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Archiv "Diagnose einer eingeschränkten Glukosetoleranz und Diabetesprävention: Kann die Diabetes-Epidemie aufgehalten werden?" (22.11.2002)

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V

or dem Hintergrund einer stei- genden Lebenserwartung sowie veränderter Lebensgewohnhei- ten und Umweltbedingungen nimmt die Zahl der Patienten mit Typ-2-Dia- betes weltweit ständig zu. Derzeit liegt die Prävalenz der Erkrankung in Euro- pa bei etwa acht Prozent. Gut begrün- deten Prognosen zufolge muss bis zum Jahr 2010 mit einer weiteren Zunahme auf etwa zehn Prozent der Weltbevölke- rung gerechnet werden (49). Die Ursa- chen dieser rapiden Zunahme sind of- fensichtlich: Anstelle einer ausgewoge- nen Mischkost mit einem ausreichen- den Anteil komplexer Kohlenhydrate setzt sich zunehmend eine hyperkalori- sche, fettreiche Fast-Food-Ernährung durch. Auf der anderen Seite wird ein ausreichendes Bewegungsausmaß in ei- ner modernen Dienstleistungsgesell- schaft eher zu einem Luxusgut der Frei- zeitindustrie, das der Mehrzahl der Be- völkerung vorenthalten bleibt.

Erschreckend ist in diesem Zusam- menhang das zunehmende Auftreten von Adipositas und Typ-2-Diabetes be- reits im Kindes- und Jugendalter (31, 32, 36). Galt ein Typ-2-Diabetes in der Altersklasse der unter 18-Jährigen bis vor wenigen Jahren noch als Rarität, so gibt es heute bereits Berichte mit einer höheren Inzidenz eines Typ-2-Diabetes als eines Typ-1-Diabetes in dieser Altersklasse. Eine Trendumkehr dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.

Die medizinischen Folgen einer zu- nehmenden Diabetesprävalenz sind be- kannt: Insbesondere das kardiovaskulä- re Risiko von Patienten mit Diabetes übersteigt das von stoffwechselgesun- den Personen um etwa das Vierfache (2,

13, 23, 25, 48). Der Typ-2-Diabetes mel- litus ist auch heute, mehr als zehn Jahre nach Beschluss der St.-Vinzenz-Dekla- ration, der wesentliche Verursacher von Erblindungen, größeren Amputationen und terminaler, dialysepflichtiger Nie- reninsuffizienz.

Die gesundheitsökonomischen Kon- sequenzen sind gravierend. So liegen die Ausgaben der gesetzlichen Kran- kenkassen für einen Patienten mit Dia- betes, der sowohl an mikro-, als auch an makrovaskulären Folgeerkrankungen leidet, um einen Faktor 4 über denen für einen durchschnittlichen Versicherten (22). Der Diabetes mellitus und die as- soziierten Folgekomplikationen stellen somit eine enorme Belastung für das Gesundheitssystem dar.

Vor diesem Hintergrund ist die Su- che nach geeigneten Wegen zur Präven- tion dieser Erkrankung eine wichtige Voraussetzung für die Funktionsfähig- keit unseres Gesundheitssystems.

Diagnose einer

eingeschränkten Glukosetoleranz und Diabetesprävention

Kann die Diabetes-Epidemie aufgehalten werden?

Juris J. Meier

1

, Michael A. Nauck

2

, Wolfgang E. Schmidt

1

, Baptist Gallwitz

1

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der stetigen Zunahme des Typ-2-Diabetes wurden in drei Studien un- terschiedliche präventive Ansätze getestet, um einen Typ-2-Diabetes bei Personen mit einge- schränkter Glukosetoleranz zu verhindern. In der finnischen Diabetes Prevention Study (DPS) wurde der Einfluss intensiver Veränderungen der Lebens-, Ernährungs- und Bewegungsge- wohnheiten auf die Diabetesentstehung eva- luiert. Im Diabetes Prevention Program (DPP) wurde zusätzlich der Effekt einer Metformin- Behandlung untersucht, wohingegen in der Stop-NIDDM-Studie der Glukosidase-Hemmer Acarbose zur Diabetesprävention eingesetzt wurde. Die Resultate sind beeindruckend: So- wohl durch eine Veränderung der Lebensge- wohnheiten, als auch durch die frühe Therapie mit Metformin oder Acarbose kann die Inzi-

denz eines Typ-2-Diabetes deutlich reduziert werden. Sicherlich stellt daher die Implemen- tierung derartiger präventiver Konzepte in die diabetologische Versorgung eine der großen gesundheitspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre dar.

