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Am Ende schließlich werden die Vergangenheitsgeschichte, das eigenthche Jätaka, und die Gegenwart des Buddha in der Verknüpfung (samodhäna) miteinander verbunden

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Von Oskar von Hinüber, Freiburg

Der Inhalt der Jätaka-Sammlung im Khuddakanikäya des Tipitaka des Theraväda-

Buddhismus hat seit Bekanntwerden der Texte im vergangenen Jahrhundert vielfältige

Beachhmg' gefimden. Die Betrachtimg der Form stand dahinter immer weit zurück.

Zwar gehört es zum indologischen Allgemeinwissen, daß ein jedes Jätaka mit einer

Emleitung, der Gegenwartsgeschichte (paccuppannavatthu), beginnt, die den Anlaß für die Erzählung der folgenden Geschichte aus der Vergangenheit (atitavatthu) mitteilt, in die wiedenim der eigentlich kanonische Teil eines Jätaka, die Verse (gäthä), eingelagert sind. Unmittelbar an diese schheßt sich, die Erzählung unterbrechend, eine Worterklä¬

rung (veyyäkarana) an. Am Ende schließlich werden die Vergangenheitsgeschichte, das eigenthche Jätaka, und die Gegenwart des Buddha in der Verknüpfung (samodhäna) miteinander verbunden. Über die Feststellung dieser sehr allgemeinen Tatsachen hinaus fand die literarische Form sonst nur in der teilweise recht heftig geführten Diskussion um die sogenaimte äkhyäna-Theone einige Auftnerksamkeit.^

Hier sollen daher einige wenige Bemerkungen zu der so sehr vemachlässigten Form

der Jätakas, zunächst zu der Sammlung als ganzer, dann zu den einzelnen Texten,

folgen.'

So wie wir die Sammlung heute kennen, enthält sie 547 Jätakas. Diese seltsame, krumme Zahl könnte in einer vergleichsweise jungen Vergangenheit durch Textverlust entstanden sein. Denn noch zu Beginn unseres Jahrtausends gab es in Birma eine Samm¬

lung mit 550 Jätakas.

Eine Serie von Terracotta-Tafeln im Hpetleik-Tempel in Pagan, von denen jede ein Bild aus einem Jätaka enthält, ist von Inschriften begleitet. Der beigegebene Titel und die Nummer des jeweiligen Textes" lassen erkennen, daß heute Nr. 497. Veläma-ja,

' Einen guten Überblick über die Forschung gibt J.-P. Laut in der Enzyldopädie des Märchens, 7 (1993), s.v. Jälalui, wo jedoch der Mythos von der einstigen singhalesischen Fassung der Jätaka-Prosa wiederholt wird (S. 501a): vgl. O. V. HINÜBER: A Handbooli of Päli Literature. Berlin 1966 (Indian Philology and South Asian Studies.2.), § 114, Anm. 190; dieses Werk ist im folgenden als "Handbook" zitiert.

^ Die Diskussion ist zusammengefaßt von L.ALSDORF: The Äkhyäna Theory Reconsidered 1963.

Wiesbaden 1974 (= Kleine Schriften), S. 36-48.

' Eine ausfiihrliche Untersuchung der hier nur angedeuteten Entwicklung der Jätaka-Sammlung ist in Vorbereitung.

* G. LUCE: ne 550 Jätakas in old Burma. Artibus Asiae 19 (1966), S. 291-307.

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Nr. 498. Mahägovinda-ja, Nr. 499. Sumedhapandita-ja fehlen.* Dabei fälh auf, daß nicht etwa willkürlich über die gesamte Sammlimg verstreut hier und da ein einzelnes Jätaka fehlt, was bei zufälligen Verlusten zu erwarten ist, sondem daß es sich um eine Folge von drei Jätakas handelt. Warum dies so ist, wird verständlich, wenn man den Gesamt¬

aufbau der Jätaka-Sammlung betrachtet.

Diese ist bekanntlich wie andere Verssammlimgen im Theraväda-Kanon auch nach

der Anzahl der Verse in jedem einzelnen Jätaka angeordnet,' und zwar von 1 bis 13

Versen fortlaufend, wobei zugleich die Zahl der Jätakas in jeder Gmppe abnimmt: Im Ekanipäta stehen 150 Jätakas, im Terasanipäta nur noch 10.

