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Akzente Das Magazin der Pädagogischen

Hochschule Zürich

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blog.phzh.ch/akzente

Belastung – gesund und motiviert den Alltag meistern

Seite 10

Social Media: ein Student, eine Lehre- rin und eine Dozentin erzählen, wie sie Facebook und Twitter beruflich nutzen

Seite 7

Studium: Studierende setzen die eigene Forschung direkt in die Praxis um

Seite 27

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A K Z E N T E 2 / 2 0 1 6 3

Inhaltsverzeichnis/Editorial

Ausstellung im Forum PLOT IN PLASTILIN 6. März bis 18. September 2016

Plastilin ist weit mehr als Kinderknete. Das vielfältig wandelbare und mühelos formbare Material ist ein kreatives Paradies son- dergleichen und die Fülle an hervorragenden Plastilinwelten scheint schier unerschöpflich, nicht nur im Animationsfilm, son- dern auch in zeitgenössischer Kunst und im Produktedesign.

Animierte Klassiker, Making-ofs, Musikvideos und neue künst- lerische Arbeiten erlauben einen Blick in den Variantenreichtum dieses inspirierenden Stoffes. Workshops rund um farbenfrohe Handarbeit, Knetfiguren und Trickfilme ergänzen diese Schau.

Angebote für Schulen Filmtrick in Plastilin

Workshop für Unter-, Mittel- und Sekundarstufe Kombinierbar mit dem Workshop «Plastilin-Helden»

Vergünstigtes Angebot von schule&kultur für Klassen des Kantons Zürich, im September 2016

Plastilin-Helden

Workshop für Mittel- und Sekundarstufe

Empfohlen mit dem Workshop «Filmtrick in Plastilin»

Plot in Plastilin

Dokumentation für Lehrpersonen für alle Stufen ab Lesealter Zum Download auf

www.gewerbemuseum.ch/Museumspädagogik

Material-Archiv

Mehrere Workshops für verschiedene Stufen

Öffnungszeiten

Di bis So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen Öffnungszeiten Feiertage www.gewerbemuseum.ch

Anmeldung und Informationen Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, 8400 Winterthur Telefon 052 267 51 36 gewerbemuseum@win.ch www.gewerbemuseum.ch

Gewerbemuseum Winterthur

Foto: Workshop «Plastilin-Helde, 6. Primarschulklasse

Dass Lehrpersonen einem hohen Belastungsrisiko ausgesetzt sind, darüber herrscht mittlerweile auch ausserhalb des Schulfelds in weiten Kreisen Einigkeit. Die Gründe für die Situation sind vielfältig. Jürg Frick, langjähriger Be- rater an der PH Zürich, sagt: «Die Aufgabe der Lehrperson ist eigent- lich grenzenlos. Man kann sich zum Beispiel immer noch besser auf die nächste Stunde vor- bereiten.» Hinzu kommen wachsende gesellschaft- liche Ansprüche: Eltern, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – sie alle haben grosse Erwartun- gen an die Kinder und damit auch an die Lehr- personen und die Schule als Ganzes. Vielerorts hat man inzwischen einen Umgang mit der Problema- tik gefunden. Dabei zeigt sich: Ein starkes Team ist das A und O. Und:

Es gibt auch Möglichkei- ten, bei sich selber an- zusetzen. Was dies kon- kret bedeutet, erfahren Sie im Schwerpunkt

«Belastung» ab Seite 10.

In der Rubrik «PH Zürich» steht ein Thema im Fokus, das immer wie- der diskutiert wird. Es geht dabei um die Ver- knüpfung von Forschung und Ausbildung und damit auch um den Transfer der Theorie in die Praxis. In dem beschriebenen Bei- spiel entwickeln Studie- rende im Rahmen einer Lehrveranstaltung ihr eigenes Forschungspro- jekt und setzen dieses anschliessend in der Praxis um. Das Modell nennt sich «Teacher Inquiry» und wird in Kanada seit längerem angewandt – mehr dazu und zu anderen Themen aus unserer Hochschule ab Seite 27.

– Christoph Hotz

Inhalt 2/2016

4 Vermischtes

Tagung «BNE in der Schule»

7 Eine Frage, drei Antworten

Wie nutzen Sie Social Media beruflich?