Schlüsselwörter: Diabetes mellitus Typ 2, einge- schränkte Glukosetoleranz, Prävention, Met- formin, Acarbose

Summary

Diagnosis of Impaired Glucose Tolerance and Diabetes Prevention – Can we Stop the Rising Incidence of Diabetes?

Since the incidence of type 2 diabetes is drama- tically increasing, three studies have evaluated different strategies to prevent the develop-

ment of type 2 diabetes in persons with impair- ed glucose tolerance. In the Finnish Diabetes Prevention Study (DPS) the effect of intensive changes of lifestyle on the development of type 2 diabetes was studied. The Diabetes Pre- vention Program (DPP) examined the effects of metformin in addition to life style changes.

In the Stop-NIDDM study, the αα-glucosidase in- hibitor acarbose was used. The results were im- pressive: The development of type 2 diabetes can be prevented by changes in life style, as well as by early medical intervention with met- formin and acarbose. Therefore, the implemen- tation of preventive concepts into the medical care of people at risk of type 2 diabetes is a great economic challenge for the next years.

Key words: diabetes mellitus type 2, impaired glucose tolerance, prevention, metformin, acar- bose

1Medizinische Klinik I (Direktor: Prof. Dr. med. Wolfgang E. Schmidt), St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr-Univer- sität, Bochum

2Diabeteszentrum (Leitender Arzt: Prof. Dr. med. Michael A. Nauck), Bad Lauterberg

(2)

Frühzeitige Intervention bei eingeschränkter

Glukosetoleranz

Um die Entstehung eines Typ-2-Dia- betes wirkungsvoll verhindern zu kön- nen, müssen zunächst Risikokollekti- ve identifiziert werden, die von einer Intervention profitieren könnten. Da theoretisch jeder Patient mit Typ-2- Diabetes im Rahmen der Pathogenese eine eingeschränkte Glukosetoleranz (impaired glucose tolerance, IGT) – definiert über eine Plasmaglukose- Konzentration zwischen 140 und 200 mg/dL 2 Stunden nach der oralen Auf- nahme von 75 g Glukose – (Tabelle 1) durchlaufen muss, bietet sich eine ge- zielte Intervention in diesem Stadium an.

Möglicherweise kann eine IGT so- gar per se bereits als eigenständige Krankheitsentität angesehen werden.

So ist die isolierte Hyperglykämie nach einer Glukosebelastung bereits mit strukturellen Veränderungen des Endothels assoziiert (14), und eine Vielzahl von Studien konnte ein deut- lich gesteigertes kardiovaskuläres Ri- siko bei Vorliegen einer IGT zeigen (2, 15, 18, 19, 24, 38, 44). Eine medika- mentöse Intervention, beziehungswei- se eine, die auf den Lebensstil zielt, kann bei IGT daher nicht nur als präventive, sondern bereits als thera- peutische Maßnahme angesehen wer- den. Die Konversionsraten einer IGT zu einem manifesten Typ-2-Diabetes variieren in unterschiedlichen Regio- nen und Bevölkerungsgruppen von 3 bis zu 14 Prozent im Jahr (Tabelle 2).

Zur Intervention ist es notwendig, dieses Risikokollektiv rechtzeitig dia- gnostisch zu erfassen. Die derzeitige Realität ist weit von einer solchen frühzeitigen Erkennung entfernt: Die Diagnose eines manifesten Diabetes mellitus wird in der Regel viel zu spät gestellt. Es kann von einer Latenz von etwa vier bis sieben Jahren von der Manifestierung eines Typ-2-Diabetes bis zur Diagnose ausgegangen werden (16).

Hieraus ergibt sich die Notwendig- keit zum Einsatz des oralen Glukose- toleranz-Tests (OGTT) als frühes dia- gnostisches Instrument. Da es jedoch kaum praktikabel erscheint, die ge-

samte Bevölkerung in regelmäßigen Abständen mit einem OGTT zu unter- suchen, sollten Risikogruppen für ei- nen Typ-2-Diabetes definiert werden.

