken- versicherung am geringsten gewe- sen ist. In den letzten 16 Jahren hat der Ausgabenzuwachs für die kassenärztliche Vergütung 0,1 Beitragssatzpunkte in der gesetzli- chen Krankenversicherung ausge- macht. Wäre die Entwicklung bei den anderen Sektoren ähnlich ver- laufen, so könnten die Kranken- kassenbeiträge heute um mehrere Prozentpunkte niedriger sein. Die- se Tatsachen berechtigten die deutsche Kassenärzteschaft dazu, sich offensiv als eine Leistungs- branche darzustellen und sich nicht als „Kostentreiber" diffamie- ren zu lassen. Denn die Leistung läßt sich nachweisen; die Voraus- setzung zur Leistung ist eine ver- nünftige Motivation, und unser Gesundheitswesen bietet den Kas- senärzten wiederum die Voraus- setzungen für solche Motivation.❑

Für eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit

Mit der Begrüßung der Delegier- ten, der Ehrengäste, Gäste und Journalisten sowie der Feststel-

lung der Beschlußfähigkeit hatte der Erste Vorsitzende, Professor Dr. Siegfried Häußler, die Sitzung der Vertreterversammlung eröff- net.

Sodann wurde Dr. med. Friedrich Nienhaus die Friedrich-Voges-Me- daille der KBV verliehen. Die gro- ßen Verdienste des früheren Lei- ters der Vertragsabteilung der KBV werden in einem der näch- sten Hefte ausführlich gewürdigt werden.

Nach der ohne Aussprache erteil- ten Zustimmung zu Neuwahlen für das Bundessozialgericht legte der Vorstand, wie vom Länderaus- schuß empfohlen, eine Resolution zur Öffentlichkeitsarbeit der KBV vor. Es ging dabei um die im Deut- schen Ärzte-Verlag erscheinende Wartezimmerzeitschrift „medizin heute". Die Vertreterversammlung billigte mit großer Mehrheit einen Aufruf an KVen und Kassenärzte, durch Sammelbezug oder zusätz- liche Abonnements zu einer noch weiteren Verbreitung beizutragen und die Exemplare auch im Warte- zimmer auszulegen.

Wir sind alle Mitakteure, wir kön- nen uns nicht „aus dem Parkett"

davonstehlen — so interpretierte Professor Häußler in seinen Schlußworten einen Satz des fran- zösischen Philosophen Gabriel Marcel: „Wir sind nicht im Thea- ter"! Um so deutlicher war wohl al- len Anwesenden bewußt, daß eine schwere Erkrankung gerade den Mann am Agieren hindert, der die Hauptverantwortung für das schwierige Vorhaben der Reform des Einheitlichen Bewertungs- maßstabes trägt: das Vorstands- mitglied der KBV Dr. Klaus Dehler.

Im Namen der Versammlung über- sandte Häußler herzliche Gene- sungswünsche. DÄ

Unter den zahlreichen Ehrengästen der Sitzung: der mit der Friedrich-Voges- Medaille der KBV ausgezeichnete Dr. Friedrich Nienhaus (im Vordergrund links)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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