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Belastung von Schlachtschweinen in zwei Zuführungssystemen zur Elektrobetäubung und die Auswirkungen auf das Wohlbefinden

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Academic year: 2022

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Aus dem Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover

Belastung von Schlachtschweinen in zwei Zuführungssystemen zur Elektrobetäubung und die Auswirkungen

auf das Wohlbefinden

INAUGURAL – DISSERTATION Zur Erlangung des Grades einer Doktorin

der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Melanie Außel aus Rheda-Wiedenbrück

Hannover 2001

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Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. J. Hartung

1.Gutachter: Univ.-Prof. Dr. J. Hartung

2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. K.-H. Waldmann

Tag der mündlichen Prüfung: 23. November 2001

Gefördert durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und

Landwirtschaft, Bonn (Projektträger: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Frankfurt)

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Für Ben

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Aus der vorliegenden Dissertation wurde bereits folgender Teil veröffentlicht:

AUßEL, M., M. MARAHRENS, H. HIEGEMANN u. J. HARTUNG (1999):

Das Verhalten von Schlachtschweinen in zwei unterschiedlichen Zuführungssystemen zur Elektrobetäubung.

23. Kongreß der DVG, Bad Nauheim, 13. - 16. April 1999, Poster Nr. 73

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 11

2 Literaturübersicht 13

2.1 Grundlagen der Belastungsbewertung 13

2.1.1 Stresstheorien und Modelle 13

2.1.1.1 Zusammenhang zwischen Belastung und Wohlbefinden 17

2.1.2 Die Belastungsreaktion 19

2.1.2.1 Zentrale Ebene 19

2.1.2.2 Periphere Ebene 21

2.1.2.2.1 Hypothalamo-Hypophysär-Adrenale Achse 21

2.1.2.2.2 Sympatho-Adrenomedulläres System 23

2.2 Belastungsindikatoren beim Schwein 27

2.2.1 Herzfrequenz 27

2.2.2 Körpertemperatur 29

2.2.3 Catecholamine 30

2.2.4 Cortisol 31

2.2.5 Lactat 33

2.2.6 Verhalten 34

2.3 Die Zuführung zur Betäubung 36

3 Eigene Untersuchungen 39

3.1 Material, Methoden und Tiere 40

3.1.1 Tiere 40

3.1.2 Transport 41

3.1.3 Schlachtbetriebsmanagement und bauliche Einrichtungen 41

3.1.4 Untersuchungsparameter 45

3.1.4.1 Erfassung der Klimaverhältnisse 45

3.1.4.2 Herzfrequenz 45

3.1.4.3 Körpertemperatur 47

3.1.4.4 Katheterisierung der Schweine 49

3.1.4.5 Gewinnung und Behandlung der Blutproben 49

3.1.4.6 Biochemische Untersuchungen (Laboruntersuchungen) 50

3.1.4.7 Ethologische Untersuchungen 53

3.1.5 Statistische Auswertung der Befunde 56

3.2 Befunde 58

3.2.1 Physiologische Belastungsindikatoren 59

3.2.1.1 Herzfrequenz 59

3.2.1.2 Körpertemperatur 61

3.2.2 Biochemische Belastungsindikatoren 63

3.2.2.1 Noradrenalin 63

3.2.2.2 Adrenalin 65

3.2.2.3 Adrenalin und Noradrenalin im Stichblut 67

3.2.2.4 Cortisol 69

3.2.2.5 Lactat 71

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3.2.3 Ethologische Befunde 73

3.2.3.1 Verhalten im Wartestall 73

3.2.3.2 Dauer der Vereinzelung und des Zutriebs 75

3.2.3.3 Verhalten während der Vereinzelung 76

3.2.3.4 Verhalten während des Zutriebs 78

3.2.3.5 Einsatz von Treibhilfen 80

3.2.3.6 Anzahl der Verhaltenswechsel 82

4 Diskussion 84

4.1 Belastungsreaktion der Schweine vor und nach dem Einbau des neuen Zuführungssystems anhand physiologischer und hämatologischer Belastungsindikatoren

85

4.2 Belastungsreaktion der Schweine vor und nach dem Einbau des neuen Zuführungssystems anhand ethologischer Parameter

93 4.3 Bedeutung der baulichen Gestaltung des Zuführungssystems

für das Wohlbefinden der Schweine

99

5 Schlussfolgerungen 102

6 Zusammenfassung 104

7 Summary 107

8 Literaturverzeichnis 110

9 Tabellenanhang 141

(9)

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung

ACTH Adrenocorticotropes Hormon ATP Adenosintriphosphat

AVP Arginin-Vasopressin

B Schlachtband

BE Blutentnahme

BHZP Bundeshybrid-Zuchtprogramm bpm. beats per minute

bzw. beziehungsweise

C Celsius

CBG Corticosteroid-bindendes-Globulin

CoA Coenzym A

cm Zentimeter

Co2 Kohlendioxid

CRH Corticotropin-Releasing Hormone DBH Dopamin-ß-hydroxylase

DOPA 3,4 Dihydroxyphenylalanin DHBA Dihydroxybenzylamin EDTA Ethylendiamintetraacetat

EGTA Ethylenbis (oxyethylennitrilo)-Tetraessigsäure

g Gramm

G Gauge

GABA Gamma-Amino-Buttersäure

HF Herzfrequenz

HHA Hypothalamo-Hypophysär-Adrenal HPLC Hochdruckflüssigkeitschromatografie HVL Hypophysenvorderlappen

I.E. Internationale Einheiten

kg Kilogramm

KT Körpertemperatur LDH Lactat-Dehydrogenase LKW Lastkraftwagen

LSM Least Squares Means

m Meter

m2 Quadratmeter

M Molarität

ml Milliliter

mm Millimeter

mmol Millimol Mtlw. Mittelwert

n Anzahl

NA Noradrenalin

NAD Nicotinamid-adenin-dinucleotid

NADH reduziertes Nicotinamid-adenin-dinucleotid NADP Nicotinamid-dinucleotid-phosphat

(10)

NADPH reduziertes Nicotinamid-adenin-dinucleotid-phosphat

ng Nanogramm

nm Nanometer

nmol Nanomol

NNM Nebennierenmark NNR Nebennierenrinde

p Signifikanz der Differenzen

PNMT Phenylethanolamin-N-methyltransferase POMC Proopiomelanocortin

S Standardabweichung S/min Schläge pro Minute

SAM Sympatho-Adrenomedulläres-System

sec. Sekunde

T Transport

Tab. Tabelle

Temp. Umgebungstemperatur TH Tyrosinhydroxylase Th 1-5 Treibhilfen 1-5

TierSchlV Tierschutz-Schlachtverordnung

U Umtrieb

u. und

UK United Kingdom

USA United States of America Vh 1-6 Verhaltensweisen 1-6

VIP Vasoaktives intestinales Peptid

vs. versus

vV vor Vorladen

W Wartestall

W min Wartestall minimum

Z Zuführung

z.B. zum Beispiel

ZNS Zentrales Nervensystem

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1 Einleitung

Angesichts eines allgemein zunehmenden Interesses für das Wohlbefinden landwirtschaftlicher Nutztiere ist in den letzten Jahren auch der aus Tierschutzsicht äußerst sensible Bereich der Schlachtung in den Vordergrund gerückt. Bei der Schlachtung sind die Tiere nicht nur im unmittelbaren Schlachtvorgang sondern auch während des Aufenthaltes im Wartestall und besonders bei der Zuführung zur Betäubung erheblichen Belastungen ausgesetzt, obwohl die Tierschutz-Schlachtverordnung (1997) in § 3 fordert, auch die mit der Schlachtung in Zusammenhang stehenden Vorgänge so schonend wie möglich zu gestalten und den Tieren dabei nicht mehr als unvermeidbare Aufregung, Schmerzen, Leiden und Schäden zuzufügen. Um Schlachtschweine der gesetzlich vorgeschriebenen Betäubung zuzuführen, kommen allerdings häufig Systeme zum Einsatz, die in erster Linie darauf ausgerichtet sind, die vom Schlachtbetrieb geforderte möglichst lückenlose Auslastung der Betäubungsanlage und hohe Schlachtzahlen zu gewährleisten. So ist in europäischen Schlachtbetrieben eine als „lining up“ bezeichnete Aufreihung der Tiere im Zutrieb üblich.

Dabei werden Treibgänge verwendet, durch die die Schweine einzeln hintereinander zur Betäubungsfalle gelangen. Kritisch ist dabei vor allem die dem Eintrieb in diese Gänge vorausgehende Vereinzelung der Tiere zu beurteilen. Die von den Tieren verlangte aktive Fortbewegung in Richtung Betäubung kann häufig nur durch den mitunter massiven Einsatz von Treibhilfen erreicht werden. Beides führt zu einer erheblichen Belastung der Tiere, die das Wohlbefinden beeinträchtigt und die Fleischqualität nachteilig beeinflussen kann. Seit längerer Zeit wird daher gefordert, Zuführungssysteme für Schweine verhaltensgerechter zu entwickeln und sie so zu gestalten, dass das Vorwärtsgehen der Schweine ohne Zwangsmaßnahmen erreicht werden kann. Dies würde einen schonenden Umgang der Treiber mit den Tieren ermöglichen und einen Teil der Belastung von den Schlachtschweinen nehmen helfen. Anlagen dieser Art sind bisher jedoch selten und wurden in der Praxis noch nicht im Detail untersucht.

In der vorliegenden Arbeit wurde geprüft, inwieweit sich die Zuführung zur Betäubung durch bauliche Maßnahmen tiergerechter und belastungsärmer gestalten lässt. Dazu wurde in einem kommerziellen Schlachtbetrieb ein herkömmliches Zuführungssystem untersucht und nach Umbau des Schlachtbetriebes mit einem neuartigen, nach ethologischen Gesichtspunkten entwickelten System verglichen. Zur Einschätzung der Belastung und Beurteilung des Wohlbefindens der Schweine wurden physiologische, biochemische und ethologische Untersuchungen durchgeführt. Die der Zuführung zur Betäubung

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vorgeschaltetenVerfahrensabschnitte wie Aufenthalt im Wartestall und Transport wurden zur Kennzeichnung der Vorbelastung in die Untersuchungen einbezogen.

