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Schweizer Obstverband im Reich der Mitte

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Academic year: 2022

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David Szalanay, Strickhof Wülflingen david.szalatnay@bd.zh.ch

Am 1. August 2014 machte sich eine bunt gemischte 23-köpfige Delegation des Schweizer Obstverbands von Zürich auf den Weg nach Peking. Auf dem 16-tägigen Programm standen neben Fachbesuchen in den beiden wichtigsten Kernobstregionen diverse touristische At- trak tionen wie die Grosse Mauer, die Verbotene Stadt,

die Armee der Terrakotta-Krieger im Xi‘an, die Reister- rassen von Longji oder die Karstberge am Li-Fluss. Im Bewusstsein, dass eine zweiwöchige Reise in einem so vielfältigen und grossen Land wie China für eine voll- ständige Berichterstattung nicht ausreicht, soll der vor- liegende Artikel einen Eindruck zum heutigen Obstan- bau in den grössten und zurzeit wichtigsten Kernobst- provinzen Shaanxi und Shandong geben.

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Schweizer Obstverband im Reich der Mitte

China ist ein Land der Superlative. Im flächenmässig viertgrössten und bevölkerungsreichsten Land der Erde leben heute über 1.37 Mrd. Menschen. Neben einem enormen Hunger nach Rohstoffen und Lebensmitteln steht China bei der Produktion vieler landwirtschaftlicher Güter uneinholbar an der Weltspitze. Was die Obstproduktion betrifft: Es wird heute jeder zweite Apfel und zwei Drittel aller Birnen der Welt in China produziert. Daneben werden im Reich der Mitte auch die meisten Pfirsiche und Nektarinen, Pflaumen und Zwetschgen, Tafeltrauben und Zitrusfrüchte angebaut. Höchste Zeit also, sich vor Ort einen Überblick beim weltgrössten Obstproduzenten zu verschaffen.

Die wichtigsten Apfelanbauregio- nen Chinas liegen im östlichen bis zentralen Teil des Landes. Shaanxi ist seit 2011 die wichtigste Provinz im Apfelanbau, gefolgt von Shan- dong.

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Alle bekannten Fastfoodketten aus den USA sind vertre- ten, junge Chinesinnen und Chinesen tragen westliche Kleidermarken und sogar der blaugelbe Möbelhersteller aus Schweden ist schon in China vertreten. Der Wohl- stand der stetig wachsenden oberen Mittelschicht zeigt sich in Form von Neuwagen der Marken VW, BMW, Mer- cedes oder Audi, die trotz enormer Einfuhrzölle von über 100% in grosser Zahl auf den Strassen der Städte anzu- treffen sind. In den rasant wachsenden Städten mit Ein- wohnerzahlen von einer bis mehreren Millionen herrscht ein unvorstellbarer Bauboom. Parallel zur Er- richtung mehrspuriger Autobahnen werden neue Schnellzuglinien gebaut. Gleichzeitig wachsen in und um viele Städte Hunderte neue Hochhäuser in den Him- mel.

Man kann sich als westlicher Betrachter kaum vor- stellen, wer dereinst in diesen neuen Quartieren woh- nen soll. Wie sich in diversen Gesprächen herausstellte, sind viele dieser Retortensiedlungen für potenzielle Be- wohner wegen fehlender Infrastruktur wie Schulen oder Einkaufsmöglichkeiten keine attraktiven Wohnorte. Er- schwerend dürfte hinzukommen, dass gemäss einigen Kaufverträgen Wasser und Strom erst dann angeschlos- sen werden, wenn 80% der Wohnungen bewohnt wer- den. Aus verlässlicher Quelle wurde von einem Käufer berichtet, der sich trotz bezahlter Wohnung und fertig- gestelltem Gebäude an einem anderen Ort einmieten musste, weil Strom und Wasser wegen beschriebener Vertragsklausel fehlten.

