Schwebstaubbelastung in Deutschland im Februar 1994 (Monatsmaximalwerte)
1-99
■
100-499 500-900 II> 900Angaben in Mikrogramm/m 3
I
Meßwerte keinePOLITIK
Immissionskode (12)
Der Februar (Meßzeitraum:
31. 1. bis 28. 2.) war meterologisch gesehen bei weitem nicht mehr so einheitlich wie die beiden zurücklie- genden Monate. Er wurde in der er- sten Woche durch Tiefausläufer mit Temperaturen um + 8 Grad Celsius bestimmt. Die zweite Wo-
che prägten dann abwech- selnd Regen und Schnee- fälle sowie morgendlicher Nebel. Die Temperaturen lagen bei 0 bis 4 Grad C.
Einschneidend veränderte sich die Wettersituation dann mit dem 11. Februar, als Deutschland unter den Einfluß eines russischen Hochs gelangte, wodurch die Temperaturen inner- halb von drei Tagen um bis zu 13 Grad C absanken.
Dieser Hochdruckeinfluß blieb bis zum 21. 2. erhal- ten und brachte Tempera- turen von - 2 bis - 10 Grad C, in Höhenlagen deutlich darunter. Der Wind kam aus östlichen Richtungen und war teilweise böig bis stark. Die letzte Februar- woche war durch anstei- gende Temperaturen ge- kennzeichnet sowie den Einfluß eines Tiefdruckge- bietes mit entsprechend milder Meeresluft.
Auch für den Februar haben wir uns aus ver- schiedenen Gründen wie- derum den Schwebstaub- Maximalwerten zugewen- det. Denn in diesem Zeit- raum traten teilweise
mehrmals innerhalb der einzelnen Wochen hohe Kurzzeitbelastungen auf. Gegenüber der geringen Bela- stung im Januar war die Belastung im Februar allgemein wesentlich stär- ker. Da Staubpartikel eine Vielzahl von organischen und anorganischen, teilweise toxischen und kanzeroge- nen Stoffen enthalten, kommt der Beobachtung von Schwebstaub und
AKTUELL
der Analyse seiner Inhaltsstoffe gro- ße Bedeutung zu.
Die Monatsmittelwerte lagen teilweise über 100 Mikrogramm/m 3 . Zum Vergleich: Der MIK-Richtwert für die mittlere Jahresbelastung liegt bei 75 Mikrogramm/m 3 . Die höchsten
Maximalwerte/Mittelwerte traten auf in: Suhl (1 340/61), Cloppenburg (1 307/66), Stendal (1 000/88), Ei- senach (910/152), Wernigerode (801/77), Bernburg (743/125), Sonne- berg (710/57), Erfurt (600/112), Zeitz (559/68) und Weimar (540/103).
Die höchsten Monatsmittelwerte verzeichneten ausschließlich Orte, die ebenfalls hohe Kurzzeitbelastun-
gen aufwiesen. Dabei konnten an ei- nigen Stellen hohe Maximalbelastun- gen in mehreren Wochen gemessen werden, so in Suhl 1 120 Mikro- gramm/m3 (31. 1. - 7. 2.) und 1 340 (14. - 21. 2.), in Sonneberg 710 (7. -14. 2.) und 430 (14. -21. 2.), in Eisenach 660 (7. - 14. 2.), 440 (14. - 21. 2.) und 910 (21. - 28. 2.), wobei in der letzten Woche hier ein Wochenmittelwert von 260 Mikro- gramm/m3 auftrat.
In Niedersachsen konnte man zwischen dem 14. und 16.
Februar ein anderes Phä- nomen beobachten, das in den letzten Jahren in land- wirtschaftlich intensiv ge- nutzten Gebieten an Be- deutung gewinnt: Boden- nahe Starkwinde verweh- ten die Ackerkrume, die wegen des Wechsels der Bodentemperaturen (Nacht/Tag) und des Frostaufhubs locker wurde und, weil nur mangelhaft bewachsen, als Staubfahne weggetragen wurde. Die- ses Phänomen war vor al- lem im Raum Cloppen- burg deutlich ausgeprägt, wodurch hier zeitweise Schwebstaubkonzentratio- nen bis 1 690 Mikro- gramm/m 3 (1-h-Wert) ge- messen wurden.
Die Interpretation von bedenklich hohen Kurzzeitbelastungen durch Schwebstäube, zum einen in primär landwirt- schaftlich genutzten Groß- räumen und zum zweiten in Siedlungsgebieten, vor- nehmlich der neuen Bun- desländer, mit zum Teil erheblicher regionaler in- dustrieller Industriebela- stung, ist aus medizini- scher Sicht nicht einfach. Hier erge- ben sich mehrere Fragen: Wie steht es mit der Zusammensetzung der un- terschiedlichen Noxen in Schweb- stäuben (Schwermetalle, aromatische polyzyklische Kohlenwasserstoffe etc.) in den unterschiedlichen Meß- orten? Dabei ergibt sich besonderer Klärungsbedarf hinsichtlich der er- staunlich hohen Schwebstaubbela-
Schwebstaub im Februar
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 11, 18. März 1994 (19) A-719
POLITIK
stungen in landwirtschaftlich genutz- ten Gebieten wie Cloppenburg. Gibt es in den unterschiedlichen Meßge- bieten unterschiedliche Häufigkeiten bestimmter respiratorischer Erkran- kungen? Diese Fragen können mit- telfristig nur in interdisziplinärer Zu- sammenarbeit zwischen Geowissen- schaftlern, niedergelassenen Ärzten, Epidemiologen und Toxikologen be- antwortet werden. Auf das seit 1990 laufende MORBUS-Projekt in Nie- dersachsen, das an diesem Punkt an- setzt, sei hingewiesen.