Die amerikanische Diabetes-Ge- sellschaft (ADA) hat jüngst in einer Erklärung Richtlinien zum Diabetes- Screening vorgeschlagen (1). Hier- nach sollten alle Patienten > 45 Jahre mit Übergewicht (BMI > 25 kg/m2) auf eine Störung des Glukosestoffwech- sels gescreent werden (Grafik). Bei Personen > 45 Jahren mit BMI < 25 kg/m2 erscheint der OGTT sinnvoll, sofern einer der folgenden Risikofak- toren vorliegt:

erstgradige Verwandte mit Typ-2- Diabetes,

bei Frauen ein Gestationsdiabetes in der Anamnese,

arterielle Hypertonie, Dyslipidämie oder

Zugehörigkeit zu einer nicht kau- kasischen ethnischen Gruppe mit er- höhtem Diabetesrisiko (beispielswei- se Amerikaner afrikanischer oder süd- amerikanischer Herkunft).

Die Autoren schlagen zusätzlich vor, auch bei Vorliegen einer KHK ei- ne Untersuchung des Glukosestoff- wechsels durchzuführen, weil in die- sem Kollektiv ein hoher Anteil von Patienten mit IGT oder manifestem Diabetes erwartet werden kann (28, 29) (Grafik). Die Untersuchung sollte zusätzlich auf Patienten, die jünger als 45 Jahren sind, erweitert werden, so- fern sie einen BMI > 25 kg/m2und ei- nen zweiten der aufgeführten Risiko- faktoren aufweisen. Nach den Emp- fehlungen der ADA kann die Störung der Glukosehomöostase anhand des Nüchtern-Glukosewertes (impaired fasting glucose, IFG) mit einer Nüch- tern-Glukose-Konzentration zwischen 110 und 126 mg/dL (Tabelle 2) oder

anhand des 2-Stunden-Wertes im OGTT diagnostiziert werden. Da sich der 2-Stunden-Wert im OGTT in epi- demiologischen Untersuchungen als deutlich validerer Wert zur Diagnose und Prädiktion eines Typ-2-Diabetes erwiesen hat als die Nüchtern-Gluko- se-Konzentration (8, 35, 39, 47), sollte die Durchführung des OGTT gefor- dert werden. Der Test sollte gegebe- nenfalls in dreijährigen Abständen wiederholt werden.

Es ist davon auszugehen, dass auf der Grundlage dieser erweiterten Dia- gnostik nicht nur bei einer Vielzahl von Menschen eine IGT aufgedeckt wird, sondern dass auch die Dunkelzif- fer bislang nicht erkannter manifester Diabetesdiagnosen deutlich vermin- dert werden kann (16).

Präventionsstudien

Aufgrund des gesteigerten kardiovas- kulären Risikos bei Personen mit IGT sowie der hohen Konversionsrate zum Typ-2-Diabetes (Tabelle 2) lag es nahe, Bemühungen zu unternehmen, um die Diabetesentwicklung zu verzögern oder sogar aufzuhalten. Ältere Studi- en an kleineren Kollektiven hatten auf den Nutzen einer medikamentösen In- tervention und einer Verhaltensände- rung in Hinblick auf die Entstehung eines Typ-2-Diabetes und makrovas- kulärer Komplikationen hingewiesen (20, 30, 34). Auf dieser Grundlage wur- den drei prospektive randomisierte Interventionsstudien initiiert, deren Ergebnisse nun vorliegen. Im Einzel- nen sind dies die finnische Diabetes Prevention Study (DPS) (45), das Dia- betes Prevention Program (DPP) (41) und die STOP-NIDDM-Studie (5) (Tabelle 3).

´ Tabelle 1C´

Diagnose eines Diabetes mellitus anhand des oralen Glukosetoleranz-Tests

Zeitpunkt Normale Glukosetoleranz Gestörte Nüchternglukose (IFG) Diabetes mellitus eingeschränkte Glukosetoleranz (IGT)

Nüchtern < 110 mg/dL 110 – 125 mg/dL 126 mg/dL

(6,0 mmol/L) (6,0 – 7,0 mmol/L) (7 mmol/L) 2 h nach 75 g < 140 mg/dL 140 – 199 mg/dL 200 mg/dL oraler Glukose (7,8 mmol/L) (7,8 – 11,2 mmol/L) (11,2 mmol/L) nach (11); Grenzwerte für venöse Plasmaglukose (nasschemische Labormethode)

(3)

Diabetes Prevention Study

In der Diabetes Prevention Study wur- den die Auswirkungen einer Interven- tion, die auf eine Änderung des Le- bensstils abzielte, auf die Diabetesent- stehung untersucht. 522 Personen mit IGT wurden zu zwei Gruppen rando- misiert: einer intensiven Interventions- gruppe und einer Kontrollgruppe (46).