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2 Literaturübersicht

2.1 Grundlagen der Belastungsbewertung 2.1.1 Stresstheorien und Modelle

Zur Kennzeichnung von Belastungssituationen und/oder -reaktionen bei Mensch und Tier hat sich sowohl im populären, als auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch weitgehend der Begriff “Stress” etabliert. In der Literatur gibt es viele Versuche, eine umfassende Definition von “Stress” zu geben, ohne dass dies bisher gelungen wäre (BROOM und JOHNSON 1993, LADEWIG 1994). Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Nutzung des Terminus als Sammelbegriff für verschiedene Aspekte des Stressgeschehens. So werden beispielsweise häufig sowohl die auf den Organismus einwirkenden Umweltereignisse (Stressstimuli), als auch die darauffolgenden Körperreaktionen (Stressreaktionen) vom Begriff “Stress” umfasst (LADEWIG 1987, SMIDT et al. 1988, BROOM und JOHNSON 1993).

Eine für die Erforschung der Körperreaktionen auf belastende Umweltereignisse wesentliche Beobachtung machte W.B.CANNON (1915, 1928): Er wies nach, dass eine Bedrohung des Organismus zu einem erhöhten Adrenalinspiegel im venösen Blut der Nebenniere führt.

Diese Erkenntnis war Grundlage für die Formulierung seines Stresskonzepts über die Notwehrfunktion des Nebennierenmarks. Hierbei wird durch Adrenalin eine erhöhte Sauerstoff- und Energiebereitstellung in Skelettmuskulatur und Gehirn erreicht, die den Organismus auf körperliche Aktivität im Sinne von Flucht und/oder Kampf vorbereitet, wodurch die Überlebenschancen in Notfallsituationen steigen (“Fight and Flight Syndrome”).

Stress definierte SELYE (1936, 1950) als eine unspezifische, auf eine Vielfalt von schädlichen Reizen (Stressoren) gleichartig erfolgende Reaktion des Organismus, die zu Nebennierenhypertrophie, Atrophie lymphatischer Organe und gastrointestinaler Ulceration (sog. “Stresstrias”) führen kann. Er unterschied drei Stadien der Stressantwort, die er als

“generalisiertes Adaptationssyndrom” zusammenfasste: 1. die “Alarmreaktion”, die neben einer Aktivierung des peripheren sympathischen Nervensystems hauptsächlich durch eine gesteigerte Corticosteroidfreisetzung aus den Nebennieren gekennzeichnet ist, 2. das

“Adaptationsstadium”, in dem die Widerstandsfähigkeit des Organismus erhöht ist, und 3. das

“Stadium der Erschöpfung” mit Zusammenbruch der Anpassung. Weiterhin unterschied er zwischen positivem Eustress und negativem Distress. Auch WIEPKEMA und KOOLHAAS

(14)

(1993) unterscheiden zwischen physiologischem und pathologischem Stress, wohingegen andere Autoren den Begriff ausschließlich dann verwenden, wenn von einem Tier extreme Anpassungen an ungünstige oder schädliche Umweltbedingungen verlangt werden (RÜGER et al. 1990, DANTZER 1994).

Die älteren linearen “Stimulus-Belastungsantwort-Modelle” (DANTZER 1994, TOATES 1995) wurden durch transaktionale Konzepte, die die Interaktionen zwischen Individuum und Belastungssituation unter Beteiligung des kognitiven ZNS einbeziehen, ergänzt. Nach MASON (1971), BURCHFIELD (1979) und von HOLST und SCHERER (1988) führen allein die Stimuli, die eine emotionelle Erregung, zum Beispiel Angst auslösen, zu Belastungsreaktionen, wobei Reize und Ereignisse schon aufgrund ihrer Unbekanntheit oder

“Neuheit” (novelty) zu Stressoren werden können (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993).

Dieses Konzept wurde als “Kognitive Mediator Theorie” bezeichnet (LADEWIG 1994).

Transaktionale Konzepte gehen insgesamt davon aus, dass die Stressreaktion eines Individuums von seinen Möglichkeiten zur Konfrontation einer Belastungssituation mit Entwicklung von Bewältigungsstrategien (“coping”) abhängt, und somit Belastungsantworten nicht nur unspezifisch, sondern auch differenziert, stressorabhängig und individuell geprägt sein können (LAZARUS 1966, WEISS 1972, HENRY und STEPHENS 1977, LAZARUS und FOLKMANN 1984, LEVINE et al. 1989, deBOER et al. 1990, DANTZER 1994). “Coping” wird von LAZARUS und LAUNIER (1978) als “das Gesamt der sowohl aktionsorientierten wie intrapsychischen Anstrengungen, die ein Individuum unternimmt, um externale und internale Anforderungen, die seine Ressourcen beanspruchen oder übersteigen, zu bewältigen” definiert. Zur Ausbildung von Bewältigungsstrategien ist sowohl die Möglichkeit eines Individuums, Einfluss auf eine Situation nehmen zu können, das heisst seine Möglichkeit zur Kontrolle, als auch das Vermögen, das Vorkommen oder Nicht-Vorkommen eines bestimmten Ausgangs vorauszusehen, das heisst die Vorhersehbarkeit (predictability) von entscheidender Bedeutung (WEISS 1971, HENRY und STEPHENS 1977, ARTHUR 1987, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992). So entwickelten zum Beispiel Ratten, die die Verabfolgung eines Elektroschocks einerseits aktiv unterbrechen und andererseits durch ein Lichtsignal verlässlich vorhersehen konnten (Konditionierung) weitaus geringere Stresssymptome als Ratten, bei denen das Lichtsignal in keinem Zusammenhang mit der Verabfolgung des Elektroschocks stand. Die aus diesem Experiment ersichtliche positive Auswirkung der Vorhersehbarkeit erklären einige Autoren damit, dass das Nicht-Erscheinen von Warnsignalen offensichtlich selbst wie ein „Signal“ wirkt, dass

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und/oder nicht vorhersehbaren intensiven Stressoren (“major life events”) kann zu einem

“erlernte Hilflosigkeit” genannten Überforderungseffekt führen, der durch eine Verringerung der Regulations- und Adaptationsfähigkeit gekennzeichnet ist und sogar zum Tod führen kann (SELIGMAN 1975, MAIER und SELIGMAN 1976, WEINBERG und LEVINE 1980, LEVINE et al. 1989, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993). Negative Auswirkungen ergeben sich ebenso, wenn die Vorhersehbarkeit von positiven Ereignissen (zum Beispiel Erhalt von Futter) gering ist (DANTZER et al. 1980, DANTZER und MORMEDE 1983, CARLSTEAD 1986). WIEPKEMA und KOOLHAAS (1993) weisen darauf hin, dass eine durch reizarme Haltungsbedingungen hervorgerufene sehr hohe Vorhersehbarkeit und/oder Kontrollierbarkeit ebenfalls schädlich sein kann. Grundlage für eine kognitive Kontrolle über und erfolgreiche Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen ist die individuelle Möglichkeit zur

“...adaptiven Verhaltensänderung als Folge individueller Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung (Erfahrung) auf der Grundlage phylogenetisch vorgebildeter und artspezifisch modifizierbarer nervöser Strukturen” (SINZ 1974), das heisst die Lernfähigkeit eines Individdums (WEINBERG und LEVINE 1980, NICOL 1996). Gleichzeitig mit assoziativen Lernprozessen, die bei höher entwickelten Wirbeltieren hauptsächlich in synaptisch eng verknüpften Bereichen der Großhirnrinde und des Limbischen Systems stattfinden (HUETHER 1996), geht der Aufbau eines persönlichen

“Erfahrungsschatzes” einher, der im Falle einer wiederholten Konfrontation mit weniger intensiven Stressoren, wie z.B. einer nicht schmerzhaften Immobilisation für kurze Zeit, die Stressreaktion des Individuums verringern oder ganz ausbleiben läßt (Habituation) (deBOER et al. 1990, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992, LADEWIG 1994). Die Gewöhnung an einen Stressor ist dabei spezifisch und wird nicht auf andere Stressoren übertragen (KANT et al. 1985). Intensive (zum Beispiel schmerzhafte) Stressoren führen dagegen auch nach zahlreichen Wiederholungen nicht zu einer Gewöhnung. Vielmehr bleibt die Belastungsantwort unverändert oder es setzt eine die Belastungsantwort verstärkende Sensibilisierung ein (ARTHUR 1987, KONARSKA et al. 1990). “Coping” beinhaltet somit beim höheren Wirbeltier das Vermögen, Situationen anhand der gemachten Erfahrungen zu bewerten und Konsequenzen von Handlungen zu verstehen, um so die adaequate Strategie auswählen zu können (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992, DANZTER 1994, TSCHANZ 1995). Wenn vorhandene Bewältigungsstrategien fehlschlagen oder nicht ausführbar sind, wie im Falle einer nicht gegebenen Fluchtmöglichkeit, kommt es nach Meinung zahlreicher Autoren zu Stressreaktionen (von HOLST 1977, BROOM und JOHNSON 1993, WECHSLER 1993, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, HUETHER 1996). Abbildung 1 veranschaulicht ein Konzept, das die außerordentliche Komplexität und Dynamik im Stressgeschehen erfasst und als “Stundenglas-Modell” bezeichnet wird (VEITH-FLANIGAN

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und SANDMAN 1985). Stress umfasst dabei alle möglichen extraindividuellen Ereignisse, die in der Lage sind, ein breites Spektrum von intraindividuellen Reaktionen hervorzurufen,

nachdem sie durch einen komplexen Filter von individuellen Unterschieden gegangen sind.

Die “extraindividuellen Ereignisse” (Stressoren) können nach qualitativen (physisch/emotional) und quantitativen Eigenschaften (Dauer/Intensität) unterschieden werden (LADEWIG 1994). Für den Prozess der individuellen Filterung spielen sowohl die früheren Erfahrungen des Individuums, als auch die genetische Disposition eine Rolle (DANTZER und MORMEDE 1985, SMIDT et al. 1988, von BORELL und LADEWIG 1989).

