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BFP, Vol. 35, pp. 415-427, Dezember 2011 • Copyright © by Walter de Gruyter • Berlin • Boston. DOI10.1515/bfup.2011.061

Bibliotheken im Altertum. Hrsg. von Elke Blumenthal und Wolfgang Schmitz. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011.

(Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwe- sens; 45). 270 S.: 33 Schwarzweiß-Abb., fest geb. € 79,00 – ISBN 978-3447-06406-4

Seit seiner Gründung im Jahr 1979 hat der Wolfenbütteler Arbeitskreis für Bibliotheksgeschichte an der Herzog Au- gust Bibliothek (seit 1998 Arbeitskreis für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte) mit seinen Veranstaltungen – Jahrestreffen, Jahrestagungen, Seminaren und Symposien – sich mit nahezu allen Epochen der Bibliotheksgeschichte beschäftigt. Ein Stein fehlte noch im Mosaik: das Altertum.

So war der 2005 dem Geschäftsausschuss von Elke Blumen- thal, Professorin für Ägyptologie an der Universität Leipzig, unterbreitete Vorschlag hochwillkommen, sich dieses The- mas anzunehmen. Realisiert wurde er mit einem Symposium

„Bibliotheken im Altertum“ vom 12. bis 14. November 2007 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Nunmehr ist der Tagungsband erschienen, herausgegeben von den Leitern der Veranstaltung, Elke Blumenthal und Prof. Dr. Wolfgang Schmitz (Universität Köln).

Dass die aktuelle Forschung zur antiken Bibliotheks- (und Buch-) Geschichte im Unterschied zu späteren Epochen zum überwiegenden Teil bei den Vertretern von Universi- tätsdisziplinen wie Assyriologie, Ägyptologie, Klassische Philologie, Klassische Archäologie, Byzantinistik, Arabistik und Islamwissenschaft liegt, beweist die Rednerliste bzw.

das Inhaltsverzeichnis dieser Veröffentlichung. Es sollte aber nicht vergessen werden, was ein Bibliothekar wie Carl Wendel (1874–1951, zuletzt Direktor der Universitätsbiblio- thek Halle 1927–1938) in zahlreichen Einzeluntersuchungen dazu beigetragen, oder welch solide, noch immer brauch- bare Grundlage das Handbuch der Bibliothekswissenschaft geschaffen hat1.

Nicht nur, aber besonders spektakulär präsentiert die Archäologie neue Forschungsergebnisse, so dass laufende Aktualisierungen des Kenntnisstandes ihren Niederschlag in zahlreichen Publikationen bis hin zum populären Sachbuch finden. Daher hat auch ein Symposium wie das Wolfenbüt- teler seine Berechtigung, wie die einzelnen Beiträge bewei- sen. Vor allem aber ermöglichte es eine Zusammenschau und einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse, die sonst häufig nur im Kreis der Einzeldisziplinen wahrgenommen und diskutiert werden.

Die Geschichte der Bibliotheken im Altertum ist in ho- hem Maße Geschichte der literarischen Überlieferung und damit im engeren bibliothekswissenschaftlichen Sinn Be- standsgeschichte. Dies verhindert schon von den quellen-

1 Carl Wendel: Kleine Schriften zum antiken Buch- und Bibliothekswe- sen. Hrsg. von Werner Krieg. Köln: Greven, 1974 (Veröffentlichung des Bibliothekar-Lehrinstituts des Landes Nordrhein-Westfalen);

Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Hrsg. von Georg Leyh. 2.

Aufl. Wiesbaden: Harrassowitz. Bd. 3/1. 1955. S. 1-242.

mäßigen Voraussetzungen her das Festhalten an einer posi- tivistischen Institutionengeschichte. Von ihrem Selbstver- ständnis her zählen zu den vornehmsten Aufgaben daher die Geschichte der Herstellung und Bewahrung korrekter Texte sowie ihrer Nutzung für die Ausbildung und besonders in der klassischen Antike für die rhetorische Schulung.

Nach den einleitenden Bemerkungen der Herausgeber beschäftigt sich Stefan M. Maul (Universität Heidelberg) mit der Tontafelbibliothek einer assyrischen Gelehrtenfa- milie des 7. vorchristlichen Jahrhunderts. Er stützt sich auf Forschungsergebnisse aus den 1980er Jahren, als es gelang, die Tontafelfunde von 1908 zu entwirren und bestimmten Fundstellen zuzuordnen, im aktuellen Fall dem Haus einer Familie von Beschwörern und Heilern des Assur-Tempels.

Elke Blumenthal präsentiert neueste Erkenntnisse zum quel- lenmäßig schwer zu fassenden Thema „Privater Buchbesitz“.

Eine von ihr zitierte, noch nicht publizierte Dissertation über „Bibliotheken, Archiv und Erinnerungskultur im Alten Ägypten“ von Katharina Zinn aus dem Jahre 2007 verspricht nach ihrer Veröffentlichung zu einem neuen Standardwerk zu werden. Udo Rüterswörden (Universität Bonn) nennt seine Ausführungen zur Textüberlieferung im Alten Israel zu Recht „Erwägungen“. Er verweist auf die Schwierigkeiten der Tradition, deren Quellenbasis wesentlich dürftiger ist als im Bereich der Assyriologie und ihrer Keilschriftkunde.

Carl Werner Müller (Universität des Saarlandes) bietet einen vorzüglichen Überblick über die Geschichte griechischer Büchersammlungen und Bibliotheken vom 6. Jahrhundert v.

Chr. an, die speziell für die Frühzeit noch zahlreiche weiße Flecken enthält, insbesondere eine Lücke von fast drei Jahr- hunderten zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert v. Chr. Auf ähnliche, durch die Quellenlage bedingte Probleme geht An- gelika Zdiarsky (Wien) in ihren Überlegungen zur Bibliothek von Alexandrien ein. Sie untersucht insbesondere bibliothe- karische Arbeitsfelder wie Erwerbung, Bestandsgrößen und Erschließung. Lilian Balensiefen (Universität Tübingen) be- zeichnet die Bibliotheken im antiken Rom als „Orte medialer Wirksamkeit“. Sie spricht von einem „Bibliotheksboom“ in der Kaiserzeit und versucht eine Gliederung nach fünf selten und vier häufiger in den Quellen erwähnten Bibliotheken, für die genauere Daten vorliegen. Sie geht auf Besonderheiten wie Lage, Architektur sowie Ausschmückung ein und stellt hinsichtlich Struktur und Funktion eine große Ähnlichkeit fest. Hervorzuheben sind die gerade für das Verständnis die- ses Beitrags unerlässlichen zehn Abbildungen von archäo- logischen Befunden, Grundrissen und Rekonstruktionen.

Die folgenden vier Beiträge sind der Bewahrung des antiken Erbes gewidmet. Gerhard Endreß (Ruhruniversi- tät Bochum) führt in einem konzisen Überblick in Lehr- und Textüberlieferung und ihre Pflege in den Bibliothe- ken des arabisch-islamischen Kulturraumes ein. Dies ist umso verdienstvoller, als dieser Aspekt im allgemein- historischen Bewusstsein immer noch nicht ausreichend präsent ist. Peter Schreiners (Universität Köln) Ausfüh- rungen zur Tradierung der antiken griechischen Litera- tur in Byzanz ruft in Erinnerung, dass trotz Brüchen, Zä- suren und allmählichen Transformationsprozessen das antike Erbe noch ein Jahrtausend hindurch nachgewirkt

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REZENSIONEN

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hat. Magnus Aurelius Cassiodorus und Vivarium stehen geradezu paradigmatisch für das Zeitalter des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter. Michele C. Fer- raris (Universität Erlangen-Nürnberg) Beitrag, überschrie- ben mit dem Cassiodor-Zitat Manu hominibus praedicare, spricht den Widerspruch zwischen dürftiger Quellenlage über die Aktivitäten in Vivarium einerseits und seinem un- bezweifelbaren Nachruhm andererseits an. Am weitesten in das Mittelalter begibt sich Armin Schlechter (Pfälzische Landesbibliothek Speyer), der die Spuren der klassischen la- teinischen Literatur in der Bibliotheca Palatina in Heidelberg verfolgt. Er spricht von ihr als einem „Sammelbecken von ganz heterogenen Traditionen“, zustande gekommen durch ein Netzwerk von Bezugsquellen. Nach seinen Untersuchun- gen beträgt der Anteil klassischer und spätantiker Autoren in den Beständen in der Vaticana und in der Universitätsbi- bliothek Heidelberg zusammen nicht mehr als 15 Prozent.

Es ist bedauerlich, dass der in der ursprünglichen Pla- nung vorgesehene Vortrag über „Koptische Bibliotheken und ihr Schicksal von der Spätantike bis in die moderne Zeit“ nicht realisiert werden konnte. Er hätte das Panorama der Tagung und dieses Bandes um eine wichtige Perspek- tive bereichert. Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass diese Veröffentlichung nicht nur eine äußerst anregende Lektüre bietet, sondern auch eine Horizonterweiterung für den Bibliothekshistoriker bedeutet, nicht zuletzt durch das ausgewogene Verhältnis von gesichertem Überblickswissen und neuen Forschungsergebnissen.

Anschrift des Rezensenten:

Prof. Dr. Peter Vodosek Seestraße 89

D-70174 Stuttgart

E-Mail: vodosek@hdm-stuttgart.de

Elke Brünle: Bibliotheken von Arbeiterbildungsvereinen im Königreich Württemberg 1848–1918. Wiesbaden:

Harrassowitz, 2010. XIV, 753 S. (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft, 20) Fester Einband. € 86,00 – ISBN 978-3-447-06195-7

Die Literaturversorgung der Bürgerinnen und Bürger durch öffentliche Bibliotheken der Städte und Gemeinden, wie wir sie heute kennen, hat eine lange Vorgeschichte. Viele Aspekte davon sind noch nicht erforscht.

