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Uterusdoppelfehlbildungen mit Vagina septa: eine retrospektive Studie über klinischen Verlauf, Komplikationen und Therapieoptionen

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Academic year: 2022

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Aus der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Frauenklinik der

Medizinischen Hochschule Hannover

(Direktor: Professor Dr. med. Hans-Walter Schlößer)

Uterusdoppelfehlbildungen mit Vagina septa:

Eine retrospektive Studie über klinischen Verlauf, Komplikationen und Therapieoptionen

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von

Irini Tzialidou, aus Frankfurt am Main

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 05.02.2009

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer: Prof. Dr. med. Hans-Walter Schlößer

Referent: Prof.´in Dr. med. Sylvia Glüer

Korreferent: Prof. Dr. med. Karl Ulrich Petry

Tag der mündlichen Prüfung: 05.02.2009

Promotionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. med. Hans Heinrich Günter

PD Dr. med. Rainer Lück

Prof. Dr. med. Michael Neipp

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Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG 3

1.1. Embryologie 4

1.1.1. Die Entwicklung des inneren Genitale und der Harnwege 4

1.1.2. Die Entwicklung der Vagina 9

1.2. Klassifikationsmodelle genitaler Fehlbildungen 12

1.3. Uterovaginale Fehlbildungen 20

1.3.1. Hypoplasie/ Agenesie des Uterus und der Vagina 20

1.3.2. Uterus arcuatus 22

1.3.3. Uterus septus/subseptus 24

1.3.4. Uterus unicornis 28

1.3.5. Uterus bicornis 30

1.3.6. Uterus didelphys oder duplex 32

1.3.7. Vaginalseptum 36

2. ZIEL UND FRAGESTELLUNG DER STUDIE 41 3. MATERIAL UND METHODEN 43 4. ERGEBNISSE 45 4.1. Art der Uterusfehlbildung 49

4.2. Alter bei Menarche 51

4.3. Alter der Patientinnen bei Erstvorstellung 52

4.4. Fehlbildungsbedingte Beschwerden 54

4.5. Komplikationen 57

4.6. Begleitende renale Fehlbildungen 58

4.7. Vorausgegangene Interventionen 60

4.8. Operative Eingriffe 63

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6. ZUSAMMENFASSUNG 78

7. LITERATURVERZEICHNIS 80

8. DANKSAGUNG 93

9. CURRICULUM VITAE 94

10. ERKLÄRUNG NACH §2 ABS.2 NR. 5 UND 6 DER PROMOTIONSORDNUNG 95

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1. EINLEITUNG

In der weiblichen Gesamtbevölkerung wird die Inzidenz genitaler Fehlbildungen auf 1-5%

geschätzt (Raga et al., 1997; Acién, 1997; Oppelt et al., 2005). Das Vorkommen erhöht sich auf 3,5-6,5% bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch (DeCherney et al., 1986; Mencaglia et al., 1988). Die Malformationen der Gebärmutter können einerseits, abhängig von der Art, lebenslang asymptomatisch bleiben, andererseits zu Einschränkungen der Fertilität, schwangerschaftsassoziierten Komplikationen wie habituelle Abortneigung, Spätaborte, Frühgeburten oder fetale Lageanomalien führen oder auch gravierende gynäkologische Beschwerden zufolge haben. Ein spezieller Typ genitaler Fehlbildungen, der sich gegenüber anderen Anomalien meist frühzeitig während der Pubertät mit gynäkologischen Beschwerden und Komplikationen manifestiert, ist die Kombination von Uterusdoppelfehlbildung und obstruktiver Hemivagina mit ipsilateraler Nierenagenesie. Obwohl es sich hierbei um eine relativ seltene Form der genitalen Malformationen handelt, ist die Kenntnis dieses Fehlbildungstyps für den behandelnden Gynäkologen von großer Bedeutung, um Fehlinterpretationen bei der Diagnostik, Verzögerungen bei der Therapie und vor allem nicht adäquate operative Maßnahmen mit eventuell irreversiblen Schäden für die doch meist jungen Patientinnen zu vermeiden.

Für ein ausreichendes Verständnis dieser seltenen Fehlbildungsart erscheint zunächst eine Darstellung der normalen embryologischen Organogenese des Urogenitaltraktes sinnvoll.

Anschließend soll allgemein auf die ganze Variationsbreite der genitalen Fehlbildungen, die Folgen für die betroffene Frau und die möglichen therapeutischen Ansätze eingegangen werden, um schließlich detailliert das Thema der Uterusdoppelfehlbildung mit Vagina septa, speziell mit Hemihämatokolpos im Hinblick auf Fertilitätsprognose, Klinik, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten darzustellen.

(6)

1.1. Embryologie

1.1.1. Die Entwicklung des inneren Genitale und der Harnwege

In der sechsten Entwicklungswoche haben sowohl die weiblichen als auch die männlichen Embryonen zwei Paare genitaler Gangsysteme. Zum einen das mesonephrische oder Wolff- Gangsystem, das sich vom Mesonephros bis zur Kloake (Sinus urogenitalis) erstreckt, und zum zweiten das paramesonephrische oder Müller-Gangsystem, welches als lineare Invagination des Zöloms an der anterolateralen Oberfläche der Urogenitalleiste entsteht und parallel zu den Wolff-Gängen verläuft. Spezieller verlaufen die Müller-Gänge zunächst parallel und lateral der Wolff-Gänge, kreuzen sich anschließend ventral mit Letzteren und bewegen sich weiter in mediokaudaler Richtung (Abbildung 1).

Abbildung 1. Darstellung des Müller- und Wolff-Gangssystems vor der sexuellen Differenzierung, 6. Embryonalwoche

Median vereinigen sich die beiden Müller-Gänge und bilden die Y- förmige primäre Uterusanlage. Die Wolff-Gänge münden lateral und kaudal davon in den Sinus urogenitalis.

An dieser Stelle erscheinen auch die Knospen der Ureteren, die sich nach lateral, anterior und kranial entwickeln und in den Metanephros münden, um endgültig die Nieren zu bilden

1a 2a 3a 4a 5a

Ductus paramesonephricus (Müller) Ductus mesonephricus (Wolff) unteres Gubernaculum

Canalis uterovaginalis Sinus urogenitalis

(7)

Abbildung 2. Entwicklung des Müller- und Wolff-Gangsystems während der sexuellen Differenzierung

Die Keimdrüsen entstehen aus der Gonadenleiste, dem internen Part der Urogenitalleiste, und bilden abhängig von der Anwesenheit oder Abwesenheit eines Y-Chromosomes entsprechend Testes oder Ovarien.

Die regelrechte Weiterentwicklung der Gangsysteme hängt entscheidend von der Differenzierung der Gonaden ab. Beim XY-Embryo, in Präsenz eines Testis, wird das in den Leydig-Zellen produzierte Testosteron die mesonephrischen Gänge stimulieren, um den Ductus deferens und die Epidydimis des männlichen Genitaltraktes zu bilden. Das von den Sertoli-Zellen sezernierte Anti-Müller-Hormon (AMH) soll gleichzeitig zur Degeneration der paramesonephrischen Gänge führen. Beim XX-Embryo in Anwesenheit von Ovarien oder bei Abwesenheit von Gonaden bzw. Vorliegen dysgenetischer Keimanlagen soll das fehlende Testosteron die Weiterentwicklung der Wolff-Gänge hemmen, das fehlende AMH dagegen die Ausdifferenzierung der Müller-Gänge zur Bildung des weiblichen inneren Genitale erlauben. Die degenerierten, atretischen Wolff-Gänge bilden das Epoophoron, Paraoophoron und die Gartner-Gänge (Abbildung 3).

1a 2a 3a 4a 5a

Ductus paramesonephricus (Müller) Ductus mesonephricus (Wolff) unteres Gubernaculum

Canalis uterovaginalis Sinus urogenitalis

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Abbildung 3. Vollendete Entwicklung des Uterus und der Vagina, Degeneration der Wolff-Gänge.

Initial können die Müller-Gänge in drei Segmente unterteilt werden. Das erste verläuft vertikal und eröffnet sich in die Bauchhöhle, das zweite verläuft horizontal und kreuzt sich mit den Wolff-Gängen und das dritte Segment verschmilzt mit dem entsprechenden Abschnitt des gegenüberliegenden Müller-Ganges. Dies geschieht zeitlich ungefähr in der achten embryonalen Woche (SSL 56mm). Mit der Deszension der Ovarien stellen sich die beiden ersten Segmente horizontal ein und bilden jeweils den Eileiter mit dem Ostium abdominale tubae. Die nach kaudal verschmolzenen Segmente der Müller-Gänge bilden den Canalis uterovaginalis, woraus der Uterus und die oberen 2/3 der Vagina entstehen (Larsen, 1993;

Langman, 1975). Im Detail scheint die Fusion der Müller-Gänge an ihrem distalen Ende (Müllertuberkel) zu beginnen, um sich unidirektional nach kranial fortzusetzen. Daraus resultiert eine Kavität, die zunächst durch ein medianes Septum unterteilt wird. Dieses Septum verschwindet nachfolgend durch Resorption, die an jeder Stelle der verschmolzenen Gänge beginnen kann und in die eine oder andere oder in beide Richtungen gleichzeitig erfolgen kann (Crosby et al., 1962). Fehler im Verlauf des Fusionsprozesses oder Störungen bei der Resorption des Septums führen zur Entstehung zahlreicher verschiedenartiger

1b 2b 3b 3c 4b 5b

Tuba uterina

Ductus mesonephricus (Wolff) zurückgebildet Ligamentum ovarii proprium

Ligamentum teres uteri Uterus

Vagina

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Abbildung 4.