9 Seitenblick

Zürichs Himmel aus chinesischer Perspektive

10 Schwerpunkt Belastung

Leitartikel: Gemeinsam zur gesunden Schule

Interview: Theo Wehner, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie Studium: Wie Studierende

Belastungen im Praktikum meistern

Reportage: Abschied von falschen Idealen

24 Studierendenseite

Porträt, Bachelorarbeit, Kolumne 27 PH Zürich

Ausbildung: Die eigene Forschung in der Praxis umsetzen

Dienstleistungen: Die Bibliothek der PH Zürich auf dem Weg in die Zukunft Zentrum IPE: «Ein Grossteil

beherrscht die Erstsprache nur mündlich»

Dienstleistungen: «Damit steigt die Akzeptanz der Lehrmittel»

32 Schule in aller Welt Der Kampf der Dorfschulen

ums Überleben

34 Medientipps 37 Unter vier Augen

Pädagogische Wunderwaffen

38 Instagram #takeover 38 Impressum

Ein starkes Team als A und O

Fotos: Niklaus Spoerri (Cover), Claudius Technau, Nelly Rodriguez, Markus Forte

Inserate

www.esl.ch

Sprachaufenthalte für Individualreisende, Prüfungsvorbereitungskurse interessante Gruppenangebote

& Teacher Training

Aarau, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur & Zürich

24 Student Benjamin Brunner:

Austauschsemester in Estland. 21 Reportage: Wie Lehrpersonen Belastungen in der Schule erleben.

32 Serie «Schule in aller Welt»:

Dorfschulleben in Finnland.

(3)

Vermischtes

Vermischtes

Neue Dynamik für BNE in der Schule?

2015 haben die UNO-Mitgliedstaaten entschieden, sich auf 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) zu einigen, die in allen Mitgliederstaaten gleichzei- tig umgesetzt werden sollen. Diese «Agenda 2030» verfügt über das Potenzial, dem Gedan- ken der Nachhaltigkeit eine neue Dynamik zu geben. An der Veranstaltung «Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Bewegung» von Anfang März an der PH Zürich wurde in diesem Zusammen- hang die Frage gestellt, was Lehrpersonen brau- chen, um die Konzepte der Bildung für Nach- haltige Entwicklung (BNE) umzusetzen. Der Anlass war Teil eines dreitägigen Workshops, der Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerin- nen- und Lehrerbildung aus acht Schweizer Pä- dagogischen Hochschulen mit deren Partner- organisationen aus allen Teilen der Welt zum Austausch zusammenbrachte.

Die Direktion für Entwicklung und Zu- sammenarbeit (DEZA) will, wie Konrad Spe- cker, Leiter Abteilung Institutionelle Partner- schaften an der Tagung erklärte, seine Aktivitä- ten vermehrt an den SDGs orientieren. PHZH- Rektor Heinz Rhyn freute sich als Gastgeber, die internationale Tagung in Zürich begrüssen zu können und zeigte sich davon überzeugt, dass die Arbeiten, die seit Jahren an den Päda- gogischen Hochschulen in diesem Feld geleistet worden sind, auch dank der «Agenda 2030»

breiter abgestützt sein können. Mit grossem Interesse folgten die Zuhörerinnen und Zu- hörer den beiden Beiträgen der Gastreferen- ten Professor Ali A. Abdi von der kanadi- schen University of British Columbia und Professor Emeritus William Scott von der University of Bath in Grossbritannien.

William Scott fragte in seinem Refe- rat (selbst-)kritisch nach der Wirkung der Nachhaltigkeitsbildung. Obwohl er nur we- nige Spuren festmachen könne, sehe er gleichwohl keine Alternativen dazu. Ali A.

Abdi hingegen fokussierte auf das Potenzial, das der Sustainability-Rahmen für die welt- weite Diskussion zu «Citizenship» haben kann. Er ist dabei überzeugt, dass nur eine ausbalancierte Entwicklung, die soziale, ökologische und ökonomische Elemente gleichenteils berücksichtigt, eine Gesell- schaft zulässt, in der alle Teilnehmenden ihren Platz finden und selbst zu deren Ge- staltung etwas beitragen.

– Rolf Gollob

Weitere Informationen zu

«Partnerschaften Nord-Süd in der Lehrer/innenbildung»:

tiny.phzh.ch/nord _sued

Rolf Gollob ist Co-Leiter des Zentrums International Projects in Education (IPE) der PH Zürich.