Die Bevölkerung in ländlichen Regionen Chinas lebt unter sehr einfachen Bedingungen; die landwirtschaftli- chen Strukturen in den besuchten Regionen sind sehr klein. Obwohl die gesamten Anbauflächen in China un- vorstellbar gross sind, besitzen die meisten Kleinbauern nur wenige «mu» Land (mu = chinesisches Flächen- mass, entspricht 1/15 ha). Dieses Land dient meist der Selbstversorgung. Jeder Quadratmeter wird intensiv ge- nutzt und nach bestem Wissen gepflegt. In Obstanbau- gebieten findet man zwischen den Bäumen meist ande- re Nutzpflanzen wie Erdnüsse, Mais, Taro oder Süsskar- toffeln. Häufigste Transportmittel auf dem Land sind das Fahrrad, Moped oder dreirädrige Transportfahrzeu- ge, die mit den von der italienischen Firma Piaggio her- gestellten «Ape» vergleichbar sind. Der Einsatz von Ma- schinen in der Landwirtschaft beschränkt sich auf ein Minimum. Wie unsere lokale Reiseleiterin erklärte und wir im Reis- und Wasserkastanienanbau selbst beobach- ten konnten, werden viele Arbeiten in der Landwirt- schaft durch chinesische BMW («Bauer mit Wasserbüf- fel») erledigt. Diese einfachen Lebensumstände dürften ein wichtiger Grund für die Landflucht sein. Lebten vor 30 Jahren noch drei Viertel aller Chinesen auf dem Land, sind es heute bereits weniger als die Hälfte.

Chinas Hunger nach Nahrungsmitteln

China gehört zu den grössten Produzenten verschiede- ner landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Die Ackerbauflä- che in China betrug 2012 etwa 110 Mio. ha, dies entspricht Platz 4 hinter den USA, Indien und Russland.

Wegen Problemen mit Trockenheit, Ausbreitung der Wüste Gobi auf ehemaligen Anbauflächen, starker Bau-

Moderne und Tradition

China ist ein Land der Gegensätze. Die Modernisierung in vielen Lebensbereichen der urbanen Bevölkerung schreitet rasch voran, ohne klassisch chinesische Tradi- tionen gänzlich zu verleugnen. So staunen Besucher aus dem Westen darüber, dass bei einigen modernen Hoch- häusern riesige Löcher in der Mitte des Gebäudes freige- lassen werden, um dem Drachen im dahinter liegenden Berg die Flugbahn nicht zu versperren. Auf einem Hoch- haus in Hongkong, das von der Form her an eine Zigaret- te erinnert und in dem es einmal gebrannt hat, wurde auf dem Dach nach Rücksprache mit einem Feng Shui Ex- perten ein kreisrunder Swimmingpool errichtet, der die Glut der Zigarette löschen und so weitere Brände verhin- dern soll.

Trotz einer gewissen Rücksicht auf Traditionen ist ein moderner Lebensstil in den Grossstädten angekommen.

Bauboom um die Städte.

Bäume mit zu starkem Wachs- tum werden am Stamm geringelt.

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tätigkeit und teils auch wegen Umweltverschmutzung gingen in den letzten Jahren laufend Anbauflächen ver- loren. Pro Einwohner Chinas stehen im Moment nur noch etwa 0.08 ha Ackerfläche zur Verfügung, zu wenig, um die eigene Bevölkerung ernähren zu können. So muss China grosse Mengen an Getreide aus anderen Ländern importieren und hat damit begonnen, land- wirtschaftlichen Flächen in anderen Regionen der Welt zu kaufen oder zu pachten, insbesondere in Afrika und Osteuropa.

Beim Anbau von Äpfeln und Birnen erreicht kein Land der Erde nur annähernd die Produktionsmengen von China. Im Jahr 2012 betrug die Apfelanbaufläche 2.23 Mio. ha. Sie ist damit grösser als die Staatsfläche von Slowenien und entspricht mehr als der siebenfachen of- fenen Ackerfläche der Schweiz. Mit einer Produktions- menge von etwa 38 Mio. Tonnen ist der Ausstoss an Äp- feln grösser als in allen übrigen Ländern zu sammenge- rechnet. Der Birnenanbau von über 17 Mio. Tonnen erfolgt auf einer Anbaufläche von knapp 1.08 Mio. ha.