A. Entsprechend der „klassischen Theorie“

führt die fehlende kaudal-nach-kraniale Fusion zu einem Uterus didelphys

B. Fehlende kaudale Fusion mit komplett kranialer Fusion. Es resultiert ein Uterus septus mit Cervix duplex und Vaginalseptum.

Entsprechend der Hypothese von Musset et al. (1967) scheint jedoch die Fusion des oberen und unteren Anteils der Müller-Gänge aus zwei separaten Prozessen zu bestehen. Genauer soll mit Beginn der zehnten embryonalen Woche die Fusion des unteren Anteils der Müller- Gänge zwischen dem Sinus urogenitalis und dem Isthmus erfolgen. Diese Fusion führt zur Bildung einer Kavität von oberer Vagina, Cervix und Isthmus, die zunächst noch durch ein Septum unterteilt bleibt. Im oberen Anteil scheinen die Müller-Gänge nicht wirklich zu verschmelzen, sondern sich durch einen Prozess rapider Zellteilung näher zu kommen. Das daraus resultierende mediane Septum verbindet beide Gänge und vereinigt sich mit dem unteren Septum. Die Resorption des medianen Septums beginnt nun am Isthmus und setzt sich gleichzeitig in beide Richtungen, nach kranial und kaudal, fort. Anhand dieser Hypothese können uterovaginale Anomalien erklärt werden, die durch eine fehlende kaudale Fusion bei gleichzeitig komplett stattgehabter kranialer Fusion entstehen, wie z.B. die Anomalien in Form eines Uterus septus, einer doppelten Cervixanlage und eines longitudinalen Vaginalseptums (McBean et al., 1994; Fatum et al., 2003; Pavone et al., 2006) (Abbildung 4).

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Parallel zur Morphogenese werden die Müller-Gänge von peritonealen Duplikationen umwickelt, aus denen die Ligamente des Uterus entstehen, an denen Ovarien (Mesovarium), Tuben (Mesosalpinx) und der Uterus (Mesometrium) anhängen werden. Es sei betont, dass die Fusionierung der Müller-Gänge und die korrekte Formgestaltung des Uterus von den lateral positionierten Wolff-Gängen induziert werden, indem sie als Führungselemente für die regelrechte Entwicklung der Müller-Gänge dienen (Gruenwald, 1941).

Die Ausgestaltung der Harnwege korreliert eng mit der Genese des Genitaltraktes und findet ebenfalls in der sechsten bis neunten embryonalen Woche statt (Muller et al., 1967). Der Metanephros wird im medialen Mesoderm gebildet, kaudal des Mesonephros, und seine Entwicklung wird durch die Ureterknospen induziert. Wie bereits erwähnt, wachsen Letztere als Knospen aus der Hinterwand der mesonephrischen Gänge an ihrer Mündung in den Sinus urogenitalis und wandern in den Metanephros. Der Stamm der Ureterknospe formt den Ureter und ihr kranialer Anteil das Nierenbecken.

Blase und Urethra entstehen überwiegend aus dem Sinus urogenitalis, der obere und ventrale Anteil der Blase außerdem aus der Allantois. Mit Teilung der Kloake durch das Septum urorectale entsteht nach dorsal das Rectum mit dem superioren Segment des Anus und nach ventral der Sinus urogenitalis (Mackie, 1978). In den unteren Abschnitt des Sinus urogenitalis, vor dem Septum urorectale, münden die Wolff-Gänge und ventral davon wird die Blase gebildet. Mit dem Größerwerden der Vesica urinaria verschmelzen die kaudalen Anteile der mesonephrischen Gänge mit der dorsalen Blasenwand (Mackie, 1978). Somit münden die Ureteren, die von den mesonephrischen Gängen entsprungen sind, im Trigonum vesicae. Letztendlich erfolgt die Unterteilung und endgültige Differenzierung der Blase mit beiden Ureterostien und Urethra nach ventral.

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1.1.2. Die Entwicklung der Vagina

Über die Organogenese der Vagina herrschen unterschiedliche Vorstellungen, so dass mehrere Theorien existieren. Nach einer geläufigen Theorie entsteht die Vagina nahezu komplett aus den paramesonephrischen oder Müller-Gängen (Ulfelder at al., 1976). Andere Erklärungsmodelle nehmen die Entstehung aus den mesonephrischen oder Wolff-Gängen, dem Sinus urogenitalis (Minh et al., 1985) oder aus beiden Strukturen gemeinsam an (Witschi, 1970; Mauch et al., 1985). Die generell am meisten akzeptierte Theorie beschreibt die Entstehung des oberen Anteils der Vagina aus einer Fusion der paramesonephrischen oder Müller-Gänge und das Hervorgehen des unteren Anteils aus dem Sinus urogenitalis (Musset et al., 1967; Minh et al., 1984; Forsberg, 1973; O´Rahilly, 1977), wobei die mesonephrischen oder Wolff-Gänge eine stimulierende Führungsrolle bei der adäquaten Entwicklung der Müller-Gänge übernehmen.

Minh et al. (1984) führen die Entstehung der Vagina auf das Müllertuberkel und den Sinus urogenitalis zurück. Dieser Vorstellung folgend formt das Müllertuberkel eine Zellanhäufung zwischen dem unteren Anteil der verschmolzenen Müller-Gänge und dem Sinus urogenitalis.

An dieser Stelle entstehen, zeitlich ungefähr bei einer SSL von 63 mm, aus der Hinterwand des Sinus urogenitalis sinuvaginale Kolben oder Protrusionen, die anschließend das Müllertuberkel umfassen und somit die sogenannte Vaginalplatte bilden (Forsberg, 1963).

Später formt sich in dieser Vaginalplatte eine Höhle aus paramesonephrischem Epithel, welches dann in den Sinus urogenitalis übergeht und, durch metaplastische Induktion zum mehrschichtigen Plattenepithel, die Vagina entstehen läßt.

Neben der reinen Induktionsrolle der Wolff-Gänge bei der Entwicklung der Müller-Gänge haben mehrere Studien auch eine direkte Beteiligung der Wolff-Gänge an der Bildung der

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1985). Morphologische Studien von Bok und Drews (1983) an Explantaten des Genitaltraktes von Mausembryonen- das heißt an Organkulturen im undifferenzierten Entwicklungsstadium- zeigten, dass sinuvaginale Kolben oder Protrusionen, die bei der Entstehung der Vagina eine Rolle zu spielen scheinen, tatsächlich aus den kaudalen Segmenten der mesonephrischen Gänge entstehen. Zwischen diesen Kolben und kaudal der paramesonephrischen Gänge läßt sich eine solide, epitheliale Struktur, das sogenannte Müllertuberkel nachweisen, das mit der dorsalen Wand des Sinus urogenitalis in Kontakt kommt.

Acién (1992) ist der Meinung, dass die Vagina komplett aus den verschmolzenen, mesonephrischen Gängen entsteht, wenn auch die paramesonephrischen Gänge mitbeteiligt sind. Ein entsprechendes Schema zeigt die Abbildung 5.

Abbildung 5. Hypothese der embryologischen Entwicklung der Vagina (Acién, 1992).

MD: Müller-Gang, WD: Wolff-Gang, MT: Müllertuberkel, US: Sinus urogenitalis, UB: Ureterknospe, U: Ureter Mesonephrische

Residuen

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Demzufolge entsteht aus den verschmolzenen, paramesonephrischen Gängen der Uterus bis hin zum Ostium externum cervicis der Portio, induziert und geführt durch eine gleichzeitige Deszension der mesonephrischen Gänge an beiden Seiten. Anschließend atrophieren die mesonephrischen Gänge im kranialen Bereich, ab der Ebene der Cervix jedoch verlängern sie sich und bilden die bereits erwähnten sinuvaginalen Kolben. Aus der Fusion der sinuvaginalen Kolben geht die Vaginalplatte hervor, die sich mit dem paramesonephrischen Zellkomplex, dem Müllertuberkel, vereinigt. In die entstehende Kavitation wandern paramesonephrische Zellen ein und bilden die primäre, durch paramesonephrisches, kuboidales Epithel ausgekleidete Vaginalhöhle, das sich durch metaplastische Induktion in das unverhornte Plattenepithel der Vagina umwandelt. Mesonephrische Residuen können in der Vaginalwand verbleiben und später zystisch werden (Gartner-Zysten).