Während die Teilnehmer der Kon- trollgruppe lediglich eine allgemeine Ernährungsberatung sowie generelle Empfehlungen hinsichtlich der günsti- gen Auswirkungen ausreichender Be- wegung auf den Stoffwechsel erhiel- ten, wurde den Teilnehmern im Inter- ventionsarm ein sehr individuell abge- stimmtes, umfangreiches Programm angeboten. Hierzu wurden fünf Ziele formuliert (Textkasten). Jeder Proband erhielt eine bedarfsadaptierte Bera- tung mit dem Ziel einer Gewichtsre- duktion, Ernährungsumstellung und Erweiterung des täglichen Bewegungs- ausmaßes. Ernährungsprotokolle wur- den viermal jährlich während der ge- samten vierjährigen Studiendauer ge- führt und mit einem ausgebildeten Ernährungsberater besprochen. Die Teilnehmer erhielten kostenlosen Zu-

gang zu Sportstudios, wo sie individuell angeleitet wurden und Gelegenheit hatten, mit anderen Personen ähnli- cher Altersstruktur an Gruppenpro- grammen teilzunehmen.

Die Ergebnisse der Studie rechtfer- tigten diese aufwendigen Interventi- onsmaßnahmen (46): Nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 3,2 Jahren lag die Diabetesinzidenz in der Interventionsgruppe um 58 Pro- zent unter der in der Kontrollgruppe (relatives Risiko). Das absolute Risiko wurde von 23 Prozent auf 11 Prozent gesenkt (95 Prozent-Konfidenzinter- vall [95-%-KI]: 6 bis 15 Prozent versus 17 bis 29 Prozent). Die Anzahl der Pa- tienten, die behandelt werden muss, um ein Ereignis zu verhindern (num- ber needed to treat) lag bei 8,3. Be- merkenswert ist hierbei insbesondere die klare Abhängigkeit der Risikore- duktion vom Erreichen der jeweiligen Interventionsziele: Bei keinem der Teilnehmer, der mindestens vier der vorher festgelegten fünf Therapieziele (Reduktion des Körpergewichtes, Er- höhung des Ballaststoffanteils der Nahrung, Verringerung der Gesamt- Fettzufuhr, Verringerung des Anteils gesättigter Fettsäuren, Erhöhung des

Bewegungsausmaßes; Textkasten) er- reicht hatte, trat während der Beob- achtungszeit ein Diabetes auf (26).

Diabetes Prevention Program

In dieser amerikanischen Untersu- chung wurden 3 234 Probanden mit IGT randomisiert in drei Studienarme eingeteilt: Intervention zur Änderung des Lebensstils, Behandlung mit Met- formin (angestrebt: 1 700 mg/Tag) und eine Kontrollgruppe (40). Die Teilneh- mer in der erstgenannten Gruppe er- hielten ein 16-stündiges, individuelles Beratungsprogramm hinsichtlich aus- gewogener Ernährung, Bewegung und Verhaltensänderung. Zusätzlich wur- den über die gesamte Studiendauer monatliche Einzel- und Gruppensit- zungen mit den Beratern angeboten, um die Teilnehmer beim Erreichen und Erhalten ihrer jeweiligen Inter- ventionsziele zu unterstützen. Ebenso wie in der finnischen Studie wurden die Probanden der Metformin- und der Kontrollgruppe in allgemeiner Form über Ernährungs- und Bewe- gungsmaßnahmen informiert.

Nach einer mittleren Beobach- tungszeit von 2,8 Jahren zeigte sich, verglichen mit der Kontrollgruppe, ei- ne Verminderung des relativen Diabe- tesrisikos in der Lebensstil-Gruppe um 58 Prozent (95-%-KI: 48 bis 66 Prozent) und in der Metformin-Grup- pe um 31 Prozent (95-%-KI: 17 bis 43 Prozent) (41). Das absolute Risiko ließ sich von 11,0 Prozent auf 7,8 Pro- zent in der Metformin-Gruppe und 4,8 Prozent in der Interventionsgruppe, in der eine Veränderung des Lebensstils beabsichtigt war, reduzieren. Um ei- nen Fall von Diabetes zu verhindern, mussten in der Lebensstil-Interventi- on 6,9 Probanden, in der Metformin- Gruppe bei 13,9 Personen behandelt werden. Es zeigte sich ferner, dass vor allem übergewichtige, jüngere Perso- nen von der medikamentösen Inter- vention mit Metformin profitierten.

