• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Diabetes bei Jugendlichen: Verantwortung für das eigene Leben" (29.07.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Diabetes bei Jugendlichen: Verantwortung für das eigene Leben" (29.07.2011)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 1616 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 30

|

29. Juli 2011

DIABETES BEI JUGENDLICHEN

Verantwortung für das eigene Leben

Zum dritten Mal fand in Bad Segeberg ein Camp für Jugendliche mit Diabetes statt. Vier Tage lang hatten sie die Möglichkeit, Fragen rund um das Thema Diabetes zu stellen.

S

ichtlich stolz führt Til Rend- schmidt über das Camp D, ein Zeltlager für diabeteskranke Jugend- liche, auf dem Landesturnierplatz in Bad Segeberg. Großzügig verteilt sind auf dem weitläufigen Areal Workshopzelte, Schlafzelte und das 1 800 Quadratmeter große Haupt- zelt, in dem die Mahlzeiten einge- nommen werden. Junge Erwachse- ne, die augenscheinlich Spaß daran haben, laufen mit einem Staffelstab um die Rennkoppel. Rendschmidt, Leiter der Novo-Nordisk-Akademie und des Camps, erklärt: „So etwas hat es bisher von Menschen mit Dia- betes noch nicht gegeben.“ Ein vier- tägiger Fackelstaffellauf rund um die Uhr sei geplant, so dass jeder Teilnehmer das Feuer der Camp - fackel weitertragen könne.

Monatelange Vorbereitungen waren nötig, um dieses Camp zu realisieren. Unter dem Motto „Dia- betes verändern“ luden die Phar- maunternehmen Novo-Nordisk und Bayer Health Care Jugendliche mit Diabetes mellitus (fast ausschließ- lich mit Typ 1) aus ganz Deutsch- land, Österreich und der Schweiz ein, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Vor Ort kümmern sich Diabetesberater, Diabetologen und Psychologen aus dem ganzen Bundesgebiet um die Teilnehmer und leiten Workshops rund um die Themen Eigenverantwortung, Se- xualität, Alkohol, Sport und die Berufswahl mit Diabetes.

Das Camp bietet den Jugendlichen ein Forum Für die Ärzte sei es die Gelegen- heit sich intensiv mit den Bedürf- nissen und Wünschen ihrer Patien- ten auseinanderzusetzen, meint Prof. Dr. med. Thomas Danne, Vor- standsvorsitzender der gemeinnüt- zigen Organisation Diabetes-DE und Diabetologe aus Hannover.

Man tendiere dazu, in der Sprech- stunde ein fertiges Bild zu haben.

Dieses Camp ermögliche es, zuzu- hören und herauszufinden, was in den Jugendlichen eigentlich vorge- he. Außerdem solle Diabetes end- lich zu einem Gesellschaftsthema werden. Es dürfe nicht mehr vor- kommen, dass Kinder mit Diabetes

an einer Schule abgelehnt würden, weil die Schulleitung sich nicht ausreichend kompetent fühle.

Unterstützt wird das Camp D von einem Team um Prof. Dr. rer. nat.

Karin Lange von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie leitete bereits während des Camps 2006 und 2008 die DAWN-Youth-Studie (Diabetes Attitudes, Wishes and Needs), die sich mit der psychoso- zialen Situation von Menschen mit Diabetes auseinandersetzt. Mit Hilfe von Fragebogen erhob sie die Daten von 717 jungen Erwachsenen. Sie konnte feststellen, dass Teilnehmer, die jünger als 19 Jahre waren, ge- genüber den älteren einen schlechte- ren HbA1c-Wert aufwiesen. Auch die Herkunft, das Bildungsniveau und das Verhältnis der Eltern zuein - ander spielten eine wichtige Rolle.

Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf, Vorsitzender der Deutschen Diabe- tes-Stiftung, betont auf der Presse- konferenz deshalb, dass es insbeson- dere bei Diabetespatienten große Defizite in der Psychosozialversor- gung gebe. Man müsse wegkommen

vom rein pathogenetischen hin zu einem patientenorientierten Ansatz.

Ob es mit dem Diabetes „laufe“, sei maßgeblich von den psychosozialen Faktoren abhängig.