Das von Acién (1992) vorgestellte Modell der Vaginalentwicklung dient als Erklärungsversuch für die uterovaginalen Fehlbildungen mit einseitig blind endender Scheidenhälfte und ipsilateraler Nierenagenesie. Da die Ureterknospen aus der Mündung der mesonephrischen Gänge in den Sinus urogenitalis wachsen, würde eine Abwesenheit oder distale Agenesie eines mesonephrischen Ganges zu einer fehlenden Mündung in den Sinus (Genese der blinden Hemivagina) und konsekutiv zu einer Abwesenheit der Ureterkolben auf der selben Seite führen. Resultat würde eine Fehlentwicklung der endgültigen Niere im Mesonephros sein (ipsilaterale Nierenagenesie).

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1.2. Klassifikationsmodelle genitaler Fehlbildungen

Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat es mehrere Vorschläge zur Klassifikation der verschiedenen Uterusmalformationen gegeben. Zuerst hatte Strassmann 1907 die Anomalien der Gebärmutter in die Kategorien „Uterus bilocularis“ (Uterus septus, subseptus) und

„Uterus bifidus“ (Uterus bicornis, didelphys) eingeteilt (Strassmann, 1907). Anhand dieser einfachen, lediglich auf den Uterus bezogenen Einteilung, war jedoch eine Zuordnung vieler weiterer, tatsächlich vorkommender Fehlbildungsvariationen nicht möglich. Daher schlugen Buttram und Gibbons (1979) eine modifizierte Klassifikation- abhängig vom Grad der Fehlentwicklung- vor und teilten die genitalen Fehlbildungen in sechs Untergruppen mit ähnlichen klinischen Manifestationen, Therapieansätzen und reproduktivem Outcome ein (Tabelle 1).

Tabelle 1. Einteilung uteriner Fehlbildungen nach Buttram und Gibbons, 1979 Hypoplasie /Agenesie

A Vaginal B Cervikal C Fundal D Tubal I

E Kombinierte Anomalien Uterus unicornis

A mit rudimentärem Horn 1. mit Cavum

a. kommunizierend b. nicht kommunizierend 2. ohne Cavum

II

B ohne rudimentäres Horn III Uterus didelphys

Uterus bicornis A Komplett B Partiell IV

C Uterus arcuatus Uterus septus

Va Komplett V

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Überarbeitet und modifiziert wurde diese Klassifikation 1988 von der American Fertility Society, heute American Society of Reproductive Medicine, die die derzeit am meisten angewendete Einteilung der Uterusanomalien in sieben Kategorien und Subgruppen vorschlug (The American Fertility Society, 1988) (Tabelle 2, Abbildung 6). Im Vergleich zur Klassifikation von Buttram und Gibbons (1979) liegt der Unterschied in der separaten Einteilung des Uterus arcuatus als eigene Gruppe, differenziert vom Uterus bicornis.

Tabelle 2. Einteilung uteriner Fehlbildungen nach der American Fertility Society, 1988 Hypoplasie /Agenesie

a Vaginal b Cervikal c Fundal d Tubal I

e Kombinierte Anomalien Uterus unicornis

a mit kommunizierendem rudimentärem Horn b nicht kommunizierendes rudimentäres Horn c mit rudimentärem Horn ohne Cavum II

d ohne rudimentäres Horn III Uterus didelphys

Uterus bicornis a komplett IV

b partiell Uterus septus

a komplett V

b partiell (Uterus subseptus) VI Uterus arcuatus

VII DES- korrelierende Fehlbildungen

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Gruppe I beinhaltet verschiedene uterovaginale Agenesien und Hypoplasien. Subgruppierung in Ia: vaginale, Ib: zervikale, Ic: fundale, Id: tubare, Ie: kombinierte Anomalien.

Gruppe II umfasst den Uterus unicornis mit partieller oder kompletter Hypoplasie des kontralateralen Horns. In der Untergruppe IIa gibt es ein kommunizierendes rudimentäres Horn, in der Gruppe IIb ein nicht kommunizierendes rudimentäres Horn, in der Gruppe IIc ein rudimentäres Horn ohne Cavum und die Gruppe IId beinhaltet die Uteri unicornes ohne rudimentäres Horn.

Zur Gruppe III gehört der Uterus didelphys oder duplex, der embryologisch auf die komplett fehlende Fusion der Müller-Gänge zurückzuführen ist.

Abbildung 6. Klassifikation der Müller-Gangssystem-Anomalien entwickelt von der American Fertility Society (The American Fertility Society, 1988).

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Gruppe IV beschreibt den Uterus bicornis, der die unvollständige Fusion des oberen Segmentes des Canalis uterovaginalis demonstriert. Er wird unterteilt in den Uterus bicornis completus (IVa) und incompletus (IVb).

Zur Gruppe V zählen der Uterus septus und subseptus, entstanden durch die komplett oder partiell fehlende Resorption des Septum uterovaginalis.

In Gruppe VI wird der Uterus arcuatus mit der fast kompletten Resorption des Septums uterovaginalis beschrieben.

Gruppe VII umfasst letztendlich solche Uterusanomalien, die durch die bis in die 70er Jahre verbreitete mütterliche Einnahme von Diethylstilbestrol (DES) mit den entsprechenden Folgen auf die intrauterine Entwicklung des weiblichen Embryos entstanden sind.

Die zervikalen und vaginalen Formabweichungen werden aufgrund der großen Variabilität nicht gesondert in spezielle Gruppen eingeteilt, sondern werden als Unterabteilungen der primären uterinen Fehlbildungen mit beschrieben.

Da in der Klassifikation der American Fertility Society (AFS-Klassifikation) die vaginalen Anomalien nicht separat berücksichtigt werden, wurde von Rock (1986) ein Klassifikationssystem empfohlen, welches die uterovaginalen Fehlbildungen in drei Gruppen einteilt, basierend auf ähnliche embryonale Entwicklungsstörungen und vergleichbare klinische Manifestationen. Die erste Gruppe schließt Patientinnen mit Agenesie des Uterus und der Vagina mit Hauptmanifestation das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom ein.

In der zweiten Gruppe werden die Anomalien der vertikalen Fusion berücksichtigt, die durch eine inkomplette Kavitation der Vaginalplatte entstehen. Hierzu gehören die Hymenalatresie und das transversale Vaginalseptum, die jeweils obstruktiv oder nicht obstruktiv sein können.

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obstruktiv oder nicht obstruktiv sein können. Zu den obstruktiven gehört die unilaterale Obstruktion durch ein vertikales laterales Vaginalseptum mit der Bildung eines Hemihämatokolpos. Unter den nicht obstruktiven Anomalien der lateralen Fusion werden der Uterus didelphys oder duplex, Uterus bicornis, unicornis und septus subsummiert.

Toaff et al. haben 1984 eine weitere Klassifikation für kommunizierende Uteri publiziert (Toaff et al., 1984). Dementsprechend werden der Uterus septus und bicornis abhängig von der begleitenden Morphologie der Cervix und der Vagina sowie der Lokalisation der Kommunikation in neun Gruppen unterteilt (Abbildung 7).

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Abbildung 7. Morphologische Klassifikation der kommunizierenden Uteri (Toaff et al., 1984).

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Vor kurzer Zeit entwickelten Oppelt et al. (2005) die sogenannte VCUAM-Klassifikation (VCUAM= Vagina-Cervix-Uterus-Adnexa-associated Malformation). Hauptanliegen dieser Modifikation ist eine exakte Abbildung auch komplexer Fehlbildungen, um eine einfache, systematische und klinisch anwendbare Einteilung zu erhalten. Zum ersten Mal werden hier die genitalen Mißbildungen anatomisch spezifiziert in Fehlbildungen der Vagina, der Cervix, des Uterus und der Adnexe unterteilt. Assoziierte extragenitale Malformationen werden in der Subgruppe M mit dem betroffenen Organsystem beschrieben (Tabelle 3).

Zum Beispiel würde der Uterus didelphys in dieser Klassifikation wie folgt beschrieben werden: V2b, C1, U2, A0, M0.

