Die Information:
Bericht und Meinung
NACHRICHTEN
Apothekerschaft:
Ehrenbergs Pläne führen zur Zwei-Klassen-Medizin
Die Arbeitsgemeinschaft der Berufs- vertretungen Deutscher Apotheker (ABDA), Frankfurt, lehnt die im ge- planten „Kostendämpfungsgesetz"
vorgesehene Begrenzung der Arz- neimittelverordnungen als „patien- tenfeindlich" ab. Nach Meinung der ABDA bedeutet eine Kontingentie- rung des Arzneimittelbedarfs eine willkürliche Manipulation der Arz- neitherapie, die sich vor allem bei den sozialversicherten Patienten auswirke. In einer Presseerklärung vom 15. Februar stellt die Apothe- kerschaft fest: „Individualbedürfnis- se und medizinische Erfordernisse werden künftig hinter dem Gebot zurückstehen müssen, daß die Ärzte nur noch ein begrenzt verfügbares Arzneimittelvolumen auf die Patien- ten verteilen können und bei ihrer Verschreibung zunehmend selektiv vorgehen müssen. Eine Behandlung mit dem optimalen Einsatz von Arz- neimitteln ist nicht mehr möglich."
Auch die übrigen dirigistischen Auf- lagen des geplanten Gesetzes (ins- besondere die Herausnahme be- stimmter Arzneimittelgruppen aus der Leistungspflicht der Kranken- kassen) könne zu einer „gefährli- chen Verschlechterung der Versor- gung der Patienten mit Arzneimit- teln und Wiedereinführung einer Kassenmedizin" führen. WZ/DÄ
Plädoyer für
Selbstbeteiligung und Kostengerechtigkeit
Eine Reprivatisierung von Bagatell- leistungen, die Einführung einer so- zial tragbaren Selbstbeteiligung und eine verstärkte Konkurrenz der ge- setzlichen mit der privaten Kranken- versicherung hält die Aktionsge- meinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM), Heidelberg, als „freiheitliche Alternative" zum Regierungspro- gramm zur Kostendämpfung im Ge- sundheitswesen für „unerläßlich".
Durch solche Maßnahmen ließe sich
mit den Marktkräften die sonst un- begrenzte Nachfrage nach Dienstlei- stungen des Gesundheitswesens auf ein vernünftiges Maß reduzieren.
Eine wohldosierte Direktbeteiligung der Versicherten und eine „richtige Gesundheitspolitik" sei überdies ko- stengünstiger als ein System ohne Selbstbeteiligung.
Die ASM schlägt darüber hinaus die nicht unproblematische Verlage- rung der Vorhaltekosten der Kran- kenhäuser von der öffentlichen Hand auf die Krankenhausträger vor. Dadurch könnten nach Ansicht der ASM „Wettbewerbsverfälschun- gen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten beseitigt"
werden, deren Vorhaltekosten nicht von der öffentlichen Hand abge- deckt werden. Erst dann lasse sich ermitteln, ob gesamtwirtschaftlich eine Behandlung von Patienten bei ambulant tätigen Ärzten oder in Krankenhäusern, vorklinischen Am- bulatorien und ähnlichem billiger sei. WZ/DÄ
Gutachten
über die Bedarfsplanung gemeinsam diskutiert
Auf Einladung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) diskutierten Anfang Februar in Köln Experten der Kassenärztlichen Vereinigungen, der gesetzlichen Krankenkassen und des Instituts für
Gesundheit-System-Forschung, Kiel, Eckwerte und Grundsätze für die Bedarfsplanung zur Sicherstel- lung der kassenärztlichen Versor- gung. Diskussionsgrundlage dieser gemeinsamen Tagung war das im Auftrag des Zentralinstituts vom Kie- ler Institut für Gesundheit-System- Forschung (Leitung: Staatssekretär Prof. Dr. Fritz Beske) erstellte Gut- achten über Bedarfsplanungsricht- linien, die bereits 1976 von einer Ar- beitsgemeinschaft der Kassenärztli- chen Vereinigungen vorgelegt wor- den waren.
