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A2838 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002
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icht jeder neu entwickelte Wirk- stoff ist eine echte pharmakologi- sche Innovation. Klinisch bedeu- tende Wirkprinzipien und Substanzen erfahren vielfach in der pharmazeuti- schen Forschung Weiter- oder Parallel- entwicklungen durch Molekülvariatio- nen, Änderungen des Wirkansatzes oder der galenischen Zubereitung von nur marginaler klinischer Relevanz (Schrittinnovation). Dabei sind Wirk- samkeit und Notwendigkeit der An- wendung einer solchen Substanz in- nerhalb einer Wirkstoffgruppe bei gegebener Indikation erwiesen. Der Vorteil der Neuentwicklung gegen- über den bisherigen Substanzen ist je- doch nicht immer gesichert oder nur marginal.Analogpräparate
Die Auswahl der zu verwendenden Sub- stanz aus einer Gruppe mit pharmako- logisch vergleichbaren Wirkstoffen ist medizinisch undökonomisch zu treffen.
Dort, wo Analogpräparate teurer sind, ist zu überlegen, ob der höhere Preis in- nerhalb der gleichen Indikationsgruppe nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeits- gebots gerechtfertigt ist. Steht die Indi- kation für den Einsatz eines Präparates mit einer bestimmten Wirkstoffgruppe fest, so sind Kriterien zur Auswahl des einzusetzenden Wirkstoffes zu treffen, zum Beispiel Verträglichkeit, Wirkdau- er, physikochemische Unterschiede, In- teraktionspotenziale, epidemiologische Studien, eigene Erfahrung. Die Kas- senärztliche Bundesvereinigung (KBV) wird die Vertragsärzte im Deutschen Ärzteblatt in loser Folge über verschie- dene Analogpräparate informieren. In dieser Ausgabe:
Sulfonylharnstoffe im Vergleich
In den letzten Jahren wurde das insu- linotrope Glimepirid immer häufiger verordnet, während die Verordnungs- rate preisgünstiger Glibenclamid-Ge- nerika von Jahr zu Jahr abnahm. Des- halb hat das patentgeschützte Glimepi- rid sämtliche Glibenclamid-Präparate beim Umsatz inzwischen weit überflü- gelt.
Die generelle Aussage aller klini- schen Studien und zusammenfassenden
Arbeiten zu Sulfonylharnstoffen ergibt keinen signifikanten und grundlegen- den Unterschied zwischen den Wirk- stoffen hinsichtlich der klinischen und alltäglichen Anwendbarkeit, der Com- pliance, der Gefährdung der Patienten durch unerwünschte Wirkungen und dem Effekt auf die Blutglukosespiegel als Zielgröße der oralen antidiabeti- schen Therapie. Auch mit Blick auf die Problematik der Gewöhnung, bezie- hungsweise der Erschöpfung der Ziel- zellen im Pankreas, zeigt die Literatur keinen signifikanten Unterschied auf.
Die KBV
informiert
Grafik 2
Verordnungen von Glibenclamiden und Glimepirid (in Mio. DDD)
Quelle: AVR
Glibenclamide
Glimepirid 385,9
324,8
293,8
259,9
67,4
131,9
169,9 194,8
Grafik 1
Umsatz von Glibenclamiden und Glimepirid (in Mio. DM; Quelle AVR)
142,8
47,9
113,7
96,3 99,9
132,5
85,8 150,0
Glibenclamide Glimepirid
Arzneiverordnungen
Auswahl nach medizinischen und ökonomischen Kriterien
Im Rahmen ihrer Informationsinitiative informiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung über eine wirtschaftliche Verordnungspraxis. In dieser Ausgabe: Analogpräparate und Generika
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Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002 AA2839
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Gerade hinsichtlich der besonders bei Diabetikern unerwünschten Wirkung einer Gewichtszunahme weisen die ver- schiedenen Sulfonylharnstoffe eben- falls keinen Unterschied auf.
Zusammenfassend ist daher Gliben- clamid bei deutlich günstigeren Tages- dosispreisen als der primäre Wirkstoff im Rahmen der Therapie zu empfehlen.
Unabhängig davon ist bei Therapiever- sagen sowie bei Unverträglichkeits- reaktionen eine individuell angepasste Umstellung auf andere Sulfonylharn- stoffe beziehungsweise orale Antidia- betika in Mono- oder Kombinati- onstherapie notwendig.
Generika und unteres Preisdrittel
Bei einem Ersteinsatz zur Behandlung akuterErkrankungen gilt in aller Re- gel: Aut idem ist unproblematisch.
Denn die Bioäquivalenz zu einer Re- ferenzsubstanz spielt in diesem Fall keine Rolle. Vorrangig ist vielmehr, dass das ausgehändigte Präparat den gewünschten Therapieerfolg bringt.