Die STOP-NIDDM-Studie

Ziel der STOP-NIDDM-Studie, an der weltweit 1 429 Personen mit IGT teil- nahmen, war die Evaluierung der Wir- kung einer medikamentösen Interven-

´ Tabelle 2C´

Progression einer eingeschränkten Glukosetoleranz zum Typ-2-Diabetes in unterschiedlichen Längsschnittuntersuchungen.

Jahr Region Anzahl Patienten Follow up Konversionrate Inzidenz Literatur (Jahre) (Prozent) (Jahr)

1980 Schweden 59 10 29 3 (34)

1988 Texas (Pima-Indianer) 384 3,3 31 6 (33)

1991 Nauru 51 6 26 4 (21)

1993 Südafrika 113 4 50 13 (27)

1995 Hoorn, Niederlande 158 ⬃2 29 14 (17)

1998 Da Quing, China 133 6 68 11 (30)

1998 Taiwan 131 ⬃2,5 18 9 (6)

1999 Italien 40 11,5 33 3 (47)

1999 Mauritius 607 ⬃5 36 7 (35)

2001 Finnland 257 3,2 23 7 (45)

2002 USA 1082 2,8 28,9 11 (41)

2002 International 715 3,3 24 7 (5)

Bei den Studien mit Interventionsmaßnahmen wurden die Zahlen der Kontrollgruppen angegeben.

(4)

tion mit dem α-Glukosidase-Hemmer Acarbose (dreimal täglich bis zu 100 mg) auf die Konversion einer IGT zu einem Typ-2-Diabetes (4). Hier zeigte sich nach der Beobachtungszeit von 3,3 Jahren eine Reduktion des relati- ven Diabetesrisikos um 36 Prozent (95-%-KI: 19 bis 50 Prozent). Die Ver- ringerung des absoluten Risikos be- trug 9 Prozent, die number needed to treat wurde mit 11 angegeben (5). In der dreimonatigen Washout- und Nachbeobachtungsphase nach der me- dikamentösen Intervention mit Acar- bose stieg die zuvor verminderte Kon- versionsrate zum Typ-2-Diabetes ab- rupt an.

Nutzen von

Präventionsmaßnahmen

Die wichtigste Botschaft dieser drei Interventionsstudien lautet, dass die Diabetesentwicklung durch Änderung des Ernährungsverhaltens und durch verstärkte körperliche Bewegung auf- gehalten werden kann und dass es ge- lingt, die hierzu notwendigen Kennt- nisse und Fertigkeiten, aber auch die notwendige Motivation in strukturier- ten Programmen zu vermitteln. Eine medikamentöse Therapie der IGT ist ebenfalls effektiv, jedoch weitaus we- niger als die Intervention hinsichtlich des Lebensstils (Tabelle 3).

Ob ein Diabetes mellitus bei Perso- nen mit IGT jedoch auf Dauer voll- ständig verhindert wird, kann anhand des Beobachtungszeitraums von etwa drei Jahren noch nicht abschließend beantwortet werden. Allerdings zeigte die STOP-NIDDM-Studie, bei der sich an die dreimonatige Wash-out- Phase keine medikamentöse Therapie anschloss, dass der positive Effekt nach Absetzen der Acarbose nicht weiter anhält. Dies ist ein Hinweis dar- auf, dass wahrscheinlich eine lebens- lange Fortführung der Therapie erfor- derlich ist (5). Diesbezüglich ist die TRIPOD-Studie erwähnenswert, in der bei 235 Frauen mit früherem Ge- stationsdiabetes durch eine medika- mentöse Intervention mit dem (mitt- lerweile vom Markt genommenen) Troglitazon die Inzidenz von Diabetes nach zwei Jahren von 12,3 auf 5,4 Pro-

zent gesenkt werden konnte (56 Pro- zent relative Risikoreduktion). Inter- essanterweise blieben diese Effekte jedoch auch nach einer achtmonatigen Wash-out-Phase erhalten (3). Ob diese Resultate auch auf Personen mit IGT und auf andere Vertreter aus der Klas- se der Glitazone übertragen werden können, ist derzeit unklar.