Diese Richtlinien, die an einigen Stellen noch der Konkretisierung
bedürfen, sollen als Grundlage für die Richtlinien des Bundesaus- schusses der Ärzte und Krankenkas- sen dienen, die bis zum 30. Juni 1977 erarbeitet werden und die Kri- terien zur Bedarfsplanung und Fest- stellung einer „Unterversorgung"
umfassen sollen.
Neben den herkömmlichen Determi- nanten für die Ermittlung des Be- darfs und der Nachfrage nach ärztli- chen Dienstleistungen sollen dem Gutachten zufolge jeweils fachgrup- penbezogene Verhältniszahlen von Arzt- und Einwohnerzahl berück- sichtigt werden. Die Experten der Kölner Tagung waren sich allerdings einig, daß solche Meßzahlen nur ei- nen groben Anhalt darstellen könn- ten und der ständigen Fortschrei- bung und Überprüfung bedürfen.WZ
Wenn Selbstbeteiligung, dann „systemkonform"
Die in der privaten Krankenversiche- rung (PKV) praktizierten Selbstbe- teiligungsverfahren lassen sich nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Kranken-Versiche- rungs-AG (DKV), Hans-Georg Tim- mer, Köln, nicht ohne weiteres auf die gesetzliche Krankenversiche- rung übertragen. Insbesondere seien die von der FDP vorgeschlage- nen Wahltarife für gesetzlich Versi- cherte problematisch. Eine Selbst- beteiligung in der gesetzlichen Krankenversicherung müsse sy- stemkonform (also mit dem Solidari- tätsprinzip vereinbar) und zugleich beitragssenkend sein. Das Solidari- tätsprinzip werde aber völlig durch- brochen, wenn man dem Versicher- ten eine Wahlmöglichkeit zwischen vollen Leistungen einerseits und durch Selbstbeteiligung reduzierten Leistungen andererseits einräume.
Nach statistischen Erfahrungen der PKV würden sich nämlich die durch- schnittlich schlechteren Risiken und damit auch die größeren Familien gegen eine Selbstbeteiligung ent- scheiden. Zusätzliche Beitragserhö- hungen in der Gruppe ohne Selbst- beteiligung seien die Folge. >
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 9 vom 3. März 1977 565Die Information:
Bericht und Meinung
Timmer befürwortet eine Selbstbe- teiligung in der gesetzlichen Kran- kenversicherung allenfalls, wenn sie obligatorisch für alle Versicherten liege und weit oberhalb der derzeiti- gen Rezeptblattgebühr von 2,50 DM für die Versicherten spürbar einset- ze. Außerdem müsse sie nach sozia- len Aspekten unter Berücksichti- gung der Einkommensverhältnisse abgestuft sein. Ferner sollte den Versicherten Kostenkenntnis vermit- telt werden — bei Beibehaltung des geltenden Sachleistungssystems, was bei einer direkt an Arzt oder Zahnarzt zu zahlenden prozentualen Selbstbeteiligung zumindest partiell möglich sei. Schließlich böten sich Bereiche an, wo sich subjektives Ri- siko abspiele und der Versicherte die Behandlung selbst zumindest teilweise beeinflussen könne (insbe- sondere Zahnprothetik, Kieferortho- pädie, Hilfsmittel, Medikamente,
Psychotherapie). DÄ
Die Ersatzkassen schonen!
Vor einer Ausnutzung der gegen- wärtigen Schwierigkeiten der Er- satzkassen durch die Privatkranken- versicherung hat der Generaldirek- tor der (privaten) Hanse-Merkur Ver- sicherungsgruppe, Dr. lmeyer, auf einer Pressekonferenz kürzlich ge- warnt. Die Privatkrankenversiche- rung — so der Vertreter dieses Kran- kenversicherungszweiges — müsse Solidarität mit den Ersatzkassen üben, sie erwarte allerdings auch von den Ersatzkassen ein Gleiches, damit in Zukunft der Tätigkeitsbe- reich der Privatkrankenversicherung durch gesetzliche Eingriffe nicht weiter eingeengt werde. EB
Leichter Rückgang der Rehabilitationsmaßnah- men 1975
Im Jahr 1975 wurden insgesamt 1,1 Millionen medizinische und beruf- liche Rehabilitationsmaßnahmen abgeschlossen; das sind ein Prozent weniger als 1974. In dieser Gesamt-
zahl sind auch die von der Bundes- versicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wegen allgemeiner Erkrankun- gen durchgeführten und abge- schlossenen stationären Heilbe- handlungen enthalten. Insgesamt waren dies 1975 158 801 Fälle ge- genüber 63 914 Fällen im Jahr 1974.