Abb. 1: Das „Stundenglas“ – Modell des Stress – Konzeptes (nach Veith – Flanigan und Sandman 1985)

(17)

Übermäßige Belastung (Stress) als Folge unzureichender oder nicht anwendbarer Bewältigungsstrategien wird in der Literatur vielfach als ein Zustand angesehen, der das Wohlbefinden beeinträchtigen kann (van PUTTEN 1982, BROOM 1991, BROOM und JOHNSON 1993, DANZTER 1994, LAMBOOIJ et al. 1995, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, HUETHER 1996). Der Begriff Wohlbefinden, der auch im deutschen Tierschutzgesetz Verwendung findet, ist im veterinärmedizinischen Sprachgebrauch relativ neu und drückt die aus ethischem Interesse geäußerte Sorge des Menschen um die Befindlichkeit von in seiner Obhut lebenden Tieren aus (DANTZER 1994). Das Wohlbefinden eines Tieres wird von einigen Autoren als “ein Zustand von geistiger und körperlicher Gesundheit, der ein Leben in Harmonie mit sich selbst und der Umwelt anzeigt” charakterisiert (LORZ 1973, van PUTTEN 1982, DUNCAN und DAWKINS 1983, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992). Diese Definition stimmt mit dem häufig geäußerten Schluss überein, dass physische und/oder psychische Leiden Wohlbefinden ausschließen (DANTZER und MORMEDE 1981, LADEWIG und von BORELL 1988, GREGORY 1998). Durch körperliche Beeinträchtigungen wie Hunger, Durst, Schmerz oder Krankheit hervorgerufenes Leiden stand lange Zeit im Mittelpunkt des Interesses (DANZTER 1994), während die psychische Leidensfähigkeit von Tieren bis heute im wissenschaftlichen Schrifttum nicht unumstritten ist (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992, SAMBRAUS 1999). Zahlreiche Autoren gehen jedoch inzwischen davon aus, dass das Wohlbefinden höherer Wirbeltiere sowohl durch die Nichtbefriedigung von Bedürfnissen (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, DANTZER 1994, GREGORY 1998), als auch durch weithin als unangenehm bewertete emotionale Phänomene wie Angst (SAMBRAUS 1982, GRAY 1982, ROWAN 1988, STAUFFACHER 1993) beeinträchtigt werden kann. Die Annahme einer grundsätzlichen, dem Menschen vergleichbaren Empfindungsfähigkeit (SAMBRAUS 1995, 1998, BEKOFF 1997) wird durch die evolutionsbiologische Tatsache, dass Merkmale von Vertretern verschiedener Tierarten homolog sind, wenn sie sich von denselben Merkmalen ihrer gemeinsamen Vorfahren ableiten lassen (REMANE 1952), und somit neuronale (“hard-wired brain circuits”) und hormonelle Systeme bei Menschen und höheren Wirbeltieren homolog sind, begründet (PANKSEPP 1982, TOATES 1986, BUCHHOLTZ 1993). Transaktionale Stresskonzepte beinhalten das Erscheinen von kognitiven und emotionalen Fähigkeiten und leisten einen Beitrag zur Integration der psychischen Komponente in die wissenschaftliche Diskussion um Wohlbefinden (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, DANTZER 1994). Abbildung 2 veranschaulicht ein Konzept, wonach Belastungssituationen einen bestimmten “emotionalen Zustand” hervorrufen, der von Furcht bis Freude variieren kann (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992) und von dem die Reaktion des Individuums abhängt. Bestimmte Mimik,

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Schwanzbewegungen oder charakteristische Lautäußerungen oder neuroendokrine Veränderungen spiegeln dabei Art und Ausmaß der emotionellen Aktivierung wider (LORENZ 1953, LEVINE und COOVER 1976, DANTZER 1989, KOOLHAAS und BOHUS 1989, deBOER et al. 1990) und weisen auf Gehirnaktivitäten hin, die auf der Basis von aktueller Information und früherer Erfahrung die Situation bewerten (PRIBRAM 1971, BLOOM et al. 1985). Der Begriff Wohlbefinden macht zwar biologisch Sinn (DAWKINS 1990, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1992), hat aber dennoch keine klare Bedeutung im Sinne einer unzweifelhaften Festlegung seiner Attribute, was eine direkte Messung von Wohlbefinden ausschließt (LADEWIG 1994). Die Einschätzung von Wohlbefinden ist daher nicht unproblematisch (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, SAMBRAUS 1999), häufig subjektiv geprägt (LADEWIG und von BORRELL 1988) und setzt die genaue Kenntnis einer

Abb. 2: Zusammenhang zwischen Umwelt, Verhaltensantwort und neuroendokriner Aktivierung (aus DANTZER 1994)

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aufgrund akuter oder chronischer Belastungen ergeben (FRASER et al. 1975, DANTZER und MORMEDE 1981, SMIDT et al. 1988, WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, LADEWIG 1994, GREGORY 1998). Neben der Erfassung von objektiv messbaren körperlichen Schäden (TSCHANZ 1982, 1987) und Leistungsparametern (DANTZER 1994) werden in der Literatur die Verhaltensebene (van PUTTEN 1982, WECHSLER 1993, TSCHANZ 1995, BUCHHOLTZ 1996, MENCH und MASON 1997) und die Erhebung physiologischer und blutgetragener Daten (WIEPKEMA und KOOLHAAS 1993, BROOM 1995, LAMBOOIJ 1995) als geeignet angesehen, empfindliche Indikatoren für übermäßige Belastung und damit einhergehendes eingeschränktes Wohlbefinden zu liefern. Aufgrund der dynamischen Beziehung zwischen Stress und Wohlbefinden besteht Einigkeit über die Notwendigkeit, eine möglichst große Bandbreite von Parametern zu erheben und zur gegenseitigen Interpretation zu nutzen, wobei insbesondere die Kombination von ethologischen und physiologisch- biochemischen Daten als sinnvoll erachtet wird (DANTZER und MORMEDE 1981, LADEWIG und von BORELL 1988, SMIDT et al. 1988, DANTZER 1994, COCKRAM und MITCHELL 1999). BROOM und JOHNSON (1993) geben eine detaillierte Übersicht über Indikatoren, die sowohl ungestörtes, als auch eingeschränktes Wohlbefinden anzeigen.

WIEPKEMA und KOOLHAAS (1993) weisen darauf hin, dass die Erfassung der ethologischen und physiologischen Antwort auf eine Belastung die Prozesse reflektiert, die der Organismus zur notwendigen Anpassung an eine Situation nutzt, und daher die erhobenen Parameter immer in ihrem spezifischen Zusammenhang gesehen werden müssen, um Aussagen bezüglich einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens machen zu können.

2.1.2 Die Belastungsreaktion 2.1.2.1 Zentrale Ebene

Während einer Belastungssituation erscheinen im Säugetierorganismus viele verschiedene neurochemische Reaktionen (OLIVERIO 1987). Durch seine Fähigkeit zur Sekretion von hypophyseotropen Freisetzungshormonen einerseits und seine Lage als Knotenpunkt eines ausgedehnten nervalen Systems andererseits gilt der Hypothalamus als der wichtigste zentrale Integrator und Regulator der Belastungsreaktion (LADEWIG 1994). Durch ein kompliziertes Netz von Nervenbahnen steht der Hypothalamus sowohl mit höheren Gehirnstrukturen, wie Neocortex und dem subkortikalen Anteil des Limbischen Systems (Amygdalakomplex und Hippocampus), in denen Funktionen wie Emotion, Aggression und Motivation angesiedelt sind (LADEWIG 1994, HUETHER 1996), als auch mit niederen Hirnstrukturen, wie

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Hirnstamm und Rückenmark, in enger Verbindung. Über afferente Nervenbahnen erhält er Informationen über exogene und endogene Reize, die nach “Abstimmung” mit den verschiedenen Strukturen in Reaktionen umgewandelt und über efferente Nervenbahnen bzw.

über Hormone weitergeleitet werden (HENRY und STEPHENS 1977). So führen beim Auftreten von Stressoren entstehende und zum Hypothalamus geleitete Nervenimpulse zu einer über die Neurotransmitter Noradrenalin, Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), Acetylcholin, Histamin und Serotonin gesteuerten Sekretion des im paraventrikulären Nukleus des Hypothalamus gebildeten Peptids Corticotropin-Releasing Hormone (CRH) (HUETHER 1996). Das CRH wird aus den terminalen Axonen der neurosekretorischen Zellen des Hypothalamus in ein Pfortadersystem ausgeschüttet, und gelangt so auf kurzem Blutweg zum Hypophysenvorderlappen (HVL; Adenohypophyse), wo es in den Proopiomelanocortin (POMC)-Zellen die Freisetzung von ACTH (Adrenocorticotropes Hormon, Corticotropin), ß-Endorphin und anderen POMC-Derivaten bewirkt (THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994). Neben CRH besitzen auch Arginin-Vasopressin (AVP), Oxytocin und Catecholamine die Fähigkeit, ACTH aus der Hypophyse freizusetzen (RIVIER und VALE 1983, AXELROD und REISINE 1984). THUN und SCHWARTZ-PORSCHE (1994) beschreiben unterschiedlich schnell wirksame Feed-back-Systeme, die regulierend in das Hypothalamus-Hypophysen-System eingreifen: So hemmen peripher freigesetzte Glucocorticoide über ein “langes” negatives Feed-back sowohl die Ausschüttung des CRH aus dem Hypothalamus, als auch die des ACTH aus der Hypophyse. Weiterhin wird die Ausschüttung von CRH über ein “kurzes” negatives Feed-back durch ACTH gehemmt. Durch ein positives, “ultrakurzes” oder “Autofeed-back-System” kann das CRH seine eigene Ausschüttung im Streß fördern.

Außer im Hypothalamus wird CRH noch in weiten extrahypothalamischen Bereichen des ZNS gebildet und wird als ein Schlüsselhormon in der integrierenden Belastungsantwort bezeichnet (OLIVERIO 1987, CHROUSOS und GOLD 1992, THUN und SCHWARTZ- PORSCHE 1994). Das Neuropeptid CRH kann an Synapsen des ZNS im Sinne eines Neurotransmitters wirken, wodurch die Funktion ganzer Neuronenpopulationen modifiziert und koordiniert und so zum Beispiel Verhaltensreaktionen kontrolliert werden (DÖCKE 1994). Durch seine Wirkung als Comodulator und Feinregulator an Synapsen ist das CRH auch an der kognitiven Reizverarbeitung in höheren ZNS-Strukturen beteiligt. Weiterhin spielt es eine Rolle bei der Einbeziehung des zentralen catecholaminergen und des peripheren sympathischen Nervensystems in die Belastungsantwort (Übersicht bei TOATES 1995).