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Tabelle 3. VCUAM-Klassifikation mit Beschreibung der Malformationen in Relation zu den betroffenen Organen. (Oppelt et al., 2005)

0 Normal

1a Partielle Hymenalatresie 1b Komplette Hymenalatresie 2a Partiell septierte Vagina < 50%

2b Komplett septierte Vagina 3 Stenose des Introitus 4 Hypoplasie

5a Unilaterale Atresie 5b Komplette Atresie

S1 Sinus urogenitalis (tiefe Einmündung) S2 Sinus urogenitalis (mittlere Einmündung) S3 Sinus urogenitalis (hohe Einmündung)

C Kloake + Andere Vagina

# Unbekannt 0 Normal 1 Cervix duplex

2a Unilaterale Atresie/Aplasie 2b Bilaterale Atresie/Aplasie

+ Andere Cervix

# Unbekannt 0 Normal 1a arcuatus 1b Septus < 50%

1c Septus > 50%

2 Bicornis

3 Hypoplastischer Uterus

4a Unilateral rudimentär oder aplastisch 4b Bilateral rudimentär oder aplastisch

+ Andere Uterus

# Unbekannt 0 Normal

1a Unilateral Tubenmalformation, Ovarien unauffällig 1b Bilateral Tubenmalformation, Ovarien unauffällig 2a Unilateral rudimentäre Gonade (Strichgonade) 2b Bilateral rudimentäre Gonaden (Strichgonaden) 3a Unilateral Aplasie

3b Bilateral Aplasie + Andere

Adnexe

# Unbekannt 0 Keine R Renal S Skelettal C Cardial N Neurologisch + Andere Assoziierte Malformationen

# unbekannt

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1.3. Uterovaginale Fehlbildungen

1.3.1. Hypoplasie/ Agenesie des Uterus und der Vagina

Die Agenesie/ Hypoplasie von Uterus und Vagina entsteht durch ein frühes Sistieren der Entwicklung der Müller-Gänge unterschiedlichen Schweregrades. Sie betrifft ungefähr 5-10%

der Müller-Gang-Anomalien (Troiano, 2004). Das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser Syndrom (MRKH-Syndrom) ist die schwerste Form und bedeutet die komplette Vaginalagenesie kombiniert mit einer Uterusagenesie in 90% der Fälle. Die restlichen 10%

der Patientinnen haben neben der Vaginalaplasie rudimentäre Uteri. Die Ovarien sind in den meisten Fällen unauffällig und funktionsfähig. Die Inzidenz des MRKH-Syndrom wird auf 1 pro 4.000-10.000 weiblicher Neugeborener geschätzt (Evans et al., 1981).

Das klinische Bild ist abhängig von der Anwesenheit oder dem Fehlen eines funktionellen Endometriums. Im Falle einer kompletten Uterusagenesie zeigt sich als Erstmanifestation eine primäre Amenorrhoe in der Pubertät, bei sonst unauffälligen sekundären Geschlechtsmerkmalen. Wenn es sich um eine isolierte Vaginalaplasie mit rudimentärem oder verschlossenem Uterus mit funktionellem Endometrium handelt, dann tritt typischerweise eine primäre Amenorrhoe ein, die mit schweren, zyklisch wiederkehrenden Unterbauchschmerzen, sogenannte Molimina menstrualia, einhergeht. Grund für diese periodischen Unterbauchschmerzen ist die Anstauung des Menstruationsblutes in der rudimentären Uterusanlage, die bei fehlender vaginaler Abflußmöglichkeit mit konsekutiver Bildung einer Hämatometra verbunden ist.

Die Diagnosestellung erfolgt durch die vaginale Inspektion und abdominale Ultraschalluntersuchung, gegebenenfalls zusätzlich anhand einer Kernspintomographie,

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per Ultraschall und trotz Kernspintomographie Uterusresiduen nicht zu identifizieren sind, kann eine Laparoskopie zur Diagnosestellung erwogen werden.

Eine Konzeption ist für die betroffenen Frauen nicht möglich. Therapeutisches Ziel ist die Bildung einer Neovagina zur Ermöglichung vaginalen Geschlechtsverkehrs. Dazu wird heute als unblutige, nicht operative Methode zumeist und als erster Behandlungsschritt die vaginale Dilatation nach Frank angewendet (Frank, 1938), während operativ die chirurgische Schaffung einer Neovagina nach McIndoe oder Vecchietti möglich ist (McIndoe, 1950;

Vecchietti, 1965). Ist eine Verbindung zwischen Neovagina und rudimentären Uterushörnern nicht möglich, sollte die Hämatometra entfernt werden. Generell ist bei einer Uterusagenesie kein Reproduktionserfolg zu erwarten, während eine Hypoplasie mit keinem bis minimalem Erfolg assoziiert ist, abhängig von dem Grad der Hypoplasie und der Präsenz eines funktionellen Endometriums.

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1.3.2. Uterus arcuatus

Der Uterus arcuatus zeichnet sich durch eine diskrete Vorwölbung des Myometriums im Bereich des Fundus uteri als Folge einer nahezu vollständigen Resorption des Septum uterovaginalis aus. Die Klassifikation des Uterus arcuatus gestaltet sich schwierig, da noch umstritten ist, ob es sich tatsächlich um eine Fehlbildung oder nur um eine anatomische Normvariante handelt. Bei der Klassifikation von Buttram und Gibbons (1979) wurde der Uterus arcuatus als Subgruppe des Uterus bicornis eingeteilt, da er morphologisch am ehesten einer milden Form des Uterus bicornis entsprechen würde. In der Einteilung der American Fertility Society (1988) wird der Uterus arcuatus dagegen als separate Fehlbildung beschrieben, weil er sich vom Uterus bicornis durch die komplette Vereinigung des Fundus differenzieren lässt.

In Bezug auf die Auswirkungen eines Uterus arcuatus auf die Reproduktionsfähigkeit gibt es bisher eine kontroverse Datenlage. Es existieren sowohl Studien, die einen negativen Effekt des Uterus arcuatus zeigten, als auch Studien, die keinen Einfluss nachweisen konnten (Musich und Behrmann, 1978; Tulandi et al., 1980; Stampe, 1983; Woelfer et al., 2001).

Generell jedoch wird der Uterus arcuatus als dezente Fehlbildung angesehen, die keine wesentlich negativen Folgen für Fertilität und Schwangerschaftsverlauf hat und eine 85- prozentige Geburtsrate aufweisen soll (Tulandi et al., 1980).

Ob eine Korrektur dieser diskreten Anomalie im Sinne einer hysteroskopischen Resektion indiziert und effektiv ist, kann bisher nicht durch eine eindeutige Datenlage belegt werden.

Wie bereits erwähnt, führt der Uterus arcuatus meist zu keiner Beeinträchtigung und wird als Zufallsbefund diagnostiziert. In den Fällen jedoch mit habitueller Abortneigung, bei der sämtliche extrauterine Ursachen ausgeschlossen wurden, und das fundale Myometrium eine

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prominente Konfiguration zeigt, sollte eine Korrektur eventuell in Anbetracht gezogen werden (Troiano und McCarthy, 2004).

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1.3.3. Uterus septus/subseptus

Der septierte Uterus ist unter den angeborenen Malformationen der Gebärmutter mit ungefähr 55% die häufigste Fehlbildung des Müllerschen Gangsystems (Homer et al., 2000; Raga et al., 1997; Fedele und Bianchi, 1995). Er resultiert aus der partiell oder komplett ausgebliebenen Resorption des Septums uterovaginalis nach der Fusion der paramesonephrischen Gänge.

Somit verbleibt eine zentrale sagittale Wand, die das Cavum uteri in zwei meist symmetrische Hälften unterteilt. Beim Uterus septus reicht das Septum bis zum Ostium internum der Cervix, wohingegen beim Uterus subseptus die Wand oberhalb des inneren Muttermundes endet.

Histologisch besteht das partielle Septum aus myometralen Fasern, wohingegen beim kompletten Septum das Gewebe des fundusnahen Segmentes aus myometralen und des unteren Segmentes aus bindegewebigen Fasern aufgebaut ist (Zreik et al., 1998). Die äußere Kontur des Fundus uteri kann dabei konvex, flach oder leicht konkav (<1cm) sein (Homer et al., 2000).

Auch wenn einige Fallberichte von einer familiären Häufung des septierten Uterus berichten (Mikkila et al., 1994; Ergun et al., 1997), wird er meistens als eine spontan entstandene, isolierte Anomalie angesehen.

Obwohl die American Fertility Society bei ihrer Klassifikation der Uterusanomalien keine konkrete Maßangabe über die minimale Vertiefung des Fundus zur Differenzierung des Uterus septus vom bicornis oder didelphys macht, wird diese in der Praxis als bis zu 1 cm angesehen. Bei einer fundalen Einbuchtung von mehr als 1 cm wird die bestehende Uterusfehlbildung in die Kategorie der bicornualen Konfigurationen eingeordnet (Fedele et al., 1988; Candiani et al. 1986). Die korrekte Differenzierung zwischen den beiden Anomalietypen ist nicht nur wegen der unterschiedlichen klinischen Bedeutung, sondern auch

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aufgrund der unterschiedlichen Behandlungsoptionen und Operationsmethoden beider Krankheitsbilder von großer Bedeutung.