Neben der öffentlichen Stadtbibliothek – und in den meisten Städten sogar vor deren Gründung – trugen auch Bibliotheken der „Zivilgesellschaft“, wie wir heute sagen können, wesentlich zur Literaturversorgung der Bürger in den Städten und Gemeinden bei. Im 19. und frühen 20. Jahr- hundert waren das u. a. die Bibliotheken der Kirchen, der Lesegesellschaften und der frühen Arbeiter- und Gewerk- schaftsorganisationen. Seit der Jahrhundertmitte kam auch

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eine deutsche Besonderheit stärker zum Tragen: die Ver- einsbibliothek. Das Reichsgesetz über die Grundrechte hatte 1848 Vereinsfreiheit im ganzen Deutschen Reich garantiert.

Vielerorts schossen anschließend Vereine in großer Zahl aus dem Boden; viele von ihnen bauten auch Bibliotheken auf.

Wir wissen aber noch wenig darüber, ob sie für die Literatur- versorgung der Zeit eine Rolle spielten – und falls ja, welche.

Ein interessantes Segment der Vorgeschichte unserer heutigen öffentlichen Literaturversorgung hat Elke Brünle in ihrer Dissertation über die Bibliotheken der württember- gischen Arbeiterbildungsvereine aus den Quellen erforscht und in mustergültiger Form publiziert. Die umfangreiche Arbeit war 2009 als Dissertation im Fach Buchwissenschaft in Mainz eingereicht worden. Für Ratschläge und Hinweise dankt die Verfasserin des Buches im Vorwort vor allem den Professoren Stephan Füssel und Peter Vodosek. Im Mittel- punkt des Buches stehen Bibliotheken von liberal und bürger- lich ausgerichteten Arbeiterbildungsvereinen im Königreich Württemberg, wo das erwähnte Reichsgesetz von 1848 sehr rasch durch ein Vereinsgesetz in die Praxis umgesetzt wurde.

Sie werden vom Revolutionsjahr 1848 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges dargestellt. Die detaillierten und biblio- thekarisch fundierten Ergebnisse der Arbeit machen einmal mehr deutlich, dass Vereine (und deren Bibliotheken) damals im obrigkeitlichen Staat die Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland maßgeblich gefördert haben.

Der Anlass für Elke Brünles Beschäftigung mit dem Thema war der „Rottweiler Dachbodenfund“, der 1994 durch die Presse ging: In einem Speicherraum fanden sich 245 Bücher, die als Teilbestand des früheren Arbeiterbil- dungsvereins Rottweil identifiziert wurden; sie befinden sich heute im Stadtarchiv Rottweil. Weitere 71 Bände des Bib- liotheksbestands hatte ein Privatmann zusammengetragen.

Laut dem einleitenden Forschungsbericht (S. 3/4) ist dies der einzige erhaltene Bibliotheks(teil)bestand eines Arbeiterbil- dungsvereins in Baden-Württemberg. In große Bibliotheken sind diese Materialien also nicht gelangt. Auch sonst ist die gedruckte Überlieferung zu den Vereinen sehr lückenhaft, wie folgendes Beispiel zeigt: Die Arbeiterbildungsvereine waren in Württemberg auch auf Landesebene organisiert.

Von ihrer in Göppingen verlegten „Arbeiterzeitung. Organ der württembergischen Arbeiterbildungsvereine“ sind heute bundesweit nur die Fragmente zweier Jahrgänge nachgewie- sen. Diese liegen in einem früheren Archiv der SED, das der Forschung erst lange nach der politischen Wende von 1990/1991 zugänglich wurde (S. 5).

Die Verfasserin musste für ihre Arbeit also erst einmal In- formationsquellen selbst aufspüren. Sie hat für ihr Thema die Forschungsliteratur einschlägiger Fächer ausgewertet (Arbei- terbewegung, Sozialgeschichte, Bibliotheksgeschichte) und vor allem erstmals die Bestände von rund 25 Landes-, Stadt- und Kreisarchiven in Baden-Württemberg ausgewertet. Ihre Magisterarbeit von 2002 war eine Zwischenstation auf dem Weg zum vorliegenden umfangreichen Werk, das auf 565 Seiten Text insgesamt 28 Bibliotheken von Arbeiterbil- dungsvereinen analysiert (detaillierte Übersicht auf S. 593- 618). Hinzu kommen rund 200 Seiten Anhänge mit Biblio- graphie, Titellisten, Übersichten, Karten und Abbildungen.

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Das Material wird auf zwei Zeitphasen verteilt dargestellt (Gründungsphase 1948-1852/53; Phase der Neugründung und Ausbreitung 1862-1918). In jeder Phase sind erst die Vereine und deren Bildungsbemühungen geschildert, dann die Bibliotheksarbeit mit Schwerpunkten auf der Biblio- theksorganisation und der Bestandsstruktur. Für die Zeit nach 1870 konzentriert die Arbeit sich auf die liberalen und die demokratischen Vereine, da diese nicht erforscht waren.

Aus der Sozialgeschichte und der Bildungsgeschichte sind vier wesentliche Motive für die Gründung von Arbei- terbildungsvereinen bekannt: erstens das politische En- gagement für die demokratische Bewegung, zweitens die materielle Absicherung der Arbeiter, drittens der Zugang zu bisher versagten Bildungsmöglichkeiten und viertens der Wunsch nach Geselligkeit. Die Mitglieder der untersuch- ten Vereine waren in der Mehrzahl Handwerksmeister und -gesellen. Für sie war der Begriff „Arbeiter“, zumindest in der Frühphase, als Sammelbezeichnung ein Ehrentitel, der die überkommene Trennung in Gewerbe und Zünfte über- wand. Für diese Arbeiter entstand die Notwendigkeit, auch Bildungswissen zu erwerben. „Das Handwerk geht mehr in Kopfwerk über…“ – mit diesen Worten fasste der Sozialre- former Hermann Schulze-Delitzsch 1861 die Veränderungen zusammen. Erst mit der Hochindustrialisierung ab 1870 änderte sich die Bedeutung des Begriffs „Arbeiter“. Doch selbst die frühen Fabrikarbeiter waren in der Mehrzahl noch arbeitslose oder ehemalige Handwerker, aber auch ehema- lige Bauern. Die Arbeiterbildungsvereine, die sich lange an bürgerlichen Idealen orientierten („Bildung macht frei“), überalterten in dieser zweiten Phase und sprachen jüngere Arbeiter kaum mehr an. Gleichzeitig wurden die Organisa- tionen der Industriearbeiter als materiell wie weltanschau- lich aktive Interessensvertretungen attraktiver. Nun kam die sozialrevolutionäre Bewegung zum Zuge, die Wilhelm Liebknecht, übrigens selbst Gründer des Arbeiterbildungs- vereins in Leipzig, 1872 mit folgenden Worten propagierte:

„Nur wenn das Volk sich politische Macht erkämpft, öffnen sich ihm die Pforten des Wissens.“

Für die erste Gründungsphase der Jahre 1848-1852/53 führten die Analysen Elke Brünle zu folgendem Ergeb- nis (vgl. S. 201-216): Der in Württemberg 1848 öffentlich beklagte Mangel an „Leseanstalten für die Bildung des Arbeiters“ führte zu einem Bestandaufbau, der Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Bücher in allen Vereinen zur wichtigsten Informationsquelle ihrer Mitglieder machte.

Die Bibliotheksgröße in Stuttgart und Ulm war auch im nationalen Vergleich respektabel, vermutlich weil es in den größeren Städten Gönner, lokale Verlage und professionelle Buchhändler gab, die teilweise auch Mitglied wurden. Die Erwerbungsausgaben lagen höher als die Ausgaben für das Unterrichtsangebot der Vereine. 60 % der Erwerbungsmittel gaben sie für die regionale und überregionale Tagespresse aus, vor allem für historisch-politisch ausgerichtete Zeitun- gen mit demokratischer oder frühsozialistischer Zielrich- tung. Das belegen Blätter wie „Der Beobachter“ (Stuttgart),

„Ulmer Schnellpost“ (Ulm), „Verbrüderung“ (Leipzig) und

„Deutsche Arbeiterhalle“ (Hannover). Interessant ist das Nebeneinander verschiedener Rezeptionsformen: Das wö-

chentliche Vorlesen im Vereinshaus war auch für Leseunkun- dige eine wichtige Informationsquelle; auch das individuelle Lesen ist häufig belegt, Buchausleihe hingegen seltener. Im Buchbestand befanden sich kaum radikal orientierte Schrif- ten. Schwerpunkte bildeten Bücher und Broschüren zur poli- tischen Aufklärung, zur Elementar- und Allgemeinbildung, zur beruflichen Bildung und ein wenig Unterhaltungslite- ratur. Die gemeinsamen „Statuten der württembergischen Arbeiterbildungsvereine“ von 1850 hatten als Vereinszweck das „Streben nach allgemeiner und moralischer Bildung“

bestimmt, und Brünle belegt, dass er akkurat erfüllt wurde.