Im direkten Vergleich der Studien erweist sich die Veränderung des Le- bensstils deutlich als effektivste Me- thode. Die Wirkungen von Acarbose und von Metformin sind vergleichbar, aber weniger effektiv. Somit kann eine weitgehende Modifikation der Le- bensgewohnheiten als Präventions- maßnahme der ersten Wahl angesehen werden. Es ist jedoch unrealistisch zu erwarten, dass alle Patienten gleicher- maßen ihre Interventionsziele auf die- se Weise erreichen können. Verschie- dene persönliche, ethnische, ökonomi- sche und soziale Ursachen werden si- cherlich bei einem nennenswerten Teil der Betroffenen dazu führen, dass tief- greifende Veränderungen ausbleiben oder nicht mit der notwendigen Dauer aufrechterhalten werden können. Für diese Patienten kann eine medika- mentöse Therapie durchaus als sinn-

volle Alternative angesehen werden.

Dies beinhaltet wiederum die – wahr- scheinlich lebenslange – Einnahme von Medikamenten mit den damit ver- bundenen Problemen. In der Stop- NIDDM-Studie hat sich während der Acarbose-Behandlung bei der hohen Dosierung von 3 x 100 mg eine nicht zu vernachlässigende Therapieabbruch- rate von 30 Prozent (gegenüber 18 Prozent in der Placebogruppe), vor- nehmlich aufgrund gastrointestinaler Begleiterscheinungen, gezeigt (5).

Metformin hat sich im Rahmen der DPP als sicher und nebenwirkungs- arm erwiesen (42).

Einige Patientengruppen (insbe- sondere schlanke und ältere Patien- ten) profitierten weniger von dieser Substanz. Besonders bei multimorbi- den Patienten ist hier jedoch die sorg- fältige Prüfung auf mögliche Kon- traindikationen zur Vermeidung von Laktatazidosen unerlässlich (10). Auf- grund der vorliegenden und zukünfti- ger Erfahrungen könnte sich durchaus ein differenziertes Behandlungsange- bot für Betroffene mit unterschiedli- chen Voraussetzungen (je nach Alter, Geschlecht, Begleit-und Folgeerkran- kungen) ergeben.

Grafik

Empfehlungen zur Durchführung des oralen Glukosetoleranz-Tests, Wiederholung des Tests al- le 3 Jahre, OGTT, oraler Glukose-Toleranztest, modifiziert nach (1)

(5)

Offene Fragen

Wenngleich durch die Ergebnisse der großen Interventionsstudien eine Rei- he wichtiger Fragen beantwortet wer- den konnte, verbleiben doch eine Rei- he ungeklärter Aspekte.

Als primärer Endpunkt wurde in den Untersuchungen jeweils das Auf- treten eines Diabetes gewählt; eine Analyse der Studien in bezug auf die Reduktion der Folgeerkrankungen, insbesondere der auf die kardiovas- kuläre Mortalität, liegt leider derzeit noch nicht vor. Da jedoch durch die Veränderung der Lebensgewohnhei- ten nicht nur der Glukosestoffwech- sel, sondern auch eine Reihe anderer atherogener Risikofaktoren, wie das Lipidprofil und der Blutdruck positiv beeinflusst werden (45), ist eine län- gerfristige Reduktion kardiovaskulä- rer Endpunkte äußerst wahrschein- lich.

Ferner liegt die Frage nahe, inwie- weit die einzelnen Maßnahmen sich in ihrer Wirkung addieren. Es wäre da- her wichtig, auch die kombinierten Ef- fekte von medikamentöser Interventi- on und Änderungen des Lebensstils zu evaluieren.

Die Wirkungen der anderen verfüg- baren oralen Antidiabetika auf die Diabetesentstehung sind noch nicht bekannt. Troglitazon (mittlerweile vom Markt genommener) hat sich in der TRIPOD-Studie als wirkungsvoll

zur Diabetesprävention erwiesen (3).

Bezüglich der beiden derzeit zugelas- senen Glitazone Rosiglitazon und Pio- glitazon liegen derzeit noch keine Da- ten vor. Unter der Annahme, dass ins- besondere die postprandiale Hyper- glykämie entscheidenden Anteil an der Pathogenese der diabetischen Fol- geerkrankungen hat, erscheint auch der Einsatz von Gliniden im Stadium der IGT sinnvoll. Diese Frage wird derzeit in einer prospektiven multi- zentrischen Studie untersucht (NAVI- GATOR-Studie) (43).

Bei der genauen Betrachtung der drei Interventionsstudien fällt auf, dass überwiegend ältere, übergewich- tige Personen rekrutiert wurden. Dies hängt sicherlich mit den jeweiligen Screeningverfahren in den Untersu- chungen zusammen, da bei diesen Per- sonen per se mit einer höheren Präva- lenz der IGT zu rechen ist. Jedoch muss hinterfragt werden, ob die beob- achteten Effekte auch ohne weiteres auf jüngere und normalgewichtigere Personen übertragen werden können.