Auf den Terasanipäta folgt der Pakinnakanipäta, in dem, wie der Name andeutet,

Jätakas von verschiedener Länge zusammengefaßt sind. Einige haben 15,17 oder 18

Verse, andere jedoch sogar 20, 25 oder gar 47 Verse. Dies ist umso bemerkenswerter, als auf den Pakinnakanipäta die Nipätas mit 20 bis 80 Versen folgen, in denen die Jätakas

mit 20 und mehr Versen aus dem Pakinnakanipäta eigentlich ihren natürlichen Platz

finden. Dadurch wird ein Bmch in der Textanordnung deutlich. Zudem sollte ein

Pakinnaka am Ende, aber nicht mitten in einer Sammlung stehen.

In der alten birmanischen Rezension endete der Pakinnakanipäta mit dem Jätaka Nr.

499. Damit zerfällt die Jätaka-Sammlung m emen ersten Teil mit 499 und einen zweiten mit 51 Jätakas, abgerundet also in 500 und 50 Jätakas. Nach dieser Feststellung wird leichter verständlich, warum gerade die Jätakas Nr. 497-499 der alten birmanischen

Rezension heute fehlen: Sie stehen gleichsam an einer Bmchstelle der Struktur der

Gesamtsammlung, die für Zusätze wie für Verluste besonders empfindlich ist.

Geht man nun versuchsweise davon aus, daß die Jätaka-Sammlung m ihrer vorliegen¬

den Form aus zwei Teilen zusammengesetzt ist, nämlich aus 500 Texten, die 1 bis 13

Verse enthalten, wenn man von dem seiner Natur nach unregelmäßigen Pakinnaka

absieht, und dann aus einem zweiten Abschnitt mit Jätakas mit 20 bis 786 Versen im

Vessantara-ja, dann wird ein weiteres deutlich. Der kanonische Textbestand, nämlich allein die Verse, gehören in den beiden Teilen zu verschiedenen Literahirgattungen.

Wenn man nämlich bedenkt, daß die Hälfte der 500 Jätakas nur em oder zwei Verse

enthält, so ist dies ganz offenkundig viel zu wenig Text, um darin eine Geschichte aus

einem früheren Leben des Buddha mitzuteilen. Es handelt sich vielmehr um eine Art

Spruchsammlung, deren einzelne Sprüche bekanntlich nicht einmal immer typisch

buddhistische Inhalte vermitteln. Allein die begleitende Prosa macht diese Sprüche zu Teilen eines Jätaka und läßt so den Gesamttext überhaupt erst zu einem Jätaka werden.

Anders verhält es sich mit den letzten 50 Jätakas, da mit 20 und mehr Versen die

' Ders.: Old Burma - Early Pagän. New York 1970 (Artibus Asiae Supplementum. 25.) Vol. 11 Catalogue, S. 84, zu Vol. III Plates 109 a-c.

' Zur Anordnung der Hymnen des Rgveda nach der abnehmenden Zahl der Strophen pro Lied: M. Witzel:

Rgvedic history: poets, chieftains and polities. In: The Indo-Aryans of Ancient South Asia. Ed. by G. Erdosv. Berlin 1995 (Indian Philology and South Asian Studies. 1.), S. 307-352, bes. S. 309.

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Möglichkeit durchaus gegeben ist, allein in den Versen und ganz unabhängig von der Prosa ein früheres Leben des Buddha zu erzählen. Man karm also, jedenfalls im großen und ganzen, den 500 Sprüchen am Anfang der Sammlung 50 "Kleinepen" entgegenset¬

zen.