Dank der Materialfunde und der Analysen von Brünle steht jedenfalls fest, dass die Bibliotheken in der kurzen Phase nach der Revolution von 1848 der wichtigste Baustein der Vereinsarbeit und damit ein Motor der Arbeiterbildung in ihrer Zeit waren. Aus diesem Grund täte auch die sozial- und bildungsgeschichtliche Forschung gut daran, Arbeiterbil- dungsvereine künftig als Teil jener großen Volksbildungs- bewegung anzusehen, welche seit etwa 1800 im Gefolge der Aufklärung vielerorts Erfolge verzeichnen konnte.

In der zweiten Zeitphase, der „Neugründung und Aus- breitung“ von 1860-1918, gilt dieser Befund nur mit Ein- schränkungen (vgl. S. 487-544). Nach der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (1869) war es zu jener Spaltung in eine bürgerliche und eine proletarische Richtung der Arbeiterbewegung gekommen, welche die deutsche Ent- wicklung kennzeichnet. Bürgerlich-liberale Arbeiterbildungs- vereine spielten zwar lokal und regional weiterhin eine Rolle, büßten aber an Bedeutung ein. Die Arbeiterbildungsvereine in Württemberg verfolgten in dieser Zeit eher gemäßigte so- zialpolitische Ziele. Brünle analysiert drei Strömungen, die miteinander konkurrierten: eine liberale (9 Vereine), eine de- mokratische (10 Vereine) und eine sozialdemokratische (10 Vereine). Die sozialdemokratischen Vereine erhielten durch die bundesweite Parteistruktur starke Unterstützung. Für die liberalen Vereine initiierte Schultze-Delitzsch 1871 die „Ge- sellschaft zur Verbreitung von Volksbildung“, die in der Folge Tausende von Vereinen bundesweit mit Musterkatalogen, Bü- cherpaketen und Wanderbüchereien versorgte. Die liberalen Arbeiterbildungsvereine in Württemberg zogen es allerdings vor, ihren Bestand selbständig aufzubauen; sie tauschten sich jedoch untereinander darüber aus. In allen Arbeiterbildungs- vereinen stand weiterhin die aktuelle Tagespresse im Mittel- punkt; darüber hinaus besaßen die Ortsvereine nur kleine Büchersammlungen (weniger als 300 Bände, nur Stuttgart hatte mehr). Anfang des 20. Jahrhunderts besaß der Stuttgar- ter Verein, der als Modell für Württemberg diente und von Brünle ausführlicher untersucht wurde, bereits 3 500 Bände.

Mannheim und Karlsruhe hatten 1 600 und Freiburg 1 350 Bände. Die Ausgaben für das stark ausgeweitete Unterrichts- angebot übertrafen in Stuttgart damals, wie andernorts, be- reits die Bibliotheksausgaben. Um 1900 hielt der Stuttgarter Verein 17 Zeitungsabonnements, also nicht mehr als bereits zwei Generationen davor. Da das Bildungsniveau der Arbei- terschaft gestiegen war, wurde auch nicht mehr vorgelesen, und die Vereinsbibliothek entwickelte sich zu einer Ausleih- bibliothek. Viel rascher als allgemeinbildende und berufsbil- dende Werke wuchs die Belletristik an. In Stuttgart nahm sie

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1883 schon 43 % des Bestands ein – ein Beleg dafür, dass die Bibliotheken der untersuchten Arbeiterbildungsvereine weit- gehend den bürgerlichen Geschmack teilten.

Anhand dieser Ergebnisse kann Elke Brünle herausarbei- ten, dass Arbeiterbildungsbibliotheken eine wichtige Rolle im Prozess der kulturellen Annäherung des Arbeitermilieus an das untere Bürgertum spielten. Zugleich öffneten sie sich für ein breiteres Publikum, nämlich für die Familien ihrer Mitglieder und z. T. für Nichtmitglieder, so in Stuttgart für Menschen, die im „Arbeiterheim“ des Vereins wohnten, und für den Consumverein. Der Bestandsaufbau berück- sichtigte in der Spätphase weibliche und jugendliche Leser.

Damit rückte die Bibliothek im Vereinsleben an den Rand der Aktivitäten. Dieser Weg von der Präsenzbibliothek für die Arbeiterbildung zu einer Ausleih- und Familienbibliothek für Arbeiter brachte die Arbeiterbibliothek auch in eine neue Rolle hinein: Sie wurde jetzt eine wichtige Mitspielerin bei der Ausleihe von Unterhaltungs- und Fachliteratur in ihrer Stadt. So kam es, dass sie nach 1900 „vielerorts noch für mehrere Jahrzehnte eine durchaus attraktive Alternative zu den kommerziellen Leihbibliotheken darstellte[n]“ (S. 544).

Soweit zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits Volksbiblio- theken und Lesehallen der Kommunen entstanden waren, konkurrierten die Arbeiterbildungsvereine nicht mit ihnen um Leser, sondern ergänzten deren Angebot.

Durch ihre Analysen einer großen Menge an Protokollen, Bestandskatalogen und -listen, zeitgenössischen Blättern und weiteren Archivalien weist Elke Brünle erstmals detailliert nach, dass die Arbeiterbildungsvereine im Königreich Würt- temberg ihr Bildungsziel – die „geistige und sittliche Hebung der Arbeiter“ – maßgeblich durch Bibliothekarbeit erreicht haben. Zuerst waren sie nach der Revolution von 1848 ein Teil der emanzipatorischen Arbeiterbewegung und trugen zur Alphabetisierung, zu einer besseren Lesekompetenz, zur Lebensorientierung und zur beruflichen Weiterbildung der Arbeiter bei. Nach 1870 erweiterten sie den Zugang und die Teilhabe der arbeitenden Bevölkerung zu Kultur und Bil- dung. Durch aktuelle Zeitungen und Broschüren, Sachbücher und Belletristik erreichten sie eine Annäherung der Arbeiter an das untere Bürgertum. Außerdem trug ihre Arbeit zum sozialen Frieden bei. Das zeitgenössische Urteil von Au- gust H. Th. Pfannkuche, die Arbeiterbildungsvereine hätten doch „mit wenigen Ausnahmen für wirkliche Volksbildung herzlich wenig geleistet“ (Was liest der deutsche Arbeiter?, Leipzig 1900, S. 1), das noch heute manchmal zustimmend zitiert wird, kann Brünle für Württemberg anhand der ge- leisteten Bibliotheksarbeit widerlegen.

Die Fakten und die Forschung sind in diesem Buch prä- zise nachgewiesen (1 490 z. T. ausführliche Anmerkungen, ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis). Außer- dem sind im Anhang umfangreiche Titellisten verzeichnet, die durch zusätzliche Recherchen zu den Werken und durch Bestandsnachweise aus den erhaltenen Katalogen ergänzt werden (S. 624-753). Sie vermitteln viele Spuren, denen nachzugehen sich lohnen würde. Leider enthält der Band keine Register, die die Fülle der enthaltenen Informationen insgesamt noch besser erschließen würden.

Am Ende der Arbeit regt die Verfasserin auf S. 556 an, vergleichbare flächendeckende Analysen für weitere deut- sche Länder durchzuführen. Der Rezensent schließt sich dieser Anregung gerne an.

Anschrift des Rezensenten:

Dr. Ulrich Hohoff

Universitätsbibliothek Augsburg D-86135 Augsburg

E-Mail: ulrich.hohoff@bibliothek.uni-augsburg.de

The Ne(x)t Generation: Das Angebot der Bibliotheken.

30. Österreichischer Bibliothekartag, Graz 2009. Hrsg.

von Ute Bergner und Erhard Göbel; Graz-Feldkirch:

Wolfgang Neugebauer Verlag GesmbH 2010. 372 S.

(Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothe- karinnen und Bibliothekare, Band 7) € 39,90 – ISBN 978-3-85376-287-5

Vom 15.-18. September 2009 fand in Graz der 30. Öster- reichische Bibliothekartag unter dem Motto „The Ne(x)t Generation: Das Angebot der Bibliotheken“ statt. 900 Teil- nehmerinnen und Teilnehmer aus 17 Ländern konnten an- hand von mehr als 150 Vorträgen und Präsentationen dem erklärten Ziel des Kongresses, Fachkenntnisse zu vertiefen und Erfahrungen auszutauschen, gerecht werden.

Eingang in die vorliegende Publikation fanden 53 deutschsprachige Beiträge von 55 Autoren. Das Inhaltsver- zeichnis gliedert die 53 Beiträge in 21 Themenblöcke:

– Bibliotheksmanagement: Die Praxis – Forum Bibliotheksstatistik

– Bibliometrie – Benefits des bibliothekarischen Know- hows für Wissenschaft und Institutionen

– Kosten-Nutzen-Analyse elektronischer Medien – Konsortialverträge – Chancen und Fesseln einer bedarfs-

gerechten Bestandspolitik

– Externe Dienstleistungen – Was können (sollen) Biblio- theken erwarten (Forum Gesig)

– Teaching Library – Konzepte – Berufliche Anforderungsprofile

– Aus- und Weiterbildungsansätze für Bibliothekarinnen der Ne(x)t Generation

– Dienstleistungen für Bibliotheken der Ne(x)t Generation – Digitalisierung

– Bibliothekskataloge im Web/Web 2.0 in Bibliotheks- katalogen

– Bibliothekskataloge für die Ne(x)t Generation

– Inhaltserschließung: Ingredenzien, Instrumentarien, Internationalität

– Provenienzforschung – Forum Musikbibliotheken

– Schulbibliotheken für das 21. Jahrhundert – Interkulturelle Bibliotheksarbeit

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Lehrangebote an Wissenschaftlichen Bibliotheken. Anschlie- ßend erläutert er anhand von Modellbeispielen der Univer- sitätsbibliothek Freiburg im Breisgau und der Universitäts- bibliothek Heidelberg Personal- und Zeitaufwand und zeigt Möglichkeiten zur Aufwandsverringerung auf. Den zweiten Beitrag steuert Detlev Dannenberg bei, der das Konzept „In 10 Schritten zur Teaching Library“ sowohl theoretisch als auch am konkreten Beispiel der Bibliothek im Lette-Verein (Berlin) darstellt (S. 144-150).