Kommende Ver- anstaltungen 9. Juni

ICF-Tagung Es werden Möglich- keiten zur Nutzung der «Internationa- len Klassifikation der Funktionsfähig- keit, Behinderung und Gesundheit»

(ICF) in der Praxis diskutiert.

16./17. Juni

Kongress «Problem- based Learning»

Im Zentrum steht die Frage: Wie kann Problem-based Learning helfen, die Kompetenzent- wicklung zu eta- blieren?

25. Juni

Tagung «Klassen- führung»

Die Tagung gibt konkrete Anregun- gen für den Schul- alltag.

Weitere Infos:

tiny.phzh.ch/

veranstaltungen Fot

o: Reto Klink

PHZH in Zahlen

Fotos: Christoph Hotz, zVg

Erkennt in der

«Agenda 2030»

der UNO grosses Potenzial:

Ali A. Abdi von der University of British Columbia.

Aktuelles

Nachhaltigkeitswoche: Studieren- de kochten mit Flüchtlingen Zum vierten Mal fand im März die Nachhaltigkeitswoche der Zürcher Hochschulen statt. Das Programm bot eine grosse Vielfalt an Möglich- keiten, sich mit dem Thema Nach- haltigkeit auseinanderzusetzen – beispielsweise an der Podiumsdis- kussion «Konkret, konstruktiv, kreativ – Vorschläge für eine nach- haltige Asylpolitik Europas».

Umrahmt wurde die Veranstaltung durch einen Kochworkshop mit zwei eritreischen Flüchtlingen, den drei Studierende der PH Zürich organisiert hatten.

Auszeichnung für Gesundheits- förderung in der Schule

Anfang April wurde vom Kantona- len Netzwerk Gesundheitsfördern- der Schulen zum vierten Mal der

«Zürcher Preis für Gesundheits- förderung in der Schule» verliehen.

Ausgezeichnet wurden Projekte der Schule Tannenbach in Horgen, der Primarschule Rebacker in Herrli- berg sowie der Primarschule Breiti- Risi in Turbenthal. Die Preissum- me beträgt insgesamt 19 000 Franken.

Verleihung neuer Professuren Die PH Zürich hat drei neue Pro- fessuren in den Themenfeldern

«Inklusion und Diversität» (Silvia

Die Studierenden können während ihres halben Jahres in Zürich auch Lehrveranstaltungen besuchen.

Lewan aus Eritrea kochte mit den insgesamt 15 Studierenden typische eritreische Speisen.

Pool-Maag), «Bildungs- und Schulgeschichte» (Norbert Grube) sowie «Bildungssoziologie»

(Christoph Maeder) verliehen.

Rektor Heinz Rhyn betonte in seiner Rede anlässlich der Übergabe das strategische Anliegen der PH Zürich, herausragende Leistungen entsprechend sichtbar zu machen – auch in Form von Professuren.

Lehrmittel-Serie «Mathematik»

komplett

Die PH Zürich hat in Zusammen- arbeit mit dem Lehrmittelverlag Zürich in vier Projekten neue Ma- thematik-Lehrmittel für die ver- schiedenen Schulstufen entwickelt.

Nun ist das letzte Lehrmittel aus der Serie erschienen. Die Arbeit erstreckte sich über mehr als 10 Jahre und umfasste die Konzepti- on, Entwicklung und gleichzeitige Praxiserprobung der Lehrmittel.

22 Studierende aus aller Welt an der PH Zürich

Das sogenannte Mobilitätssemes- ter in Zürich erfreut sich grosser Beliebtheit. Im Frühlingssemester 2016 durfte die PH Zürich 22 Studierende begrüssen – so viele wie noch nie. Die Studentinnen und Studenten kommen aus Bel- gien, China, England, Nordirland, Spanien, Holland, der Mongolei und der Romandie.

Anzahl Partnerhochschulen der PH Zürich in Europa und Übersee

Deutschland

Frankreich

Österreich Niederlande

USA

Schweden Kanada Spanien

Belgien Grossbritannien

Italien Türkei Dänemark

China Australien

Portugal, Norwegen Finnland, Island Estland, Litauen Polen, Rumänien Tschechien, Serbien Singapur, Brasilien,

Ungarn

8

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1

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Meinungen

Eine Frage, drei Antworten:

Wie nutzen Sie Social Media beruflich?