Wenn man mm einigen alten Mitteilungen aus der Theraväda-Literatur Vertrauen

schenken will, so scheinen diese tatsächlich anzudeuten, daß es einmal eine kürzere

Sammlung mit nur 500 Jätakas gegeben haben könnte. Denn wenn im CuUaniddesa wohl

im 2. Jh. n. Chr.' einige Suttantas in einer altertümlichen Form wie Mahäpadäniya- suttanta gegenüber dem neueren, allgemein gebräuchlichen Mahäpadäna-suttanta zitiert werden, wird an derselben Stelle auch mitgeteilt: "Wenn der Erhabene die 500 Jätakas vorfrägt, weist er auf die Vergangenheit seiner selbst und anderer hin" , Nidd II 80,4f = B'' 164,17. Gewöhnlich sieht man hierin eine runde Zahl, doch körmte es sich um eine genaue Angabe handeln, die etwa 250 Jahre später durch Fa-hsien bestätigt wird. Denn der chinesische Pilger sieht tun 410 n. Chr. Darstellungen von eben 500 Jätakas an beiden Seiten des Weges, den die Zahnreliquie nimmt.* Schließlich werden ein wenig

später, gegen 480 n. Chr., also etwa gleichzeitig mit der Samantapäsädikä, der

Theraväda-Vinaya und das "Sütra der 500 Jätakas" ins Chinesische übersetzt.'

Diese wenigen Hinweise auf eine Jätaka-Sammlung mit nur 500 Texten enden also

kurz vor dem Jahre 500 n. Chr. Dies Datum hegt bereits später als die erste große

Kommenüenmg des Theraväda-Kanons, die mit dem Namen Buddhaghosa verbimden

ist. In diesen Kommentaren lesen wir zuerst von den 550 Jätakas, wenn im Kanonkata¬

log oder bei der Nennung der neun Angas unter dem Stichwort jätaka ausgeführt wird

"die 500 + 50 Jätakas, die mit dem Aparmaka-ja beginnen", Sp 28,22 = Sv 24,10 = Ps II 106,21 = Mp III 6,7. Ein wenig anders formuhert die nicht von Buddhaghosa stammende Atthasälini: "SVi hundert Jätakas", As 31,34. Hier ist also bereits die noch immer gültige Zahl erreicht, obwohl die Jätakatthavaiinanä in ihrer heutigen Form noch nicht geschaf¬

fen war.

Dies fiihrt nun weiter von einer Betrachtung der Gesamtsammlung zu den Einzel¬

texten. Dabei kommt der sprachlichen Formalisierung der Anfänge von Gegenwarts-

sowie Vergangenheitsgeschichte und deren Verknüpfung besondere Bedeutung zu.

Wohlbekannt ist der Anfang des eigentlichen Jätaka mit at'ite Bäränasiyam Brahmadatte rajjam kärente bodhisatto ... nibbatti "emst, als Brahmadatta in Benares regierte, wurde der Bodhisattva ... geboren". Dieser Anfang gih für die bei weitem überwiegende Zahl der Jätakas, doch keineswegs ausschließlich.

Ganz am Anfang eines jeden Jätakas wud das erste Versviertel oder nur das erste

' Vgl. Handbook, § 118.

«Vgl. Handbook, § 114.

' Diese Übersetzungen sind nicht überliefert nach Bangwei Wang: Buddliist Nikäyas through Ancient Chinese Eyes. In: Untersuchungen zur buddhistischen Literatur Sanskrit-Wörterbuch der buddhistischen Texte aus den Turfanfunden. Beiheft 5. Göttingen 1994, S. 165-186, bes. S. 172.

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Wort der ersten Gäthä gleichsam als Überschrift genannt. Wie die Reliefs in Bhärhut zeigen, reicht dieses Verfahren sehr weit in die Vergangenheit zurück.'"

Dann folgt der erste, formalisierte Satz des Paccuppannavatthu: idam satttiä - loc.

- viharanto - acc. - ärabbha kathesi "dies erzählte der Lehrer, als er in N. weilte imd von Z. seinen Ausgangspunkt nahm". Dies ist die verkiü-zende Zusammenfassung eines längeren Satzes, der nur in den ersten fünf Jätakas voll ausgeschrieben wird.

Auch der Übergang des Paccuppannavatthu in das Atitavatthu ist eine Abkürzung, wie aus einer redaktionellen Anmerkung im Paccuppaimavatthu des 13. Kandinna-ja (Ja I 153,28-154,4) hervorgeht: iti vatvä atltam ähari. Ja I 157,19 "nachdem er so gesprochen hatte, zog er die Vergangenheit heran".

Die Verse werden oft mit imä gäthä abhäsi "sprach er diese Verse" eingeführt.

Schließhch werden Vergangenheit und Gegenwart wieder zusammengeführt mit:

satthä imam desanam äharitvä jätakam samodhänesi "nachdem der Lehrer diese Aus¬

führungen herangezogen hatte, verknüpfte er die Geschichte aus der früheren Geburt".

Den Abschluß bildet der Jätaka-Titel, beispielsweise 514. Chaddanta-jätaka, das in Bhärhut als chadamtiyajätakam'' zitiert wird. Wie in den bereits aus dem CuUaniddesa zitierten Suttanta-Titel, so ist auch hier das Suffix -iya- verwendet. In der späteren Theraväda-Tradition werden seit Buddhaghosa Texttitel mit dieser Bildung nicht mehr

verwendet. Geringe Spuren derartiger Titel haben sich vermutiich zufälhg in der

Manorathapürani erhalten. Sie köimten aus der alten Atthakathä stammen und bei der Umarbeitung im 5. Jh. n. Chr. übersehen worden sein.'^

Das eben geschilderte formale Gerüst eines jeden Jätaka scheint erst bei der Gestal¬

tung der Jätakatthavannanä eingeführt worden zu sein. Dies läßt sich erkennen, wenn

man die in Buddhaghosas Kommentaren zu den vier großen Nikäyas eingelagerten

Jätakas auf ihre Form hui betrachtet. Obwohl Jätakas nicht selten zitiert werden, so liegt

es doch in der Natur der Kommentare, daß kaum einmal ein vollständiger Text her¬

angezogen wird. Auszüge aus Jätakas aber enthalten nicht unbedingt die fiir eine Beur¬

teilung der Form wichtigen Abschnitte des Textes, wodurch ein Vergleich mit der

Jätakatthavannanä erheblich erschwert wird.

Wenigstens einmal wird in der Papaficasüdani, dem Kommentar zum

Majjhimanikäya, ein Jätaka in voller Länge ausgeführt. Dabei ergeben sich Abweichun¬

gen von der heute gewohnten Form, die durch andere, bruchstückhafte Zitate bestätigt werden.

Zu Majjhimanikäya Nr. 1 Mülapariyäyasuttanta wird das gleichnamige Jätaka Nr. 245 aus dem Dukanipäta (Ja II 259,13-262,5) angeführt. In beiden Texten ist der Inhalt der

H. LÜDERS: Bhärtiut und die buddliistische Literatur. Leipzig 1941 (AKM 26, 5), S. 137f.

" Vgl. DERS: Bliarhut Inscriptions. Ootacamund 1963 (Corpus Inscriptionum Indicarum 2, 2.), S. 128, B 49.

" Handbook, § 238.

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Prosa weitgehend und der Wortlaut der Verse völlig gleich, die Form jedoch nicht. Dies gih zunächst für den Ausdruck imissä atthuppattiyä, Ps I 57,7 "aus diesem Anlaß", der dem Jätaka fremd bleibt, dann für die Überleitung von Paccuppanna- zum Atitavatthu.

Im Jätaka steht nie atltam änesi, Ps I 57,8 statt atltam ähari, Ja II 260,7.

Wichtiger noch ist der imterschiedliche Beginn der Erzählung selbst. Das gewohnte at'ite. Ja II 260,8 ist durch bhütapubbam, Ps I 57,9 ersetzt, das das Jätaka-Buch nicht kennt.

Das Veyyäkarana ist wie die Gäthäs in beiden Fassungen gleich, sogar dieselbe Variante (pätha) wird in beiden Texten angeführt. Dies ist ein sehr deutlicher Hinweis auf die Unabhängigkeit des Wortkommentars von der Überlieferung der Prosaerzäh¬

lungen. Es verdient jedoch festgehalten zu werden, daß die Worterklärungen in der

Papaflcasüdanl von den Versen getrennt an das Ende der Prosa gesetzt sind. Auf diese besondere Anordnung, die das Jätaka-Buch nicht kennt, imd auf die anders gestaltete

Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart am Ende der Erzählung' ' sei hier nur

hingewiesen.