Das Gebiet „Bibliothekskataloge im Web – Web 2.0 in Bibliothekskatalogen“ gerät mit einem einzigen Beitrag recht kurz. Christof Niemann beschreibt die Ausgangsbasis zu einer inhaltlich-intellektuellen Analyse des kreativen Poten- zials eines Tagging-Systems am Beispiel der Integration von BibSonomy in den Online-Katalog der Universitätsbiblio- thek Mannheim (S. 220-225).

Zum Thema Inhaltserschließung finden sich zwei Bei- träge. Jessica Hubrich beschäftigt sich mit der thematischen Suche in heterogenen Informationsräumen (S. 234-242).

Rudolf Lindpointner berichtet über die Einführung der DDC in der Oberösterreichischen Landesbibliothek, die aufgrund der Umstellung auf Freihand durch den Um- und Ausbau der Bibliothek vorgenommen wurde (S. 243-246). Lindpointner beschreibt ausführlich Vor- und Nachteile der DDC und RVK aus Sicht der OÖLB.

Den ersten Beitrag zum Themenbereich interkulturelle Bibliotheksarbeit liefert Susanne Schneehorst, die Themen und Trends der interkulturellen Bibliotheksarbeit darstellt (S. 297-301). Sie beschäftigt sie sich mit der Frage, was ImmigrantInnen lesen und welche Folgen sich daraus für den Bestandsaufbau ergeben, um anschließend den Bedarf an interkulturellen Angeboten und interkultureller Öffnung der Bibliotheken in personeller Hinsicht aufzuzeigen. Beate Wegerer zeigt in ihrem Aufsatz Erfahrungen und Perspek- tiven der interkulturellen Aktivitäten der Büchereien Wiens auf (S. 302-307). Jana Sommeregger erörtert die landesweite Studie des BVÖ zu sozial-integrativen Angeboten von Öf- fentlichen Bibliotheken in Österreich (S. 308-316).

Im letzten großen Themenblock werden anhand von sechs Beiträgen die vielseitigen Aktivitäten von Pensionis- tinnen und Pensionisten dargestellt.

Ute Bergner und Erhard Göbel liefern ein treffendes Re- sümee sowohl des Bibliothekartages als auch des Tagungs- bandes im Vorwort der Publikation: „Die breite Palette der Referatsthemen zeigt die Vielzahl bibliothekarischer Fra- gestellungen, neuer Herausforderungen und Tendenzen“

(S. 13). Leider konnten nicht alle Vorträge im Tagungsband berücksichtigt werden1. Bedauerlicherweise scheint die Ge- wichtung der einzelnen Themenblöcke ein wenig in Schief- lage geraten zu sein. Während einige Themenkomplexe mit (fast) allen gehaltenen Vorträgen vertreten sind, wie z. B.

der Bereich Aktivitäten von Pensionistinnen und Pensio- nisten, findet sich bei anderen wiederum nur ein kleiner Ausschnitt oder gar überhaupt kein Beitrag. So fand z. B.

1 Eine Übersicht findet sich auf der Homepage des 30. Österreichischen Bibliothekartages, <http://www.bibliothekartag.at/2009/nextgen/>, zuletzt aufgerufen am 01.04.2011.

– Bibliotheken als Orte für die Ne(x)t Generation – Aktivitäten von Pensionistinnen und Pensionisten (Round

table)

– Rahmenprogramm

Den unterschiedlichen Themenbereichen kommt keineswegs eine gleiche Gewichtung zu. Während zahlreiche Themen- komplexe nur einen einzigen Beitrag umfassen, liegt der inhaltliche Schwerpunkt des Tagungsbandes auf den The- menblöcken Bibliotheksmanagement und Aktivitäten von Pensionistinnen und Pensionisten.

Der Themenblock Bibliotheksmanagement umfasst sechs Beiträge. Diesen vorangestellt ist eine Einleitung von Adal- bert Kirchgäßner, die einen umfassenden Überblick über die sich anschließenden Aufsätze bietet (S. 24 f.). Kirchgäßner gliedert die Beiträge in zwei Unterblöcke, die sich aus jeweils drei Beiträgen zusammensetzen, und gibt anschließend eine Inhaltszusammenfassung aller sechs Beiträge (S. 24): Die drei ersten Beiträge befassen sich mit Kennzahlensystemen für die interne Steuerung; Per Knudsen beschreibt die Pro- zesskostenrechnung der Universitätsbibliothek Mannheim (S. 26-38); Ruth Wüst schildert die durch das New Public Management hervorgerufenen Veränderungen in der Aargauer Kantonsbibliothek (S. 39-44) und Harald Weigel berichtet in seinem Beitrag über die Balanced Scorecard als Führungs- und Steuerungsinstrument in der Vorarlberger Landesbiblio- thek (S. 45-62). Die weiteren drei Beiträge beschäftigen sich mit Beispielen, in denen Leistungen bzw. die Leistungsfähig- keit der Bibliotheken untersucht werden: Bruno Bauers Auf- satz behandelt die Instrumentarien des Leistungsvergleiches von Universitätsbibliotheken in Österreich (S. 63-72), Si- mone Moser berichtet über das Zertifizierungsverfahren der Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museums-Bibliotheken (AKMB) (S. 73-78) und Daniel Weger stellt die Methodik der Zertifizierung von Bibliotheken in Südtirol vor (S. 79-82).

Der Themenblock Forum Bibliotheksstatistik beinhal- tet drei Beiträge. Joachim Kreische beschäftigt sich mit der Frage, ob die DBS ein brauchbares Werkzeug für den Leis- tungsvergleich zur strategischen Steuerung der Bibliotheken ist (S. 84-88). Ronald M. Schmidt stellt das ÖBS-Berichts- jahr 2008 für Wissenschaftliche Bibliotheken dar (S. 89-91) und André Hensel berichtet über die Teilnahme von Fach- hochschulbibliotheken an der ÖBS (S. 92-94).

Der Themenkomplex Konsortialverträge kann mit nur einem Beitrag von Adalbert Kirchgäßner aufwarten (S. 114-127).

Kirchgäßner diskutiert den finanziellen Nutzen von Kon- sortialverträgen, indem er zunächst das Prinzip der Verträge erläutert, um anschließend die Kostenentwicklung an Zah- lenbeispielen zu verdeutlichen – insbesondere im Falle des Hinzukommens oder Herausnehmens einzelner Zeitschrif- tentitel – und abschließend Vor- und Nachteile der Beendi- gung eines Paketvertrages aufzuzeigen.

Von den sechs Kongressbeiträgen zum Thema Teaching Library wurden nur zwei im Tagungsband veröffentlicht.

Der erste Beitrag stammt von Wilfried Sühl-Strohmenger, der sich kritisch mit der Frage des Verhältnisses von Auf- wand und Ertrag der Teaching Library auseinandersetzt (S. 137-143). Zunächst zieht Sühl-Strohmenger eine Bilanz der Entwicklung und des Umfangs bibliotheksgestützter

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der Block „Prozessoptimierung an Bibliotheken“ keinen Eingang in den Tagungsband. Allen Themenblöcken voll- ständigen Raum in der Publikation zu schaffen, hätte deren Rahmen sicherlich gesprengt. Eine etwas ausgewogenere Auswahl hätte aber die im Vorwort zitierte Vielzahl biblio- thekarischer Fragestellungen in breiterem Rahmen darstellen und den Tagungsband auf diesem Wege bereichern können.

Nichtsdestotrotz spiegelt die Publikation durch die dennoch weit gefächerte Auswahl verschiedener Themenkomplexe in anschaulicher und ausführlicher Weise die aktuelle Situation und die Vielfalt der (österreichischen) bibliothekarischen An- gebote wider. Der Tagungsband erzeugt durch eine Fülle von abwechslungs- und lehrreichen Einblicken eine Gesamtschau aktueller Tendenzen im Bibliothekswesen und ermöglicht darüber hinaus eine informative Vertiefung von Fachkennt- nissen anhand ausgewählter Aufsätze.

Anschrift der Rezensentin:

Ruth Katzenberger

Universitätsbibliothek Passau Innstraße 29

D-94032 Passau

E-Mail: ruth.katzenberger@uni-passau.de

Engelbert Plassmann, Hermann Rösch, Jürgen See- feldt, Konrad Umlauf: Bibliotheken und Informa- tionsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung.

2., gründlich überarbeitete und erweiterte Auflage.

Wiesbaden: Harrassowitz, 2011. XII, 388 S., zahlr.

Tab. u. Kt., € 34,80 – ISBN 978-3-447-06474-3

Zwar eilt dem Bibliothekswesen nicht gerade der Ruf vo- raus, eine äußerst dynamische Veranstaltung zu sein; und das in breiten Kreisen der Öffentlichkeit verankerte Image des Bibliothekars fällt womöglich noch ernüchternder aus.

Wenn aber die vier Autoren Engelbert Plassmann, Hermann Rösch, Jürgen Seefeldt und Konrad Umlauf sich veranlasst sahen, nur fünf Jahre nach Erscheinen ihres Buches „Bi- bliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland.

