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HERRMANN, GÖTTINGEN WISSEN UND ERKENNEN IN DEN GATHAS Von Cabsten Colpe, Berlin Vor 17 Jahren, auf dem 13

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SEKTIONSLEITER: G. HERRMANN, GÖTTINGEN

WISSEN UND ERKENNEN IN DEN GATHAS

Von Cabsten Colpe, Berlin

Vor 17 Jahren, auf dem 13. deutschen Orientahstentag im Juh 1955 in

Hamburg, lud der Sektionsleiter W. Lentz zu einer Diskussion ,,Wie weit

verstehen wir die zarathustrischen Gathas?" cin^, die jedem, der daran

teilnahm, unvergessen bleiben wird. Von den damaligen Diskussionsteilneh¬

mern hatten namentlich H. S. Nyberg imd W. B. Henning ihre wesentli¬

chen Arbeiten zum Thema schon vorgelegt; andere, z. B. H. W. Bailey, K.

Hoffmann, H. Humbach, W. Lentz und P. Thieme, veröffenthchten sie

seither, wobei die stillschweigende Bezugnahme auf die Problemstellungen

der damahgen Diskussion gelegentlich zu erkennen ist. Aus dem Kreise der

damals nicht Anwesenden sind weitere Arbeiten hinzugekommen, von denen

hier nur an Aufsätze von M. Boyce, I. Gebshevitch und B. Schlerath

sowie an Bücher von J. Duchesne-Guillemin, G. Widengren, W. Hinz

und H. Lommel erinnert sei. Es scheint, daß nunmehr, bei aller Unsicherheit

im einzelnen, das Verständnis der Texte soweit gefördert ist, daß man

Sachthemen wieder aufgreifen oder neu stellen kann, wie sie in einer früheren

Periode der Forschung häufiger verhandelt wurden. Unter solchen Themen

hat anscheinend eines, „Wissen und Erkennen", bisher gefehlt.

Dabei scheint es aus mehreren Gründen sinnvoll zu sein : 1. die Ableitvm-

gen einer relativ großen Reihe von Wurzeln ergeben zusammengenommen

rein lexikographisch ein nicht unbeträchthch es Material, dessen Untersu¬

chung dazu verhelfen könnte, eine der Forderungen von 1955 zu erfüllen,

nämlich verwandte Wortgruppen bzw. Ableitungen von derselben Wurzel

durch die Übersetzung als zusammengehörig zu kennzeichnen; 2. eine sinn¬

volle Parallelisierung von Subjekten und Gegenständen der Erkenntnis

könnte auf die Lösung dieses oder jenes syntaktischen Problems zurückwir¬

ken ; 3. im Hinblick auf die Frage nach Vorzarathustrischem bei Zarathustra

könnte sich eine Profilierung im Verhältnis zu dem viel größeren Komplex

1 Kurzes Protokoll: ZDMG 105, 1955, * 61*f. Die gleich zu nennenden

Beiträge, die jedem Fachgenossen bekannt sind, werden aus Platzgründen nicht

bibliographiort. Aus jedem der danach genannten vier Aspekte konnte in

zwanzig Minuten natürlich nur eine Auswahl getroffen werden. Sie ist hier

beibehalten, da sich das Wesentliche durch eine Zusammenstellung des Ausge¬

wählten schon anzielen lassen dürfte, während eine vollständige Anführung und

Analyse des Belegmaterials, namentlich der ganz kontroversen Stellen, gleich

einen sehr viel größeren Umfang einnehmen würde, der den inneren Proportionen

eines Kongreßberichtes nicht mehr angemessen ist.

(2)

Wissen und Erkennen in den Gathas 457

archaischen Wissens, dem Veda, ergeben; 4. und was die Nachwirkung

anlangt, so ist schon seit längerem vor allem durch G. Widengken die

Aufgabe gesteUt, den umstrittenen, meist zu pauschal in den Blick genom¬

menen iranischen Hintergrund der Gnosis durch eine Einzeluntersuchung

solcher Art aufhellen zu helfen.