Diese Beobachtungen deuten daraufhin, daß die Papaficasüdani eine ältere Form eines Jätaka bewahrt hat. Vorläufer der Jätakatthavannanä lassen sich nun erheblich weiter in die Vergangenheit zurückverfolgen. Denn bekaimtlich gibt es bereits im Kanon Jätakas, die mit bhütapubbatn "es war einmal" beginnen, aber keine Verse enthalten:

bhütapubbam, gahapati, Velämo nämä brähmana ahosi, AN IV 393,16

"Es war eimnal, wohlhabender Herr, ein Brahmane namensVeläma."

Dieses Jätaka endet:

siyä Uio pana te gahapati evam assa amo nüna tena samayena Velämo brahmano ahosi, so tarn dänam adäsl mahädänan tl. na kho pan ' etam gaha-patl evam datthabbam. aham

tena samayena Velämo brähmam ahosirn aham tarn dänam adäsim mahädänam, AN IV

394,8-12

"Es könnte dir nun so vorkommen, wohlhabender Herr, daß zu jener Zeit ein anderer der Brahmane Veläma gewesen sei, der die bedeutende Gabe spendete. Nicht ist das, wohl¬

habender Herr, so anzusehen. Ich war zu jener Zeit der Brahmane Veläma. Ich spendete die bedeutende Gabe'" ".

Durch diesen Abschnitt wird der erzählte Text deutiich als ein Jätaka ausgewiesen.

Allein der Vers fehlt, so daß man von einem Prosa-Jätaka sprechen kann.

" Aham, bhikkhave, tena samayena äcariyo ahosirn..., Ps I 58,35.

Das Velämasutta (AN IV 392,12-396,2) könnte durchaus das Vorbild des verlorenen Jätaka Nr. 497 Veläma-ja der alten birmanischen Rezension sein. Auf dem entsprechenden Terracotta-Relief aus Pagan sind vier Personen abgebildet, die vor einer etwas größeren fünften stehen, die eine Art Geldbeutel aus der Hand zu geben scheint. Dies stimmt durchaus zu der beiläufigen Notiz in der Sammohavinodani zum Vibhanga: velämadäna-vessanlara-dänädivasena, Vibh-a 414,6 "aufgrund von Spenden als Veläma oder Vessantara", vgl. It-a 11 146,12. Da Veläma und Vessantara zusammen genannt werden, könnte dies ein Hinweis auf ein Jätaka sein; vgl. femer Sp 245,6 und Dhp-a III 10,21.

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Im Kanon fmdet man jedoch auch Vorbilder für die Form der Jätakas, die Prosa und Verse kennen. Im Sagäthavagga des Sarnyuttanikäya, einem sehr alten Teil des Kanons, stehen kurze Abschnitte, in denen kleme, mit bhütapubbam "es war einmal" eingeleitete

Episoden erzählt werden. In ihnen wird an einem wichtigen Punkt der Handlung ein

Vers gesprochen, beispielsweise: "Es war eiiunal, ihr Mönche, zwischen den Göttem und den Asuras ein Kampf ausgebrochen". Als die Götter bereits besiegt sind, weist der Gott Sakka auf der Flucht seinen Wagenlenker Mätali in einem Vers an, einige junge Vögel nicht mit dem Kriegswagen zu überrollen. Als Mätali wendet und zurückfährt, mißdeuten die Asuras dies als emen emeuten Angriff, ergreifen nun ihrerseits die Flucht und überlassen den Göttem den Sieg (SN 1 224,16-225,4).

Auch wenn dies kerne Erzählimg aus einem früheren Leben des Buddha ist, so

entspricht doch ihre Form der emes Jätaka, und ihr Vers wird in der Tat zum Ausgangs¬

punkt des Nr. 31 Kulävaka-ja (Ja I 198,9-206,14).