Eine Einführung“ eine „zweite, gründlich überarbeitete und erweiterte Auflage“ herauszubringen, dann unterliegt das Bibliothekswesen offenbar doch einem dynamischen Ver- änderungsprozess, der in jüngerer Zeit, im Zuge fortschrei- tender technologischer Entwicklung, ein weiteres Moment der Beschleunigung erfahren hat. So waren die Autoren nach eigener Aussage selbst überrascht, „wie viele noch 2006 zu- treffende Detailaussagen aktualisiert, geändert oder ergänzt werden mussten.“ Für das tradierte Bild von den handelnden Akteuren in der öffentlichen Wahrnehmung bleibt das frei- lich weitgehend folgenlos.

Ein zweiter Grund veranlasste die Autoren zu dieser Neu- auflage, die rechtzeitig zum 100. Deutschen Bibliothekar-

tag im Juni 2011 fertig gestellt und in Berlin am Stand des Verlags Harrassowitz vorgestellt werden konnte, nämlich die Tatsache, dass das Buch nach vergleichsweise kurzer Zeit bereits vergriffen war. Da es sich um eine Einführung handelt, die von allen, die sich umfassend und zuverlässig über das deutsche Bibliothekswesen informieren möchten, gebraucht wird, und da darüber hinaus das Buch von vielen Studierenden bibliotheks- und informationswissenschaft- licher Studiengänge als Lehrbuch verwendet wird, konnte der Verlag das finanzielle Risiko einer Neuauflage getrost eingehen. Dass das Werk nicht nur positiv rezensiert wor- den ist, sondern insbesondere auch von Seiten der Studen- ten als hilfreich und nützlich bewertet worden ist, durfte der Rezensent erst kürzlich aus dem Munde eines Kölner Absolventen erfahren.

Vergleicht man die alte und die neue Auflage mitein- ander, dann fällt zunächst die äußere Gestaltung auf; aus einem festen Einband wurde eine Broschur, allerdings fa- dengeheftet; dafür konnte der Preis gesenkt werden, was namentlich den Studierenden unter den Kaufinteressenten entgegenkommen dürfte. Die Seitenzahl ist, auch aus typo- graphischen Gründen, von 333 auf 388 Seiten gestiegen; die Anzahl der Tabellen erscheint leicht reduziert, diejenige der Karten blieb konstant.

Unverändert blieb natürlich auch die grundlegende Kon- zeption des Buches, die von den Autoren in der Einleitung skizziert und begründet wird und die dem Werk sein speziel- les Profil verleiht. Zum einen geht es den Autoren nicht allein um eine Beschreibung der Gegenwart, sondern sie beziehen ausdrücklich immer wieder die historische Dimension ein.

Sie skizzieren die geschichtlichen Entwicklungslinien, wohl wissend, dass der historische Prozess nicht linear, nicht wi- derspruchslos und nicht überall zeitgleich verlief. In die his- torische Betrachtung lassen die Autoren eine soziologisch ge- prägte Perspektive einfließen, die sich an der Systemtheorie von Niklas Luhmann orientiert; dessen grundlegende Werke

„Die Gesellschaft der Gesellschaft“ und „Die Wissenschaft der Gesellschaft“ sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Dies ist insofern erfreulich, als bibliothekswissenschaftliche Literatur meist ohne jeglichen theoretischen Ansatz auskommt, also allzu sehr auf der empirischen Ebene verharrt. Nicht mehr neu hingegen ist die Einbeziehung betriebswirtschaftlichen Gedankenguts, das inzwischen stark das bibliothekarische Handeln prägt und insofern auch in die Fachliteratur einfließt.

Durch die Kombination von diachroner und synchroner Be- trachtung, durch das Erkenntnispotenzial der Systemtheorie und durch das interdisziplinäre Verständnis von Bibliotheks- wissenschaft seien, so heißt es zusammenfassend über den gewählten methodischen Zugang, ein „ganzheitlicher Blick“

und „neue Einsichten über Chancen und Gefahren möglicher zukünftiger Entwicklungen“ möglich geworden.

Der Blick auf die Gliederung des Buches macht seinen Charakter als grundlegende Einführung deutlich, die auf- grund ihres Umfangs und ihrer Darstellungstiefe Züge eines Handbuches aufweist. Das differenzierte Inhaltsverzeichnis erleichtert die Suche nach bestimmten Themen erheblich, auch wenn es natürlich das Sachregister nicht ersetzt. Das erste Kapitel behandelt die begrifflichen Grundlagen des

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Bibliothekswesens und widmet sich besonders den Trägern der Information. Das zweite Kapitel beschreibt die Entwick- lungslinien im Bibliothekswesen, die strukturellen (von der Einzelbibliothek zum Bibliothekssystem) ebenso wie die technischen (Automatisierung, Digitalisierung, Virtuali- sierung). Sodann werden die Träger der Bibliotheken und die verschiedenen Bibliothekstypen vorgestellt. Das vierte Kapitel widmet sich der Kooperation und der Vernetzung, die gerade in einem dezentral angelegten und von föderalen Strukturen geprägten Bibliothekssystem eine tragende Rolle spielen; hier geht es sowohl um die bibliothekarischen In- stitutionen und ihre gemeinsamen Zielsetzungen als auch um die Zusammenarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen und Feldern, von der Erwerbung und Marktsichtung über die Erschließung, Digitalisierung bis hin zur Bereitstellung elektronischer Angebote und zur Benutzung physisch gebun- dener Medien. Standards, nicht selten auf Empfehlungen und Richtlinien zurückgehend, sind für verschiedene Bereiche definiert worden; im sechsten Kapitel finden sich viele Bei- spiele für Normen und Standards, ohne die eine erfolgreiche Zusammenarbeit kaum realisierbar wäre. Sodann geht es um die Dienstleistungen, die Bibliotheken im Informationssektor erbringen, angefangen bei den traditionellen Angeboten für die lokale und überregionale Benutzung bis hin zu virtuellen Arbeits- und Forschungsumgebungen. Natürlich darf auch der Blick auf das Bibliotheksmanagement nicht fehlen, ein Kapitel, in dem naturgemäß betriebswirtschaftliche Aspekte im Mittelpunkt stehen. Im abschließenden Kapitel wird die durch Ausbildung oder Studium zu erwerbende berufliche Qualifikation behandelt.

Der Überblick über die Anlage des Buches und die The- menkomplexe der einzelnen Kapitel konnte hier nur sehr kurz ausfallen. Erst wenn man die Überschriften der Unterkapitel hinzunimmt, zeigt sich die enorme Fülle der behandelten Themen, die den Wunsch nach umfassender Information einerseits und nach größtmöglicher Aktualität andererseits erkennen lassen. Verfolgt man die Entwicklungen im deut- schen Bibliothekswesen, dann muss man konstatieren, dass es den Autoren gelungen ist, mit der Neuauflage auf der Höhe der Zeit zu sein. Das Vorwort ist mit „Frühjahr 2011“

datiert; der Redaktionsschluss lag also nicht sehr lange vor der Drucklegung. Das lässt zugleich aber auch erahnen, in welch kurzen Zeitabständen eine Anpassung an aktuelle Entwicklungen erforderlich ist; eine weitere Neuauflage ist daher fast schon vorprogrammiert.

Das Buch endet unter der Überschrift „Ergebnisse und Perspektiven“ mit der Warnung, dass von dem explosionsarti- gen Wachstum der verfügbaren Informationen und von der enormen Beschleunigung der Informationszirkulation eine Gefahr für die Existenz der Bibliotheken ausgeht, wenn diese die Herausforderung nicht erkennen bzw. nicht annehmen.

Der Ruf nach stärkerer Dienstleistungsorientierung habe zwar gerade in der Bibliothekswelt ein erfreulich intensives Echo erfahren, aber für einige originär bibliothekarische Arbeitsbereiche müssten erst noch Steuerungsinstrumente entwickelt werden. Wandel und Änderungsbedarf stünden auch im Falle von Ausbildung und Studium auf der obersten

Prioritätenliste. Da die künftige Rolle des Staates im Infor- mationssektor schwer zu prognostizieren sei, hänge vieles von der Überzeugungskraft der Bibliothekare ab: Können sie bei den Entscheidungsträgern die Alleinstellungsmerk- male von Bibliotheken als Bildungs- und Kultureinrichtun- gen plausibel verankern? Besitzen sie genügend Durchset- zungsfähigkeit, die Bibliotheken gegenüber Anfechtungen von außen zu verteidigen? Gelingt es ihnen, das tief in den Köpfen wurzelnde Bild von der altmodischen Bibliothek und ihrem antiquierten Personal durch ein neues, der Wirklich- keit näher kommendes Image zu ersetzen? Diese und andere Kernfragen, die darüber entscheiden, ob die Bibliothek als System bei sich rasant wandelnder Systemumgebung über- leben wird, haben die Autoren im Jahre 2006 an den Schluss ihres Buches gestellt; im Jahre 2011 haben sie diese Über- legungen nahezu wortwörtlich wiederholt – ein Indiz dafür, dass die Probleme nach wie vor akut und die gestellten Fra- gen nicht gelöst sind.

Mit der vorliegenden Einführung besitzt das deutsche Bi- bliothekswesen nun wieder eine grundlegende Darstellung, umfassend, gründlich und state of the art, die alle Voraus- setzungen erfüllt, zu einem unverzichtbaren Standardwerk zu werden. Indem sie viele bibliothekarische Fachbegriffe durch klare und eindeutige Beschreibungen definiert, wirkt sie selber Norm bildend auf dem Gebiet der Bibliotheks- und Informationswissenschaft.