Zwei von drei der statistisch erfaßten abgeschlossenen Rehabilitations- maßnahmen betrafen Männer. Et- was höher ist der Anteil der medizi- nischen Rehabilitations-Maßnah- men. Am höchsten war der Anteil der Männer bei Rehabilitanden, für die gleichzeitig medizinische und berufliche Maßnahmen getroffen wurden. Während Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation über- wiegend Versicherten mittleren und höheren Lebensalters zugute kamen
— über drei Viertel der Empfänger waren 40 Jahre und älter —, überwog bei den beruflichen Maßnahmen, die nicht mit medizinischen Maßnah- men verbunden waren, deutlich der Anteil der jüngeren Leistungsemp- fänger. Hier waren mehr' als sieben Zehntel der Rehabilitanden jünger als 40 Jahre DÄ
Weiterbildungskurs für Krankenschwestern
Einen dritten Weiterbildungskurs für Krankenschwestern und -pfleger in patientenzentrierter Pflege/psycho- somatischer Medizin plant die Abtei- lung Psychosomatik der Universität Ulm. Der Kurs soll am 1. Mai 1977 beginnen und ein Jahr dauern. Die Kursteilnehmer können nach den Richtlinien des Arbeitsförderungs- gesetzes von den Arbeitsämtern un- terstützt werden. Sie erhalten dann 58 Prozent des bisherigen Nettoloh- nes als Unterhaltsbeihilfe. Voraus- setzung für diese Förderung ist eine dreijährige Berufstätigkeit nach Ab- schluß der Grundausbildung. Da es sich um eine Vollzeitweiterbildung handelt, ist eine entsprechende Frei- stellung vom Arbeitgeber nötig. An- fragen an: Frau Jutta Zenz, Abtei- lung Psychosomatik der Universität Ulm, Steinhövelstraße 9, 7900
Ulm. EB
DIE GLOSSE
Quod licet
Die Pressestelle des Deut- schen Gewerkschaftsbundes hat am 10. Februar mal wieder bestätigt, daß der alte Spruch noch gilt: Quod licet Jovi, non licet bovi. Für den Ochsen muß man in diesem Falle die Berufsgruppe der Ärzte ein- setzen, der Vergleich mit dem Gotte steht hier den Beamten zu. Denn: Die Presseverlaut- barung Nr. 32 der DGB-Pres- sestelle vom 10. Februar wen- det sich gegen Planungen der Bundesregierung auf dem Ge- biet des Beamten rechts, unter anderem mit der Begründung:
„Die zweifellos auch im öf- fentlichen Dienst bewährte Tarifautonomie würde ohne Rücksicht auf ihre grund- rechtliche Gewährleistung in Frage gestellt". Die Pressever- lautbarung Nr. 33 vom glei- chen Tage hingegen ist über- schrieben: „DGB gegen Ärzte- streik". Die Ochsen also dür- fen Tarifautonomie nicht ver- teidigen, ihnen kommt nach
DGB-Ansicht keine grund- rechtliche Gewährleistung zu.
Sie dürfen sich, so meint der DGB, nicht zur Wehr setzen — in der Presseverlautbarung Nr. 31 vom gleichen Tage aber setzt sich der DGB im Namen der Beamten zur Wehr und
„verwahrt sich energisch" ge- gen Vorschläge, den Beamten ein Sonderopfer in Form einer 0,5prozentigen Gehaltskür- zung abzuverlangen. Letzte- res übrigens ist noch aus ei- nem anderen Grunde verblüf- fend: Daß die Nichtbeamten mit mindestens 0,5 Prozent belastet werden, wenn die Krankenversicherung das Rentensystem sanieren soll, kümmert den DGB wohl we- nig. Oder meint er vielleicht, daß dank der Ehrenbergschen Gesetzgebungspläne die Ärzte, die sich ja nicht wehren dürfen, letztendlich allein die Rentensanierung bezahlen? bt NACHRICHTEN
566 Heft 9 vom 3. März 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT