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Archiv "Radioaktivität: Unsichtbar" (01.07.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 26

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1. Juli 2011 A 1485 momentan stark nachgefragten The-

matik durch Veröffentlichung von Informationen angenommen hat.

Michael Hahn, Referatsleiter, Referat V5 Strahlen- schutz, Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, 15236 Frankfurt/Oder

Die Menschen von Majak

„Die Bevölkerung der Region um Tschernobyl war von vornherein ein Volk ohne Hoffnung“, wird die Aussage einer Kinderärztin zitiert.

Dabei waren allein 1999 über 400 deutsche humanitäre Organisatio- nen und Initiativen in der Region tätig. Deutschland hat in der Bewäl- tigung der Katastrophe mehr als zehnmal so viel investiert wie Russ- land. Die Erfolge lassen sich sehen.

Während früher in weißrussischen Kinderkliniken nur fünf Prozent der Leukämiepatienten überlebten, sind es heute 60 Prozent. In keinem an- deren Gebiet der ehemaligen UdSSR haben Kinder mit Leukämie eine ähnliche Überlebenschance.

Wenn es eine Region ohne Hoffnung gibt, dann trifft das auf die Plutoni- umfabrik Majak bei der Stadt Os- jorsk (Region Tscheljabinsk) zu. Os- jorsk ist ein noch heute umzäunter Hochsicherheitstrakt, in dem über 90 000 Menschen leben, und die Region Tscheljabinsk hat circa vier Millionen Einwohner. Die Leukä- mierate in Osjorsk ist doppelt so hoch wie in Tschernobyl, die Rate an Lungenkrebs 10- bis 15-mal höher, außerdem existiert eine bisher unbe- kannte Form einer chronischen Strahlenkrankheit. Sieben Jahre lang, von 1949 bis 1956, hat man insge- samt sieben Millionen Kubikmeter radioaktive Abfälle in den Fluss Tet- scha entsorgt, der auch zur Trink- wasserversorgung dient, nach 1956 in die umliegenden Seen (Cäsium, Strontium, Ruthenium). 1957 ver- sagte eine Kühlanlage, es kam zu ei- ner großen Explosion, in deren Folge die von der Universität München ge- messenen Strahlenwerte in Bayern doppelt so hoch waren wie nach dem Gau von Tschernobyl. Die Menschen von Majak sind vergessen. Sie sehen mit Verbitterung, wie sich alle Hilfe auf Tschernobyl konzentriert.

Nach dem Gau von Tschernobyl wurden 259 Opfer akuter Strahlen-

krankheit in einer Moskauer Spezi- alklinik (dem Krankenhaus Nr. 6) behandelt. Die westlichen Ärzte waren über das Wissen der russi- schen Kollegen über das Krank- heitsbild erstaunt. Erst nach 1990 löste sich das Rätsel. Die Kenntnis- se stammten aus Majak, wo die Ar- beiter in der geheimen Atomanlage nur in Monatsintervallen arbeiteten und dazwischen in Sanatorien von Ärzten für ihren nächsten Einsatz wieder fit gemacht wurden . . .

Dr. med. Rolf Klimm, 83093 Bad Endorf

Unsichtbar

. . . Plutonium, hergeleitet von Pluto (lat.) – Hades (griech.) – Herr der Unterwelt. Plutonium, das momen- tan in großen Mengen in die Um- welt gelangt, mit einer abstrus lan- gen Halbwertszeit von 24 000 Jah- ren, eine hochtoxische Substanz, die sich unter anderem im Kno- chenmark, in der Leber und in den Knochen ablagert und sogar als

„hot partikel“ direkt in die Lunge gelangt.

Bei den alten Griechen galt Pluto als Aides = unsichtbar, und so überrascht es auch nicht, dass man in dem oben genannten Artikel von diesem apokalyptischen Spaltpro- dukt rein gar nichts findet.

Auch von der Einwirkung des hochgefährlichen Strontiums auf den Knochenstoffwechsel liest man in dem oben genannten Artikel nichts, wie im Übrigen über keines der weiteren Radionuklide, dem ganzen „Zoo“ der radioaktiven Spaltprodukte. Und schon gar nichts liest man über die chroni- schen Verharmlosungen der IAEO, die bekanntlich seit 1959 die soge- nannte friedliche Nutzung der Atomenergie propagiert und – nota bene – sogar berechtigt ist, der WHO kritische Untersuchungser- gebnisse vorzuenthalten . . . Stattdessen bringen die Verfasser das Bild einer freundlichen Kinder- ärztin, die erzählt, dass sie keine Kausalitäten herzustellen versucht, sondern eher krebskranken Kindern direkt helfen möchte. Das zeigt doch, wie weit wir Ärzte uns davon entfernt haben, „Ross und Reiter“

zu benennen und den hippokrati-

schen Eid als „Schützer des Le- bens“ vergessen! . . .

Dr. Michael Hadulla, 69117 Heidelberg

Berliner Blau als Arzneimittel

Die Aussage, dass es keine Mög- lichkeit für die Prävention der Strahlenbelastung durch die Radio- nuklide Caesium-134 oder Caesi- um-137 gibt, ist nicht korrekt und bedarf der Richtigstellung. Seit Jahrzehnten gilt der Wirkstoff Ei- sen(III)-hexacyanoferrat(II) (Berli- ner Blau oder Prussian blue) als Mittel der Wahl bei der Behandlung der Inkorporation radioaktiver Cae- sium-Nuklide. Das vom BfArM zu- gelassene Anwendungsgebiet des Präparats Radiogardase®-Cs mit diesem Wirkstoff lautet „Dekorpo- ration beziehungsweise Verhinde- rung der Resorption von Radiocae- sium (z. B. Caesium-134, Caesi- um-137)“. Seit 2003 ist das Präpa- rat für diese Anwendung auch in den USA und seit 2010 zusätzlich in Japan zugelassen.

Caesium wird leicht resorbiert und unterliegt im Organismus einem en- terohepatischen Kreislauf. Berliner Blau ist praktisch unlöslich und wird nach oraler Gabe nicht aufge- nommen, sondern verbleibt im Gas- trointestinaltrakt. Es bindet das im Darm befindliche Caesium und ver- hindert so dessen Resorption bezie- hungsweise unterbricht dessen ente- rohepatischen Kreislauf. Die Radio- nuklide werden zusammen mit dem Antidot im Stuhl ausgeschieden.

Dadurch wird die Halbwertszeit der Radionuklide und damit die Strah- lenbelastung des Organismus dras- tisch vermindert.

Im Fall einer Vergiftung sollte das Arzneimittel möglichst unverzüg- lich eingenommen werden. Deshalb hat unter anderem die amerikani- sche Regierung nach den Anschlä- gen vom 11. September dieses Anti- dot im Rahmen eines strategischen Bevorratungsprogramms eingela- gert, damit es im Notfall kurzfristig in ausreichender Menge zur Verfü- gung steht . . .

Dr. Johann Ruprecht, Leiter wissenschaftliche Abteilung, HEYL Chem.-pharm. Fabrik GmbH & Co.

KG, 14167 Berlin

B R I E F E

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