Es läge nahe, dabei von Substantiven auszugehen, wie sie imter anderen

Gesichtspunkten schon häufiger untersucht worden sind. Allein es zeigt sich,

daß solche Substantive, die hier zusammenfassend ,, Geistbegriffe" genannt

werden sollen, Struktur, Gegenstände und Subjekte des Wissens und Erken¬

nens entweder nicht deutlich genug hervortreten lassen oder da, wo sie es

tun, so im Kreise ihrer eigenen Tradition verbleiben, daß eine Kombination

der Aussagen unstatthaft ist. Dies betrifft zuerst und vor allem das Gottes¬

appellativ selbst, Mazdä: man möchte fragen, was der Weise weiß, wessen

der Kundige kundig ist, und sieht sich dann ohnehin auf den ganzen Kreis

von Aussagen gewiesen, die auf den Grund führen könnten, weshalb dieses

Wort in erst nach und nach enger werdender Verbindung dem älteren Ahura

hinzugefügt worden ist. Es betrifft zweitens Spdnta oder SpdniMa Mainyu

und Vohu oder VahiSta Manah, die beide als zur Wurzel man- gehörig

Aufschluß über das Organ des Erkennens und Denkens, auch des Wissens

und Wollens, erwarten lassen. Allein wo, vor allem bei Vohu Manah und

seihst wo Manah allein steht (nur einmal: Y 31,8 manayhä), der bevorzugte

Instrumental einem Verbum zugeordnet ist, das zur Bedeutungsgruppe

, .wissen, denken, erkennen" gehört, und erst recht in den Fällen, wo keine

solche Zuordnung vorliegt, erweist sich die liturgische Gebundenheit der

Sprache als so stark, daß die Gestalthaftigkcit, ja fast die Personalität dieser

Geistbegriffe und damit ihre Umsetzbarkeit innerhalb liturgischer Formeln

es nicht gestatten, sie auf einen Wissens- oder Erkenntnisvorgang zu bezie¬

hen. Das gilt gerade auch für Vohu Manah, bei dem es sich hier anders

verhält als bei seinem späteren Derivat, dem vahman bzw. manuhmed der

mittelpersisch- und parthisch-manichäischen Texte. Die Schwierigkeit, von

substantivischen Geistbegriffen auszugehen, bestätigt sich drittens bei ver¬

schiedenen Bezeichnungen für das Selbst des Menschen, das doch, als sein

inneres Wesen oder geistiger homunculus in homine, wie jedes geistige Ich als

Organon zumal des Wissens und Erkennens plausibel sein könnte. Die

Aussagen über daenä- und cisti- geben dafür keine Belege her, wie ausführh¬

cher dargetan werden könnte. Dasselbe gilt schließlich, viertens, für Begriffe

wie xratu- und urvan-, bei denen man eine historisch-psychologische Inter¬

pretation noch am ehesten wagen würde : von ihrer Etymologie her oder wo

sie mit Verben des Denkens, Wissens und Erkennens nicht zusammenstehen,

sind sie semantisch, d. h. was das Verhältnis zu ihrer Bedeutung, und

syntaktisch, d. h. was ihr Verhältnis untereinander und zu anderen Geistbe-

grifFen anlangt, unergiebig; wo sie aber mit solchen Verben zusammenste-

(3)

hen, da ist es der d\u"ch eben diese Verben geprägte Zusammenhang, der zur

Bedeutungsbestimmung verhilft. Abermals also wird man auf ganze, finite

Verbalsätze gewiesen, und dann natürlich einerlei, ob jene bisher genannten

GeistbegrifFe in ihnen vorkommen oder nicht.

Es empfiehlt sich, die Aussagen zunächst nach dem Subjekt der Erkennt¬

nis zu ordnen, soweit dies grammatisch nicht kontrovers ist (einige ganz

umstrittene Aussagen müssen außer Betracht bleiben) ; sodann ist eine, diese

erste Ordnung durchkreuzende, Ordnung nach den Gegenständen der Er¬

kenntnis ins Auge zu fassen. Aus dem Verhältnis zwischen Zugehörigkeit und

Nichtzugehörigkeit bestimmter Erkenntnisgegenstände zu bestimmten Er¬

kenntnissubjekten soll sich dann eine Erkenntnisart ergeben, deren Um¬

schreibung über den unmittelbaren Textbefimd hinausgeht.

a) Aussagen über Gott als Wissenden

Y 28,10 Gott kennt (vöistä, 2. sg.ind.perf.) bestimmte Menschen als solche,

die aus Asa gerecht und aus Vohu Manah würdig sind ;

Y 29,4 Gott, der beste Kenner {mairiStö, part.) von sax^ärS (Hmz : Heimlich¬

keiten, Humbach: Verkündigungen, Duchesne-Guillemin: Plänen),

möge beachten . . . (pairi. bzw. aipi. cidit, 3. sg.opt.aor.) ;

Y29,6 Gott kennt oder weiß wohl (vidvä, part.) vafüs (Hinz: Fügungen,

Humbach: Geheimsprüche, Babtholomae: Satzungen);

Y 29,11 Gott, zusammen mit Menschen und Amosa Spantas, wird gebeten:

erkennt mich an (paiti. zänalä, 2. pl.imp.) für den großen maga- ;

Y 30,1 Gott ist einfach der Wissende (viduie, Asit.v.vidva);

Y 31,2 Gott kennt (vaedä, 3. sg. ind. perf.) den rechten Weg (Humbach) oder

den, der die beiden Lose richtig beurteilt (Hinz) ;

Y 45,6 Gott soll den Zarathustra in den höchsten Dingen unterweisen (sästü,

3. sg. imp.) ;

Y 46,7 Gott soll dem Zarathustra das Wissen (dqstvqm) verkünden (frävaocä,

2.sg.imp.), wer sein Beschützer in der Not sein wird;

Y 46,10 Gott kennt (vöistä) die besten Güter des Lebens;

Y 46,19 Gott weiß am besten (vaediMö, part.), wie dem Zarathustra sein

Priesterlohn zuteil wird, und worin dieser besteht ;

Y 48,3 Gott kennt (vidvä) die geheimen Sprüche (Lommel) ;

Y 51,8 man spricht zu Gott wie zu einem Wissenden (zweimal viduSe), der

weiß, was Zarathustra weiß, nämlich daß dem Lügenknecht Böses droht

und es dem an Asa Festhaltenden nach Wunsch ergeht ;

Y 51,22 Gott weiß (vaedä), wer Zarathustra den besten Lohn geben wird.

Das sind dreizehn Aussagen, zwei davon (29,4 und 51,8) mit Wiederholun¬

gen. Viermal wird Gott in der zweiten Person als Wissender angesprochen,

davon zweimal im Indikativ und zweimal im Imperativ. Dreimal wird von

(4)

Wissen und Erkennen in den Gathas 459

Gott in der dritten Person als von einem, der weiß, gesprochen (einschl. Y

45,6, wo ein Wissen vorausgesetzt ist). Sechsmal dient ein Partizip oder

Adjektiv, um Gott als Wissenden oder Kenner zu bezeichnen: mairiStö

(29,4), vidvä (viermal), vaediMö (46,19). Damit ist aber allenfalls der explizite

Befund angegeben. Implizit wird auf Gott als Wissenden weit häufiger

angespielt, darunter auch in rhetorischen Fragen (wie 43, 9 oder 48, 2), in

denen seine Unterscheidungsfähigkeit vorausgesetzt wird.

b) Aussagen über Zarathustra als Wissenden

Y 28,5 Z. erkennt (vaedamnö, part, med.) Vohu Manah;

Y 28,10 Z. kennt {vaedä) Lobeshymnen;

Y31,5 Z. begehrt, das Bessere genannt zu bekommen, um dies, d. h. das

durch Asa Gegebene, unterscheiden (vicidyäi, mf., d. h. sich dafür zu

entscheiden, Benvenistb, Infinitifs S. 81: pour que je m'y rallie) und

davon durch Vohu Manah wissen (viduye, inf.) zu können;

Y 31,19 Z. als ahüm.bis und vidvä hat auf die Zaubersprüche der Gegner

gelauscht (oder Hinz: man soll auf ihn lauschen, der rechte Worte zu

sprechen weiß) ;