In dem Diabetes Prevention Program zeigte eine Subgruppenanalyse, dass die normalgewichtigen, jüngeren Per- sonen kaum von einer Metformin-Be- handlung profitierten, wohl aber von einer Veränderung des Lebensstils (41). Möglicherweise ergeben sich da- her für unterschiedliche Personen- gruppen verschiedene Präventionsan- sätze.

Prävention bei knappen finanziellen Mitteln

Die Behandlung des Diabetes und der Folgeerkrankungen belastet das Ge- sundheitswesen in Deutschland der- zeit jährlich mit circa 16 Milliarden Euro (22). Den größten Kostenfaktor stellt hierbei die stationäre Behand- lung von diabetesbedingten Kompli- kationen dar. Die durchschnittlichen Behandlungskosten eines Patienten mit Typ-2-Diabetes, der sowohl unter mikro- als auch makrovaskulären Komplikationen leidet, werden mit etwa 5 500 Euro pro Jahr beziffert (22).

In der United Kingdom Prospective Diabetes Study und anderen Untersu- chungen hat sich eine intensive Blut- zuckereinstellung zunächst als äußerst kostenintensiv erwiesen (12, 37).

Wenn man jedoch die hierdurch redu- zierten Kosten für die Behandlung von Folgekomplikationen hinzurechnet, können die Gesamtaufwendungen der Gesundheitskassen durch eine opti- male antidiabetische Therapie deut- lich vermindert werden (12). Eine al- leinige Metformin-Behandlung bei übergewichtigen Patienten erweist sich hierbei sogar als noch kostenspa- render (7).

In der DPP-Studie lagen die Mehr- ausgaben für die intensive Lebensstil- Intervention in drei Jahren bei 2 600 Euro pro Teilnehmer (9). Eine Kosten-

´ Tabelle 3C´

Vergleich der drei aktuellen Interventionsstudien bei Personen mit eingeschränkter Glukosetoleranz

Studie Probanden Intervention Studiendauer Relative Absolute Number needed Literatur

(Anzahl) (Jahre) Risikoreduktion Risikoreduktion to treat

(Prozent) (Prozent)

Diabetes Prevention 257 Kontrolle 2,3 – – – (46)

Study (DPS) 265 Lebensstil 2,3 58 12 8,3

Diabetes Prevention 1 082 Kontrolle 2,8 – – – (41)

Program (DPP) 1 079 Lebensstil 2,8 58 14,5 6,9

1 073 Metformin 2,8 31 7,2 13,9

(2 x 850 mg/Tag)

STOP-NIDDM 715 Kontrolle 3,3 – – – (5)

714 Acarbose 3,3 36 9,0 11

(3 x 100 mg/Tag)

(6)

Nutzen-Analyse aus dieser Untersu- chung ergab, dass die Aufwendungen zur Prävention eines Diabetesfalles mithilfe von Änderungen des Lebens- stils bei etwa 4 000 Euro und mit Met- formin bei etwa 11 000 Euro liegen (berechnet für im Alltag praktikable Interventionsmaßnahmen und kosten- günstige Generika von Metformin) (9).

Vor diesem Hintergrund ist daher anzunehmen, dass eine frühe thera- peutische Intervention im Stadium der IGT zwar mit einer aktuellen Kosten- zunahme verbunden ist, längerfristig jedoch zu einer deutlichen Verminde- rung der Aufwendungen für die Be- handlung eines Typ-2-Diabetes und der assoziierten Folgekomplikationen führt.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Entstehung eines Typ-2-Diabetes kann aufgehalten werden. Diese Bot- schaft lässt sich klar aus den großen Interventionsstudien ableiten. Die wirkungsvollste Maßnahme besteht ohne Zweifel in einer eingehenden Veränderung der Lebensgewohnhei- ten.

Hierbei ist es jedoch nicht mit der einfachen Empfehlung zu mehr Bewe- gung und ausgewogenerer Ernährung getan. Umfangreiche, multiprofessio- nelle Strategien müssen von Ärzten, Psychologen, Ökotrophologen, Ko- stenträgern und Politikern gemeinsam erarbeitet werden. Praktikable und akzeptable Hilfestellungen zu einer Ernährungsumstellung, die die Be- dürfnisse des Patienten individuell be- friedigt, müssen geleistet werden. Zu- dem müssen Sportmöglichkeiten an- geboten werden, die für den Normal- bürger finanzierbar und erreichbar sind und insbesondere nicht nur von einer jugendlichen Fitness-Generati- on genutzt werden, in der sich ältere und möglicherweise übergewichtige Patienten von vornherein ausgegrenzt fühlen.