Bei einer laufenden Dauermedikation sollte die Medikamentenumstellung bei einem gut eingestellten Patienten den konstanten Therapieerfolg sicher- stellen und die Patientencompliance nicht negativ beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist die therapeutische Äquivalenz des eingesetzten Präparats eine entscheidende Größe. In der vom
Bundesausschuss der Ärzte und Kran- kenkassen veröffentlichten Wirkstoff- liste zu austauschbaren Darreichungs- formen wird der Notwendigkeit der therapeutischen Äquivalenz Rech- nung getragen.
Dennoch können innerhalb der Gruppen Unterschiede zwischen Prä- paraten vorliegen. Der Nachweis einer ordnungsgemäßen pharmazeutischen Qualität, die auch bei Generika für die Zulassung erbracht werden muss, schließt leichte Schwankungen im Wirkstoffgehalt nicht immer aus, wie Untersuchungen unabhängiger Institu- te belegen. Schwankungen des Wirk- stoffgehalts werden jedoch in gleicher Weise auch für unterschiedliche Char- gen so genannter Originalpräparate be- richtet. Nicht selten unterscheidet sich außerdem die Zusammensetzung der Hilfs- und Inhaltsstoffe zwischen ein- zelnen Präparaten. Hier muss auf Un- verträglichkeiten des Patienten (zum Beispiel gegen Lactose oder Alkohol) geachtet werden. In der Regel bleiben diese Faktoren jedoch ohne weitere Folge für die Wirksamkeit des entspre- chenden Präparats.
Natürlich wissen Sie aus der tägli- chen Praxis, dass die inter- und intrain- dividuellen Ansprechraten bei Patien- ten erheblich schwanken können. Der Erfolg einer therapeutischen Maßnah- me kann von vielen Faktoren abhän- gen. Im Extremfall zeigt ein Medika- ment die gewünschte medizinische Wir- kung, oder es zeigt sie nicht. Dies ist völ-
lig unabhängig davon, ob es sich bei der Arznei um ein Generikum oder um ein so genanntes Originalpräparat handelt.
Eine solche Unterscheidung ist daher nach Meinung von Fachleuten künstlich und kann irreführend sein.
Verordnen Sie möglichst kostengünstig
Setzen Sie bei der Auswahl der Me- dikamente für Ihre Patienten auf Er- fahrung und Sachverstand. Bewährte therapeutische Prinzipien werden durch die Aut-idem-Regelung nicht außer Kraft gesetzt. In jedem Zweifelsfall können Sie durch Ankreuzen des Aut- idem-Kästchens auf dem Verordnungs- blatt ausschließen, dass Ihr Patient ein anderes Präparat als das von Ihnen verordnete erhält. Das Ankreuzen ist natürlich dann überflüssig, wenn Sie von vornherein ein preisgünstiges Me- dikament (Präparat im unteren Preis- drittel) ausgewählt haben.
Gehen Sie auf Nummer Sicher: Ver- ordnen Sie aus wirtschaftlichen Grün- den in Ihrer Praxis möglichst kosten- günstige Medikamente. Stellen Sie Patienten, die eine Dauermedikation benötigen, von Anfang an auf nied- rigpreisige Präparate ein, für die langjährige positive Erfahrungen vor- liegen. Ein solches Vorgehen erspart Ihnen in den meisten Fällen ein späte- res Austauschen, aus welchen Gründen
auch immer. KBV
´ TabelleCC´
Analogpräparate
Wirkstoff Aut idem Verordnungen Umsatz Durchschnittskosten
Präparatenamen unteres Drittel in Tausend in Tausend pro Verordnung in AA*
Glimepirid – 677,3 44 000,50 A 64,96 Amaryl
Glibenclamid 9,46 A 3 688,9 29 342,20 A 7,95 Azuglucon, Bastiverit, Daonil N, Dia BASF, Duraglucon, Euglucon, Glib ABZ, Glib Ratiopharm, Gliben CT, Gliben AZU, Glibenhexal, Gliben KSK, Gliben Lich, Glibenbeta, Glibenclamid, Glibendoc, Glibenhexal, Glimidstada, Glucoremed, Glukoreduct, Glukovital, Glycolande, Humedia, Jutaglucon, Maninil, Orabetic, Praeciglucon, Semi-Euglucon, Semi Gliben Puren
Gliquidon – 34,7 908,30 A 26,19 Glurenorm
Glibornurid – 26,0 710,30 A 27,31 Gluborid, Glutril
Glisoxepid – 12,4 324,70 A 26,19 Pro Diaban
Gliclazid – 1,2 54,10 A 46,60 Diamicron
*Quelle: BKK-Bundesverband