Y 34,9 Z. ist Ahuras Kenner/Eingeweihter (viduSö, gen. von vidvä), der

Armaiti schätzt ;

Y 43,4.5.7.9.11.13.15 Z. erkennt (zuerst ni§nghäi, 1. sg. subj. aor. med., dann

m§nghi, 1. sg. ind. aor. med.) Ahura Mazdä als Sponta in allen seinen

Werken, insbesondere als oder indem er von ihm zuerst oder über das

Erste belehrt wurde (11: didaiyhe, 1. sg. ind. praes. med.; Humbach);

Y 44,3 Z. begehrt zu wissen (viduye), wer Sonne, Gestirne und alles andere

geschaffen hat ;

Y 44,11 Z. erkennt mit/oder: wird erkannt (fravöivide; crux interpretum)

von denen, zu denen Armaiti gedrungen ist ;

Y 45,4 Z. kennt (vaedä) den Schöpfer des Daseins bzw. des Guten Gedan¬

kens;

Y 48,9 Z. fragt, wann er wissen wird (vaedä, 1. sg. ind. perf.), wie Gott mit

seinen Gegnern verfahren wird.

Es handelt sich also, wenn man sich an die reine Wissensterminologie hält,

um zehn Aussagen, zuzüghch der Wiederholungen in Y 43. Zählt man diese

mit, so halten sich die Bildungen von vid-jvaed- und von man- etwa die

Waage. Es wären jedoch eine Reihe von Ausdrücken für das Schauen, das

Erfassen und ähnlich bezeichnete Akte hinzuzuzählen, mit denen sich Zara¬

thustra zu Ahura Mazdä in Beziehung setzt. Oft stehen sie parallel zu den

Ausdrücken für das Wissen und Erkennen und dürfen dann von ihnen her

interpretiert werden ; oft stehen sie aber auch für sich und legen durch ihre

Anzahl - ihr quantitatives Verhältnis zu den Wissensausdrücken wäre zu

(5)

untersuchen - die Vermutung nahe, daß es sich iun ein gleichsam diffuses

Feld von Beziehungsbegriffen handelt, aus denen diejenigen, welche die

Beziehungen Zarathustras zu Gott, Menschen oder bestimmten Gegebenhei¬

ten bzw. Erfordernissen als ein Wissen oder Erkennen fassen, keinesfalls als

spezifische herauszuheben sind. Dies berechtigt umgekehrt dazu, die Kon¬

kordanz zu den beiden genannten Hauptverben nicht mechanisch in einen

Aussagenkatalog umzusetzen, sondern einige Wendungen als unspezifisch zu

übergehen (z. B. vidus in Y 45,8, das offenbar eine blassere Bedeutung hat als vidvä). Dasselbe gilt für die Gruppe der

c) Aussagen über den Menschen als Wissenden

Y 31,12 Die Wendung, ob bei den Gegnem ein Wissender {vidvä) oder ein

Nichtwissender {dvidvä) sich befindet, ist eine chiastische Parallele zu der,

ob unter ihnen ein falsch oder ein recht Redender wirkt ;

Y 31,17 Der Wissende {vidvä) soll zum Wissenden {vidu&e) sprechen, der

Nichtwissende {dvidvä) soll nicht irreleiten ;

Y 31,22 Dem Guthandelnden als einem, der durch Denken {manayhä) weiß

{vaeddmnäi, dat. part, med.), ist alles klar (Lommel), wird Glanzvolles

zuteil (Humbach) ;

Y 46,9 Wer ist der Gedeihbringer/Betreuer {arddrö), der als erster erkennen

wird {cöidat, 3. sg. subj. aor. act., Humbach), daß Gott der stärkste,

schnellste, Heilvolle ist ?

Y 46,13 Wir erkennen {mShmaidi, 1. pl. inj. s-aor. med., Humbach) als guten

Freund, wer sich auf Zarathustras Seite stellt ;

Y 48,2 Es ist bekannt {vistä, part. perf. pass.), was gute Gestaltung des

Daseins ist, nämlich die Besiegung des Lügners;

Y48,9 Der Saosyant (Zarathustra selbst?) sollte/möchte wissen {vidyät, 3.

sg. opt. perf.), wie sein Los sein wird, bzw. welche Vergeltung seiner harrt.