Sonographisch wird die äußere Kontur des Fundus in der transversalen Abbildung evaluiert.

Sie soll im Gegensatz zu einem Uterus bicornis beim Uterus septus konvex, flach oder leicht konkav sein (Abbildung 8). Wenn die Vertiefung der externen Funduskontur unter die interostiale Linie zwischen den beiden intracavitären Tubenostien oder bis weniger als 5 mm oberhalb dieser Linie reicht, dann wird der Uterus als bicornis betrachtet. Beim Uterus septus gelangt die fundale Vertiefung mehr als 5 mm oberhalb der interostialen Linie (Fedele et al.

1988; Homer et al., 2000).

Abbildung 8. Klassifikationskriterien für die sonographische Differenzierung zwischen Uterus septus und bicornis (Troiano und McCarthy, 2004).

A. Wenn die Spitze der externen Funduskontur (3) tiefer als eine beide Tubenostien verbindende Linie (1,2) tritt oder

B. bis 5 mm über dieser Linie, dann handelt es sich um einen Uterus bicornis.

C. Wenn die Spitze mehr als 5 mm über dieser Linie ist, dann liegt ein Uterus septus vor.

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Der septierte Uterus ist, im Vergleich zu den anderen Müller-Gang-Anomalien, mit der höchsten Rate an reproduktivem Versagen assoziiert. Die Folgen betreffen die primäre und sekundäre Infertilität (Hickok, 2000), die habituelle Abortneigung (Römer et al., 1996) sowie eine erhöhte Rate an Frühgeburtlichkeit mit entsprechender neonataler Morbidität und Mortalität.

Die Rate der Spontanaborte beträgt 26 bis 94% der Fälle, Frühgeburten machen 9 bis 33% aus und die neonatale Überlebensrate liegt zwischen 10 und 75% der Schwangerschaften (Heinonen et al., 1982; Buttram, 1983; Maneschi et al., 1995; Raga et al., 1997; Clifford et al., 1994; Propst et al., 2000; Gray et al., 1984). Die Länge des Septums scheint keinen Einfluss auf die genannten Unterschiede im geburtshilflichen Outcome zu haben. (Kupesic et al., 1998).

Als pathophysiologische Mechanismen der habituellen Abortneigung werden die Implantation der Blastocyste an der Scheidewand, die erhöhte Kontraktilität des muskulären Septums und die mangelnde Dezidualisierung durch das fehlende Bindegewebe angegeben (Dabirashrafi et al., 1995). Außerdem ist nachgewiesen worden, dass das die Trennwand bedeckende Endometrium zu einem großen Teil dysfunktionell ist (Candiani et al., 1983). Darüberhinaus scheinen auch die anatomische Verkleinerung der Gebärmutterhöhle mit Verminderung der endometrialen Kapazität sowie Lageveränderungen und Deformierungen des Feten ursächlich für die erhöhte Abortrate zu sein (Patton et al., 1988; Heinonen et al., 1982).

Da beim Uterus septus nicht obligat Schwangerschaftskomplikationen eintreten, muss nicht unbedingt in jedem Fall eine operative Therapie vor einer Schwangerschaft erfolgen (Ashton et al., 1988). Im Falle einer Koinzidenz mit primärer Sterilität oder rezidivierenden Aborten sollte eine operative Korrektur des Septums erwogen werden (Homer et al., 2000). Früher

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Tompkins durchgeführt. Nach Einführung der operativen Hysteroskopie mit Septumresektion (Edstrom et al., 1971) gilt diese Technik heute als Methode der Wahl für die Behandlung eines Uterus septus. Die hysteroskopische Resektion führt zu einer erwiesenen Verbesserung des reproduktiven Outcomes mit einer Reduktion der Spontanaborte von 88 auf 5,9%

(DeCherney et al., 1986; Valle, 1996; Homer et al., 2000). Die Septumresektion kann mit der Schere, der Nadelelektrode, dem Laser oder der elektrischen Schlinge (mono- oder bipolar) erfolgen.

Da der Eingriff inzwischen relativ gefahrlos und für die Patientinnen kaum beeinträchtigend durchgeführt werden kann, setzt sich immer mehr die Meinung durch, dass die Durchtrennung des Septums bereits bei Diagnosestellung- auch bei Nulliparae mit Kinderwunsch und vor Beginn einer aufwendigen Sterilitätsbehandlung (z.B. In-vitro-Fertilisation)- vorgenommen werden soll.

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1.3.4. Uterus unicornis

Der Uterus unicornis betrifft 20% der Uterusmalformationen und resultiert aus der fehlenden Weiterentwicklung eines Müller-Ganges, während sich das kontralaterale Gangsystem normal ausbildet. Abhängig vom Zeitpunkt des Entwicklungsstillstandes kommt es zur Agenesie oder rudimentären Ausbildung der zweiten Gebärmutteranlage. In 35% tritt ein isolierter Uterus unicornis mit kompletter Agenesie des zweiten Müllergangs auf (Gruppe IId nach AFS- Klassifikation), in 33% gibt es ein rudimentäres Horn ohne Cavum (Gruppe IIc) und in den übrigen 32% der Fälle zeigt sich ein rudimentäres Horn mit Cavum und funktionellem Endometrium, welches mit dem kontralateralen Uteruscavum kommunizieren kann- 22% der Fälle (Kategorie IIa)- oder keine Kommunikation aufweist – 10% der Fälle (Kategorie IIb) (Buttram et al., 1979; Carrington et al., 1990; Brody et al., 1998). Der Uterus unicornis ist, aus bisher unklaren Gründen, häufiger auf der rechten Seite lokalisiert (Heinonen, 1997).

Klinisch bleibt der Uterus unicornis meist asymptomatisch, sodass es sich bei der Diagnosestellung typischerweise um einen Zufallsbefund handelt. Ausnahme besteht im Fall eines nicht kommunizierenden, rudimentären Horns mit funktionellem Endometrium, das ab der Menarche zur Bildung einer Hämatometra mit starken Dysmenorrhoen führen kann. In diesen Fällen ist die Inzidenz einer Endometriosis genitalis externa durch die retrograde Menstruation erhöht (Ugur et al., 1995). Durch den Mechanismus einer transperitonealen Spermienmigration besteht des Weiteren das Risiko einer ektopen Schwangerschaft im rudimentären Horn, welche unentdeckt in bis zu 98% zu einer Ruptur führt (Rolen et al., 1966).

Der Uterus unicornis führt zu einem verminderten reproduktiven Outcome. In der aktuellen Literatur werden Spontanaborte in 41 bis 62%, Frühgeburtlichkeit in 10 bis 20% und eine

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Patton et al., 1988; Fedele et al., 1987; Andrews et al., 1982; Heinonen, 1997). An geburtshilflichen Komplikationen treten im Verlauf der Schwangerschaft häufiger Lageanomalien und intrauterine Wachstumsretardierungen auf.

Begleitende Nierenfehlbildungen kommen beim Uterus unicornis in 40% der Fälle vor, was die höchste Koinzidenz aller Müller-Gangsanomalien repräsentiert (Rock und Schlaff, 1985;

Fedele et al., 1996). Die renale Fehlbildung befindet sich immer ipsilateral zum rudimentären Horn. Am häufigsten tritt die Nierenagenesie, 67% der Fälle, auf (Troiano und McCarthy, 2004). Es werden in Kombination mit einem Uterus unicornis aber auch Nierenektopien, Doppel- und Hufeisennieren sowie zystische Nierendysplasien beschrieben (Fedele et al., 1996).

Therapeutische Maßnahmen sind nur im Fall eines nicht kommunizierenden, rudimentären Horns mit funktionellem Endometrium zwingend erforderlich, wobei die Entfernung des Hornes nicht nur zur Beseitigung der Beschwerden, sondern auch zur Vermeidung einer ektopen Schwangerschaft (Tubar- oder Horngravidität) und einer Endometriose dient. Im Fall eines kommunizierenden, rudimentären Horns ist die Resektion jedoch ebenfalls zu empfehlen, da Schwangerschaften, die sich im rudimentären Horn entwickeln, selten zu einer Lebendgeburt führen (Rolen et al., 1966; O´Leary und O´Leary, 1963). Eine rudimentäre Anlage ohne Cavum bedarf keiner dringenden operativen Intervention, da eine ektope Schwangerschaft in der mit dem Horn verbundenen Tube eine Rarität darstellt.

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1.3.5. Uterus bicornis

Der Uterus bicornis betrifft 10% der Müller-Gangsanomalien und ist Folge einer inkompletten vertikalen Fusion der Müller-Gänge in Höhe des Corpus uteri, wodurch sich zwei Uterushörner bilden, symmetrisch oder asymmetrisch, die erst im Isthmusbereich kommunizieren und nach kranial getrennt sind. Man unterscheidet den Uterus bicornis unicollis, bei dem eine gemeinsame Cervix vorhanden ist, vom Uterus bicornis bicollis, bei dem zwei Cervices vorliegen. Es sind in der Literatur insgesamt 6 Varianten des Uterus bicornis beschrieben worden (Toaff et al., 1984). Zu 25% korreliert der Uterus bicornis mit einem medianen longitudinalen Vaginalseptum (Troiano und McCarthy, 2004).

