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Der Grhya-Ritus Pratyavarohana im Päli-Kanon.
Von E. Hardy.
Bei der Vorbereitung der nocb nicht herausgegebenen Teüe des
Anguttara-Nikäya zum Drucke stiess ich in dem Dasaka-Nipäta auf
einen A'^agga, der in den Handscbriften nach einem darin vorkommen¬
den Sutta als Paccorohani-Vagga bezeichnet wird. Einige Blätter
weiter steht dasselbe Stück nochmals, indem das nämliche Thema
vom Unterschied des „Wiederherabsteigens" im brähmanischen und
buddhistischen Sinne {ariyassa vinaye) mit Variationen (wie über¬
haupt in dem erwähnten Nipäta) zweimal (oder mehr) behandelt
wird. Der Vagga, in dem unser Sutta zum zweiten Male auf¬
genommen ist, heisst Jänussoni-Vagga, so benannt nach dem Brah¬
manen J. , mit welchem das hier angezogene Gespräch über die
verschiedenen Arten der paccorohani geführt wird. Ohne auf den
Inhalt desselben näher einzugehen, den der Kommentar (Manoratha-
Püranl) als päpassa paccorohani charakterisiert, möchte ich nur
den gleichlautenden Eingang des genannten Sutta berücksichtigen, weil die Beschreihimg des bekannten Grhya-Ritus Pratyavarohana,
wie sie uns hier entgegentritt, zu einer Vergleichung mit den
Normen der Grbya-Sötras einladet. Aus diesen erfahren wir, dass
die Zurückverlegung des Lagers auf den Erdboden nach Ablauf der
durch die Schlangen gefährlichen Zeit mit besonderen Ceremonien
verbunden war (vgl. Alfr. Hillebrandt, Ritual-Litteratur, S. 78). Wie
sich die Sache nach den in jenem Sutta enthaltenen Angaben ver¬
hielt, mag folgende Stelle lehren, der ich mich' nicht entsinne scbon
einmal anderswo in der Päli-Litteratur begegnet zu sein.
Tena kho pana, samayena Järmssoni brährnano tadahu 'posathe
sisam nahäto navam khomayugam nivattho aliam kusamutthim
ädäya Bhagavato avidüre thito ahosi. Addasä kho Bhagavä
Jänussonim brähmanarn tadahu 'posathe sisam nahätatn navam
khomayugam nivattharn ailam kusamutthim. ädäya avidüre eka-
mantarn thitatn, disvä Jänussonim brähmanarn etad avoca: ^kin
nu kho tvarn brähmana tadahu 'posatlie sisam nahäto navarn
khomayugarn nivattho ailam kusamuUhirn ädäya ekamantarn thito,
kin nu ajja brähmariakulassä' ti? ^Paccorohani bho Gotama
150 Hardy, Der Grhya-Ritus Pratyavarohana im Päli-Kanon.
ajja brähmanakulassä' ti. ^Yathäkatham pana brähmana bräh-
manänam paccorohani hoti' ti? ^Idha bho Ootama brähmänä
tadahu 'posathe sisam nahätä navam khomayugam nivatthä aliena
gomayena pathavim opunjetvä haritehi kasehi pattharitvä antarä
ca velam antarä ca agyägäram seyyam kappenti. Te tarn rattim
tikkhattum paccuUhäya panjalikä aggim namassanti „paccorohäma
bhavantarri , paccorohäma bhavantan'^ ti pahutena ca sappitelena
navanitena aggim santappenti tassä ca rattiyä accayena panl-
tena khädanlyena bhojaniyena brähmane santappenti. Evarn bho
Gotama brähmanänam paccorohani hoti' ti.
Punkt für Punkt stimmt die Besclireibung des Ritus Paccoro-
bani = Pratyavarobana , die der Verfasser des obigen Sutta wie
anzunebmen der Wirklicbkeit entlehnt hat, mit dem Bilde überein,
das wir aus den Grhya-Sütren gewinnen. Es genüge, die Einzel¬
heiten mit den entsprechenden Parallelen hervorzuheben.
Die Zeitbestimmung: tadahu 'posathe; ein Volhnondstag,
und zwar fast durcbgehends Vollmond im Monat Märgasirsa wird
als Termin der Peier angegeben (Äsv. 2, 3, 1; Pär. 3, 2, 1; Hir.