Weiterhin gibt es im Vinayapitaka mit bhütapubbam eingeleitete Geschichten, die emem Jätaka inhaltlich nahestehen, mit einem Vers enden, aber keine Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart kennen. Es sind also keine, oder noch keine Jätakas wie die ün CuUavagga vorgetragene Fabel von der Wachtel, dem Affen und dem Elefan¬

ten (Vin II 161,18-162,12*), die als 37. Tittira-ja (Ja I 217,6-220,13) in die Jätaka-

Sammlung aufgenommen ist.'*

Die alte, im Kanon vorgeprägte Form eines Jätakas bleibt über lange Zeit gültig und läßt sich bis in die Zeit der Kommentare Buddhaghosas verfolgen. Sie wird mit bhüta¬

pubbam emgeleitet und mit emer Verknüpfung von Vergangenheh und Gegenwart durch

siyä kho pana te ... abgeschlossen. Erst mit der Schaffimg der Jätakatthavannanä ist eine systematische Neugestaltung der Form verbunden. Dies läßt sich immer dann besonders deutlich verfolgen, wenn ein umgearbeiteter kanonischer Text in die Jätaka-Sammlung

übemommen wird:

Nr. 83 Makhädevasuttanta Nr. 9 Makhädeva-ja

bhütapubbam, Änanda, imissä yeva atlte Videharatihe Mithiläyam

Mithiläyam räjä ahosi Makhädevo Makhädevo näma räjä ahosi

näma dhammiko dhammaräjä dhammiko dhammaräjä, so ...,

dhamme thito MN II 74,24 Ja I 137,25f

Diese Textübemahme ist auch der Grund, wamm hier in einem Jätaka Mithilä und

nicht, wie üblich, Benares ui der Emleittmg erwähnt wud. Em weiteres Beispiel bestätigt dies:

" Vgl. E. Lamotte: La conduite religieuse du faisan. Le Museon 49 (1946), S. 641-653 zu Parallelversionen zu diesem Jätaka.

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II. Päcittiya: omasaväda

... dhammim katham katvä bhikkhü ämantesi:

bhütapubbam, bhikkhave, Takkasiläyarn anhatarassa brähmanassa Nandivisälo näma balivaddo ahosi. atha kho....

Vin IV 5,10-12

atite Gandhäraratthe Takkasiläyarn Gandhäraräjä rajjarn käresi. bodhisatto goyoniyam nibbatti. atha ... , Jal 191, llf

Nr. 28 Nandivisäla-ja ... atltam ähari:

Zugleich wird hier der Einleitimgssatz im Jätaka dem üblichen Brahmadatte rajjam kärente angenähert.

Wenn man nun die Form von Jätakas aus der Literatur anderer buddhistischer Schu¬

len vergleicht, dann stellt sich heraus, daß diese besondere Formalisierung der Jätakas charakteristisch für die Theraväda-Literatur ist.

Von den in einer indischen Originalsprache überlieferten buddhistischen Texten stehen die der Mahäsärnghikalokottaravädins den Theravädins am nächsten:

bhütapürvarn, bhiksavo, 'fitam adhvänam nagare Väräriasl Käsijanapade brähmario ....

Mvu II 48,16f

Das Manjarl-ja, das zahlreiche Verse enthält, endet wie die im Theraväda-Kanon überlieferten Jätakas:

syät khalu punah, bhiksavo, yusmäkam evam anya so tena kälena tena samayena Närado näma rsi abhüsi ...na khalv etad evarn drastavyam. tat kasya hetoh: aham so. bhiksavas, tena kälena tena samayena Närado näma rsir abhüsi Mvu II 63,18-64,7.

In beiden Literatiuen sind die wesentlichen formalen Merkmale mit bhütapürvarn

und syät khalu punah gleich. Als Besonderheit der Mahäsämghikalokottaravädins muß

dagegen am Anfang atltam adhvänam tmd am Ende das eingefugte tat kasya hetoh

gelten.