Daneben gibt es unspezifische Aussagen wie Y 29,3, wonach man nicht

wissen kann {nöit viduye), wie die Hohen gegen die Geringen vorgehen

(Lommel). Die genannten Belege zeigen, daß der Mensch nach dem Vorbild

Zarathustras bem:teilt wird, und daß die Entscheidung - unter ihrem Aspekt

würde auch der inf. vicidyäi Y 49,6 mit hierher gehören - für Ahura Mazdä

und die rechte Ordnung, d. h. das gute Denken, Reden imd Handeln, nicht

emotionale Nachfolge ist, sondern auf Einsicht beruht. Damit ist freilich die

ganze Anthropologie Zarathustras in die Frage nach der Funktion von

Wissen und Erkennen bei ihm hineingezogen. Deshalb läßt sich vorerst nur

sagen, daß Wissen und Erkennen im Gesamtverhalten des ASavan integral

fungieren, nicht aber daß darin eine rationale Komponente besonders betont

wird.

(6)

Wissen und Erkennen in den Gathas 461

d) Gegenstände der Erkenntnis

Hier exakte Angaben zu machen, ist deshalb schwierig, weil dem Wissen

und Erkennen die Objekte oft nicht eindeutig zuzuordnen sind. Eine gewisse

Kongruenz zwischen Ahura Mazdä und Zarathustra scheint aber hervorzu¬

treten, und ihr fügen sich die schwächer profilierten Aussagen über den

Menschen im allgemeinen ein.

a) Die Aussagen einer ersten Gruppe sind reziprok aufeinander beziehbar :

Gott und Zarathustra erkennen einander als die Richtigen. Gott kennt oder

weiß aus Asa die Gerechten und aus Vohu Manah die Würdigen (Y 28,10);

den Zarathustra als des Maga würdig (Y 29,11); den, der beide Lose richtig

beurteilt (Y 31,2). Zarathustra kennt oder weiß Vohu Manah (Y 28,5), Ahura

Mazdä als Sponta (Y 43, siebenmal), Mazdä (Y 34,9), Ahura als Schöpfer (Y

44,3; 45,4).

ß) Ahura Mazdä (Y 29,4.6; 48,3) und Zarathustra (Y 31,19) kennen beide

die heimlichen Zaubersprüche der Gegner.

Y) Nach den Aussagen einer dritten Gruppe kennen beide ,,das Beste", das

Los der Guten und Bösen o. ä. Gott weiß, wer Zarathustras Beschützer in der

Not sein wird (Y 46,7), wie Zarathustras Priesterlohn beschaffen sein (Y

46,19), und wer ihn geben wird (Y 51,22); das alles ist das Beste (Y 45,6;

46,10). Zarathustra kennt das ihm Bestimmte (Y 31,5) und will wissen, wie

mit seinen Gegnern verfahren wird (Y 48,9). Ahura Mazdä wie Zarathustra

wissen, daß dem Lügenknecht Böses droht, und daß es dem an Asa Festhal¬

tenden nacb Wunsch ergeht (Y 51,8).

S) Beide kennen die Lobpreisungen, Ahtua Mazdä die für ihn selbst (Y

30,1), Zarathustra die für Ahura Mazdä bestimmten (Y 28, 10).

Der Mensch kennt oder weiß die richtige Partei, die Zarathustras (Y

31,12.17; 46,13), die gute Gestaltung des Daseins (Y 48,2), er ist ein

Guthandelnder durch Denken (Y 31,22); er kennt die Eigenschaften Gottes

(46,9), und er kennt - als SaoSyant, wer immer damit gemeint ist - sein Los

(Y 48,9). -

Soviel auch im einzelnen noch zu untersuchen sein wird, dreierlei wird man

über die Struktur von Wissen und Erkennen in den Gathas schon sagen

dürfen: Es handelt sich nicht um Mysterien wissen ; Worte, von denen aus

man dergleichen angenommen hat, namentlich vafu- in Y 29,6 und güzra- in

Y 48,3, meinen, wenn sie überhaupt eine derartige Bedeutung haben (vgl.