Da es beim Uterus bicornis zu keiner Abflussstörung kommt, sind die betroffenen Frauen meist asymptomatisch. Oft wird die Fehlbildung erst bei einer Ultraschalluntersuchung oder Sectio caesarea entdeckt. Patientinnen mit einem Uterus bicornis weisen nur geringe Fertilitätsstörungen auf. Nach aktueller Datenlage treten Spontanaborte in 28 bis 35% und Frühgeburten in 14 bis 23% der Schwangerschaften ein; die fetale Überlebensrate beträgt 57- 63% (Heinonen et al., 1982; Propst und Hill, 2000; Buttram 1983; Patton et al., 1988;

Grimbizis et al., 1998). Der Uterus bicornis scheint unter den Müller-Ganganomalien die höchste Rate an Cervixinsuffizienz mit einer Prävalenz von 38% aufzuweisen (Golan et al., 1990). Es wird angenommen, dass die Infertilität mit der Ausprägung der misslungenen Fusion beider Höhlen korreliert. Dementsprechend scheint es bei einem Uterus bicornis totalis eine höhere Rate an Spontanaborten und Frühgeburten als bei einem Uterus bicornis partialis zu geben (Heinonen et al., 1982).

Die Differentialdiagnose zum Uterus septus ist von großer Bedeutung, da Letzterer sehr viel häufiger mit habitueller Abortneigung und auch Spätaborten korreliert und daher dringend

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Uterus septus/bicornis ist allein durch Ultraschall und Hysterosalpingographie nur bedingt möglich, da beide Methoden zwar ein geteiltes Cavum uteri darstellen, jedoch keine definitiven Informationen über die Funduskontur geben können (Troiano und McCarthy, 2004). Daher wird zur exakten Diagnosestellung in den meisten Fällen eine diagnostische Laparoskopie benötigt, um die charakteristische mediane Vertiefung der externen Funduskontur beim Uterus bicornis zu bestätigen (Gell, 2003).

Eine operative Korrektur des Uterus bicornis ist nur in den Fällen mit habitueller Abortneigung, bei denen die bekannten extrauterinen Ursachen ausgeschlossen wurden, gehäuften Spätaborten oder Frühgeburten indiziert. Hierzu wird die Metroplastik nach Strassman angewendet (Strassman, 1952; Capraro et al., 1968). Da, wie bereits erwähnt, das Risiko der Cervixinsuffizienz beim Uterus bicornis erhöht ist, empfehlen einige Autoren ab der 14. bis 16. Schwangerschaftswoche die Durchführung einer prophylaktischen Cerclage (Blum, 1977).

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1.3.6. Uterus didelphys oder duplex

Der Uterus duplex macht ca. 10% aller Uterusanomalien aus und zeigt eine Inzidenz von 1:2.000 bis 1:28.000 (Acién, 1997; Heinonen, 1997). Es handelt sich um eine Doppelung der Gebärmutter, die durch die komplett fehlende Fusion der Müller-Gänge entsteht, sodass sich zwei vollständig getrennte Uterusanlagen mit zwei Halsabschnitten bilden. In ca. 15 bis 30%

der Fälle findet sich ein longitudinales Scheidenseptum, das lateral zur einer blind endenden Vaginalhälfte mit der Bildung eines Hemihämatokolpos führt (Sarto und Simpson, 1978;

Heinonen, 1982; Candiani et al., 1997). In einer größeren Fallstudie wurde bei 18% der Frauen mit Uterus didelphys ein Hemihämatokolpos gefunden (Heinonen, 2000).

Begleitende Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege, vor allem die einseitige Nierenagenesie, treten ca. in 23% der Fälle mit Uterus duplex auf (Heinonen, 2000). Bei einem Uterus duplex mit lateralem Vaginalseptum scheint in allen Fällen eine unilaterale Nierenagenesie vorzuliegen (Candiani et al., 1997). In einer Abbildung, publiziert von Acién (1992), werden verschiedene Formen der Trias „Uterus duplex, laterales Vaginalseptum und unilaterale Nierenagenesie“ schematisch dargestellt (Abbildung 9).

Da der Uterus duplex nicht selten mit einem einseitigen Hemihämatokolpos und ipsilateraler Nierenagenesie kombiniert auftritt, sollte bei der Diagnose eines Uterus duplex immer auf vaginale und renale Begleitfehlbildungen geachtet und entsprechende Untersuchungen veranlasst werden.

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Abbildung 9. Schematische Darstellung des Urogenitaltraktes in 20 Fällen mit unilateraler Nierenagenesie und ipsilateraler, blindendender Vagina (Acién, 1992).

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Die embryologische Erklärung dieser Fehlbildungskombination ist komplex. In der dritten embryonalen Entwicklungswoche scheint sich der Pronephros auf einer Seite nicht zu entwickeln, was eventuell auf teratogene Einflüsse in diesem Zeitfenster oder genetische Mutationen zurückzuführen ist. Somit wird das ipsilaterale mesonephrische oder Wolff- Gangssystem nicht ausgebildet und es resultiert eine einseitige Nierenagenesie. Die paramesonephrischen oder Müller-Gänge entwickeln sich regelrecht, um sich im Sinus urogenitalis zu treffen. Aufgrund jedoch des unilateral fehlenden Wolff-Ganges im Sinus urogenitalis, der, wie bereits erwähnt, Führungsfaktor für die regelrechte Entwicklung der Müllergänge ist, bleibt die Fusion der Müller-Gänge aus, was zur Entstehung des Uterus duplex führt. Während der Bildung der sinuvaginalen Kolben führt der wiederum fehlende Einfluss des Wolff-Ganges zur inkompletten Kanalisation der doppelten Vagina mit der Folge der ipsilateral blind endenden Vagina und der Bildung eines Hemihämatokolpos (Morgan et al., 1987).

Klinisch bleibt ein Uterus duplex ohne begleitendes Vaginalseptum und dementsprechend ohne Obstruktion der Vagina meistens asymptomatisch. Er führt jedoch zu einem reduzierten reproduktionsmedizinischen Outcome. Die aktuelle Datenlage zeigt eine Spontanabortrate von 32 bis 52%, Frühgeburten in 20 bis 45% und eine fetale Überlebensrate von 41 bis 64%

der Fälle (Heinonen et al., 1982; Propst und Hill, 2000; Buttram, 1983; Patton und Novy, 1988). Eine primäre Infertilität wird in 13% der Fälle beschrieben (Heinonen, 2000).

Die Fälle mit Obstruktion einer Vaginalhälfte manifestieren sich mit Dysmenorrhoe, zyklisch auftretenden, zunehmenden Unterbauchschmerzen (Molimina menstrualia), Dyspareunien und Bildung eines vaginalen Tumors (siehe auch Kapitel: Vaginalseptum).

Als weitere Begleitstörungen anderer Organsysteme werden neben Nierenfehlbildungen auch

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Interessant erscheint die Präsenz in ca. 95% der Fälle eines rectovesikalen Ligamentes zwischen den beiden Hemiuteri, welches anläßlich einer Laparoskopie oder Laparotomie aufgefunden wird (Heinonen, 2000; Radhakrishnan und Reyes, 1982). Hierbei handelt es sich um ein dünnes fibröses Band oder eine breite segelartige Struktur, die von der Harnblase bis zur Serosa des Sigmas oder Rectums zieht. Das Ligament findet sich nur bei einem Uterus didelphys oder bicornis totalis, wobei die embryologische Erklärung für die Entwicklung dieser Struktur noch unklar ist (Steinberg, 1955). Nach Hunter (1960) scheint es sich hierbei um Residuen des ventralen Mesenteriums des Darms zu handeln, die sich normalerweise mit der Fusion der Müllergänge absorbieren. Das Ligament muss nicht entfernt werden, da es gewöhnlicherweise asymptomatisch bleibt.

Ein Uterus duplex ohne begleitende Obstruktion der Vagina ist bei Beschwerdefreiheit nicht behandlungsbedürftig. Nur bei Frauen mit habitueller Abortneigung, wiederholten Spätaborten oder rezidivierender Frühgeburtlichkeit ist eine operative Korrektur durch eine Metroplastik nach Strassmann zu erwägen und indiziert (Strassmann, 1966; Patton und Novy, 1988). Die Effizienz einer Metroplastik in diesen Fällen ist bis heute noch nicht erwiesen, da kontrollierte Studien diesbezüglich fehlen. In der Fallberichtsammlung von Steinberg (1955) führte dieser Eingriff bei 4 von 5 Frauen mit habitueller Abortneigung allerdings zur einer Lebendgeburt (Steinberg, 1955). Einige Autoren empfehlen eine prophylaktische Cerclage nach Eintritt einer Schwangerschaft (Golan et al., 1990), obwohl auch hier der Nutzen noch nicht mit prospektiven Studien belegt ist und daher als fraglich angesehen wird.