Im Camp D werden einen ganzen Tag lang Workshops angeboten, die Themen aus dem Alltag der jungen Erwachsenen aufgreifen. Im Seminar des Diabetologen Dr. med. Frank Merfort über Sexualität und Schwan- gerschaft hören circa 30 Teilnehmer in T-Shirt, Jeans und Flip-Flops ge- spannt zu. Als Merfort eine erektile Dysfunktion als mögliche Folgeer- krankung von Diabetes anspricht, wird es etwas unruhig in dem kleinen Workshop-Zelt, doch die Devise von Camp D lautet, keine Themen auszu-

P O L I T I K

Kein Tabu in Sachen Diabetes.

Ärzte fordern mit ihren T-Shirts zum Gespräch auf.

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 30

|

29. Juli 2011 A 1617 klammern, nur weil sie unangenehm

sind. Nicht umsonst sind die Shirts der Ärzte mit der Rückenaufschrift

„Quatsch mich an“ versehen. Eine Teilnehmerin möchte wissen, ob sie schwanger werden dürfe, da eine Re- tinopathie bei ihr leider ein Thema sei. Der Diabetologe wird daraufhin ernst: „Meiner Meinung nach hat im Grunde jede Diabetikerin das Recht, schwanger zu werden. In Ihrem Fall ist das Risiko für Ihre Augen jedoch genauestens abzuwägen.“

Gut besucht ist auch das Zelt, in dem Dr. med. Andreas Klinge refe- riert. Der Facharzt für Innere Medi- zin und Diabetologie aus Hamburg hat sich den Themen Beruf, Verkehr und Soziales angenommen. Gerade für jene Teilnehmer, die kurz vor ei- nem Schulabschluss stehen, ist die Frage nach einem geeigneten Studi- um oder einer geeigneten Ausbil- dung dringlich. Auch die Frage nach dem Führerschein werde sehr häufig gestellt, ebenso ob man seine Diabe- teserkrankung in jedem Falle dem Arbeitgeber mitteilen sollte. „Das Schwerbehindertenrecht ist in die- sem Zusammenhang ein ganz wich- tiger Aspekt“, sagt Klinge. „Viele wollen wissen, ob es überhaupt sinn- voll ist, einen Schwerbehinderten- ausweis zu beantragen. Es gibt eini- ge Vorteile, über die Nachteile sollte man sich aber auch Gedanken ma-

chen.“ Man müsse zu den jungen Menschen ehrlich sein, auch wenn das manchmal zu Enttäuschungen führe. Diejenigen, die den Diabetes schon seit Kindertagen haben, konn- ten sich bereits darauf einstellen, dass Pilot oder Busfahrer keine Be- rufe sind, die sie ergreifen können.

Für Schulabgänger, die erst vor kur- zem von ihrer Krankheit erfahren haben, können aber Träume platzen.

Keine Spur von einer Null-Bock-Generation

Auf der gegenüberliegen Seite der Koppel stehen einige Pavillons, vor denen sich kleine Menschentrauben bilden. In einem der Pavillons sitzt Malte Tredup, Orthopädieschuhma- cher aus Berlin. Der resolute Mann mit Brille hat ein Pedographie-Gerät dabei und berät die Jugendlichen in Fußangelegenheiten. Er nimmt sich viel Zeit für jeden einzelnen Teilneh- mer und erläutert geduldig die Aus- wertung auf dem Bildschirm. „Zwar haben die meisten in diesem Alter noch gar keine diabetesbedingten Fußprobleme, aber in der Sensibili- sierung für das Problem sehe ich ei- ne wichtige prophylaktische Maß- nahme.“ Auf die Frage nach der Re- sonanz bei den jungen Erwachsenen antwortet er ohne Umschweife: „Ich erlebe hier eine unheimlich aufge- schlossene und interessierte Gruppe

von Jugendlichen, die Verantwor- tung für das eigene Leben über- nimmt. Also keine Spur von einer Null-Bock-Generation, wie man vielleicht glauben mag.“

Nebenan stellt der Medizintech- nikhersteller Medtronic eine neue Insulinpumpe vor. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass das Camp zu keiner aufdringlichen Werbever- anstaltung mutiert, aber so nah an der Zielgruppe dran zu sein, ist für Alexandra Böttcher, Produktma - nagerin bei Medtronic, zugegebe- nermaßen reizvoll. Ständig mache man sich Gedanken über die Be- dürfnisse der Kunden, hier könne sie Informationen über deren Wün- sche aus erster Hand erfahren. Die Kooperationen von gemeinnützigen Organisationen mit Pharmaunter- nehmen stoßen bekanntermaßen nicht immer auf Gegenliebe. Danne erklärt dazu, die Kriminalisierung einer Zusammenarbeit mit der Pharmabranche sei der falsche Weg, die Hersteller sollten mit ins Boot kommen. Das Camp hätte ohne sie nicht stattfinden können.