Ich bin täglich auf sozi- alen Netzwerken anzu- treffen. Am meisten pflege ich meinen Facebook- und meinen Linkedin-Account. Bei Twitter schaue ich täglich vorbei, zwitsche- re selber aber wenig aktiv mit.

Diese Netzwerke sind für mich zu wesentlichen Informationskanälen im Berufsalltag geworden. Ich erhalte Informationen über digitale Projekte, die in Schulen durchge- führt werden. Von aktuellen Untersuchungen, neuen Modellen und Bucherscheinungen erfahre ich meistens auch direkt und zeitnah über diese Kanäle. Spannende Informationen verarbeite ich gleich weiter: Ich probiere neue Internet- seiten aus, schaue mir Projekte an und empfehle sie auch gerne weiter.

Studien und spannende Texte lade ich herunter, speichere sie und vermerke sie gleich mit den nötigen Schlagwörtern. Für Personen, die in ihrer Schule den pädagogischen ICT-Support (ICT – Informations- und Kommunikationstechnologie) übernommen haben, führen wir eine eigene geschlossene Facebook- Gruppe (auffindbar unter: PICTS – Pädagogischer ICT-Support).

Spannende Informationen, welche für diese Personen relevant sein können, poste ich dann gleich.

Diese Facebook-Gruppe ist sehr aktiv: Fragen werden innert kurzer Zeit und fundiert von den einzel- nen Gruppenmitgliedern beantwor- tet. Damit ist sie eine echte Arbeits- erleichterung für Personen, welche sich mit der Integration von digi- talen Medien in den Schulen aus- einandersetzen.

Bei der Frage nach meiner Nutzung habe ich mich unwei- gerlich hinterfragt, was denn alles in den Bereich Social Media fällt.

Dabei bin ich auf einen Blog ge- stossen, in dem über hundert ver- schiedene Plattformen aufgezählt wurden. Diese enorme Anzahl hat mich überrascht und ebenso, was alles dazugezählt wird – zum Beispiel Wikipedia. Ebenfalls musste ich feststellen, dass ich auf einer beträchtlichen Anzahl da- von tätig bin. Dennoch sind nur wenige Plattformen wie WhatsApp, Facebook, Skype und verschiedene Blogs wirklich relevant für mich.

Diese nutze ich privat und geschäft- lich bzw. im Rahmen des Studiums.

Als Co-Präsident der Versammlung der Studierenden verwalte ich zum Beispiel die Anfragen, welche meine Mitstudierenden über unsere Facebook-Seite anbringen. Das Rahel Tschopp, Bereichsleiterin

Medienbildung a.i. an der PH Zürich

Angelos Goutziomitros, Student Sekundarstufe 1 an der PH Zürich

«Posten» von Fotos halte ich für absolut überflüssig und hat in meinem Alltag nichts zu suchen.

Ein Leben ohne Smart- phone ist kaum mehr aus- zudenken. Es kommt sogar auf einen kurzen Spaziergang mit.

Für Notfälle! Pro Tag checke ich mindestens einmal meine Face- booknews. Vielleicht gibt’s ja ein Schnäppchen auf Mamalious für unsere Tochter? Die Mails lade ich mehrmals pro Tag herunter, und WhatsApp-Nachrichten (wer braucht heute noch SMS?) erschei- nen ohnehin «Realtime». Von mei- nen 1.-Seklern hat genau noch ein Junge einen Facebookaccount, angeblich wegen des Kontakts zu seinen Verwandten im Kosovo. Alle anderen bewegen sich auf Tango, Tumblr, Ask.fm, oovoo. Von all dem habe ich keine Ahnung. Bin ich schon so veraltet? Dabei haben wir eben erst einen Projekttag zu Social Media vorbereitet, inklusive einem Modul zu Facebook. Viel- leicht sollte ich mich besser von den Schülerinnen und Schülern schulen lassen? Der Unterricht klappt zum Glück ohne diese Plattformen, denn Lernen findet immer noch im Kopf statt, genauso wie früher, oder?

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Verlänger t bis

20.11.2016

Sarah Weilenmann,

Sekundarlehrerin, Wetzikon

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Seitenblick Während meiner zehntägi-

gen Studienreise im letzten Herbst nach Hongkong erreichten mich per WeChat ‒ der chinesischen Variante von WhatsApp ‒ regel- mässig Nachrichten von Kei Tan.