Zwei Drittel der weltweit angebauten Birnen kommen heute aus dem Reich der Mitte. Die wichtigsten Apfelan- bauregionen Chinas liegen im östlichen bis zentralen Teil des Landes. Shaanxi ist seit 2011 die wichtigste Pro- vinz im Apfelanbau, gefolgt von Shandong.

Nach der Unterzeichnung des Freihandelsabkom- mens zwischen der Schweiz und China wurden in land- wirtschaftlichen Kreisen Befürchtungen geäussert, dass der Markt in der Schweiz künftig von chinesischen Nah- rungsmitteln überschwemmt werden könnte. Betrach- tet man nüchtern die Zahlen und die grossen Probleme Chinas, seine eigene Bevölkerung zu ernähren, scheint diese Gefahr heute und auch in den kommenden Jahren wenig wahrscheinlich.

Apfelanbau in den Provinzen Shaanxi und Shandong

Die grössten Apfelanbaugebiete liegen im östlichen bis zentralen Teil Chinas. Angebaut werden vor allem Sor- ten, die eher zum süsslichen Geschmackstyp zählen.

Dominiert wird der Anbau von Fuji mit einem Anteil von 70%. Weitere Apfelsorten im Anbau sind Qinguan und Gala sowie die eher säuerlich einzustufende Sorte Guoguang. In den im Rahmen der Fachreise besuchten Regionen fällt sofort die kleine Parzellierung der Obst- flächen auf. Wegen dieser sehr kleinen Parzellen, feh- lenden Branchenstrukturen und fehlendem Fachwis- sen ist der Einsatz von Maschinen im Obstbau praktisch inexistent. Fahrgassen im eigentlichen Sinn findet man in Obstgärten nicht, die Bäume bilden einen mehr oder weniger geschlossenen Bestand, der höchstens von ei- nem schmalen Zufahrtsweg unterbrochen wird. Die Abstände zwischen den Baumreihen betragen etwa drei Meter, in den Reihen beträgt der Baumabstand rund zwei bis drei Meter. Als Unterlagen werden stark wach- sende Sämlingsunterlagen verwendet, bei Bäumen mit zu starkem Wachstum wird die Rinde um den Stamm

«geringelt», um das Wachstum zu drosseln. Bewässe- rung ist dank der Verwendung stark wachsender Unter- lagen trotz oft lang anhaltenden Trockenperioden nur selten nötig und wird im Bedarfsfall von Hand ausge-

Auf kleinsten Flä- chen werden um die Karstberge bei Guilin unter- schiedlichste Kul- turen angebaut, zum Beispiel Reis, Mais, Wasserkasta- nien, Taro, Lotus, Gemüse oder Zitrusfrüchte.

Alle Tafelfrüchte werden direkt am Baum in kleine Tüten eingepackt.

führt. In einer Parzelle in Shaanxi konnten Obstparzel- len auch durch Umleitung von Wasserkanälen geflutet werden.

Pflanzenschutzmittel werden bis zu zehnmal jähr- lich von Hand ausgebracht, entweder mit einfachen Rückenspritzen oder mit einer Motorspritze mit lan- gem Schlauch und einer Gun. Der Einsatz klassischer Gebläsespritzen ist wegen fehlender Fahrgassen nicht möglich. Welche Pflanzenschutzmittel genau verwen- det werden, konnten die Bewirtschafter nicht sagen, da staatliche Berater auf die Betriebe kommen und den Bauern die zu verwendenden Pflanzenschutzmittel und Dünger mitbringen. Aufgrund von Gesprächen und herumliegenden Pflanzenschutzmittelverpackun- gen zeigte sich, dass mit Sicherheit Kupfer, Schwefel, SSH-Fungizide und verschiedene Akarizide gegen die Rote Spinne eingesetzt werden. Die Spinnmilbe scheint sich unter den heissen und trockenen Bedingungen in den Obstanbaugebieten wohlzufühlen. Schorf ist in China kein grosses Problem, dafür konnten verschie- dentlich Bäume mit starkem Apfelgitterrostbefall be- obachtet werden. Zusätzlich sind nicht selten Virus- krankheiten anzutreffen, eine Folge der selbstständi- gen Vermehrung von Bäumen mit in den Anlagen selbst geschnittenen Edelreisern.