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2.1.2.2.1 Hypothalamo-Hypophysär-Adrenale Achse

Die Aktivierung der Hypothalamo-Hypophysär-Adrenalen Achse (HHA-Achse) in physischen und psychischen Belastungssituationen spielte schon früh in der Stressforschung eine zentrale Rolle (LADEWIG 1994). Die Ausschüttung von Glucocorticoiden (Syn.:

Corticosteroiden) wie Cortisol, Cortison und Corticosteron aus der Zona fasciculata der Nebennierenrinde (NNR) bildet dabei den letzten Schritt einer neuroendokrinen Kaskade, in der Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde zu einem geschlossenem Regelkreis zusammengeschaltet sind (ALLEN et al. 1973). Das durch CRH freigesetzte ACTH ist der wichtigste physiologische Regulator der Nebennierenrindenfunktion, indem es die Freisetzung der NNR-Hormone, insbesondere der Glucocorticoide, fördert und außerdem für die Aufrechterhaltung der NNR-Struktur und die Bereitstellung der Hormonausgangssubstanzen (Cholesterin) sorgt (AXELROD und REISINE 1984, THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994). Da die Nebennierenrinde nicht in der Lage ist, größere Mengen von Glucocorticoiden zu speichern, muss sie bei vermehrtem Bedarf mit einer erhöhten Biosynthese reagieren, die außer durch ACTH auch durch den Nervus splanchnicus ermöglicht wird, wobei als Neurotransmitter das Vasoaktive intestinale Peptid (VIP), Catecholamine, das Neuropeptid Y sowie CRH fungieren (THUN und SCHWARTZ- PORSCHE 1994). Die Beteiligung der Catecholamine an der Stimulation der Glucocorticoidsynthese einerseits, und die Förderung der Freisetzung von Catecholaminen aus dem Nebennierenmark durch Glucocorticoide andererseits verdeutlicht, dass es auf der Ebene der Nebennieren zu einer gegnseitigen positiven Beeinflussung der sympathischen und corticoiden Belastungsantwort kommt (VOIGT 1995).

Neben der basalen Sekretion erscheinen bei Glucocorticoiden, ACTH und CRH vorübergehend Schübe (Episoden) erhöhter Sekretion (HELLMANN et al. 1970, THUN et al.

1981). Diese episodische Sekretion wird bei Mensch (KRIEGER 1979) und Tier, mit Ausnahme des Hundes, von einem lichtgebundenen circadianen Rhythmus überlagert, für den große episodische Schübe mit hoher Frequenz und Amplitude in den frühen Morgenstunden und kontinuierliche Abnahme der Gipfelkonzentrationen im Tagesverlauf charakteristisch sind (THUN 1987, LADEWIG und SMIDT 1989, LADEWIG 1994, THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994). Die Tagesperiodizität von ACTH und den Glucocorticoiden ist eng korreliert, während das CRH eine dem Cortisol gegenläufige diurnale Rhythmik aufweist (GARRICK et al. 1987). Obwohl eine Aktivierung der HHA-Achse in Belastungssituationen dazu führen kann, dass die ultradianen Schwankungen der

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Cortisolsekretion überspielt werden, wird Cortisol auch in solchen Situationen in raschen, kurzen Schüben sezerniert (THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994). LADEWIG (1994) weist darauf hin, dass eine zuverlässige Aussage über die Aktivität der Nebennierenrinde in Ruhe- und Belastungssituationen nur mittels belastungsarmer und frequenter oder kontinuierlicher Blutentnahme möglich ist.

Durch ihre Wirkung auf den Intermediärstoffwechsel sind Glucocorticoide in der Lage, in Belastungssituationen für eine vermehrte Energiebereitstellung und längerfristige Erhöhung des Blutglucosespiegels zu sorgen. Diese der Catecholaminwirkung synergistischen Effekte resultieren einerseits aus einer gesteigerten hepatischen Gluconeogenese aus glucoplastischen Aminosäuren, die wiederum aus einem vermehrten Katabolismus von Strukturproteinen stammen, andererseits aus einer verminderten, der Insulinwirkung entgegengesetzten, peripheren Glucoseutilisation (DANTZER 1994, THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994). Eine Hemmung der Glucoseaufnahme in Skeletmuskelzellen, die in die Belastungsantwort einbezogen sind, findet nicht statt (SAPOLSKY 1994). Durch Förderung der Wirkung von Catecholaminen wirken Glucocorticoide lipolytisch, wodurch vermehrt Glycerol und freie Fettsäuren entstehen, die in der Leber wiederum zur Gluconeogenese genutzt werden können (THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994). Neben den metabolischen Effekten haben Glucocorticoide auch eine ausgeprägte antiinflammatorische Wirkung (LÖSCHER 1994). So wird die Ausschüttung von Histamin und die Freisetzung von lysosomalen Enzymen durch einen membranstabilisierenden Effekt herabgesetzt, durch Hemmung der Cyclooxygenase und indirekte Hemmung der Phospholipase A2 die Prostaglandin- und Leukotriensynthese gehemmt und durch Beeinträchtigung der Bildung von Zytokinen und der Aktivierung von T-Lymphozyten das lymphatische System unterdrückt. Die Funktion dieser Wirkungen scheint darin zu liegen, den Organismus in Belastungssituationen vor einer übermäßigen Abwehrreaktion zu schützen, bzw. diese in bestimmten Grenzen zu halten (MUNCK et al. 1984, LUMPKIN 1987, LADEWIG 1994).

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2.1.2.2.2 Sympatho-Adrenomedulläres -System

Ebenso wie für die HHA-Achse wurde auch für das Sympatho-Adrenomedulläre-System (SAM) schon früh eine stressbedingte Aktivierung nachgewiesen (LADEWIG 1994). Das SAM stellt eher eine funktionelle Einheit als eine anatomisch definierte Struktur dar (DANTZER 1994). Es wird durch den sympathischen Zweig des vegetativen Nervensystems und das Nebennierenmark (NNM), das einer Mischung aus peripherem Ganglion und Hormondrüse entspricht, repräsentiert. Übergeordnete vegetative Zentren in der Medulla oblongata und im Zwischenhirn, die mit verschiedenen Strukturen des ZNS in Verbindung stehen (Hypothalamus, Cortex, Limbisches System), regulieren die Funktion des SAM (DÖCKE und KEMPER 1994). Die in den Seitenhörnern des Brust- und Lendenmarks entspringenden präganglionären sympathischen Fasern werden in den Grenzstrang-, Zervikal- und Mesenterialganglien, in denen die Signalübertragung cholinerg durch Acetylcholin erfolgt, auf postganglionäre Fasern umgeschaltet, die das Endorgan adrenerg durch Noradrenalin erregen (PENZLIN 1996). Das Nebennierenmark als spezialisiertes sympathisches Ganglion wird über präganglionäre sympathische Fasern cholinerg innerviert (DÖCKE und KEMPER 1994), wobei die elektischen Nervenimpulse in hormonale Signale umgesetzt werden. Eine Aktivierung des SAM führt zur Ausschüttung von Adrenalin und zu einem kleineren Teil von Noradrenalin aus den chromaffinen Zellen in den Blutkreislauf. Aus den varikösen Auftreibungen der postganglionären sympathischen Fasern als Transmitter sezerniertes Noradrenalin gelangt nur zu einem kleinen Teil in den Blutstrom und entfaltet Hormonwirkung in der Peripherie (DANTZER 1994). Nach LADEWIG (1994) soll als Neurotransmitter an Synapsen von sympathisch innervierten Blutgefäßwänden wirksames Noradrenalin allerdings zu einem erheblichen Anteil ins Blut fließen (spillover) und so den größten Teil des im Plasma vorhandenen Noradrenalins ausmachen. YAMAGUCHI und KOPIN (1979) sehen 65 % des sich im Plasma befindlichen Noradrenalins als aus dem NNM stammend an.

Eine Übersicht über die in den chromaffinen Zellen des NNM und den varikösen Auftreibungen der sympathischen postganglionären Fasern stattfindende Synthese des Noradrenalins findet sich bei DÖCKE und KEMPER (1994). Grundsätzlich läuft sie folgendermaßen ab: Die Synthese des Noradrenalins beginnt mit der Hydroxylierung der Aminosäure Tyrosin zu 3,4-Dihydroxyphenylalanin (DOPA), dem geschwindigkeitsbegrenzenden Schritt, der durch das Enzym Tyrosinhydroxylase (TH) katalysiert wird. Aus DOPA entsteht durch Einwirkung der DOPA-Decarboxylase Dopamin.

Die nächste, durch Dopamin-ß-hydroxylase (DBH) katalysierte Reaktion führt vom Dopamin

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zum Noradrenalin. Im NNM wird außerdem ein Teil des Noradrenalins durch die Phenylethanolamin-N-methyltransferase (PNMT) zu Adrenalin umgewandelt. In einer physischen oder psychischen Belastungssituation werden Catecholamine nicht nur verstärkt freigesetzt, sondern es kommt durch Aktivitätssteigerung und vermehrte Produktion der beteiligten Enzyme zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Syntheserate (McCARTY et al. 1988).

So führt ein erhöhter Impulsfluss in sympathischen Nervenfasern zu einer Verdreifachung der Tyrosinhydroxylase- und einer Verdoppelung der Dopamin-ß-hydroxylase Aktivität (DANTZER 1994). Ebenso erhöht sich die Aktivität und die Syntheserate der PNMT deutlich, was jedoch nicht nerval, sondern humoral durch Glucocorticoide stimuliert wird.

Die Adrenalinsynthese im NNM steht demnach in enger Beziehung zum HHA-System (POHORECKY und WURTMAN 1971).

Die Freisetzung der beiden Catecholamine läuft weder unter Ruhe-, noch unter Belastungsbedingungen parallel (Mc CARTY et al. 1981). Zum Einen ist dies durch die zwei möglichen Herkünfte des Noradrenalins bedingt: Da Noradrenalin auch von den sympathischen Nerven an das Blut abgegebeben wird, ist dessen Konzentration im Plasma – im Gegensatz zur gewöhnlich geringeren Produktion im NNM – stets höher als die des Adrenalin (DÖCKE und KEMPER 1994). Zum Anderen wird die Ausschüttung auch von der Art des Stressors beeinflusst. So erhöht sich bei vorwiegend psychischen, mit Angst verbundenen Belastungen (z.B. die Konfrontation einer Katze mit bellenden Hunden) besonders die Adrenalinsekretion (CANNON 1915, MASON 1968, LADEWIG 1994).