Anschrift des Rezensenten:

Dr. Ludger Syré

Badische Landesbibliothek Erbprinzenstraße 15 D-76133 Karlsruhe

E-Mail: Syre@BLB-Karlsruhe.de

RE 2741

Hans E. Rosendaal, Kasia Zalewska-Kurek, Peter A. Th.

M. Geurts, Eberhard R. Hilf: Scientific Publishing: From vanity to strategy. Oxford: Chandos Publishing, 2010.

174 S. – ISBN 978-184334-4902

Wissenschaft und zugehöriges Publikationswesen unterlie- gen seit über einem Jahrzehnt einem stark technologiege- triebenen Wandel. Aus der Perspektive eines strategischen Wissenschaftsmanagements wenden sich Rosendaal, Zalew- ska-Kurek, Geurts und Hilf mit ihrem Buch an alle hieran unmittelbar Beteiligten oder Interessierten: das Management von Universitäten, Bibliotheken und Wissenschaft, Verleger sowie Wissenschaftler und Studenten des Wissenschafts- managements und der Informationswissenschaften. Hierbei analysieren die Autoren/innen das wissenschaftliche Publika- tionswesen unter der Perspektive, wie es der sich fortentwi- ckelnden, technologiegestützten Wissenschaft und den sich hier vorfindlichen Interessenlagen dienen kann.

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Information erwarten die Autoren/innen, dass dieses dem Forschungsumfeld entspricht und zugleich der Forschung dient. Eine Begriffsbildung, die den Autor/innen besonders geeignet erscheint, ist die Auffassung eines Geschäftsmodells als eine Organisationsform mit dem Zweck der Erzeugung, Vermehrung und des Austausches von Gütern oder Dienst- leistungen auf der Basis von Eigentum. Bezogen auf das wissenschaftliche Publizieren sind dabei folgende Funktio- nen zu erfüllen:

– Formulierung einer Strategie der Werterzeugung und -vermehrung, die der Vermehrung des wissenschaftli- chen Wissens dient.

– Definition eines Marktsegments, an das sich die jewei- ligen Produkte richten. Dies kann ein Teilbereich der Wissenschaft sein, aber auch über diese hinaus die an wissenschaftlichen Ergebnissen interessierte Öffentlich- keit einschließen.

– Einbeziehung der strategischen Position der Wissen- schaftler in ihrem jeweiligen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld.

– Identifizierung der Wertschöpfungskette sowie der Bei- träge und Konsequenzen für die beteiligten Interessen- gruppen.

– Einbeziehung der Wettbewerbsstrategien der Wissen- schaftler und Wissenschaftlergruppen, mit den entspre- chenden Auswirkungen für den Umgang mit und das Teilen von Information und Ergebnissen.

– Identifikation von Überschüssen, Kostenstrukturen und Profitpotenzialen, um Bestand und Nachhaltigkeit des Systems zu sichern.

Beim Publizieren besteht die Wertbildung in der Bereitstel- lung von wissenschaftlicher Information und beruht auf der Bereitschaft der Wissenschaftler/innen, ihre Ergebnisse mit den Fachkolleg/innen zu teilen. Vom Standpunkt des For- schungsprozesses selbst ist diese Wissenschaftsinformation zudem kein finales Produkt, sondern ein Zwischenprodukt, das von der Wissenschaftsgemeinschaft aufgegriffen und weiterentwickelt wird (hier nach Popper). Wissenschaftli- che Information wird produziert, um das bestehende Wis- sen zu vermehren – ein solcher Mehrwert kommt jedoch nur zustande, wenn sie geteilt wird. Merton geht so weit, zu konstatieren, dass sofern nicht geteilt, dieses Wissen gar nicht existiert1.

Auf dieser Basis muss das wissenschaftliche Publizie- ren notwendig das Teilen und Verbreiten von Information unterstützen, sonst verfehlt es den Dienst am Zweck der Wissenschaft. Hinzu kommt die Seite des Lesers, dem es um die Auswahl und den Zugriff auf wissenschaftliche In- formation geht. Beide Komponenten bedienen zugleich den Wettbewerb: Autoren/innen geht es um die Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistung und den Erwerb von Re- putation in ihrem wissenschaftlichen Umfeld. Leser genie- ßen einen Wettbewerbsvorteil auf Basis eines effizienten

1 Aus Sicht einer Wissenschaftsgemeinschaft und einer Gesellschaft, die auf Wissen angewiesen ist und dieses produktiv nutzen will, ist dies nachvollziehbar. Daneben gibt es dennoch Wissen, das aus unter- schiedlichen Gründen nicht geteilt wird.

Den Autoren/innen des Buches geht es dabei weniger um eine Analyse der Veränderungen des Publikations- wesens selbst als um die Auswirkungen des technologi- schen Wandels auf die Wissenschaftsprozess und dessen Weiterentwicklung hin zu e-Science. Entsprechend erin- nern sie an eine von Roosendaal et al. bereits 2005 formu- lierte Vision für den wissenschaftlichen Informationsmarkt (Kapitel 1):

– Der Informationsmarkt für Forschung und Lehre beruht künftig auf einem Informationsnetzwerk, basierend auf offenen Standards und einer Architektur, die Nutzern einen einfachen und schnellstmöglichen Zugang zur In- formation erlaubt.

– Einbezogen wird dabei nicht nur die wissenschaftliche Information selbst, sondern auch ein darauf bezogenes Informationsmanagement.

– Der wissenschaftliche Informationsmarkt besteht aus der Gemeinschaft von Forschung und Lehre. Dieses Netz- werk wird sowohl offen als auch global sein.

Information wird hier kombiniert mit einem Informations- management, das Zugang und Erschließung für alle Nutzer unterstützt. Studenten, Lehrende, Wissenschaftler und andere Nutzer sollen unabhängig von Ort und Zeit Informationen auf alle möglichen (wissenschaftsadäquaten) Weisen nutzen können, so dass eine nahtlose Integration in den täglichen Arbeitsprozess erfolgt. Die Autoren/innen konstatieren, dass diese Vision die Marktentwicklung bereits angetrieben habe.

Entsprechend seien – und dies ist der Hauptgegenstand des Buches – die Geschäftsmodelle des wissenschaftlichen In- formationsmarktes gleichfalls hieran auszurichten.

Viel Potenzial entdecken Rosendaal et al. in dem Ausbau ihrer Vision eines universellen Zugriffs auf wissenschaftliche Information hin zu e-Science, einem digital unterstützten vernetzten wissenschaftlichen Arbeitsprozess, gekoppelt mit verbesserter wissenschaftlicher Kommunikation von For- schungsergebnissen und wissenschaftlichen Daten. Diese Form der Wissenschaft resultiere letztlich in einer erhöhten Interdisziplinarität und Produktivität der Wissenschaft.

Mit ihrem Vorhaben schließen Rosendaal et al. einer- seits an die Traditionen und Funktionen des Publizierens an: Wissenschaftler kommunizieren (und teilen damit) ihre Ergebnisse, um ihre Entdeckungspriorität zu sichern. Diese Output-Orientierung gipfelt jedoch mitunter in einem „vanity publishing“, einer primär die Eitelkeit(en) des Wissenschaft- lers bedienendenden Publikationsstrategie. Dem wird das Credo „From Vanity to Strategy“ entgegen gehalten: e-Sci- ence verspricht aus Sicht der Autor/innen Arbeits- und Kom- munikationsstrategien, die die Wissensproduktion verbes- sern und das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft intensivieren. Hieran gekoppelte Publikationsstrategien und -geschäftsmodelle sollen die Umsetzung unterstützen.

Kapitel 2 analysiert Geschäftsmodelle in einem wissen- schaftlichen Umfeld. Mittels eines nachfragegetriebenen Zugangs sollen hier Kriterien und Strategien formuliert wer- den, die geeignet erscheinen, die Integration von Informa- tion in den Forschungsprozess zu unterstützen. Von einem Geschäftsmodell für das Publizieren wissenschaftlicher

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Zugangs und Gebrauchs wissenschaftlicher Information.

Diese Aspekte sind von einem geeigneten Geschäftsmodell zu berücksichtigen und werden in den folgenden Kapiteln anhand von Varianten diskutiert (Kapitel 2 und 7). Das Sub- skriptionsmodell folgt dem Modell des Papierzeitalters: Ein Verleger produziert ein Journal, verlangt für die Lieferung eine Gebühr und ergänzt dies durch kostenpflichtige digitale Angebote. Das Open-Access-Modell beruht auf der für Leser online frei zugänglichen Bereitstellung, ergänzt durch Va- rianten kostenpflichtiger Dienste oder Einkommensmodelle (z. B. Article Processing Charges). Dieses Modell hat bisher lediglich zu einer Marktdurchdringung von etwa 15 Prozent geführt, was die Autor/innen darauf zurückführen, dass die Wertschöpfungskette weiterhin diejenige des Printzeitalters sei und damit nicht die geeigneten Anreize für beteiligten In- teressengruppen liefere2. Ein wirklich adäquates Geschäfts- modell im Sinne eines optimalen Teilens von Wissen und wissenschaftlicher Kooperation und Arbeitsteilung sei daher erst noch zu (er)finden.

Kapitel 3 bis 6 befassen sich mit Komponenten, Markt- kräften und Funktionen des Modells. Das Wissenschaftsum- feld bringt zugleich Rahmenbedingungen für die einzelnen Wissenschaftler/innen mit sich. So stellt die Wissenschafts- förderung Anforderungen hinsichtlich der Themen, der Ver- breitung und der Zusammenarbeit in der Wissenschaft. Die Verbreitung der Ergebnisse richtet sich an verschiedene Seg- mente der Gesellschaft: Fachkollegen, Berufsstände, die die Information nutzen, selbst aber nicht selbst produzieren, so- wie die Laien und die allgemeine Öffentlichkeit (S. 22-25).