Kei Tan studiert an der Hong- kong University of Education mit Schwerpunkt Zeichnen und Kunst- erziehung auf der Primarschulstu- fe. Sie war eben erst in die Schweiz gereist, um an der PH Zürich ein Auslandsemester zu absolvieren, und ich stellte ihr ein Zimmer in meiner Wohnung in Zürich zur Verfügung.

Kaum war sie in der Woh- nung angekommen, postete sie aus verschiedenen (un-)möglichen Perspektiven zahlreiche Himmels- Bilder durch das offene Fenster ihres Zimmers. «Xia tian shuijiao!

Ich schlafe unter freiem Himmel», teilte sie auf WeChat mit. Ihren Freundinnen schrieb sie, sie hätte noch nie ein eigenes Zimmer mit Fenster gehabt. Weitere Fotos folgten: Der rötliche Abendhimmel mit einem Stück Bügeleisen und Klavier am unteren Rand oder der blaue Himmel mit einer Tischecke am oberen Rand. Die Gegenstände der Wohnung bildeten jeweils den Rahmen für ihre Himmelsbilder.

Im Gegenzug sandte ich ihr Bilder ihrer Universität, die sie mit Kom- mentaren versah wie «We are doing a real cultural exchange!». Zu den Bildern zur Konfuzius-Ausstellung im universitätseigenen Museum fragte sie erstaunt «Why are you interested in Confucius?». Und zu den Fotos unseres Treffens mit den Austauschstudierenden der PH Zürich meinte sie: «But you are all professors! Why do you eat at the mensa?»

Kei Tans andere Perspektive auf den Himmel war für mich er- hellend. Was in meinem Verständ- nis eher den Hintergrund bildete, rückte plötzlich in den Vordergrund.

Ebenso anregend war ihr Blick auf Vorder- und Hintergründe des Unterrichts: Während ihres Prak- tikums erhielt sie die Aufgabe, eini- ge Zeichnungslektionen zu unter- richten. Als Einstieg stellte sie das Werk des Malers Giuseppe Arcim- boldo mit einer Power-Point-Prä- sentation vor. Aufgrund der Rück- meldung der Praxislehrperson zog sie den Schluss, sie müsse beim nächsten Mal nicht mit einem Vortrag, sondern handlungsorien- tiert einsteigen. Das löste bei ihr einige Fragen aus: Ist es nicht die Pflicht der Lehrperson, ihr Wissen

den Lernenden zu vermitteln?

Warum soll sie die Lernenden zu- erst eine Aufgabe lösen lassen und erst danach ein Modell zeigen? Ihre Beobachtungen zu den Gruppen- arbeiten führten zur Frage, welchen Wert Gruppenarbeiten im Zeichen- unterricht hätten, in dem doch primär die individuelle Ausdrucks- weise gefördert werde.

Das Beispiel zeigt: Kultur- bedingt gehen wir häufig von Selbst- verständlichkeiten aus. Daher ist der Austausch mit Auslandstudie- renden von grossem Wert. Er ermöglicht es, die eigenen Perspek- tiven zu hinterfragen: In welchen Situationen sind Gruppenarbeiten wirklich förderlich? Und wann führt der Vortrag der Lehrperson vielleicht tatsächlich eher zum Ziel?

Was in den Hintergrund gedrängt wurde, kann plötzlich in den Vor- dergrund rücken. Dies gilt auch ausserhalb der Schule, und so werde auch ich versuchen, meinen Blick künftig vermehrt bewusst auf jene Dinge zu lenken, die ich kaum mehr wahrnehme – beispielsweise den Himmel über Zürich in Kei Tans Zimmer.

Christine Bieri Buschor ist Zentrumsleiterin in der For- schungsabteilung der PH Zürich.

Illustration: Raffinerie AG

Christine Bieri Buschor – Seitenblick

Zürichs Himmel aus chinesischer Perspektive

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Blended Learning

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Der Lehrberuf birgt besonders viele Belastungsrisiken. Mit einer gesunden Gelassenheit und der Unterstützung durch ein starkes Team können Überlas- tungen verhindert werden. Denn Gesund- heit im Berufsalltag ist weitgehend eine gemeinsame Aufgabe.