Aktive Abwehrreaktionen, die mit einer erhöhten Muskelaktivität verbunden sind, führen dagegen vor allem zu einer Noradrenalinfreisetzung. Das SAM ist insgesamt ein System zur Überwindung akuter Notfallsituationen (CANNON 1928). Die sympathische Innervation sorgt in Belastungssituationen für eine sekundenschnelle Aktivierung der Erfolgsorgane. Die Freisetzung der Catecholamine in den Blutstrom erfolgt ebenfalls schnell. So findet nach GOLDSTEIN (1987) die Catecholaminausschüttung aus dem NNM schon 1 bis 2 Sekunden nach Wahrnehmung eines Reizes statt. Während einer Elektrostimulation des Sympathikus kommt es bei der Ratte zu einem schnellen Anstieg der Plasma-Adrenalinkonzentration, die innerhalb von 20 Sekunden ihren Höhepunkt erreicht, während der Anstieg der Noradrenalinkonzentration deutlich langsamer verläuft und nach etwa 3 Minuten zu einem relativ konstanten Level (steady state) führt (YAMAGUCHI und KOPIN 1979). Neben der Freisetzung ins Blut erfolgt auch die Elimination der Catecholamine aus dem Blut schnell.

DÖCKE und KEMPER (1994) geben als biologische Halbwertszeit 20 Sekunden bis 10

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im Blutplasma des Menschen bei etwa 30 Sekunden. LÖSCHER (1994) gibt sie für alle Tierarten mit 1 bis 2 Minuten an.

Die Catecholamine üben ihre Wirkungen über spezifische Rezeptoren (Adrenozeptoren) aus.

Prinzipiell wird zwischen α- und β- Rezeptoren unterschieden (AHLQUIST 1948), wobei jedoch verschiedene Untergruppen bestehen. Die Adrenozeptoren weisen eine unterschiedliche Empfindlichkeit auf die drei Substanzen Adrenalin, Noradrenalin und Isoproterenol auf: Noradrenalin wirkt am stärksten auf α-Rezeptoren und Isoproterenol auf β- Rezeptoren, während Adrenalin eine Mittelstellung einnimmt (DÖCKE und KEMPER 1994).

Abbildung 3 veranschaulicht die wichtigsten Wirkungen der Catecholamine in Belastungssituationen, die durch eine sekundenschnell erfolgende Kreislaufanpassung und Energiemobolisation die Reaktionsfähigkeit des Organismus erhöhen (PENZLIN 1996).

Sowohl die kardiovaskulären, als auch die metabolischen Wirkungen der Catecholamine werden durch Glucocorticoide unterstützt (permissive Wirkung) (DÖCKE und KEMPER 1994).

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2.2 Belastungsindikatoren beim Schwein 2.2.1 Herzfrequenz

Mit dem Begriff Herzfrequenz wird gemeinhin die Schlagfrequenz des Herzens bezeichnet.

Sie wird in Schlägen pro Minute angegeben und ist mit Herzfrequenzmessern relativ einfach und genau zu erfassen. Erregt sich ein Tier oder muss es Muskelarbeit verrichten, steigt die Schlagfrequenz des Herzens an. Die Herzfrequenz ist somit ein geeigneter Parameter, um Belastungen bei Tieren zu beurteilen (GEERS et al. 1994, BROOM 1995, SCHÜTTE et al.

1995 b, MARAHRENS et al. 1995b). Besondere Vorteile der Herzfrequenzmessung sind die Möglichkeit der stressarmen Gewinnung durch nichtinvasive Methoden (SCHÜTTE et al.

1995 a) und die sehr kurze Latenzzeit zwischen Belastung und nachfolgender Reaktion (NIEZGODA et al. 1993).

Die Erregung des Herzens erfolgt normalerweise durch den Sinusknoten als physiologischen Schrittmacher. Bedingt durch seine Autonomie kann das Herz zwar auch ohne äußere Nervenversorgung schlagen, doch ist eine Anpassung an einen wechselnden Bedarf des Organismus an intakte Herznerven gebunden. Die so genannten efferenten Herznerven, Äste des Nervus vagus und des Sympathikus beeinflussen die Herzfunktion, wobei die Herzfrequenz durch die zum Sinusknoten verlaufenden Fasern des Nervus vagus vermindert und durch die des Sympathikus erhöht wird (SELLER 1996). Neben einer auf nervalem Wege erfolgenden Erhöhung der Schlagfrequenz kommt es in Belastungssituationen durch die Aktivierung des SAM zusätzlich zu einer humoralen Beeinflussung. Die aus dem Nebennierenmark freigesetzten Catecholamine Noradrenalin und Adrenalin wirken am Herzen positiv chrono- und inotrop, das heisst, sie erhöhen die Schlagfrequenz und die Kontraktionskraft (SLOAN et al. 1996). Eine übergeordnete Regulation dieser Parameter findet in neocorticalen Strukturen des Gehirns durch unterschiedlich starke Aktivierung des parasympathischen und sympahischen Nervensystems statt (GALOSY et al. 1979, SHAPIRO et al. 1993). Während in Belastungssituationen die sympathische Aktivität gesteigert ist (HENRY et al. 1986), überwiegt bei Beendigung der Situation oder Anpassung an diese wieder der Einfluß des Nervus vagus, so dass die Herzfrequenz wieder abfällt. Dies kann auch bei weiterhin erhöhten Catecholaminspiegeln der Fall sein (OBRIST et al. 1974, 1982, BOHUS et al. 1987). Belastungen, die die Herzfrequenz ansteigen lassen, können physischer, zum Beispiel körperliche Arbeit, oder psychischer Natur sein. Schon von MICKWITZ und GRUND (1970) wiesen darauf hin, dass psychische Erregung zu einer Erhöhung der Herzfrequenz führen kann, die der nach erzwungener körperlicher Belastung gleich kommt.

Unter Umständen können psychische Faktoren dazu führen, dass die Herzfrequenz dauerhaft

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auf einem erhöhten Niveau bleibt, wie es zum Beispiel bei Tieren in Anbindehaltung im Vergleich zu solchen, die sich frei bewegen können, der Fall ist (MÜLLER et al. 1988, SCHOUTEN et al. 1991).

Die Ruheherzfrequenz eines ausgemästeten Schweines mit einem Gewicht zwischen 90 und 110 kg liegt bei etwa 90- 100 Schlägen pro Minute (AUGUSTINI 1976, BICKHARDT 1992). Das Herz-Kreislaufsystem des Hausschweins weist eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Belastungen auf (DOMEL und LEISTNER 1977, SACKMANN 1988, SCHÜTTE et al. 1994). Die sich unter der modernen Leistungszucht entwickelnde Zunahme des Körpergewichts bei gleichzeitig sehr hohem Magerfleischanteil hat zu einigen nachteiligen anatomischen und physiologischen Besonderheiten geführt, zu denen das relativ geringe Herzgewicht und die funktionelle Insuffizienz zu rechnen sind (von ENGELHARDT 1963, UNSHELM 1971, STEGEMANN 1984). Belastungen führen bei Schweinen schnell zu erheblichen Herzfrequenzsteigerungen, die unter Umständen dazu führen, dass das Herz nicht mehr in der Lage ist, eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten. So haben Untersuchungen gezeigt, dass die Herzfrequenz von Schweinen beim Begehen steiler Rampen sprunghaft ansteigt und oft einen Bereich von mehr als 200 Schlägen pro Minute erreicht, in dem die Herzfunktion stark beeinträchtigt ist, weil die Diastolenzeit so verkürzt ist, dass die Kontraktion der Vorhöfe schon beginnt, bevor die Kammersystole beendet ist (van PUTTEN und ELSHOF 1978, MAYES und JESSE 1980, LAMBOOIJ et al. 1995). Der Grad der Herzfrequenzerhöhung ist abhängig von der Steilheit der Rampe (van PUTTEN und ELSHOF 1978, GRANDIN 1982). MAYES und JESSE (1980) stellten fest, dass beim Hinaufgehen, zum Beispiel einer Laderampe, ein stärkerer Anstieg als beim Hinabgehen erreicht wird.

Entsprechend der offensichtlich großen Belastung, die das Begehen von Rampen für Schweine darstellt, wurde in einer Reihe von Untersuchungen über den Transport von Schweinen festgestellt, dass es regelmäßig beim Be- und Entladen zur stärksten Erhöhung der Herzfrequenz kommt (AUGUSTINI 1976, AUGUSTINI und FISCHER 1982, SCHÜTTE et al. 1995b, STEFFENS et al. 1995, BARTON-GADE 1996, 1997). MARAHRENS et al.

(1997) untersuchten die Auswirkungen der emotionalen und körperlichen Belastungen, denen Schweine während des Aufenthalts im Schlachtbetrieb ausgesetzt sind, auf die Herzfrequenz.

Sie registrierten den Verlauf von der Ankunft im Schlachtbetrieb bis zum Einsetzen der Elektrobetäubung und fanden bei der Zuführung zur Elektrobetäubung mit einer mittleren Herzfrequenz von 225 Schlägen pro Minute im Vergleich zum Abladen (180 S/min), Aufenthalt in der Wartebucht (130 S/min) und Umtrieb (155 S/min) die höchsten Werte.

Auch FLOß et al. (1997) stellten in einem Systemvergleich zweier Schlachtbetriebe die

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erheblich, was offenbar durch die Art der Zuführung und die baulichen und organisatorischen Bedingungen beeinflusst wurde.

2.2.2 Körpertemperatur

Neben der Herzfrequenz wird auch die Körpertemperatur als physiologischer Parameter zur Einschätzung von Belastungen herangezogen (AUGUSTINI 1976, GEERS et al. 1992, SCHÜTTE et al. 1995b). Mit modernen Methoden ist auch hierbei eine kontinuierliche Erfassung von Daten möglich, ohne an das Tier herantreten zu müssen (SCHÜTTE et al.

1995a, PARROT et al. 1998).