Bartholomae, Air. Wb. 1346 und 525), das, was die Gegner der Zarathustra-

Gemeinde vor dieser geheimhalten. Ferner: Es handelt sich bei dem Wissen

nicht um eine Tradition ex illo tempore; es ist als solches durch die

Offenbarung seitens Ahura Mazdä's, durch Hören/Schauen bei Zarathustra

in offenbar einer ganzen Reihe konkreter Situationen gebrochen und wird in

diesen Situationen und für sie neu begründet. Schheßhch : Die Wissenskon-

(7)

gruenz zwischen Ahura Mazdä und Zarathustra ist, seihst wo sie sich auf

personale Gegenseitigkeit einstellt, nicht auf ein punctum mathematiciun

zuzuspitzen und hat kein Ineinanderaufgehen etwaiger Erkenntnisorgane

wie in einer unio mystica zm- Voraussetzung.

Angeschlossen seien einige Bemerkungen zu den vier eingangs genannten

Aufgaben.

1. Die Porderung, Ableitungen von derselben Wurzel auch etymologisch

zu übersetzen, dürfte sich nicht verwirklichen lassen. Sie ist darüber hinaus

nicht einmal sachgemäß. Die Subjekt-Objekt-Relation war so, wie sie aus

bestimmten historischen Gründen unseren Sprachgebrauch mitbestimmt, in

Zarathustras Zeit und Denken nicht gegeben, und es gibt im Deutschen eine

Reihe unverzichtbarer Substantive, die zu keinem Verbum eine ursprüngh¬

che Beziehung mehr haben - wie ,, Geist" -, oder deren Bedeutimg sich

anders entwickelt hat als die des zugehörigen Verbums - wie von ,, Vernunft"

und ,, vernehmen" -, so daß bei Erfüllung jener Forderungen ganz irrefüh¬

rende Übersetzungen herauskämen.

2. Zwei Beispiele zur Klärung schwieriger Stellen; aus B. Schlerath's

Index locorum S. 73 und 46 können nur wenige Interpretationen angeführt

werden. Bei Y 44,11 az3m töi äis paouruye* fravöivide ist zunächst zu

entscheiden, ob die Stelle überhaupt in unseren Zusammenhang gehört. Das

wäre nicht der Fall nach Reichelt (Elementarbuch S. 290: ,,Ich ward dazu

von dir zu Anfang ausersehen"), Nybeeg (Rel. d. alten Iran S. 117f : ,,Zu

diesem Zweck bin ich von dir am Anfang abgesondert worden"), Duchesne- GtrHiLEMiN (,, C'est moi qui, pour ce faire, fus choisi par toi, dös l'origine")

und Lommel (,,Ich bin dazu von dir zu Anfang auserlesen worden"); sie

folgen wohl alle stillschweigend Babtholomae Sp. 1319, der die Verbalform

als 1. sg. praes. med. von (frä -f-) Haed- ,, finden" deutet. Hingegen stellen

drei neuere Deutungen die Aufgabe, wenigstens in den Gathas ohne die

Annahme eines Homonyms auszukommen, was nicht ausgeschlossen er¬

scheint, auch nicht bei den anderen für ^vaed- in Anspruch genommenen

Stellen: I. Gershevitch in der Rezension der englischen Ausgabe von

Duchesne-Guillemin (JRAS 1952, S. 176), dem Hinz folgt (,,Ich ward von

ihnen von Anfang an als Dein erkannt"); und Humbach (,,Ich erkenne mit

ihnen deine uranfänglichen Eigenschaften"), der die Verbalform als 1. sg.

ind. praes. med. des Intensivums von (fra +) vid- (= Babtholomae's Haed-)

erklärt, sie aber auf Grund von Y 33,8 transitiv übersetzen zu müssen meint.

