A 1670 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 40|
3. Oktober 2014 Vertragsärzte müssen den Eingriff in die Be-rufsfreiheit durch Regelungen einer Notfall- dienstverordnung auch dann hinnehmen, wenn er besondere, über das übliche Maß hinausge- hende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Das hat das Sozialgericht (SG) Marburg entschieden. Im vorliegenden Fall be- antragte eine ausschließlich psychotherapeu- tisch tätige Ärztin aus gesundheitlichen Grün- den die Befreiung vom allgemeinen Notfall- dienst. Die beklagte Kassenärztliche Vereini- gung (KV) lehnte das ab. Die Begründung: Es bestehe eine grundsätzliche Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst. Die vorgetragene fehlende fachliche Eignung für die Übernahme des Notdienstes begründe keinen Anspruch auf Befreiung. Zudem wies die KV darauf hin, dass die Klägerin auf eigene Kosten einen Ver- treter beauftragen könne.
Nach Auffassung des SG Marburg hat die KV die Befreiung vom Notfalldienst zu Recht abgelehnt. KV und Kassenärztliche Bundesver- einigung müssten die vertragsärztliche Versor- gung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichne- ten Umfang sicherstellen und den Krankenkas- sen gegenüber die Gewähr dafür übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den ge- setzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspreche. Die Sicherstellung umfasse auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit das Landesrecht nichts anderes bestimme.
Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat die KV eine Notdienstordnung erlassen. Danach reichen ge- sundheitliche Gründe für eine Befreiung vom Notdienst nicht aus, selbst wenn sie dazu füh-
ren, dass der Arzt dafür ungeeignet ist. Kumula- tiv muss hinzukommen, dass die gesundheitli- che Minderleistungsfähigkeit Auswirkungen auf die tägliche vertragsärztliche Tätigkeit hat. Diese Bestimmung in der Satzung ist nach Auffassung des SG Marburg rechtmäßig (anders: Verwal- tungsgerichtshof Mannheim, Urteil vom 3. No- vember 1998, Az.: 9 S 3399/96 und Landesso- zialgericht Essen, Urteil vom 8. Dezember 2004, Az.: L 10 KA 5/04). Der freiberuflich tätige Ver- tragsarzt müsse selbstständig seinen Verpflich- tungen nachkommen. Soweit er dazu nicht in der Lage sei, könne er einen Vertreter bestellen.
Dadurch werde er nicht unzumutbar mit Kosten belastet. Ein Anspruch eines Vertragsarztes ge- gen eine KV, ihn generell vom Notdienst zu be- freien, bestehe auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht (BSG, Urteil vom 6. September 2006, Az.: B 6 KA 43/05 R).
SG Marburg, Urteil vom 29. Januar 2014, Az.: S 12 KA 12/13 RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Vertragsärzte können sich nicht generell vom Notdienst befreien lassen
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat Ende Septem- ber ein Gesamtkonzept gegen sexu- elle Gewalt an Kindern und Ju - gendlichen vorgestellt. Gemeinsam mit dem Unabhängigen Beauftrag- ten für Fragen des sexuellen Kin- desmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, präsentierte sie Vorhaben, die sie in den nächsten Wochen mit zahlreichen Fachleuten beraten möchte. Als einen wichtigen Punkt nannte sie Änderungen im Straf- recht, die Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kürzlich im SEXUELLER MISSBRAUCH
Grauzonen im Internet besser bekämpfen
Rahmen eines Gesetzentwurfs prä- sentiert hatte. Dadurch sollen Ver- jährungsfristen verlängert und Straf- barkeitslücken geschlossen werden.
Zusätzlich will die Bundesfamilien- ministerin ein Netzwerk etablie- ren, um Grauzonen von Miss- brauchsdarstellungen im Internet besser zu bekämpfen. Weiterhin soll ein Anspruch auf psychosozia- le Prozessbegleitung für betrof - fene Kinder im Strafverfahren in einer Ergänzung des Bundeskin- derschutzgesetzes festgeschrieben
werden. Rie
Wenn ein niedergelassener Arzt mit schmerztherapeutischer Aus- richtung seine Praxis aufgibt, sollte sie ausschließlich mit einem Nach- folger besetzt werden, der entspre- chende Kenntnisse besitzt. Das for- derte die Deutsche Schmerzgesell- schaft. Anderenfalls drohe eine weitere Ausdünnung der ambu - lanten Versorgungslandschaft.
Prof. Dr. med. Thomas Tölle, Präsi- dent der Deutschen Schmerzgesell- schaft, forderte eine multidiszipli- näre, flächendeckende und integra- tive Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen.
SCHMERZTHERAPIE
Flächendeckende Versorgung gefordert
Ob tatsächlich mehr Schmerz- therapeuten nötig sind, bezweifelt der Vorstandsvorsitzenden der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med. Andreas Gassen. Die Be- handlung von Schmerzsymptomen sei Bestandteil jeder ärztlichen Aus- bildung. Schmerz sei zudem ein
Symptom, dessen Ursachen auch kausal angegangen werden könn- ten. „Das Ziel muss sein, Patienten frühzeitig zu behandeln, damit sie erst gar keine chronischen Schmer- zen entwickeln und eine dauerhafte Schmerztherapie eine Ausnahme bleibt“, sagte Gassen. ank
Niedergelassene Ärzte mit schmerz-
therapeutischer Ausrichtung sollen ihre Praxis an Ärzte mit gleicher Aus- richtung übergeben.
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