Ängste mit jemandem teilen könne.
Von selbst komme dann irgendwann
„die Zeit, wo alles gesagt ist. Dann kann man miteinander schweigen.“
Jährlich überleben in Deutschland et- wa 540 Kinder die Krebserkrankung nicht. 60 Prozent von ihnen sterben im Krankenhaus. „Die Mehrzahl aller Fa- milien krebskranker Kinder hat in der Lebensendphase keinen Zugriff auf eine umfassende häusliche Palliativversor- gung“, so das Ergebnis des PATE-Pro- jekts (Palliativmedizin und -Therapie so- wie ihre Evaluation in der Pädiatrischen Hämatologie/Onkologie). Projektma- nager Stefan Friedrichsdorf, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Uni- versität Witten/Herdecke, stellte bei der Tagung der GPOH positive Ansätze aus Polen und Großbritannien vor. Das War- schauer Kinderhospiz bietet im Gegen- satz zu deutschen Einrichtungen eine ausschließlich häusliche Versorgung durch ein interdisziplinäres Team an. Im Londoner Richard House gibt es ein
„Abschiedszimmer“, in einer anderen Kinderklinik eine „child death help- line“, eine Telefonseelsorge für Eltern, die ihr Kind verloren haben. Häufig lei- den verwaiste Eltern darunter, dass sich Freunde und Verwandte abwenden.
Leitlinien für Pflege und Symptomkontrolle fehlen
In der Palliativversorgung von Kindern in Deutschland fehlen „standardisierte Leit- linien für die Pflege und Symptomkon- trolle sowie einheitliche Dokumentati- onssysteme“, bemängelte Friedrichsdorf.
Seine Klinik hat deshalb in Zusammenar- beit mit der Universität Witten/Herdecke eine deutsche Übersetzung der WHO- Leitlinien herausgebracht: „Schmerzthe- rapie und palliative Versorgung krebs- kranker Kinder“. Karin Dlubis-Mertens
Literatur
Vestische Kinderklinik Datteln – Universität Witten/Her- decke (Hrsg. der deutschen Ausgabe): Schmerztherapie und palliative Versorgung krebskranker Kinder. Datteln:
2002. (Veröffentlicht von der Weltgesundheitsorganisa- tion 1998 unter dem Titel: Cancer pain relief and pallia- tive care in children).
GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hä- matologie)/Kompetenznetzwerk Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (Hrsg.): Von tödlichen zu heilbaren Krankheiten. Die Erfolge der Pädiatrischen Onkologie in den letzten 25 Jahren. 22. November 2002.
P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 317. Januar 2003 AA81
KOMMENTAR
D
er Koalitionsvertrag ist ge- schlossen, das Kabinett steht, die Bundesgesundheitsministe- rin bleibt. „Mehr Qualität und mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen“heißt die Überschrift über das Kapi- tel zum Gesundheitswesen, und die Kernaussage lautet: „Wir wollen das solidarische Gesundheitssystem er- halten.“
Es bleibt zu prüfen, ob diese Aussa- ge durch den Inhalt des Koalitionsver- trags gestützt wird oder ob es nicht doch Vorstellungen gibt, die das soli- darische Gesundheitssystem infrage
stellen. Eines ist jedoch sicher: Eine grundsätzliche Reform unseres Ge- sundheitswesens oder sogar ein Sy- stemwechsel ist mit dieser Koalitions- aussage nicht zu vereinbaren. Damit wird allen Vorschlägen, die unser Ge- sundheitswesen revolutionieren wür- den, eine Absage erteilt. Evolution statt Revolution – das ist die Devise.
Die gesundheitspolitische Diskussion wird dies zu berücksichtigen haben.
Vier Optionen waren es, deren Verwirklichung einen mehr oder we- niger vollständigen Wechsel im Sy- stem bedeutet hätten:
> Ablösung der Versicherungs- pflicht durch eine Pflicht zur Versi- cherung mit Auflösung der Unter- schiede zwischen Gesetzlicher und privater Krankenversicherung
> Ausdehnung der Versicherungs- pflicht auf alle Bundesbürger ein- schließlich von Beamten und damit Beschränkung der privaten Kranken- versicherung ausschließlich auf die Zusatzversicherung
> Ablösung des Sachleistungs- prinzips in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung durch ein durchgän- giges Kostenerstattungssystem
> Einführung eines staatlichen Gesundheitswesens.
Nichts davon wird wahr. Es kann darüber gerätselt werden, ob eine an- dere Bundesregierung, etwa eine Ko- alition aus CDU/CSU und FDP, eine dieser vier Reformoptionen verwirk- licht hätte. Wohl eher nicht. Andere Vorstellungen im Detail wären zu er- warten gewesen, nicht aber die Auf- gabe einer wie auch immer gearteten solidarisch orientierten Gesundheits- versorgung.
Wenn dies so ist, dann wird eine evolutionäre, eine schrittweise Wei-
terentwicklung insbesondere der Gesetzlichen Krankenversicherung auch über die gerade begonnene Le- gislaturperiode hinaus die Richt- schnur des gesundheitspolitischen Handelns sein. Dies bedeutet zwei- erlei:
Alle Aussagen und Forderun- gen im Koalitionsvertrag müssen dar- aufhin überprüft werden, ob sie in letzter Konsequenz, gewollt oder un- gewollt, über einen Wechsel im Sy- stem hinausgehen, einen System- wechsel bewirken würden.
Alle Bereiche im Gesundheits- wesen müssen sich wie die Politikbe- ratung aufgerufen fühlen, konkrete und realisierbare Vorstellungen zu entwickeln, mit denen die drängend- sten Probleme unseres Gesundheits- wesens systemkonform und zu- mindest mittelfristig gelöst werden können.
An erster Stelle steht eine scho- nungslose Analyse der gegenwärti- gen Situation unseres Gesundheits- wesens. Im Koalitionsvertrag sucht man diese Analyse, Voraussetzung für ein zielgerichtetes Handeln, ver-
geblich. Fritz Beske