Text: Melanie Keim, Fotos: Niklaus Spoerri

Gemeinsam zur gesunden Schule

Die Anliegen und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler sind omnipräsent – auch in den Pausen.

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Schwerpunkt Belastung

eine Überlastung. Oftmals bringt ein solcher Auslöser wie beispielsweise eine neue Zusammensetzung des Lehrpersonenteams oder eine schwierige Klasse lediglich bereits bestehende Belastungsfaktoren zum Explodieren.

Ob eine Lehrperson in eine Überlastungssituation gerät, hängt wenig von ihrem Alter und ihrer Erfahrung ab.

Zwar wachsen mit der Zeit das Handlungsrepertoire und die Selbstmanagementstrategien, doch treten in den oft sehr langen Berufsbiografien immer neue Herausforde- rungen auf. So kann eine gestandene Lehrperson durch die Betreuung der eigenen Eltern oder in einer persönli- chen Krise ihren Beruf plötzlich als sehr belastend emp- finden oder durch neue Unterrichtsmethoden ihre Si- cherheit verlieren.

Dagegen nehmen jüngere Lehrpersonen ihren Be- ruf heute zunehmend nicht mehr als Berufung wahr, son- dern als Job, den man kündigen kann wie jeden andern.

Und dies kann eine gesunde Gelassenheit verleihen, die vor der Überlastung schützt. Der Umgang mit Belastun- gen ist denn auch eines von fünf Kriterien der Berufseig- nung im ersten Studienjahr an der PH Zürich und hin und wieder mit ein Grund für einen Studienabbruch.

Während die Thematik in der Ausbildung immer wieder angeschnitten wird, wird der Umgang mit Belastung in den die Berufspraktika begleitenden Mentoraten explizit thematisiert. Dennoch bleibt der Berufseinstieg eine sen- sible Phase, weil viele konkrete Belastungssituationen

erst mit der Übernahme einer eigenen Klasse erfahren werden können. Dem wird mit der zweijährigen Fachbe- gleitung durch eine erfahrene Lehrperson am Arbeitsort Rechnung getragen sowie mit einem grossen Beratungs- und Kursangebot an der PH Zürich.

Einer besonders hohen Belastung sind Querein- steigerinnen und Quereinsteiger ausgesetzt, wie Thomas Jenny, Co-Leiter des Quereinsteiger-Studiengangs für die Sekundarstufe, bestätigt. Zum dichten Programm in der verkürzten Studienzeit kämen bei vielen Studierenden familiäre Verpflichtungen und ein hohes Arbeitspensum dazu, doch zeigten die meisten Quereinsteigenden einen deutlichen Erfahrungsvorsprung gegenüber Regelstudie- renden. «Eine ehemalige Abteilungsleiterin hat oft schon gute Strategien, um mit Stress und Belastung umzuge- hen und weiss besser, wo Hilfe holen», so Jenny.

Begleitung statt Diagnose

Für den Fall einer Überlastung bietet die PH Zürich eine breite Palette an Beratungsangeboten an. Diese reichen vom Beratungstelefon über Supervisionsgruppen bis hin zur Einzelberatung. Bevor externe Hilfe in Anspruch ge- nommen wird, muss die Problematik jedoch erst einmal erkannt werden. Oftmals erkennen Betroffene nicht selbst, dass sie überlastet sind, oder wollen sich dies nicht eingestehen. Hinweise auf eine Überlastung können Symptome wie das Vernachlässigen von Hobbys, Schlaf- Ein Drittel der Schweizer Lehrpersonen ist burn-

out-gefährdet. Zu diesem Schluss kam 2014 eine Natio- nalfondsstudie der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Ungeachtet der Frage, ob tatsächlich so viele Lehrperso- nen vor einer beruflichen Überforderung stehen oder ob es sogar noch mehr sind – Tatsache ist, dass Stress, Über- belastung und Burnout im Schulfeld so präsent sind wie in kaum einem anderen Beruf. Doch weshalb sind gerade Lehrpersonen besonders oft von einer beruflichen Über- lastung betroffen?