Und was sagt die Zielgruppe?

Jenny aus Bochum, 18 Jahre alt, meint: „Ich habe durch eine Freun- din von dem Camp erfahren, die war 2008 schon mal da und fand das richtig gut. Als Diabetiker muss man das hier mal gesehen haben, das ist eine coole Erfahrung.“ Jonas, 19 Jahre, aus Hamburg findet es schön, die Erfahrung zu machen, dass man nicht allein sei mit den Problemen beim täglichen Blutzuckermessen.

Das Zusammensein in der Gruppe sei sowieso das Beste am Camp.

Die Stimmung wurde gedämpft, als am 9. Juli im Camp D mehr als 200 Teilnehmer an dem hochanste- ckenden Norovirus erkrankten. Ei- nige Jugendliche und Betreuer mit Diabetes mussten stationär versorgt werden. Obwohl das große Ab- schlussevent deshalb ausfallen und der Fackellauf vorzeitig abgebro- chen werden musste, wünschen sich viele Teilnehmer eine Fortset- zung des Camps. Im Gästebuch hinterlässt eine Teilnehmerin, die selbst erkrankte, den Eintrag:

„Lasst euch bitte nicht entmutigen.

Das Feuer sollte weiter brennen.“ ■ Johanna Protschka Etwa 520 junge Erwachsene mit Diabetes und

179 Betreuer und Ärzte nahmen in diesem Jahr am Camp D teil. Am späten Samstagnachmittag kam es im Camp bei mehreren Teilnehmern zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Der Notarzt vor Ort richtete nach den Angaben von Novo-Nordisk für die Erstversorgung eine Betreuungsstruktur ein und informierte das örtliche Rote Kreuz sowie das Gesundheitsamt des Landkreises Bad Sege- berg. Zum medizinischen Sicherheitskonzept der Veranstalter gehörten die ständige Anwesenheit eines Notarztes im Camp sowie zwei Kranken - wagen und eine kurze Anfahrt zur angrenzenden Klinik in Bad Segeberg.

Die Zahl der Erkrankten stieg im Verlauf des Abends und der Nacht auf mehr als 200 Fälle an.

Es wurden 144 Betroffene zur weiteren Behand- lung in die umliegenden Krankenhäuser, nach

Hamburg und in das nördliche Niedersachsen gebracht. Das Gesundheitsamt bestätigte mittler- weile, dass eine Norovirusinfektion für den Brechdurchfall verantwortlich war.

Bis zum 12. Juli wurden alle Erkrankten bis auf zwei aus den Krankenhäusern wieder entlas- sen und konnten die Heimreise antreten.

NOROVIRUS: 200 TEILNEHMER ERKRANKTEN

P O L I T I K

Gute Laune prägte die Stimmung der Jugendlichen und Betreuer in den ersten Tagen des Camps.

Fotos: Camp D 2011 Foto: dpa

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behand- lungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinrei-

Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod erinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:.

• Die jung gebliebenen Älteren, die sich auf die komischen Ideen der Künstlerin einlassen, Konventionen überschreiten, wieder Kinder sein dürfen, sind ein zweites Element, das

Gegen den Vorwurf der zu stark theoretisch orientierten Ausbil- dung läßt sich einwenden, daß nur auf der Basis eines gut fundierten theoretischen Wissens Praxis schnell

Die Arbeitskrei- se der Leiter öffentlich- rechtlicher kinder- und ju- gendpsychiatrischer Klini- ken und Abteilungen sowie der Leiter kinder- und ju- gendpsychiatrischer Klini-

■ Immer mehr Bürger und vor allem Ärzte erkennen, daß Strafverfolgung, vor allem aber Freiheitsstrafen, die meist ohnehin schon vergiftete Situation in einer Familie

Kindesmißhandlung umschreibt die gewaltsame, nicht unfallbedingte, körperliche oder seelische Schädigung eines Kindes durch aktives Handeln oder Unterlassung durch eine

In dieser Woche habt ihr Gelegenheit, euch nicht nur in der Sporthalle am Waldstadion, sondern auch um die Sporthalle herum auszuprobieren.. Im Mittelpunkt dieser Woche