2, 17, 2; Äp. 19, 3; Sänkh. 4, 17, 1; Gobb. 3, 9, 1). Zu den Vor¬
bereitungen gehört: 1) Baden (sisam nahätä). So wenigstens
Pär. 3,2,6; 2) Anlegen eines neuen (noch nicht gewaschenen)
Kleides : navam khomayu^garn nivatthä. Ebenfalls bei Pär. 3, 2, 6;
3) Bedecken des Bodens mit Kuhdung (aliena gomayena pathavim
opunjetvä). Hierfür findet sich eine Vorschrift bei Pär. 2, 14, 11,
indem 3, 2, 4 auf diese Riten verwiesen wird; 4) einerseits der
Gebrauch einer Handvoll angefeuchteter Kusa-Gräser (allarn kusa-
mutthirn ädäya), womit Öänkh. 4, 17, 3—5 zu vergleichen ist, wo
auch der Zweck (Abwehr des Übels) angeführt wird, und anderseits
das Ausstreuen von grünen Kusa-Gräsem (haritehi kusehi pattha¬
ritvä) , um daraus ein Lager zu bereiten (Säükh. 4, 18, 5; Ä^v. 2,
3, 7; Pär. 3, 2, 6; Gobh. 3, 9, 12—14; Hir. 2, 17, 2; Khäd. 3, 3,
20). Der Ort für dieses Lager ist aus der Angabe antarä ca
velam antarä ca agyägärarn zu entnehmen. Denn befand sich das
agyägärarn im Osten vom Hause, so hatte das Lager seinen Platz
westhch vom Peuer, wie die Vorschrift in den Sütren lautet (Äsv.
2, 3, 7; Pär. 3, 2, 6; Gobh. 3, 9, 12; Khäd. 3, 3, 20). Haben wir
unter velä das Haus als Grenze oder was sonst zu versteben? Der
Kommentar, der zu unserm Sutta nicbt einmal eine volle Zeile bei¬
bringt, bemerkt : antarä ca vdarn antarä ca agyägäran ti välikä-
räsissa ca antare. Soll dieser Sandhaufen vielleicht die Grenze
vorstellen? Auf alle Pälle würde, was allerdings in jenem Sutta
nicht ausgesprochen ist, diese „Grenze" nach Norden zu hegen, da
die einzelnen Personen (der Hausvater, sein Weib und die Haus¬
genossen, letztere nach ihrem Alter) von Süden nach Norden sicb
auf die Streu niederlegen (Hir. 2,17,5.6; Äp. 7,19,10; Pär.
3, 2, 6), seyyam kappenti, wie das. Päli-Sutta sich ausdrückt Es
Hardy, Der Grhya-Ritits Pratyavarohana im Päli-Kanon. 151
folgt nun, nachdem alle sich niedergelassen haben,- die dem Pra¬
tyavarohana eigentümliche Sitte, in der Nacbt , d. h.
also in jener Vollmondsnacht, dreimal sich von dem Lager zu erheben
(tarn rattim tihhhattuin paccutthäya) und jedesmal dabei die Hände
zu falten nach der Richtung des Peuers [panjalikä aggim namas¬
santi) unter Anwendung einer bestimmten Pormel, in der auf den
Akt des Wiederherabsteigens Bezug genommen wird, und die der
buddhistischen Quelle zufolge lautet: lasst uns wiederherabsteigen
zu Dir (Agni) ! Auch in den Grhya-Sütras wird dieser Ritus äbn¬
lich beschrieben. Am nächsten kommt Hir. 2, 17, 12; nur die
Pormel, die man jedesmal, nachdem man sich erhoben hat, spricht,
ist abweicbend, hierin aber herrscht überhaupt keine Übereinstimmung
in den einzelnen Sütren. Pär. 3, 2, 14. 15 verweist den Ritus zwar
nicht ausdrücklich auf die Nacht, doch lässt die Stelle in Ver¬
bindung mit der Anpreisung (auch bei Hir.) der Nacht, ,die die
Leute freudig begrüssen", die „die Gattin des Jabres" ist (Neujahrs¬
nacht) , kaum eine andere Deutung zu. Die übrigen Sütras (Äsv.