Es stellt sich auch einmal mehr die Frage nach der naturangepaßten Nutzung landwirtschaftlicher Flä- chen, die ohne einen Vegetationsho-
AKTUELL
rizont bei solchen Wetterlagen (Frostaufhub und Lockerung des Oberbodens) geradezu zu Staub- schüsseln werden. Dieses Phänomen ist besonders im mittleren Westen der USA sehr stark ausgeprägt und führt dort zu hohen Staubbelastun- gen der Bevölkerung. Ein solch an- thropogen verursachter „Sandsturm"
konnte durch die gute Zusammenar- beit mit Dr. Bernhard Heits von der niedersächsischen Landesanstalt für Ökologie, Abteilung Immissions- schutz, aufgeklärt werden, der uns detaillierte Aufzeichnungen der Meß- ergebnisse zur Verfügung stellte.
Dadurch wird auch einmal gezeigt, daß Mitarbeiter der verschiedenen
Behörden viel zur seriösen Aufklä- rung von umweltmedizinischen Zu- sammenhängen und damit zur echten Information beitragen könnten, wenn die Zusammenarbeit überall so gut funktionieren würde. Leider gibt es aber immer noch Dienststellen, deren Mitarbeiter bei hohen Meß- werten die Geräte verantwortlich machen, wobei Meßfehler bei dem hohen technischen Standard und der optimalen Wartung in der Praxis al- lerdings eher selten vorkommen Prof. Dr. med. Heyo Eckel Prof. Dr. med. Ulrich Hüttemann Dr. rer. nat. Claus Rink
Rückfragen an: Dr. Claus Rink, c/o Georisk GmbH, Schloß Türnich, 50169 Kerpen, Tel 0 22 37/6 12 22
Bundespflegesatzverord nung
Nein zu Fallpauschalen, ja zu Sonderentgelten
Die geplante stufenweise Umstellung des bisher dominierenden ta- gesgleichen, vollpauschalierten Pflegesatzes zu mehr leistungsori- entierten Vergütungsformen im Zuge der „Verordnung zur Neuord- nung des Pflegesatzrechtes (Bundespflegesatzverordnung 1995)"
wird von der Bundesärztekammer grundsätzlich positiv beurteilt.
Geplant ist, 1995 zunächst auf freiwilliger Basis rund 160 Sonder- entgelte und rund 40 diagnosebezogene Fallpauschalen (zunächst in den operativen Fächern) einzuführen.
Die Umstellung der pauschalen Krankenhauspflegesätze auf diffe- renzierte Entgeltformen, die rund 20 bis 30 Prozent des bisherigen Bud- gets erfassen soll (das wären rund 25 Milliarden DM), ist bis zum 1. Januar 1996 flächendeckend für alle Kran- kenhäuser obligatorisch (vgl. HC:
Ausblick auf 1994: Fortsetzung der Sparpolitik, Heft 1/2-1994, Harald Clade: Bundespflegesatzverordnung:
Krankenhäuser müssen differenzier- ter abrechnen, Heft 9/1994, Rubrik
„Leitartikel"). Die Vergütungsver- handlungen für Sonderentgelte sol- len allerdings nicht krankenhausindi- viduell erfolgen, sondern es sollen die Punktzahlen bundesweit und in die Höhe der Entgelte landesweit festgelegt werden. Dies wird von der Ärzteschaft und den Krankenhausor- ganisationen kritisiert, wiewohl die Umstellung auf diese differenzierte- ren Entgeltformen grundsätzlich als
ein wichtiger Schritt zu mehr Markt- steuerung und interner Budgetver- antwortung begrüßt wird.
Wesentlich kritischer beurteilt die Bundesärztekammer die projek- tierten Fallpauschalen, weil die Ge- fahr bestehe, daß Risikoselektionen und Leistungsnormierungen entste- hen. Daher dürfe für Fallpauschalen allenfalls eine begrenzte Zahl von Fällen mit klar definierbaren und ab- grenzbaren Leistungen überhaupt vorgesehen werden.
Bürgernahe Versorgung
Die Bundesärztekammer ver- weist auf die Erfahrungen in den USA, wo vor mehr als 12 Jahren dia- gnosebezogene Fallpauschalen ein- geführt wurden. Risikoselektionen, Leistungsnormierungen und Verwer-
fungen in der flächendeckenden Ver- sorgung mit Krankenhausleistungen waren dort die Folge. In jedem Fall müßten die räumliche Erreichbarkeit und eine bürgernahe Versorgung auch bei Einführung von differen- zierten Entgelten gewährleistet blei- ben.
Die Bundesärztekammer hält es für nicht vereinbar mit der gesetzli- chen Ermächtigungsgrundlage, aus- schließlich auf das durchschnittliche Krankenhaus bei der Budgetaufstel- lung und bei der Einführung obliga- torischer externer Betriebsvergleiche abzustellen. Das Krankenhausbud- get, welches über Abteilungspflege- sätze und den Basispflegesatz abge- rechnet wird, solle daher kranken- hausindividuell kalkuliert und verein- bart werden (§ 3 des Entwurfs).
Die Bundesärztekammer legt Wert darauf, daß die Krankenhäuser bei ergänzenden Vereinbarungen A-720 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 11, 18. März 1994