Der erheblich jüngere Vinaya der Mülasarvästivädms weicht dagegen hinsichtlich der Verknüpfung ein wenig ab:

... tat srüyatäm:

bhütapürvarn, bhiksavah, Käslsujanapadeanyatamasmln vanagahane ... kaplnjalo saso ... ,GMIII3,125,I5f

Am Ende wird ein Vers gesprochen und die Verknüpfung mit der Gegenwart hergestellt:

klrri manyadhve, bhiksavo, yo asau kapihjalah aham eva sah, tena kälena tena samayena sasah Säriputra ... , GM III 3, 131,3 f

Gelegentlich wird diese Verknüpfungsformel bei den Mülasarvästivädins zugunsten

von syät khalu aufgegeben, also die Formulierimg, die aus der Theraväda- und

Mahäsärnghikalokottaraväda-Literatur bekannt ist, beibehalten. Dies ist zugleich die von

den Sarvästivädins verwendete Formuherung, wie man aus einem kleinen, von

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V. Stache-Rosen herausgegebenen Fragment lemen kann." Denn ein glücklicher Zufall hat es so gewollt, daß gerade das Ende des Mrga-ja zusammen mit dem Anfang

des folgenden Hamsa-ja erhalten ist. Wenn mm aber die Mülasarvästivädins eine

Sarvästiväda-Formuliemng verwenden, so scheinen sich die gerade herausgearbeiteten Unterschiede wieder zu verwischen.

Betrachtet man jedoch die Jätakas mit der Sarvästiväda-Form im Mülasarvästiväda- Vinaya genauer, etwa das Veläma-ja im Bhaisajyavastu (GM III 1,98,13-99,1), so stellt

man fest, daß der Text nicht ausgeschrieben ist, sondem daß vielmehr auf das

Velämasütra im Madhyamägama verwiesen wird: vistarena velämasütre madhya-

mägame brähmananipäte, GM III 1, 98,15.

Es handelt sich also um ein Zitat, und zwar aus dem Sütrapitaka. Daraus darf man

wohl den Schluß ziehen, daß das vergleichsweise jimge Vinayapitaka der Mülasar¬

västivädins hier modemisiert hat." Was also zimächst zu widersprechen schien, ordnet sich durchaus in die beschriebenen Schulunterschiede hinsichtlich der Formalisierung der Jätakas ein.

Die verschiedenen Schulen haben hier unterschiedliche Wege eingeschlagen, wobei sich die Theravädins am weitesten von der alten, im Kanon bezeugten Form entfemen, da sie ihre Jätaka-Texte am nachhaltigsten modemisieren. Zugleich kann man gerade in dieser Schule aufgrund einer vergleichsweise breiten Überlieferung die Entwicklung über einen langen Zeitraum recht gut verfolgen.

Aus diesen Beobachtungen ergibt sich somit die Möglichkeit, Schulunterschiede im Bereich der Sprache noch ein wenig schärfer zu fassen als bisher, wenn man nämlich nun den schulspezifischen Wörtem", dem schulspezifischen Stil" und den vielleicht schulspezifischen Formeln^" nun auch eine schulspezifische literarische Form zur Seite stellen kaim, die es erlaubt, Jätakas unmittelbar der Literatur des Theraväda, Mahä- särnghikalokottaraväda oder Mülasarvästiväda zuzuweisen.

" V. Stache-ROSEN in D. Schlingloff: Zwei Anatiden-GescMchten im alten Indien. ZDMG 127 (1977), S, 369-397, bes. S.381f.

" Von der zunächst geäußerten Vermutung, J. W. DE JONG: Les Sütrapitaka des Sarvästivädin et des Mülasarvästivädin. In: Melanges d' Indianisme ä la Memoire de L. Renou. Paris 1968, S. 395-402, bes.

S. 397 (= Buddhist Studies by J. W. de Jong. Ed. by G. Schopen. Berkeley 1979, S. 229-236) folgend, davon auszugehen, daß die Mülasarvästivädins das Sütrapitaka der Sarvästivädins verwenden, wodurch sich diese Unterschiede in der Form deuten ließen, wurde in der Diskussion von L. SCHMITHAUSEN abgeraten.

" O. v. Hinüber: Die Bestimmung der Schulzugehörigkeit buddhistischer Texte nach sprachlichen Kriterien. In: Zur Schulzugehörigkeit von Werken der Hinayäna-Literatur I. Göttingen 1985 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 149), S. 57- 75.