Wissenschaftler/innen stehen in einem mehr oder weni- ger starken Verhältnis strategischer Wechselseitigkeit (stra- tegic interdependence), besonders bezogen auf gemeinsam genutzte Ressourcen (Labore, Geräte etc.). Hinzu kommt eine (mehr oder weniger ausgeprägte) organisatorische Eigenständigkeit (organisational autonomy) hinsichtlich der Verfolgung von Forschungsfragen (Kapitel 3, S. 30f.

und Kapitel 4, 40f.). Die jeweilige Ausprägung hängt von den verfolgten Zielen ab und davon, welche Art von Zusam- menarbeit für die Umsetzung besonders vielversprechend erscheint. Sind beide Merkmale wenig ausgeprägt, hängen Wissenschaftler in ihren Entscheidungen stark von ihren Kollegen ab, ohne dabei selbst strategische Ziele bestimmen zu können (Mode 0). Der Wissenschaftler des „Elfenbein- turms“ (Mode 1) ist auf ein hohes Maß von Autonomie hin- sichtlich der Forschungsfragen bedacht und zugleich nicht darauf angewiesen, strategische Abhängigkeiten einzugehen.

Auch beim Publizieren und bei der Auswahl von Informa- tion entscheiden diese Wissenschafter/innen ganz autonom.

Der Typ des strategischen Forschers (Mode 2) basiert stark darauf, die eigenen Forschungsfragen auf Forschungspro- gramme zuzuschneiden und entsprechenden Zugang zu den Ressourcen zu erhalten. Diese Wissenschaftler arbeiten eng mit ihren Kollegen zusammen und treffen Entscheidungen gemeinsam. Der Typ des Wissenschaftsunternehmers (re- search entrepreneur) wiederum genießt Autonomie in der

2 Der Aspekt sozialer Beharrungskräfte in der Wissenschaftsgemein- schaft wird von den Autoren hier nicht einbezogen.

Bestimmung seiner Forschungsrichtung und wird mit For- schungsmitteln honoriert, weil sein Beitrag als eine Ant- wort auf gesellschaftliche Herausforderungen verstanden wird. Wissenschaftsunternehmer sind in der Lage, eine ge- sellschaftliche Nachfrage nach ihrer Art von Wissenschaft zu erzeugen (Mode 3). Diese Wissenschaftler entscheiden gleichfalls autonom, was, wo und wann sie ihre Ergebnisse publizieren. In der Auswahl von Information sind sie selbst unabhängig, sie beeinflussen vielmehr andere in ihren Ent- scheidungen. In Kapitel 4 studieren Rosendaal et al. diese Typologie anhand eines Beispiels, des MESA+ Institute for Nanotechnology der Universität Twente.

Diese drei Hauptvarianten der strategischen Positionie- rung von Wissenschaftlern müssen das wissenschaftlichen Informationssystem und damit auch das Geschäftsmodell des wissenschaftlichen Publizierens bedienen. Hierzu zählt insbesondere das Interesse der Wissenschaftler an einem Vorteil in der wissenschaftlichen Konkurrenz, um so wei- tere Vorteile zu erlangen wie Forschungsmittel oder Ein- ladungen zu Konferenzen. So sind Wissenschaftler in der Regel zurückhaltend beim Austausch von wissenschaftlicher Information und Daten, bis die eigenen Auswertungen, Pu- blikationen und Patente abgeschlossen sind. Um dann den Anspruch an der Entdeckung (-spriorität) zu erheben, muss die Veröffentlichung erfolgen; idealerweise gekoppelt mit den zugehörigen Daten, da das Zurückhalten der Daten eine Qualitätskontrolle unmöglich machen würde.

Die Konkurrenz der Wissenschaftler untereinander spielt auch bei der Akquisition von Information (Kapitel 4) eine Rolle, indem diese zum Beispiel über die Literatursuche die Forschungsfragen ihrer Kollegen verfolgen. Dieses Verhalten zielt zugleich darauf, Mehrfachentdeckungen zu vermeiden.

Ein weiteres Selektionskriterium ist das Peer Review eines hochqualitativen Journals, da dies dem Beitrag und damit dem Autor die bestmögliche Reputation verschafft. Beim Publizieren spielen verschiedene Motivlagen eine Rolle, in der Regel eine Kombination von einem Interesse an der Verbreitung / dem Teilen von Wissen wie auch das Streben nach Anerkennung und eine Form von Gruppendruck (der Forschergruppe oder der Wissenschaftsgemeinschaft). Ähn- liche Aspekte beschreiben Rosendaal et al. für den Bereich der Lehre und Nachwuchsförderung.

Kapitel 5 beschreibt die wesentlichen Treiber des Infor- mationsmarktes: Anerkennung, Wettbewerb, Verfügbarkeit, Selektion (recognition, competition, availability and selec- tion). Hiermit korrespondieren die vier Hauptfunktionen von wissenschaftlicher Information: Registrierung, Archivierung, Bekanntheit / Gewahrsein und Zertifizierung (registration, archiving, awareness, certification, S. 63ff.). Diese Funk- tionen betrachten Rosendaal et al. vom Gesichtpunkt der strategischen Positionierung des Wissenschaftlers. So wird zum Beispiel die Funktion der Zertifizierung typischerweise durch ein Peer Review realisiert. Dieses schätzt die Qualität des Ergebnisses bezogen auf ein konkurrierendes Wissen- schaftsumfeld ein. Das Peer Review variiere zudem mit dem Modus von Wissenschaft (siehe oben), mit einer stärkeren Betonung auf den Methoden oder den Anwendungspoten- zialen von Ergebnissen (S. 69f.).

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Kapitel 6 betont noch einmal wesentliche Aspekte des zu entwerfenden Geschäftsmodells. So solle dieses eine an- gemessene Balance zwischen Verfügbarkeit und Selektion von Information herstellen und eine finanziell nachhaltige Strategie verfolgen (S. 102f.). Zugleich bedarf es eines ge- eigneten Rechtsrahmens für die Wahrnehmung der Urheber- rechte der Autoren/innen wie auch der Verwertungsrechte, die in der Regel Dritten übertragen werden. Schließlich dis- kutieren Rosendaal et al. einige Aspekte des Peer Review, das einerseits zur Reputation des Wissenschaftlers beiträgt, andererseits in Fächern mit einer ausgeprägten Preprintkul- tur wie der Physik als zum Teil redundant erscheinen mag.

Kapitel 7 diskutiert die in den vorangehenden Kapiteln gesammelten Kriterien anhand von Szenarios. Diese sind im Wesentlichen das Subskriptionsmodell, das Open-Ac- cess-Modell und eine Variante hiervon, die Basisdienste und Added-Value-Dienste kombiniert. Basisdienste umfassen hier die Feststellung des Urheberrechts durch den Autor, den Zertifizierungsprozess und die Verbreitung. Die Wert- schöpfungskette schließt hieran einen optionalen Added- Value-Service an, bezogen auf das Publizieren oder auch auf die Auswahl von Informationen. Schließlich folgen der Erwerb der Information durch die Leser und der Gebrauch im Wissenschaftsprozess. Insbesondere das letzte Modell wird eher abstrakt vorgestellt. Es bleibt dem Leser überlas- sen, zu erkunden, wie die Initiative SCOAP3 (Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics) und die Cochrane Library vorgehen und was hiervon für die Diskussion relevant ist3.

Kapitel 8 konstatiert, dass der zwar wachsende, jedoch begrenzte Erfolg des Open-Access-Modells ein Resultat der nicht überzeugenden Anreize für die beteiligten Interessen- gruppen (stakeholder) ist und schlägt Konsequenzen vor.

Subskriptions- wie auch Open-Access-Modell seien durch- weg verleger- und angebotsorientiert. Dies sei durch ein nachfrageorientiertes Modell zu ersetzen, das zudem an den zentralen forschungsbezogenen Funktionen (vgl. Kapitel 5) zu orientieren sei. Eine genauere Bestimmung sei nach Ro- sendaal et al. nur in einer Allianz der an der Wertschöp- fungskette beteiligten Gruppen möglich. In diesem Kontext könnten dann auch die strategischen Positionen und wech- selseitigen Abhängigkeiten von Bibliotheken, Verlegern, Nutzern, Wissenschaftseinrichtungen und Diensteanbietern einer Revision unterzogen werden (S. 127ff.). So kommen Rosendaal et al. zu dem Schluss, dass die Absorption von Bibliotheken in das Forschungsumfeld und eine Symbiose von Verlegern und anderen Serviceanbietern eine mögliche Folge und Lösung der Suche nach nachhaltigen Geschäfts- modellen sein könnte. Die genauere Beschreibung einer solchermaßen symbiotischen Beziehung aller Stakeholder und der von ihnen übernommenen Funktionen in der Wissen- schaftskommunikation – mit einem Schwerpunkt auf „cer- tification“ und „awareness“ – könnte nach Rosendaal et al.

Gegenstand einer zukünftigen Untersuchung sein.

3 Diese Analyse soll hier nicht nachgeholt werden. Vgl. <http://scoap3.

org/>.

Bewertung

Die Ausgangsfrage von Rosendaal et al. nach einem wissen- schaftsadäquaten Informationsmarkt, Publikationswesen und Geschäftsmodell ist eine sehr berechtigte. Die Interessens- lagen und Wettbewerbsstrategien der Wissenschaftler/innen und ihrer Institutionen bei der Konzeption von Services und Geschäftsmodellen zu berücksichtigen, leuchtet ein, da sonst die Nachfrage gering bis ganz ausfallen wird – entscheidend ist, welche derselben man bedient und wie dies geschieht.