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1.3.7. Vaginalseptum

Vaginale Septen finden sich meistens in Assoziation mit einem Uterus didelphys, Uterus septus totalis und Uterus bicornis totalis und treten nur selten als isolierte Fehlbildung in Erscheinung (Heinonen, 1982). Derartige Trennwände der Scheide können, abhängig von der embryologischen Entwicklungsstörung, transversal und longitudinal angelegt sein.

Das transversale Septum zeigt eine Inzidenz in der Gesamtbevölkerung von 1 zu 2100 bis 72000 (Wenof et al., 1979). Die Ätiologie ist unbekannt, obwohl hauptsächlich eine auf das weibliche Geschlecht limitierte, autosomal rezessive Übertragung verdächtigt wird (Rock, 1997). Zugrunde liegt eine Störung der vertikalen Fusion zwischen den Müller-Gängen und dem Sinus urogenitalis. Das Septum kann in jeder Ebene lokalisiert sein (Abbildung 10).

Dabei sollen sich 46% im oberen, 35 bis 40% im mittleren und 14 bis 19% im unteren Drittel der Vagina befinden (Gidwani und Falcone, 1999; Breech und Laufer, 1999).

Hohes Septum Mittleres Septum Tiefes Septum

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Die Septen können durchgehend oder nur teilweise vorhanden sein mit entsprechend kompletter oder partieller Obstruktion.

Die klinische Symptomatik ist abhängig vom Ausmaß der Obstruktion. Ein komplett obstruktives Vaginalseptum führt zur Blutaufstauung in der verschlossenen Vagina mit Bildung eines Hämatokolpos, und bei Persistenz, einer Hämatometra und Hämatosalpinx.

Dies manifestiert sich bei oder kurz nach der Menarche mit zyklisch wiederauftretenden Unterbauchschmerzen, sogenannten Molimina menstrualia, abnormer Menstruation, Kohabitationsschwierigkeiten sowie Bildung eines vaginalen / pelvinen Tumors. Gelegentlich können durch die mechanische Kompression des Hämatokolpos eine akute Harnretention, Pollakisurie, Dysurie, Harnwegsinfektionen und Streßharninkontinenz auftreten (Broseta et al., 1991). Die vaginale Untersuchung zeigt eine blind endende Aussackung, und die rektale Untersuchung einen vaginalen Tumor, den Hämatokolpos. Das Bild eines sogenannten Mucokolpos kann bereits im Säuglingsalter oder Kindesalter auftreten, wenn sich große Mengen an Schleim oberhalb der Vaginalwand aufstauen. Bei einem inkompletten transversalen Septum ist das häufigste Symptom die Dyspareunie.

Assoziierte kongenitale Fehlbildungen betreffen das kardiovaskuläre System mit Aortenisthmusstenose und Atriumseptumdefekt sowie Malformationen der Lumbalwirbelsäule (Burgis, 2001). Im Gegensatz zu den Müllergangsanomalien, korrelieren die transversalen Septa nur selten mit urologischen Begleitfehlbildungen (Gell, 2003).

Therapeutisch wird die operative Exzision des Vaginalseptums durchgeführt. Die chirurgischen Optionen hängen von der Dicke und Lokalisation des Septums ab. Bei dünnen Trennwänden ist eine Exzision mit Anastomosierung der verbliebenen Ränder der oberen und unteren Vaginalwand möglich. Einige Autoren empfehlen eine vorherige Aspiration des

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aufgetriebenen Höhle zur Vermeidung einer Verletzung der Urethra und des Rektums zu erhalten. Dickere Septen benötigen eine transversale Inzision mit breitflächiger Abpräparation, Unterminierung und Mobilisation des Vaginalepithels, um eine End-zu-End- Anastomose zu ermöglichen (Rock, 1986). In diesen Fällen wird die Anwendung eines Phallus bis zur Vollendung der Wundheilung, meistens über vier bis sechs Wochen, empfohlen (Rock, 1997).

Die reproduktive Erfolgsrate nach Exzision eines tranversalen Septums ist mäßig. In einer Studie von Rock et al. (1982) kam es bei 47% des Patientenkollektives zu einer Konzeption, davon hatten 36% ein lebendes Neugeborenes. Grund für die reduzierte Fertilität scheint die hohe Rate an ausgeprägter pelviner Endometriose zu sein, die durch den retrograden Fluss des Menstruationsblutes entstanden war.

Die longitudinalen Vaginalsepten können median oder lateral verlaufen. Im Falle eines lateralen longitudinalen Septums kann es zur Obstruktion der Vagina mit Bildung eines Hemihämatokolpos kommen (Abbildung 11).

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Die genaue Ätiologie und der Entstehungsmodus der obstruktiven longitudinalen Septa ist unbekannt, es scheint jedoch ein simultaner Entwicklungsarrest der Müller- und Wolff-Gänge ungefähr in der achten Entwicklungswoche eine Rolle zu spielen (Moore, 1982; Suidan und Azoury, 1979).

Klinische Manifestationen beinhalten eine mit der Zeit progredient zunehmende Dysmenorrhoe unterschiedlichen Schweregrades, Unterbauchschmerzen sowie die Bildung eines vaginalen Tumors, der den Hemihämatokolpos repräsentiert, abhängig von der Ebene der Obstruktion und der Präsenz einer lateralen Kommunikation. Bei kompletter tiefer Obstruktion zeigen sich ein paravaginaler Tumor (Hemihämatokolpos), schwere Dysmenorrhoen und Unterbauchschmerzen. Bei median angelegten Vaginalsepten tritt als Hauptsymptom die Dyspareunie auf.

Patienten mit partieller vaginaler Kommunikation klagen über Unterbauchschmerzen, moderate bis schwere Dysmenorrhoe sowie intermittierenden, übelriechenden, mukoputriden vaginalen Ausfluss und Schmierblutungen zwischen den Menstruationsperioden.

In nahezu allen Fällen zeigen sich begleitende renale Fehlbildungen, vor allem eine Nierenagenesie unilateral auf der Seite der Obstruktion. In der Literatur berichten alle Studien von Patientinnen mit Uterus didelphys und unilateraler blind verschlossener Hemivagina von einem 100-prozentigen Zusammentreffen mit einer ipsilateralen renalen Agenesie (Candiani et al., 1997; Rock and Jones, 1980).

Die Endometriose ist eine häufige und typische Folge der abflussverhindernden Vaginalsepten. In zwei größeren Studien wurde eine Inzidenz von 11 bis 38% bei den betroffenen Patientinnen beschrieben (Candiani et al., 1997; Heinonen, 2000).

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Die exakte Diagnosestellung gestaltet sich oft schwierig. Wenn die Obstruktion im unteren Drittel der Vagina lokalisiert ist, kann sich eine große Menge Menstruationsblutes in der dilatationsfähigen Vagina anstauen, bevor dies zu einer schweren Schmerzsymptomatik führt.

Außerdem kann das Vaginalepithel in den Anfangsstadien zwischen den Menstruationsperioden das gestaute Blut suffizient absorbieren, sodass die Diagnosestellung sich zeitlich noch weiter verzögern kann. Anamnestisch sollte ein intermittierender, übelriechender, putrider vaginaler Ausfluß oder ein vaginaler Tumor, der intermenstruell deutlich kleiner wird oder gar verschwindet, den Verdacht auf ein laterales, abflussverhinderndes Vaginalseptum erwecken. Durch die vaginale Untersuchung zeigt sich die paravaginale Vorwölbung; Ultraschall oder Kernspintomographie können die meistens assoziierte Doppelanlage des Uterus aufdecken. Wichtig ist die Durchführung einer komplettierenden intravenösen Pyelographie zur Entdeckung einer unilateralen Nierenagenesie oder anderer Fehlbildungen der Harnwege.

Therapeutisch wird zunächst eine Inzision des Septums zur Entleerung des gestauten Blutes und des eventuell infizierten Materials durchgeführt. Die endgültige Behandlung sieht die Exzision des Septums mit Annaht der Ränder vor.

Wenn der retrograde Fluss des Menstruationsblutes aus der obliterierten Vaginalhälfte zu keinem schweren tubaren Schaden, z.B. der Bildung einer Hämatosalpinx und zu keiner ausgeprägten Endometriosis genitalis externa geführt hat, erscheinen die reproduktiven Erfolgsraten nach Behandlung nicht ungünstig beeinflusst zu sein (Rock und Jones, 1980;

Rock, 1986).