" G. v. Simson: Stü und Schulzugehörigkeit buddhistischer Sanskrittexte. In: Zur Schulzugehörigkeü ...

(wie Anm. 18), S. 76-93.

^° O. V. Hinüber: Untersuchungen zur Mündlichkeit früher mittelindischer Texte der Buddhisten. Mainz 1994 (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1994, Nr. 5), S. 39.

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keitslehre und der Vorstellung von der Momentanheit der Akzidenzien ( "^arad, a'räd) in der islamischen Scholastik *

Von Alexander von Rospatt, Leipzig

Während meiner Beschäftigimg mit der buddhistischen Augenblicklichkeitslehre bin ich

- angeregt durch R. Sorabjis Arbeit Time, Creation and the Continuum' - auf be¬

merkenswerte Parallelen bei Maimonides (1135 [oder 1 133?]-1204) gestoßen. In seinem

"Führer der Verirrten" {Dalälat al-Ha'irin; hebr.: Möreh N'^bhükhmi) referiert Maimonides die Position des Kaläm, also der islamischen Scholastik, um sie dann zu widerlegen. Nach Maimonides behaupteten die Mutakallimün, also Vertreter des Kaläm, daß die Welt aus an sich eigenschaftslosen Atomen, der materiellen Substanz (al-guz', al-gauhar), besteht, die dadurch eine bestimmte Qualität (Lokation in Raum und Zeit, Beschaffenheit etc.) erhalten, daß ihnen sie qualifizierende Akzidenzien (a'^räd) in-

härieren. Diese Akzidenzien werden mm wie die Daseinsfaktoren im Buddhismus - tmd

teils mit derselben Begründung - als momentan (also als unmittelbar nach dem Entstehen vergehend) gedacht. Die Sekimdärliteratur zum Kaläm bestätigt, daß in der Tat erstaun¬

liche Ähnlichkeiten und Entsprechimgen bestehen zwischen der buddhistischen Augen¬

blicklichkeitslehre und der islamischen Vorstellung von der Momentanheit der Akzi¬

denzien wie sie von den Aä'ariten (al-Aä'ari 874-935) und einigen ihrer mu'tazilitischen Vorgänger vertreten wurde.^

Auf diese Entsprechimg hatten M. Horten' und D. B. MacDonald" m Aufsätzen be¬

reits 1910 bzw. 1927 huigewiesen. Allerdmgs verfügten beide Gelehrte nur über äußerst mangelhafte Kenntnisse der buddhistischen Augenblicklichkeitslehre (die bahnbre¬

chenden Arbeiten von Th. Stcherbatsky, S. Mookerjee und L. de la Vallee Poussin

* Prof. J. van Ess hat zwei frühere Versionen dieses Beitrags kritisch durchgesehen. Für seine konstruktiven Wamungen und Ratschläge bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet.

' R. SORABJl: Time. Creation and the Continuum. London 1983, besonders Kapitel 19.

^ Nach A. Dhanani: The physical theory of Kalam. Atoms, Space, and Void in Basrian MuUazili cosmology. Leiden 1993, S. 44, Anm. 80, haben neben den Aä'ariten die Bagdädi-Mu'taziliten die Ansicht vertreten, daß alle Akzidenzien, nicht aber die atomare Substanz momentan seien.

' M. Horten: Indische Gedanken in der islamischen Philosophie. In: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 34 (1910), S. 310-322.

" D. B. MacDonald: Continuous re-creation and atomic time in Muslim scholastic theology. In: Isis 9 (1927), S. 326-343.

Referenzen

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Auch die Entwicklungspolitik der Industrieländer muss sich verändern: mehr Arbeitsteilung zwischen den Gebern ist notwendig, verlässliche Finanztransfers, weniger Bürokratie, mehr

Doch ist es eine schlichte Tatsache, dass das Chaos, das wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, noch größer werden wird, wenn nicht bald ein EU-Abkommen erreicht wird.

Für Europa bedeutet dies auch, dass es einsamer wird im Kampf für faire und globale Entwicklung, Demokra- tie, Menschenrechte, wie auch in der Klima-, Migrati- ons- oder