Der augenfälligste Unterschied zum Apfelanbau in der Schweiz ist die Tatsache, dass in China alle Tafel-

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äpfel in kleine Tüten eingepackt werden. Die im Apfel- anbau am häufigsten verwendeten zweischichtigen Tü- ten bestehen aus einem dünnen inneren Säckchen aus schwarzem Kunststoff und einem äusseren Säckchen aus braunem Papier. Anfang Juni, wenn die Früchte etwa baumnussgross sind, werden alle Früchte eingepackt.

Diese zeitraubende Arbeit wird ausgeführt, um Pflan- zenschutzmittelrückstände auf den Früchten zu ver- mindern und um die Farbgebung der Äpfel gezielt steu- ern zu können. Etwa eine Woche vor der Ernte wird die äussere Tüte entfernt, drei Tage später ebenfalls die dün- ne Kunststofftüte. Kurz nach dem Entfernen sind die sonst stark gefärbten Fuji hellgelb. In den letzten Tagen vor der Ernte entsteht auf den Äpfeln dann eine leichte teiltransparente Rotfärbung, welche an rötlich gefärbtes Glas erinnert.

Obstproduzenten in China verkaufen ihre Ernte di- rekt von der Parzelle weg an Zwischenhändler. Diese be- zahlen die Bauern bar. Die Kilopreise für Äpfel der 1. Klasse lagen gemäss der amerikanischen Landwirt-

schaftsbehörde (USDA, Fresh Deciduos Fruit Annual) im Jahr 2013 bei etwa 6.1 bis 6.3 RMB, was etwa 90 Rap- pen entspricht. Die Preise für Birnen liegen gemäss diesem Bericht und mündlichen Angaben bei ungefähr

3 RMB/kg.

Quellen

Scott R., Bugang W., Liu M. und Orlowski J.: Gain Report China Fresh Deciduos Fruit Annual, USDA, 2013.

www.fao.orgw ww.chinaag.org

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Fruit-Union Suisse dans l’Empire du Milieu

Une pomme sur deux et deux tiers de toutes les poires produites dans le monde proviennent du quatrième plus grand pays du monde qui est aussi le plus peuplé.

En 2012, la superficie des pommeraies atteignait 2.23 mios d’hectares, dépassant ainsi celle de la Slové- nie. Environ 38 millions de tonnes de pommes sont produites chaque année dont 70% vont au compte de la variété Fuji. L’industrie est caractérisée par des petites structures de production, des arbres à forte croissance et l’absence de mécanisation. La différence la plus marquante par rapport à la production de

pommes en Suisse, c’est cette pratique chinoise qui consiste à emballer toutes les pommes de table dans des petits sachets en juin. Ce travail chronophage est entrepris pour diminuer les résidus de produits phyto- sanitaires sur les fruits et afin d’influencer la coloration de manière ciblée. A une semaine de la récolte, les Fuji sont en effet encore d’un jaune très clair. Mais si on les déballe quelques jours avant la récolte, leur robe se colore d’un rouge partiellement translucide dont l’optique évoque celle du verre teint en rouge.

Apfelgitterrost ist in Apfelanlagen öfters anzutref- fen, dafür schei- nen kaum Proble- me mit Schorfbe- fall zu bestehen.

Viruskrankheiten an Apfelbäumen, eine Folge der selbstständigen Vermehrung mit Edelreisern aus Pro- duktionsanlagen.

In einer der nächsten Ausgaben wird in einem zweiten Artikel über weitere Themen zum Obstbau in China berichtet, unter ande- rem über die Besichtigung einer grossen Pektin- und Apfelsaftkonzentrat-Fabrik sowie zu Feldbesuchen bei Tafeltrauben-, Kiwi- und Kumquatproduzenten.

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