Die Konstanthaltung der Körpertemperatur in bestimmten physiologischen Grenzen (Homöothermie) ist ein wesentliches Kennzeichen von Säugetieren und hat im Organismus in Kompensationssituationen höchste Priorität, wobei wiederum das Hauptbestreben darin liegt, die Temperatur im ZNS aufrecht zu erhalten (BLIGH 1985). Ermöglicht wird die Homöothermie durch Thermoregulation. Neben peripheren Thermozeptoren in der Haut befinden sich im Hypothalamus zentrale Thermozeptoren, die die Kerntemperatur registrieren und mit einem bestimmten Sollwert vergleichen. Bei Abweichungen kann durch physiologische und auf der Verhaltensebene erfolgende Reaktionen eine Gegenregulation erreicht werden. Die erste Strategie ist im allgemeinen die Ausführung eines geeigneten Verhaltens, wie zum Beispiel das Aufsuchen von Schatten oder windgeschützten Plätzen (INGRAM und DAUNCEY 1985). In der Regel stehen jedoch landwirtschaftlichen Nutztieren nur sehr beschränkte Möglichkeiten zur Verfügung, ihr Verhaltensrepertoire zu nutzen (COCKRAM und MITCHELL 1999), so dass häufig nur die Thermoregulation auf physiologischer Ebene bleibt. So wird bei Kälte eine verstärkte Wärmebildung unter anderem durch periphere Vasokonstriktion und durch Zittern, das einem Anheben der Stoffwechselrate dient (THOMPSON 1977), erreicht. Um einer Überwärmung des Organismus entgegen zu wirken, wird die Wärmeabgabe über die Haut durch Weitstellen der Gefäße stimuliert.

Weiterhin wird Verdunstung genutzt, wobei Rinder und Pferde vornehmlich schwitzen und zusätzlich Wärme durch hochfrequente Nasenatmung abgeben, während Schweine sich bevorzugt suhlen oder, wenn dies nicht möglich ist, bei geöffnetem Maul hecheln (GREGORY 1996). Insgesamt weist die Thermoregulation des Schweines Schwächen auf (DOMEL und LEISTNER 1977, HOLZER et al. 1992). So ist die evaporative Wärmeabgabe beim Schwein im Vergleich mit anderen Tierarten nur unzureichend ausgebildet (VERHAGEN et al. 1987) und die isolierende Speckschicht erschwert eine erhöhte Wärmeabgabe zusätzlich. Besonders die Kombination aus hohen Umgebungstemperaturen und motorischer Aktivität führt beim Schwein zu einer erheblichen Störung des

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Wärmehaushalts (STEINHARDT 1966, MEYER 1970). Die durchschnittliche Körpertemperatur von Schweinen mit einem Gewicht von 90-110 kg liegt bei 39°C (AUGUSTINI 1976). Physische und/oder psychische Belastungen lassen die Körpertemperatur schnell ansteigen (HONKAVAARA 1989, TRUNKFIELD et al. 1991, MONIN et al. 1995). So kommt es auf dem Transport von Schweinen im allgemeinen zu einer Erhöhung der Körpertemperatur um 1°C (BROOM 1995). Bei hohen Ladedichten ist eine Wärmeabgabe nur sehr eingeschränkt möglich (KLAWITTER 1971, AUGUSTINI und FISCHER 1982, von MICKWITZ 1982), so dass es zu Temperaturerhöhungen um mehr als 1°C und schlimmstenfalls sogar zum Transporttod kommen kann (TARRANT 1989, GREGORY 1996). KLONT und LAMBOOIJ (1995a) führen aus, dass nicht nur der Transport zum, sondern auch die Belastungen im Schlachtbetrieb einen Anstieg der Körpertemperatur von Schlachtschweinen zur Folge haben können.

2.2.3 Catecholamine

Neben dem Cortisol gelten die Catecholamine als „Stresshormone“ deren Bestimmung im Plasma als Nachweis der endokrinen Belastungsreaktion eine bedeutende Rolle spielt (SHAW und TUME 1992, LADEWIG 1994).

Der Catecholamingehalt der Nebennieren weist ebenso wie das Verhälntnis von Adrenalin zu Noradrenalin starke tierartliche Unterschiede auf. Beim Schwein enthalten die Nebennieren insgesamt 2150 µg/g an Catecholaminen, wobei der Adrenalinanteil 51 % beträgt (HOLZBAUER und SHARMAN 1972). Der Catecholamingehalt im Plasma ist stark von der Blutentnahmemethode abhängig. Ruhewerte können nur unter Verwendung von Kathetern und unter größtmöglicher Vermeidung von Erregung gewonnen werden (DÖCKE und KEMPER 1994). Dennoch ist auch dann mit weiteren Beeinflussungen, etwa durch die Haltungsbedingungen, zu rechnen. So weisen beim Schwein Tiere aus Einzelhaltung höhere Plasma-Catecholaminwerte auf als Tiere aus Gruppenhaltung (KEMPER 1977, BÜHLER et al. 1978). Die in der Literatur als Ruhewerte für das Schwein angegebenen Catecholaminkonzentrationen variieren entsprechend der außerordentlich starken Abhängigkeit von den Versuchsbedingungen zwischen den einzelnen Untersuchern. DALIN et al. (1993) fanden bei ovariohysterektomierten Jungsauen, die an den Kontakt mit Menschen gewöhnt waren, mit 0,18 nmol/l für Adrenalin und 0,9 nmol/l für Noradrenalin vergleichbar niedrige Werte. TRÖGER und WOLTERSDORF (1988) geben als Ruhewerte für Schlachtschweine 1,2 nmol/l Adrenalin und 6,6 nmol/l Noradrenalin an. In

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nmol/l zu 2,2 nmol/l etwa doppelt so hoch wie die von HANNON (1990) und MARAHRENS et al. (1997) gefundenen Werte. Eine Vielzahl von unterschiedlichen spezifischen Reizen führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Catecholaminen (USDIN et al. 1976, van LOON et al. 1988). Beim Schwein bedingen zum Beispiel Zwangsmaßnahmen, wie das Fixieren, einen Anstieg des Catecholamingehalts, besonders des Noradrenalins, im Plasma (JOHANSSON et al. 1982, DeROTH et al. 1989). DALIN et al. (1993) stellten nach dem Verladen und während eines einstündigen Transports von Schweinen eine Verdreifachung der Adrenalinkonzentration im Vergleich zum Ruhewert fest. Der Noradrenalingehalt stieg nach dem Verladen ebenfalls um etwa das Dreifache des Basalwertes, fiel jedoch unmittelbar danach wieder bis auf das Ausgangsniveau ab. Auch die Erregung und physische Belastung von Schweinen unter Schlachtbedingungen führt zu einem erheblichen Anstieg der Catecholaminkonzentration im Plasma, wobei insbesondere nach elektrischer Betäubung Werte gefunden wurden, die bis zu 60 (Adrenalin) bzw. 20 mal (Noradrenalin) höher lagen als die Ruhewerte (TRÖGER und WOLTERSDORF 1988, MARAHRENS et al. 1997).

FORSLID und AUGUSTINSSON (1988) stellten 45 Sekunden nach Kohlendioxidbetäubung eine Steigerung des Adrenalingehaltes um das fünfzehnfache und des Noradrenalingehaltes um das fünfzigfache fest und vermuteten als Grund hierfür eine starke respiratorische Acidose.

2.2.4 Cortisol

Die Bestimmung des Cortisolspiegels im Blutplasma als Ausdruck einer Aktivierung der HHA-Achse ist eine der gebräuchlichsten Methoden, um Belastungssituationen beim Schwein zu kennzeichnen (FORSLID und AUGUSTINSSON 1988, NYBERG et al. 1988, WARRIS et al. 1992, KNOWLES et al. 1998). Cortisol ist bei Mensch, Schwein, Rind und Hund das wichtigste Glucocorticoid (THUN und SCHWARTZ-PORSCHE 1994) und wird neben Cortison und Corticosteron in der zona fasciculata der Nebennierenrinde gebildet. Die Synthese verläuft mit Cholesterol als Ausgangssubstanz über Pregnenolon und Progesteron, das durch Eingreifen spezifischer Enzyme (Desmolasen, Isomerasen, Dehydrogenasen und Hydroxylasen) und Coenzyme (NADH, NADPH) schließlich zu den Glucocorticoiden umgewandelt wird und weiterhin Ausgangssubstanz für die Mineralcorticoide und Sexualsteroide ist (KARLSON 1988). Im Blut sind mehr als 90 % des Cortisols an Plasmaproteine gebunden (DALIN et al. 1993). Wichtigstes Bindungsprotein ist das Corticosteroid-bindende–Globulin (CBG, Transcortin), dessen Bindungskapazität tierartliche Unterschiede aufweist. Wiederkäuer haben die geringste Bindungskapazität und die niedrigsten Cortisolkonzentrationen, die sich ähnlich wie bei Hund und Schwein während der

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Trächtigkeit nicht verändern (LINDNER 1964, THUN 1987). Die episodisch erfolgende Cortisolsekretion zeigt beim Schwein wie bei den meisten Tierarten eine deutliche, eng mit dem Hell-Dunkel-Wechsel korrelierte Tagesrhythmik mit stärkeren sekretorischen Schüben in den frühen Morgenstunden und vergleichsweise schwachen Schüben am Nachmittag und Abend (BECKER et al. 1985b). So zeigt zum Beispiel ein Schwein aus einer Einzelhaltung mit Stroheinstreu um 19 Uhr mit 10 ng/ml die niedrigste Cortisolkonzentration im Tagesverlauf, die bis etwa 23 Uhr auf niedrigem Niveau bleibt. Von diesem Zeitpunkt an steigt die Amplitude der pulsatilen Schübe bis zum Höchstwert von 65 ng/ ml, der um 6 Uhr früh erreicht wird (SMIDT et al. 1988). Zahlreiche physische und psychische Stressoren können zu einem Anstieg des Cortisolspiegels im Blutplasma führen (WEEDING et al. 1993, SHAW und TROUT 1995). So zeigte sich beispielsweise bei Versuchen auf dem Laufband (HEINZE und MITCHELL 1989, ZHANG et al. 1992), bei Bewegungseinschränkung (BECKER et al. 1985a), auf dem Transport (SPENCER et al. 1984, BECKER et al. 1985b, DALIN et al. 1988, GEVERINK et al. 1995) und bei Hitzestress (KLEMCKE et al. 1989) eine erhöhte Cortisolsekretion beim Schwein. DANTZER und MORMEDE (1981) verglichen die Cortisolkonzentration im Blut von Schweinen, die einer neuen Umgebung ausgesetzt waren, mit der von Schweinen, die einige schmerzhafte Elektroschocks erhalten hatten, und stellten fest, dass beide Stressoren den Cortisolspiegel im Blut nahezu gleich stark ansteigen ließen (90 ng/ml zu 80 ng/ml). Dies ist auch ein Beispiel für die ausgeprägte Sensitivität der HHA-Achse auf psychische Stressoren. LADEWIG und von BORELL (1988) fanden, dass sich Schweine an nicht schmerzhafte Stressoren wie Isolation und Immobilisation innerhalb von 14 Tagen gewöhnen können und keine erhöhte Nebennierenreaktion mehr zeigen. Beim stressinduzierten Anstieg des Cortisolspiegels im Blutplasma zeigen sich beim Schwein erhebliche individuelle Unterschiede (von BORELL und LADEWIG 1989, STEFFENS et al.