2, 3, 11; Äp. 7, 19, 12; Gobh. 3, 9, 20) erwähnen nur, dass das
Sichniederlassen dreimal erfolgt, und zugleich, dass sich alle dreimal
auf die rechte Seite legen (Gobh. 3, 9, 20; Khäd. 3, 3, 25). Pür
die Ceremonie des pränjalika gegenüber dem Peuer im Rabmen
unseres Ritus zeugt Pär. 3, 2, 7. 8, während uns für die reichliche Bedienung des Peuers mit zerlassener Butter, Öl und frischer Butter
{pahutena sappitelena navanitena aggim santappenti) kein Zeugnis
aus den Grhya-Sütras zur Verfügung stebt. Icb glaube, dass auch
Äp. 7, 19, 13 nicht als strenge Parallele zu betrachten ist. Da¬
gegen hahen wir wieder für die den Abscbluss bildende Brahmanen-
speisimg (tassä rattiyä accayena panltena khädanlyena bhojani¬
yena brähmane santappenti) eine sichere Parallele in Äsv. 2, 13,13;
Hir. 2, 17, 13.
So zeigt denn die Beschreibung des Pratyavarohana-Ritus im
Päli-Kanon eine sich über eine Reihe von Einzelheiten erstreckende Ähnlichkeit mit den brähmanischen Normen, was für die Gosiliichte
der religiösen Bräuche der Inder von einigem Werte sein dihfte.
Der Hinweis hierauf an der Hand des besprochenen Palles nmss,
da mir vorerst noch keine umfassende Behandlung der vorliegenden Materie möglicb ist , für jetzt genügen , sowenig er , wie ich sehe, gerade weil es nur ein Einzelfall ist, befriedigen kann.
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Zum Kudatku Bilik.
Von W. Badloff.
Unter dem Titel ,Zur Textkritik des Kudatku Bilik' bean¬
standet Herr Dr. Otto Alberts meine Auffassung eines S. 3 Zeile
11—14 befindlichen Satzes, in dem der Verfasser des Buches Jussuf
Chass Hadschib sich „aus Belassagun gebürtig' nennt, und sucht
durch eine andere Fassung dieses Satzes zu beweisen, dass aus dem
Titel meiner Ausgabe : „Das Kudatku Bilik des Jussuf Chass Had¬
schib aus Belassagun' die letzten beiden Worte fortfallen müssen.
Der Umstand, dass die Vicekönigl. Bibliothek in Kairo eine
zweite Handschrift des Kudatku Bilik erworben hat, welche mit
arabischen Buchstaben aus dem Uigurischen umschrieben ist, von
der ich durch die Güte des Herm Dr. Moritz eine Abschrift in
Händen habe, überhebt mich der Aufgabe, die Richtigkeit meiner
früberen Lesung zu beweisen.
Der betreffende Satz lautet in der mit arabiscben Buchstaben geschriebenen Handscbrift folgendermassen: ^^LiJui >_fl.,ȀAaj oLxJ' y
JiJJ^ J iS'*'J^ j^J^^V' il^y''^'^ '^^^ Verfasser
dieses Buches ist ein Mann aus Belassagun etc.'; obgleich die
Worte jjL5> offenbar auf einer fehlerhaften Abschrift be¬
raben, beweist der Anfang und das Ende des Satzes die unumstöss-
hche Ricbtigkeit meiner Auffassung. Der Titel meiner Ausgabe
ist somit nicht zu ändern.
Ich erlaube mir bier zu bemerken , dass meine Ausgabe des
Kudatku Bilik nur der erste Versucb ist, den vielfach verdorbenen
Text dieses Buches einigermassen lesbar zu machen. Die mir jetzt
vorliegende zweite Handschrift beweist mir , dass , wenn ich auch
meist das Richtige getroffen habe, doch in meinem Texte manche
unnütze Verbessemng vorkommt und recht Vieles anders aufzufassen
ist. Es scheint mir deshalb verfrüht, meine Ausgabe einer Kritik
zu unterwerfen. Ich bin jetzt mit der Herausgabe einer Trans¬
skription und Ubersetzung des Kudatku Bilik beschäftigt, in der
ich in zahlreichen Anmerkungen den Text und jede meiner Än¬
derungen mit Hilfe der zweiten Handschrift einer genauen Kritik
unterwerfe.
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