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2. ZIEL UND FRAGESTELLUNG DER STUDIE

Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, zum allgemeinen Verständnis über bestimmte Uterusdoppelfehlbildungen, speziell über solche Formen mit kombinierter Vagina septa und Hemihämatokolpos beizutragen. Dies wird durch eine retrospektive Analyse an Urogenitalfehlbildungen erkrankter Patientinnen angestrebt, die in der Abteilung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover betreut und zwischen Januar 1995 und Dezember 2006 operiert wurden.

Anamnese, Symptomatik, Komplikationen, Begleitfehlbildungen der Patientinnen sowie durchgeführte therapeutische Maßnahmen wurden miteinander verglichen und statistisch ausgewertet. Daraus ergaben sich folgende konkrete Fragestellungen:

- Wie häufig treten Uterusdoppelfehlbildungen in dem untersuchten Kollektiv der uterovaginalen Anomalien auf?

- Welche war die Inzidenz von medianen und lateralen Vaginalsepten bei den Patientinnen mit Uterusfehlbildungen?

- Besteht eine Seitendominanz der lateralen Vaginalsepten und somit auch ein erhöhtes Vorkommen der obstruktiven Hemivagina auf einer Seite?

- Mit welcher Symptomatik und welchen Komplikationen manifestieren sich Uterusdoppelfehlbildungen mit begleitendem Vaginalseptum bei den betroffenen Frauen?

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- Tritt die klinisch feststellbare Menarche bei Patientinnen mit lateralem oder medianem Vaginalseptum später ein und in welchem Alter erfolgt die Erstvorstellung in einem spezialisierten Zentrum?

- Wie oft kommen begleitende Fehlbildungen der ableitenden Harnwege in den Fällen mit Uterusfehlbildung und Vagina septa vor und auf welcher Seite befinden sich diese?

- Wie häufig werden bei Patientinnen mit diesen Fehlbildungen aufgrund einer falschen Diagnosestellung unnötige operative Eingriffe durchgeführt beziehungsweise irreversible Schäden verursacht?

- Welche operativen Techniken sind bei korrekter Diagnosestellung für die Behandlung dieser Fehlbildungen indiziert?

Mit Hilfe der retrospektiven Analyse der Krankheitsverläufe anhand von Patientenakten sowie der zugänglichen englischen und deutschsprachigen Literatur sollten die oben genannten Fragestellungen beantwortet und diskutiert werden.

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3. MATERIAL UND METHODEN

Mit Hilfe und anhand der Operationsberichte der Abteilung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), wurden alle Patientinnen ermittelt, die wegen einer Uterusanomalie im Zeitraum zwischen Januar 1995 und Dezember 2006 operativ behandelt wurden. Anschließend wurden die entsprechenden Patientenakten aus dem Archiv des Oststadtkrankenhauses Hannover und der MHH herausgesucht. Alle Fälle mit einem Uterus septus, subseptus, arcuatus, duplex, bicornis, unicornis sowie Fälle mit einer Uterusaplasie oder -hypoplasie im Rahmen des Mayer-Rokitanski-Küster-Hauser-Syndroms wurden analysiert und numerisch dokumentiert.

Dabei wurde zur Einteilung der Uterusanomalien die Klassifikation der American Fertility Society angewendet (Abbildung 6).

Aus diesem Kollektiv wurden die Krankenakten derjenigen Frauen, die eine Uterusdoppelfehlbildung, demnach einen Uterus duplex oder bicornis oder septus, und ein begleitendes Vaginalseptum aufwiesen, herausselektiert und genauer untersucht.

Anschließend wurden die Patientinnen anhand der Art des Vaginalseptums in zwei Gruppen eingeteilt. Frauen der ersten Gruppe, die die Beobachtungsgruppe dieser Studie bildet, hatten ein longitudinales laterales Vaginalseptum und Patientinnen der zweiten Gruppe (Kontrollgruppe) zeigten eine longitudinale mediane Scheidewand.

Spezieller wurden anhand der vorliegenden Akten dieses Patientenkollektivs retrospektiv die anamnestischen Daten über Menarche, Alter und Beschwerden bei der Erstvorstellung in der Frauenklinik, die Art des Vaginalseptums, die Seite eines lateralen Septums sowie bestehende Blutstauungskomplikationen wie Hämatokolpos, Hämatometra, Hämatosalpinx, Pyokolpos oder Pyometra und begleitende Fehlbildungen der ableitenden Harnwege erhoben. Darüber

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hinaus wurden Voroperationen in externen Institutionen wie auch die angewendeten operativen Techniken in der Frauenklinik der MHH dokumentiert.

Die erhobenen Daten wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS erstellt und bearbeitet.

Die statistische Auswertung erfolgte unter Supervision von Herrn Bernhard Vaske aus der Abteilung für Biometrie der Medizinischen Hochschule Hannover. Neben der deskriptiven Analyse der Ergebnisse wurde für die Bestimmung signifikanter Unterschiede der Chi2-Test nach Pearson, der t-Test sowie der Mann-Whitney-Test verwendet. Der Test beruhte auf dem Vergleich von Häufigkeiten zwischen beiden Gruppen. Ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen lag vor, wenn der Wert p (2-seitige asymptotische Signifikanz) unterhalb von 0,05 lag.

Des Weiteren wurde eine Medline-Literaturrecherche mit den Keywords „mullerian duct anomalies“, „uterus duplex, uterus bicornis, uterus septus with obstructed hemivagina“,

„hematokolpos“ durchgeführt, um eine weitestgehend vollständige Aufarbeitung der bisher publizierten Fälle und Studien dieser doch relativ selten beschriebenen Kombination von Uterusdoppelfehlbildungen mit Vagina septa und Hemihämatokolpos vorzunehmen.

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4. ERGEBNISSE

Innerhalb von elf Jahren (1995 bis 2006) wurden insgesamt 221 Patientinnen mit uterovaginalen Fehlbildungen in der Abteilung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover operiert. Davon hatten 16 Patientinnen (7,2%) einen Uterus duplex, 7 (3,2%) einen Uterus bicornis, 15 (6,8%) einen Uterus unicornis, 141 (63,8%) einen septierten Uterus und 35 (15,8%) einen Uterus arcuatus.

Das Mayer-Rokitanski-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom) wurde bei 7 Patientinnen (3,2%) diagnostiziert.

Die Abbildung 12 zeigt die Inzidenz der Uterusfehlbildungen im gesamten Patientenkollektiv.

Abbildung 12. Vorkommen der verschiedenen Uterusfehlbildungen im Gesamtkollektiv.

16

7 15

141

35

7 0

20 40 60 80 100 120 140 160 180 200

Anzahl Patientinnen Uterus duplex

Uterus bicornis Uterus unicornis Uterus septus Uterus arcuatus MRKHS

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Drei Patientinnen zeigten komplexere Fehlformationen, die hier kurz erläutert werden sollen.

Eine Patientin hatte eine Kloakenfehlbildung mit Vaginalaplasie, Uterus duplex mit Mündung beider Cervices in die Blasenhinterwand sowie eine hohe Analatresie mit rectovesikaler Verbindung. Zwei weitere Patientinnen wiesen einen Uterus duplex mit jeweils einer Cervixaplasie rechts und einer Cervixaplasie links auf.

Von den 15 Fällen mit Uterus unicornis hatten 11 Frauen (73,7%) einen Uterus unicornis rechts mit einem rudimentärem Horn links und 4 Frauen (26,3%) wiesen eine entsprechende Fehlform mit rudimentärer Anlage rechts auf. Die Verteilung zeigt Abbildung 13.

Abbildung 13. Prozentuale Verteilung des rechten und linken Uterus unicornis im

73,3

26,7

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozent (%)

Uterus unicornis rechts Uterus unicornis links

(49)

Bei 24 Patientinnen (10,8%) wurde ein Vaginalseptum gefunden. Von diesen Vaginalsepten waren 9 (37,5%) longitudinal nach rechts lateral gezogen, 4 (16,7%) nach links lateral und weitere 11 (45,8%) waren longitudinal median angelegt. Im Kollektiv der Patientinnen mit lateralem Vaginalseptum war das Septum bei 9 von 13 Patientinnen (61%) rechts und bei 4 von 13 Frauen (31%) links angelegt. Die Häufigkeit wird in der Tabelle 4 und in Abbildung 14 gezeigt.

Tabelle 4. Anzahl der Patientinnen mit Vaginalseptum und Aufteilung in den Subgruppen

Vaginalseptum Anzahl Prozentualer Anteil (%)

Lateral rechts 9 37,5

Lateral links 4 16,7

Longitudinal median 11 45,8

Total 24 100

Abbildung 14. Prozentualer Anteil der rechten und linken lateralen Vaginalsepten sowie der medianen Vaginalsepten im Gesamtkollektiv der Patientinnen mit doppelter

37,5

16,7

45,8

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Prozent (%)

Lateral rechts Lateral links Median

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