1995). Auch findet eine Beeinflussung durch eine Reihe weiterer Faktoren statt. So ist die Nebennierenrindenfunktion unter anderem von der Haltung abhängig, wobei Schweine aus Anbindehaltung in der Regel höhere Cortisolkonzentrationen zeigen als solche aus Gruppenhaltung (von BORELL und LADEWIG 1986). Auch das Verhalten und der Sozialstatus wirken sich auf den Grad der Aktivierung der HHA-Achse aus: Aktivere Schweine haben im Verhältnis niedrigere Cortisolspiegel als Tiere, deren motorische Aktivität gering ist (von BORELL und LADEWIG 1986, BALDI et al. 1989), und im Plasma von ranghohen Schweinen findet man geringere Konzentrationen als bei den unterlegenen Tieren (DANTZER und MORMEDE 1981).

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2.2.5 Lactat

Lactat stellt unterhalb der regulativen Ebene einen biochemischen Indikator des durch physische und mit Einschränkung emotionelle Stressoren aktivierbaren Energiestoffwechsels dar, der den Erfolg oder Verzug der Anpassung des Energiestoffwechsels an die Belastungssituation anzeigen kann (BICKHARDT und WIRTZ 1986, BICKHARDT 1992, WARRIS et al. 1994).

Im Blutplasma befindliches Lactat stammt beim Warmblüter vor allem aus dem Muskelstoffwechsel. Neben der Energiegewinnung durch Spaltung von Kreatinphosphat für kurzzeitige Höchstleistungen liefert vor allem die Glykolyse die zur Muskelkontraktion notwendige Energie in Form von ATP (BICKHARDT 1992, GREGORY 1996). Der Abbau von Glucose läuft bis zur Bildung des Pyruvats unter aeroben und anaeroben Bedingungen vollkommen gleich ab, jedoch unterscheidet sich das Schicksal des Pyruvats. Steht genügend Sauerstoff zur Verfügung, wird Pyruvat oxidativ decarboxyliert und das Endprodukt Acetyl- CoA wird im Citratzyklus verbraucht (KARLSON 1988). Diese Art der Energiegewinnung ist mit einem Gewinn von 36 Mol ATP pro Mol Glucose sehr effizient (SMIDT et al. 1988) und für Dauerleistungen unentbehrlich, läuft jedoch vergleichsweise langsam ab und erfordert Training. Bei ungewohnten Belastungen, aber auch in der Initialaphase von Muskelarbeit unterhalb der Dauerleistungsgrenze, herrschen im Skelettmuskel anaerobe Bedingungen vor, und das Pyruvat wird unter diesen Umständen durch die Lactat-Dehydrogenase zu Lactat reduziert, wobei gleichzeitig eine Oxidation des NADH zu NAD+ stattfindet (KARLSON 1988, KIRSCH 1996). Die Energieausbeute ist dabei mit 2 Mol ATP pro Mol Glucose gering, und der durch die Lactatanhäufung verursachte pH-Abfall hemmt die zur Muskelkontraktion nötigen Reaktionen, so dass es zu ATP-Verarmung und Ermüdung kommt (SHAW und TUME 1992, SMIDT et al. 1988). Die Lactat-Bildung ist eine Sackgasse des Stoffwechsels, und anfallendes Lactat muss unter erhöhtem Sauerstoff-Verbrauch in der auf eine Belastung folgenden Ruhephase in Leber und Herz verstoffwechselt werden (KIRSCH 1996). Im Herzmuskel wird Lactat über Pyruvat in den Citratzyklus eingschleust und unter ATP- Gewinn oxidiert, während es in der Leber zur Gluconeogenese genutzt wird. Bei anhaltender Arbeit kommt es zur Verschiebung von Glykogen vom Muskel zur Leber und von dort während der Erholung in Form von Glucose zurück zum Muskel. Dieses Wechselspiel zwischen Leber- und Muskelglycogen wird Cori-Zyklus genannt (KARLSON 1988). Die Art der Energiegewinnung ist auch abhängig vom Muskelfasertyp. Im Allgemeinen wird zwischen den Fasertypen I, IIA und IIB unterschieden (BROOKE und KAISER 1970), wobei I auch als rote, IIA als intermediäre und IIB als weiße Fasern bezeichnet werden. In roten Muskelfasern findet vorwiegend die oxydative Energiegewinnung statt, während in weißen

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IIB-Fasern die anaerobe Glykolyse besonders ausgeprägt ist. Tiere mit einem hohen Anteil an weißen Fasern, wie Kaltblutpferd, Mastgeflügel und das Schwein, besitzen eine genetische Disposition zu Muskelerkrankungen, die mit übermäßiger Produktion von Lactat einhergehen.

Der Musculus longissimus dorsi des Hausschweins besteht bespielsweise zu 70% aus großkalibrigen weißen IIB-Fasern, während der des Wildschweins diese nur zu 40% aufweist (PLONAIT und BICKHARDT 1988). Weiße Muskelfasern enthalten wenig Mitochondrien, in denen die oxidative Energiegewinnung abläuft, und ihr großer Durchmesser erschwert die Diffusion von Sauerstoff, so dass es beim Schwein in Situationen außergewöhnlicher physischer und/oder psychischer Belastung zu einer extremen Beschleunigung der Milchsäureproduktion kommen kann (TRÖGER 1990). Als Ruhewert wird beim Schwein ein Plasma-Lactatgehalt von 1-2 mmol/l angesehen (JENSEN-WAERN und NYBERG 1993, BICKHARDT 1996, MARAHRENS et al. 1997, NOWAK 1998). Lactat im Plasma wird beim Schwein hauptsächlich als ein Indikator für motorische Belastungen angesehen (BROOM 1996, GRANDIN 1997), jedoch führen auch psychische Stressoren catecholaminvermittelt zu einer vermehrten Lactatproduktion (SHAW und TUME 1992, GREGORY 1996). Ungewohnte Belastungen, die einen verstärkten anaeroben Abbau der Muskelglucose bedingen, sind beim Schwein zum Beispiel Deckakt und Geburt (PLONAIT und BICKHARDT 1988), der Transport (BECKER et al. 1989), Rangordnungskämpfe (WARRIS und BROWN 1985, BARTON GADE 1997) und die mit der Schlachtung in Zusammenhang stehenden Vorgänge (van der WAL 1985, TRÖGER 1990).

2.2.6 Verhalten

Das dem Untersucher durch Beobachtung leicht zugängliche Verhalten eines Tieres wird neben der Erhebung physiologischer Daten allgemein als besonders geeignet zur Einschätzung von Belastungssituationen angesehen (van PUTTEN 1982, WECHSLER 1993, TSCHANZ 1995, BUCHHOLTZ 1996, MENCH und MASON 1997).

Hausschweine sind soziale Tiere (GRAUVOGL 1970, PORZIG und SCHEIBE 1982, BARTON-GADE 1997), deren wildlebende Verwandte, die europäischen Wildschweine (sus scrofa), in Gruppen von Tieren unterschiedlichen Alters und Geschlechts zusammenleben (HOSMAN 1972), wobei eine bestimmte Rangordnung besteht. Diese bleibt besonders in den Positionen der ranghohen und rangniederen Tiere stabil (EWBANK und MEESE 1971), und es wird vorwiegend ohne Körperkontakt gedroht statt gekämpft (SAMBRAUS 1979).

Das Hausschwein ist durch die Einwirkung des Menschen immer wieder Situationen

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einhergeht, dauert nach RASMUSSEN et al. (1962) und McBRIDE et al. (1964) einige Tage.

Außer im Herkunftsbetrieb kommt es auch auf dem Transport und in der Wartebucht häufig zu einem Aufeinandertreffen von einander unbekannten Schweinen. BARTON-GADE und CHRISTENSEN (1998) beobachteten auf dem Transport bei unterschiedlichen Ladedichten zwar keine Kämpfe, jedoch bei einer hohen Ladedichte von 0,35 m2/100 kg eine deutlich erhöhte Reizbarkeit der Schweine, die mit aggressivem Verhalten einherging : Einige Tiere versuchten mit einer Seitwärtsbewegung des Kopfes andere Schweine wegzuschieben. In einer Untersuchung von MARAHRENS et al. (1995a) waren 10 % der Tiere einer Gruppe während des Wartestallaufenthaltes in Kämpfe verwickelt. Insgesamt scheint es in größeren Gruppen nur wenige aggressive Tiere zu geben, die Kämpfe beginnen und so Unruhe in die gesamte Gruppe bringen (BALDI et al. 1989, HANSEN et al. 1989, 1991, GEVERINK et al.

1996).

Hausschweine verfügen über ein gutes Gehör und einen feinen Geruchssinn (HOSMAN 1972). Sie können ebenfalls sehr gut sehen, wobei ihr Gesichtfeld 310 Grad beträgt (PRINCE 1977). Diese Eigenschaften versetzen Schweine in hohem Maße in die Lage, Veränderungen ihrer Umwelt und vielfältige Reize wahrzunehmen. Von einigen Autoren wird in diesem Zusammenhang die außerordentlich leichte Erregbarkeit von Schweinen hervorgehoben (HOSMAN 1972, DOMEL und LEISTNER 1977, GRANDIN 1991). Die besondere Empfindlichkeit dieser Tierart auf jegliche Form von Zwang (HEMSWORTH et al. 1987) und ihre Eigenschaft, darauf mit lauter Vokalisation zu reagieren, führte Pavlov zu folgender von LIDDELL et al. (1934) zitierten Aussage: „ Es ist schon lange mein fester Glaube, dass das Schwein das nervöseste aller Tiere ist. Alle Schweine sind hysterisch.“ Schweine gelten jedoch auch als lernbegabt und „pfiffig“ (HOSMAN et al. 1972). Eine neue Umgebung wird von Schweinen obligatorisch intensiv erkundet (WOLTERSDORF und LYHS 1988, LAUBE und SCHULZE 1992). Das Erkunden ist stets eine eigenmotivierte Handlung (TEMBROCK 1982) und geht mit einem latenten Lernen einher. Es dient der raumzeitlichen Zuordnung des eigenen Körpers und der Merkmalsextraktion zum Zweck der Identifikation von Objekten und Vorgängen (TEMBROCK 1969, 1982). Das Explorationsverhalten ist nach van PUTTEN (1981) eine Verhaltensnotwendigkeit wie die Futteraufnahme oder das Sexualverhalten. Das Anbieten von Beschäftigungsmaterial wie Stroh oder Spielzeug kann ein in einer reizarmen Umwelt auftretendes umgerichtetes Explorationsverhalten wie das Schwanzbeißen eindämmen oder verhindern (van PUTTEN 1980, GRANDIN 1988). Das Erkunden der neuen Umgebung fordert einen nicht unerheblichen Teil der zumeist mit etwa 2 Stunden (SACKMANN 1988, STEGEN 1993, von HOLLEBEN 1994) vorgegebenen Aufenthaltszeit im Wartestall. LAUBE (1995) et al. machen den Versuch, die Erkundungszeit durch das Anbieten von bevorzugt das Ruhen auslösender Reize zu verkürzen. Es stellte sich heraus,

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dass Schweine zum Ruhen die Buchtenflächen an der vom Ein- und Ausgang abgelegenen Wandseite bevorzugen und, dass erwärmte Anteile gegenüber nichterwärmten einen verstärkten Anreiz zum Niederlegen ausüben. Ebenso können geringe Beleuchtungsstärken und sichtsperrende Buchtenverkleidungen eine das Ruhen fördernde Wirkung haben (LAUBE und SCHULZE 1992).