Rosendaal et al. streben – mit Blick auf das Interesse der Wissenschaftler/innen an einem Vorteil in der Wissenschafts- konkurrenz – eine Verbesserung und Beschleunigung der Wissenschaftskommunikation an. In ihrem Vorschlag eines adäquaten Geschäftsmodells trennen sie die Verbreitung mit für Nutzer freiem Zugang von den hierauf aufsetzenden kostenpflichtigen Mehrwertdiensten. Hierbei gehen sie von einer durchaus idealistischen Sicht auf den Markt als einem den Hauptfunktionen der Wissenschaftskommunikation (vgl.

Kapitel 5) verpflichteten aus. Insgesamt liest sich daher das Buch von Rosendaal et al. streckenweise zu sehr wie ein Pos- tulat, sei es hinsichtlich der Marktfunktionen, der Typen von Wissenschaft und der Autonomie oder Integration wie auch strategischer Abhängigkeit der Marktbeteiligten.

Im Verlauf der Abhandlung bleiben die vorgestellten Be- grifflichkeiten, Ansätze und Schlussfolgerungen teils recht vage, so auch der Begriff von e-Science selbst. Teilantwor- ten auf die Ausgangsfrage lassen sich im Text nur mühsam finden. Eine konzentriertere Darstellung und Argumentation wie auch eine professionelle Editierung wären dem Buch daher zuträglich gewesen.

Anschrift der Rezensentin:

Dr. Birgit Schmidt

Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

– Elektronisches Publizieren – D-37070 Göttingen

E-Mail: bschmidt@sub.uni-goettingen.de

Schmelze des barocken Eisbergs? Das VD 17 – Bi- lanz und Ausblick. Beiträge des Symposiums in der Bayerischen Staatsbibliothek München am 27. und 28. Oktober 2009. Hrsg. von Claudia Fabian. Redaktion:

Claudia Bubenik. Wiesbaden: Harrassowitz, 2010. 223 S.: Ill., Tab. (Bibliothek und Wissenschaft; 43). € 99,00 – ISBN 978-3-447-06385-2

1980 prägte der Barockforscher Gerhard Dünnhaupt das Bild vom barocken Eisberg. Es zeigte sehr plakativ die Situation der deutschen Nationalbibliographie für das 17. Jahrhundert auf. Nur die Spitze des wirklich erschienenen Schrifttums war der Forschung bekannt. Der immense Rest verbarg sich

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Hamburg, Kiel, Rostock, Greifswald, aber auch die Stadtbi- bliotheken in Trier, Mainz, Lübeck mit ihrem in aller Regel unikalen Bestand an lokalen und regionalen Kleinschrif- ten. Hinzu kämen Kirchenbibliotheken aus dem gesamten Sprachraum, die insgesamt das konfessionelle Gleichgewicht sichern würden. Bisher dominiert doch das protestantische Schrifttum mitteldeutscher Provenienz. So stehen etwa die Erscheinungsorte Leipzig, Wittenberg und Jena deutlich an der Spitze der Tabelle.

Unter den bisher etwa 125 000 erfassten Personennamen befinden sich zahlreiche bisher nicht bekannte Autoren, viele davon Beiträger in anderen Schriften. Personengeschichtlich höchst wertvolles Quellenmaterial halten die zahlreichen Widmungen bereit.

191 Gattungsbegriffe und Fachbezeichnungen ermög- lichen uns einen sachlichen Zugriff auf die Bestände. Mit fast 78 000 Titeln dominieren die Dissertationen und Hoch- schulschriften deutlich vor den Gelegenheitsschriften mit gut 62 000 Nennungen. Bei dieser Statistik bleiben allerdings die Überschneidungen zwischen den Gattungen in beträchtli- chem Umfang unberücksichtigt. Mehrfacheintragungen wur- den nach Stichproben nicht immer konsequent durchgeführt.

Es erstaunt in keiner Weise, dass eine Datenbank wie das VD 17 von Wissenschaftlern und Bibliothekaren weltweit intensiv benutzt wird. Allein 2008 gab es gut 9 Millionen Suchanfragen.

Eine Fortführung des Unternehmens ist wegen seiner noch existierenden Lücken zwingend geboten. Wo anzuset- zen ist, klang bereits an. Da der historische deutsche Sprach- raum deutlich über politische Grenzen hinausging, wäre etwa eine Kooperation mit ostmitteleuropäischen Bibliotheken anzustreben, vor allem mit den polnischen und baltischen.

Auch in Siebenbürgen erschienen deutsche Drucke in be- trächtlichem Umfang.

Weitere Statistiken untermauern noch einmal Bekann- tes, etwa den Einbruch der Druckproduktion im 30jährigen Krieg mit dem Tiefpunkt um1635, die allmähliche Erholung nach 1650 sowie die Dominanz der besonders frequentierten Universitäten Leipzig, Wittenberg und Jena unter den deut- schen Hochschulen.

Da historische Drucke mit modernen Systematiken nur unzureichend erschlossen werden können, hat man für die sachliche Erschließung einen Kompromiss gewählt. Die angesprochenen 191 Gattungsbegriffe, eine Mischung aus Fachbezeichnungen und Literaturgattungen, ermöglichen einen sachlichen Zugriff. Anhand von Statistiken und Dia- grammen untermauert Dorothea Sommer die deutliche Do- minanz der Dissertationen / Hochschulschriften sowie der diversen übrigen Gelegenheitsschriften, darunter besonders der Leichenpredigten. Man ist erstaunt zu erfahren, dass bei den Fächern die meisten Drucke auf die Medizin entfallen.

Bei Berücksichtigung der Theologie und Jurisprudenz hätten sich deutlich andere Ergebnisse ergeben. Unter den Litera- turgattungen nahm die Lyrik eindeutig den ersten Rang ein.

Es folgen mehrere Beiträge von Wissenschaftlern, die als intensive Nutzer den enormen bibliographischen, buchkund- lichen und fachwissenschaftlichen Zugewinn für ihre For- schungen herausstellen. Besonders die zahlreichen Schlüs- einem Eisberg gleich, unseren Blicken entzogen, unter der

fingierten Wasseroberfläche.

Wissenschaftler und Bibliothekare wollten sich aber schon vor gut 30 Jahren nicht weiter mit dieser Situation abfinden. Der Startschuss zum elektronischen „Verzeich- nis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD 17)“ fiel bereits 1978 in einem ersten Arbeitsgespräch. 1990 legte dann Wolfgang Müller die de- taillierte Projektskizze „Die Drucke des 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum …“ vor. Bis zum konkreten Beginn, zur Katalogisierung in ausgewählten Bibliotheken mit ein- schlägigen Beständen, vergingen noch weitere sechs Jahre.

Mittlerweile sind die Erschließungsarbeiten in den zunächst berücksichtigten Bibliotheken weitgehend abgeschlossen.

Man ist zwar dem Ziel einer vollständigen deutschen Na- tionalbibliographie für das 17. Jahrhundert deutlich näher gekommen, doch bleiben, wie der Band an etlichen Stellen belegt, noch viele Arbeiten zu tun.

Die enormen Verluste, die viele deutsche Bibliotheken im Zweiten Weltkrieg durch Zerstörungen und Verschleppungen erlitten, erschweren die Arbeit zusätzlich.

Auf das bisher Erreichte kann man mit Recht stolz sein.

Claudia Fabian betont dies in ihrem selbstbewussten einfüh- renden Beitrag. Die bis Herbst 2009 verfügbaren 270 000 Ti- tel mit 640 000 Exemplaren und 728 000 Bildseiten sind in der Tat „ein wunderbares Geschenk für die Wissenschaft“

und obendrein eine beeindruckende Bilanz.

Nach einer hilfreichen Chronologie zur Entwicklung des VD 17 von Claudia Bubenik stellen sich dann die mit DFG-Förderung teilnehmenden Bibliotheken kurz vor. Es sind die Staatsbibliothek zu Berlin, die Bayerische Staats- bibliothek, die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, die Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle, die Sächsische Landesbibliothek in Dresden, die Stadtbib- liothek Nürnberg, die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und die Universitätsbibliothek Augsburg.

Eine höchst aufschlussreiche Morphologie des Unterneh- mens liefert dann der erwähnte Wolfgang Müller in seiner Analyse „Das VD 17 in Zahlen: statistische Aussagen – neue Erkenntnisse?“ Seine ebenfalls Anfang Oktober 2009 erho- benen Zahlen unterscheiden sich leicht von Fabian (253 300 Titel, mit Bandaufführung mehrbändiger Werke 270 400 Ti- telaufnahmen, rund 650 000 Exemplare).

Mit fast 90 000 Titeln verfügt die Herzog August Bib- liothek Wolfenbüttel über den mit Abstand größten Bestand.

Es folgen die Bayerische Staatsbibliothek und die Sächsi- sche Landesbibliothek. Die Überschneidungsquoten sind insgesamt relativ gering. Bei kleineren Schriftengattungen wie Periochen, Zeitungen, Einblattdrucken, Vorlesungsver- zeichnissen nähert sich der Unikatanteil den 100 Prozent.

Der Fachwelt ist seit langem bewusst, dass immer noch wichtige Bibliotheken mit ihren historischen Beständen fehlen. Sie befinden sich im Südwesten, Westen, aber auch im hohen Norden Deutschlands, konkret etwa die Universi- tätsbibliotheken Freiburg, Heidelberg, Bonn, Köln, Münster,

Referenzen

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