Auch reicht die einmalige Schulung der Patienten sicher nicht aus, um die Diabetesentwicklung aufzuhalten. Viel- mehr muss auch die Prävention den

Patienten lebenslang begleiten, bera- ten und schulen. Erste strukturierte Behandlungsprogramme bei adipösen Kindern zeigen, dass eine intensive, multiprofessionelle kontinuierliche Betreuung notwendig ist, wenn bereits die Lebensweisen bestehen, die eine Adipositas mit begünstigt haben. Un- ter diesem Aspekt wäre es sicher gün- stig, mit einer niedrigschwelligen In- tervention, die auf eine Änderung des Lebensstils abzielt, bereits in Kinder- gärten und Schulen zu beginnen.

Derartige Veränderungen bedürfen zunächst deutlicher finanzieller Un- terstützung, des politischen Willens und eines gesellschaftlichen Konsens.

Dennoch ist es an der Zeit, den Wan- del von einer reparativen hin zu einer präventiven Medizin zu vollziehen. In- wieweit derartige Visionen jedoch vor dem Hintergrund der heutigen ge- sundheitspolitischen Finanz- und Stra- tegieplanung realisierbar sind, ist eine noch offene Frage.

Manuskript eingereicht: 22. 7. 2002; angenommen:

16. 9. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3182–3189 [Heft 47]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit4702 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Baptist Gallwitz Medizinische Klinik I

St. Josef-Hospital

Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Gudrunstraße 56, 44791 Bochum

E-mail: Baptist.Gallwitz@ruhr-uni-bochum.de Interventionsziele in der finnischen Präventionsstudie

Verringerung des Körpergewichtes um > 5 % Verminderung des Fettgehaltes der Nahrung

auf < 30 %

Verringerung des Anteils gesättigter Fettsäuren auf < 10 %

Zunahme der Ballaststoff-Aufnahme auf

> 15 g/1000 kcal

Moderate Bewegung für mindestens 30 min/Tag

modifiziert nach (45) Textkasten

Jede neu eingeführte Methode zeitigt zunächst exzellente Ergebnisse; im Rou- tinebetrieb zeigt sich dann, dass die hochgesteckten Erwartungen doch nicht erfüllt werden können.

Die Autoren, die die Endosonogra- phie im Gastrointestinaltrakt über lan- ge Zeit vorangetrieben haben, legen ei- ne kritische Bilanz vor, in dem die Vi- deoaufnahmen von 32 Ösophaguskarzi- nomen, 33 Magenkarzinomen und 36 Pankreaskarzinomen retrospektiv un- ter Routinebedingungen analysiert wurden, später ein zweites Mal blind und ein drittes Mal mit zusätzlichen In- formationen über Endoskopie und CT.

Die Genauigkeit des endoskopischen Ultraschalls bezüglich T-Staging wurde unter Routinebedingungen mit 73 Pro- zent ermittelt. Dieser Wert fiel bei blin- der Evaluierung auf 53 Prozent ab und stieg unter Zuhilfenahme der beiden er- gänzenden Verfahren auf 62 Prozent an.

Die Sensitivität bei T1/T2-Tumoren lag unter Routinebedingungen bei 72 Pro- zent, bei blinder Evaluierung bei 59 Prozent und unter Zuhilfenahme ande- rer bildgebender Verfahren bei 70 Pro- zent. Die entsprechenden Werte für fortgeschrittene Tumoren lagen bei 85 Prozent, 74 Prozent und 72 Prozent.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die früher publizierten guten Ergebnisse der Endosonographie wahrscheinlich auf eine klinische Ge- samtschau des Patienten zurückzu-

führen waren. w

Meining A, Dittler HJ, Rösch T et al.: You get what you ex- pect? A critical appraisal of imaging methodology in en- dosonographic cancer staging. Gut 2002; 50: 599–605.

Prof. Dr. Thomas Rösch, Innere Medizin II, TU München Klinikum rechts der Isar, Ismaninger Straße 22, 81675 München, Thomas.Roesch@Irz.tu-muenchen.de.

Referiert

Endosonographie

kritisch betrachtet

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