2.3 Die Zuführung zur Betäubung

Von den mit der Schlachtung in Zusammenhang stehenden Vorgängen wird die Zuführung zur Betäubung als besonders große Belastungsquelle angesehen (TRÖGER und WOLTERSDORF 1988, HOLZER et al. 1992, von WENZLAWOWICZ et al. 1994, BARTON-GADE 1997, SCHÄFFER et al. 1997). Die früher in kleineren Schlachtbetrieben übliche gruppenweise Betäubung der Schweine in einer Bucht, bei der die Tiere quasi mit der Betäubungszange „eingefangen“ werden mussten, gilt als wenig geeignete Methode zur möglichst belastungsarmen Behandlung von Schlachtschweinen und wurde von HOENDERKEN (1979) stark kritisierend als „Wildwest-Methode“ bezeichnet. Größere moderne Betriebe mit Schlachtzahlen von 400 Schweinen pro Stunde und mehr führten zu Änderungen in der Schlachttechnologie, die eine kontinuierliche und möglichst schnelle Zuführung zur Betäubung gewährleisten sollen (TRÖGER 1990). Schlachthöfe nutzen hierfür eine Vielzahl von Systemen (WEEDING 1993), die häufig nicht tiergerecht sind und von den Schlachtbetrieben nach eigenen Vorstellungen „verbessert“ werden, um die Schlachtzahlen einhalten zu können (von WENZLAWOWICZ et al. 1994). Häufig anzutreffen sind Einzeltreibgänge, in denen die Tiere oft das Weitergehen verweigern und dann nur durch den massiven Einsatz von „Treibhilfen“, wie Schlagstöcken und/oder Elektrotreibern, zur Betäubungsfalle gelangen (TRÖGER 1990, HOLZER et al. 1992, LAUBE und SCHULZE 1992). Aber nicht nur das Durchlaufen des Ganges, sondern auch die vorausgehende Vereinzelung stellt eine erhebliche Belastung für die Tiere dar (BARTON-GADE 1997). Das Ausmaß der häufig beobachteten, tierschutzrelevanten Probleme bei der Zuführung zur Betäubung ist neben dem Ausbildungsstand und der Sorgfalt des Personals auch in entscheidender Weise von der baulichen Gestaltung dieses Abschnitts abhängig (TRÖGER und WOLTERSDORF 1988, REUTER 1992, WEEDING 1993, HUNTER et al. 1994, WARRIS et al. 1994, von WENZLAWOWICZ et al. 1994). Es wurde daher immer wieder gefordert, die Systeme dem Verhalten von Schweinen anzupassen und nicht das Schwein den

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GRANDIN 1982). Als Alternative zu Einzeltreibgängen werden zum Beispiel Zwillingseinzeltreibgänge vorgeschlagen, die nebeneinander liegen und in denen sich die Tiere sehen können, so dass ein arttypisches Neben- und Hintereinanderherlaufen gefördert wird (TRÖGER und WOLTERSDORF 1988). TARRANT (1989) beschreibt kurvig gestaltete Gänge, die die Neugier von Schweinen nutzen sollen, während GRANDIN (1981) in der Verwendung von kurvigen Gängen für Schweine außer in der Vermeidung von rechtwinkligen Abschnitten keine Vorteile sieht. Um einem Stau im Eingangsbereich von Treibgängen entgegen zu wirken, werden sogenannte „stair-step“ –Eingänge (HOENDERKEN 1976, HUTSON und BUTLER 1978, BRAATHEN 1980) benutzt, die den Schweinen eine Ausweichmöglichkeit geben und so ein problemloseres Überholen erlauben.

GRANDIN (1982) empfiehlt zur Vermeidung von Engpässen, die Tiere zwischen zwei Eingängen wählen zu lassen. LAUBE und SCHULZE (1992) schlagen zur Lösung von Problemen beim Treiben und Vereinzeln von Schweinen einen langen Gang (18 m) vor, in dem der Tierstrom mit Hilfe von hineinragenden dreieckigen Elementen immer weiter auseinandergezogen wird. CHRISTENSEN und BARTON GADE (1997) beschreiben zur Zuführung von Schlachtschweinen zur CO2-Betäubung eine labyrinthartige Konstruktion mit verschiedenen Sektionen, die mittels beweglicher Wände verkleinert werden können und aus denen die Tiere dann unter Verwendung von sogenannten „push-hoist-gates“ (Schiebe-Hebe- Gattern) in die CO2-Gondeln gelangen. Eine allmähliche Verkleinerung des Raumes und/oder Anpassung an verschieden große Tiergruppen gelten als große Vorteile von beweglichen Wänden, so dass ihre Verwendung sowohl für Betäubungsbuchten (DAYEN 1989, STEGEN 1993) als auch für Vorwartebuchten (SCHÄFFER et al. 1997) empfohlen wird. Detaillierte Forderungen zu Gestaltung und Management von Buchten und Treibgängen finden sich bei GRANDIN (1982).

Zusammenfassung der Literatur

Schweine sind im Schlachtbetrieb erheblichen Belastungen ausgesetzt. Dies trifft in besonderem Maße für den Abschnitt Zuführung zur Betäubung zu. Eine Vielzahl von Untersuchungen belegt, dass emotionale und physische Stressoren zu einer Aktivierung der Hypothalamo-Hypophysär-Adrenalen Achse und des Sympatho-Adrenomedullären Systems bei Schweinen unter diesen Bedingungen führen. Die Belastungsreaktionen des Organismus sind über biochemische, physiologische und ethologische Parametern erfassbar. Auf diesem Wege wird versucht, das Wohlbefinden oder die Stressbelastung eines Tieres einzuschätzen.

Neben Verhaltensbeobachtungen gelten unter anderem die „Stresshormone“ Adrenalin,

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Noradrenalin und Cortisol, die physiologischen Messgrößen Herzfrequenz und Körpertemperatur und das Lactat im Blut, als Parameter des Energiehaushalts, als geeignete Belastungsindikatoren. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen über die Belastung von Schlachtschweinen in unterschiedlich gestalteten Zuführungssystemen. Daher wird auch empfohlen, bei der Konstruktion von Zuführungssystemen das Verhalten von Schweinen zu berücksichtigen. Bislang liegen jedoch keine vergleichenden Untersuchungen zwischen einem herkömmlichen System und einem überwiegend nach ethologischen Gesichtspunkten entwickelten Zuführungssystem unter Praxisbedingungen vor.

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3 Eigene Untersuchungen

In der vorliegenden Arbeit werden die Belastungsantworten von Schlachtschweinen in zwei in ihrer baulichen Gestaltung unterschiedlichen Zuführungssystemen verglichen. Die Zuführung zur Elektrobetäubung kann in die Belastungszonen Vereinzelung und Zutrieb unterteilt werden, die jeweils eine bauliche Entsprechung besitzen. Die Vereinzelung erstreckt sich vom Herantreten des Treibers an ein Tier mit der Absicht, es zu separieren bis zu dessen vollständigem Eintritt in die Zutriebskonstruktion. Dieser Zeitpunkt markiert gleichzeitig den Beginn des Zutriebs, der mit dem Eintritt in die Betäubungsfalle endet. Ziel der Untersuchungen war es, den Einfluss des Zuführungssystems auf die Belastungsantwort und das Wohlbefinden von Schlachtschweinen herauszuarbeiten, so dass es notwendig war, die Bedingungen vor der Zuführung zur Betäubung möglichst konstant zu halten. Daher fanden die Untersuchungen nach Art eines „Vorher-Nachher“-Vergleichs im selben Schlachtbetrieb statt und gliederten sich in zwei Messperioden: In der ersten fanden die Versuche in dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden konventionellen Zuführungssystem, dessen Zutrieb als Einzeltreibgang konstruiert war, statt. Nach einem Umbau, bei dem ein vom Institut für Tierhygiene,Tierschutz und Nutztierethologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Firma Vogt GmbH neu entwickeltes, tierfreundliches Zuführungssystem eingerichtet wurde, fand die zweite Messperiode statt. Die während der ersten Messperiode vor dem Umbau bestehende Konzeption von Vereinzelung und Zutrieb wird im folgenden als altes System (System alt), die im zweiten Abschnitt als neues System (System neu) bezeichnet.

Für die Beurteilung der Belastungsreaktion der Schweine in den beiden unterschiedlichen Systemen reicht eine isolierte Betrachtung dieses Abschnitts nicht aus. Saisonal und verfahrenstechnisch bedingte Unterschiede in der Aufzucht, dem Transport und dem Wartestallaufenthalt können die Belastungsreaktion in den nachfolgenden Verfahrensabschnitten beeinflussen und sind daher zur weitestmöglichen Standardisierung in die Untersuchungen einbezogen. Die Belastungsreaktionen der Schlachtschweine werden in der vorliegenden Arbeit immer zwischen den Systemen alt und neu verglichen. Im folgenden werden die Systeme näher beschrieben.

Im alten System wurden von August bis Oktober 1997 in 21 Versuchstagen insgesamt Nalt = 266 Tiere untersucht, im neuen System von April bis Juni 1998 in 20 Versuchstagen Nneu = 249 Tiere.

Referenzen

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