Gegen diese Interpretation wäre im Rahmen der unter ,, Zarathustra als

Wissender" zusammengestellten Belege jedenfalls nichts einzuwenden; die

transitive Übersetzung allerdings macht Schwierigkeiten, und das führt zu

der Interpretation v^on Gershevitch und Hinz, die als Subjekt des Erken¬

nens alle auf Ahura Mazdäs Seite gehörigen Wesen, also wohl auch die Amoäa

Spontas, einführen würde.

(8)

Wissen und Erkennen in den Gathas 463

Y 32,5 yä fracinas dngvantdm xSayö erklärt Benveniste (Infinitifs S. 35f )

gegen Babtholomae, der in xiayö einen Infinitiv ,,um zu verderben" sieht;

es handele sich um ,,le neutre x&ayah- ,, pouvoir", qu'il soit sujet ou r6gime de

fracinas" . Humbach übersetzt im Kontext ,, woran der Herrscher den Trug¬

haften erkennt" und stellt im Kommentar anheim ,, wodurch man den

Trughaften zur Herrschaft bestimmt". Hinz holt das problematische ver¬

bum finitum fracinas ,,er lehrte, brachte bei" einen Vers weiter nach vorn

und übersetzt den Rest ,,auf daß die Macht an den Lügenknecht (komme)" ;

ähnlich Lommel: „gelehrt hat" ist für ihn Prädikat zu ,, Böser Geist", der

Rest wird übersetzt: ,, damit dadurch der Lügner herrsche". Hinz und

Lommel folgen damit Babtholomae Sp. 431, der das Verbum als 3. sg.

praes. (sc. seine 8., d. h. die nach Sanskrit-Gewohnheit 7. Klasse) act. von

(/ro +) ^kaeS- , .lehren" erklärt. Humbach meint mit seiner bevorzugten Übersetzung, ,,die in fracinas die Wz. cid voraussetzt" (Bd. 2 S. 34), offenbar eine 7. Praesensklasse von Babtholomaes kaet- , .bedenken, bedacht sein",

mit der anhehngestellten aber eine solche von Babtholomaes (frä +) ^kaeS-

, .zurichten, bereiten", wobei jedoch das Subjekt ,,man", wie aus einem

Passiv umgesetzt, nicht einleuchtet. Hier wäre auf Grund des über den

Menschen als Wissenden Gesagten die Übersetzung von (frä -\-) kaet- als

, .erkennen" auszuschließen; für das ,,hat gelehrt" im Sinne von ,,hat wissen lassen" hingegen ist der Böse Geist als Subjekt problematisch. So wird man

Humbachs anheimgestellte Übersetzung bevorzugen, jedoch mit dem Bösen

Geist als Subjekt ; diese Auffassung liegt offenbar hinter der freieren Überset¬

zung von Geldner (Rel. gesch. Lesebuch P, S. 3) ,, durch das er dem

Falschgläubigen die Herrschaft versprochen hat".

3. Über das Verhältnis zum vedischen Wissen gäbe es sehr viel zu sagen.

Ein gewichtiger Unterschied scheint der zu sein, daß das vedische Wissen

zuerst und vor allem den korrekten Opfervollzug zum Inhalt hat, einschlie߬

lich der Mythologie der beteiligten Götter und der Ätiologie der entstehen¬

den Polgen. Bei Zarathustra ist zwar auch das Wissen um das, was das

Richtige, die Wahrheit ist, von dessen kultischer Manifestation nicht zu

trennen; es ist das Verdienst des Kommentars von H. Humbach und

von Aufsätzen von P. Thieme und M. Boyce, dies gründlich eingeschärft zu

haben. Allein es kommt ein dem Vedischen fremdes Moment dadurch hinein,

daß Zarathustra die Intentionen des einst sicher indo-iranischen Kultes

prophetisch neu ausrichtet. Auch bei den vedischen Rsis gab es zwar

Neuorientierungen auf Grund von Offenbarungen, doch sind diese in der

Überlieferung, wie sie vorliegt, abermals zu Tradition zusammengeronnen.

Auch würde man den Traditionsbruch unterschätzen, den Zarathustra her¬

beiführte, wenn man ihn als einen Rsi sähe, wie deren in vedischer und

hinduistischer Überlieferung immer nur mehrere in fast kanonischen Reihen

genannt werden.

(9)

4. Das gnostische Wissen unterscheidet sich vom gathischen dadurch, daß

es an die Stelle aller anders ausgedrückten und also empfundenen Beziehun¬

gen zwischen dem Menschen und der Gottheit getreten ist, vor allem aber

dadurch, daß es eindeutig Funktion eines Erkenntnisorgans geworden ist,

das prinzipiell die Stelle beider Erkenntnispartner eingenommen hat. Für

den manichäischen Nachfolger von Vohu Manah z. B., den Vahman der

südwestiranischen und Manuhmed der parthischen Texte, bedeutet dies

insbesondere, daß aus seinem Fungieren auf göttlicher und auf menschhcher

Seite eine Zerspaltung zu zwei Hypostasen geworden ist, deren jede wegen

ihrer Konsubstantiahtät und ihres gegenseitigen Aufeinanderwirkens als

salvator wie als salvandus bezeichnet werden muß. Von keinem Geistbegriff

in den Gathas kann dies gesagt werden, und kein Wissen und Erkennen

führte dort ausschließhch und in des Wortes strenger Bedeutung zur Erlö¬

sung, d. h. zur Erlösung des einzig Erlösenswerten, des Erkenntnisorgans.

Möchten die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, daß die Zeit für

eine gründliche monographische Behandlung des Themas reif ist.

(10)

DER FATALISMUS IN DER PERSISCHEN EPIK

UND SEIN WESENSZUG

Von M. Ebadian, Hambubg

Der Fatalismus in der persischen Epik wurde von Helmer Ringgben

behandelt und von R. C. Zaehneb in seiner Studie über den Zarwanismus

hervorgehoben. Diese Autoren haben den Fatalismus getrennt von dem Stoff

und der Thematik der betreffenden Epik, und zwar in bezug auf das

, ,Zarwanisti8che Schicksal" untersucht.

In diesem Aufsatz wird der Versuch unternommen, den spezifischen

Charakter dieses Fatalismus aufgrund des Inhalts der betreffenden Epik

anzudeuten.

Der Fatalismus des Schähnäme

Das Schähnäme stellt einen mythologischen, auf der Feindschaft der zwei

Prinzipien der altiranischen Rehgion basierenden Stoff dar. Der Konflikt

dieser Prinzipien bewirkt eine Strömung, deren Macht das Tun der einzelnen

Gestalten beeinflußt. Sie ist eine abstrakte Macht, in deren Mitte die

Gestalten handeln. Die Mythenatmosphäre, die nichts anderes ist als die

phantasiemäßige Auseinandersetzung dieser Prinzipien, beherrscht das

Leben des Schähnäme-Menschen. Es handelt sich sozusagen um einen my¬

thologischen Fatalismus. Diese Mythenvorbestimmung erscheint dem han¬

delnden Einzelnen als eine äußere Macht, die seinem Willen zuwider wirkt.

Dieser Zustand bildet den Grund zum Konflikt zwischen dem Einzelnen

und der abstrakten Mythenmacht. Tatsächlich ist im Schähnäme und Wis u

Rämin ein Konflikt dieser Natur zu spüren, ein Konflikt, der im Schähnäme

den latenten Hintergrund bildet, in Wis u Rämin aber in den Vordergrund

tritt. Dieser Konflikt taucht gelegentlich auf. Das Erscheinen der Scluck-

salsausdrücke bzw. des Schicksalsmotivs ist Ausdruck dieses Konflikts. Da

die Herrschaft dieser Mythenatmosphäre absolut erscheint und der handeln¬

de Einzelne keine andere Wahl hat, als sich damit abzufinden, hat das

Sehicksalsmotiv eine resignierende Stimmung :

,,0h, gute Mutter", sagte er,

diesem Weg kann ich nicht dem Wunsch nach weichen;

du machst mich mit deinem Kummer immer tram-ig,

vergeblich setzt du Hoffnung auf Gott ;

so wurde mir das Schicksal zugeteilt,

begnadige meinen Körper und meine Seele". (274-6/90/II) 31 Or.-Tag 1973

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