«Die Aufgabe der Lehrperson ist eigentlich gren- zenlos. Man kann sich immer noch etwas besser auf die nächste Stunde vorbereiten, immer noch eine Weiterbil- dung besuchen», beschreibt Jürg Frick, langjähriger Be- rater an der PH Zürich, ein zentrales Belastungsrisiko des Lehrberufs. Aus der Forschung sei bekannt, dass vie- le Lehrpersonen sehr idealistische, zum Teil überhöhte Ziele verfolgten und sich im Beruf zu stark verausgabten, so Frick. Doch mit einer solchen Einstellung kann die Gestaltungsfreiheit im Schulalltag schnell zur Überforde- rung werden. Das hohe Mass an Selbstverantwortung ist jedoch nur eines der spezifischen Belastungsrisiken des Lehrberufs. So birgt das System Schule auch die Gefahr des sogenannten Präsentismus; dass Arbeitnehmende selbst dann zur Arbeit gehen, wenn sie krank sind.

Schliesslich steht der Grippe der Lehrperson bei man- gelnden Aushilfekräften der Unterrichtsausfall einer ge- samten Klasse gegenüber. Zudem erfordert das Unter- richten stets die volle Präsenz der Lehrperson. Ist diese nicht bei der Sache, merkt das die Klasse sofort. Und während in anderen Berufsfeldern Arbeitskollegen bei persönlichen Schwierigkeiten Unterstützung bieten kön- nen, kann man von Kindern kein Verständnis für die fa- miliären Probleme ihrer Lehrperson verlangen.

Als weiteren Risikofaktor nennt Frick die schwie- rigen Erfahrungen, die Kinder mit in die Schule bringen.

«Wenn ein Kind zu Hause geschlagen wird, beschäftigt einen das auch nach Schulschluss», weiss er aus eigener Unterrichtserfahrung. Wie in anderen Sozialberufen müssen Lehrpersonen sich abgrenzen können, damit der Beruf nicht zur untragbaren Belastung wird. Kräftezeh- rend können zudem die öffentliche Exponiertheit sein und die vielen Bewertungen der Arbeit von Aussenste- henden aufgrund eigener, manchmal Jahrzehnte zurück- liegender Schulerfahrungen. Während Lehrpersonen von Kindern bisweilen besonders wertvolle Formen der Wert- schätzung erfahren, etwa durch ein «Schön, dass die Fe- rien zu Ende sind», dringt von Seiten der Eltern oft nur negatives Feedback durch.

Gesunder Ungehorsam

Die Zusammenarbeit mit Eltern ist einer der Faktoren, die in den letzten Jahren zu einer erhöhten Belastung im Lehrberuf führten. In den Beratungsgesprächen an der

PH Zürich sind Konflikte mit Eltern immer wieder ein Thema. Vermehrt berichten Lehrpersonen sogar von El- tern, die bei Unstimmigkeiten mit dem Anwalt drohen.

«Die Eltern stehen selbst unter einem hohen Druck und ziehen bisweilen alle Register», sagt Frick. Aufgrund wirt- schaftlicher Unsicherheiten und einem daraus folgenden gesellschaftlichen Druck, beruflich zu reüssieren, komme der Schule heute eine viel grössere Bedeutung zu als noch vor 30 Jahren. Die Kehrseite der scheinbar positiven Ent- wicklung ist bekannt. Mit der wachsenden Bedeutung von Bildung wachsen die Ansprüche an die Schule und damit der Druck auf die Lehrpersonen.

Zu den erhöhten Ansprüchen gehören neben der Erwartungshaltung der Eltern die Forderungen zahlrei- cher Reformen sowie zusätzliche Themenfelder und Kompetenzen, die laufend Eingang in den Lehrplan fin- den. Frick bestreitet die Richtigkeit von Neuerungen wie der Integration aller Schülerinnen und Schüler, dem Ver- mitteln von Medienkompetenzen oder von Themen wie Nachhaltigkeit selbstverständlich nicht. Doch ist er über- zeugt, dass die Schule schlicht nicht alle gesellschaftli- chen Ansprüche bewirtschaften kann. «Damit man im Beruf gesund bleibt, muss man sich wehren können und auch einmal Nein sagen», so der Autor des Handbuchs Gesund bleiben im Lehrberuf (siehe Seite 15). Von den oft- mals sehr pflichtbewussten Lehrpersonen wünscht er sich, dass diese sich auch einmal weigerten, Weisungen umzusetzen, wenn diese zu viel fordern. So konnten Lehrpersonen mit dem Schritt vor die Schulpflege schon zusätzliche Ressourcen erwirken, die zur Umsetzung ei- ner geforderten Massnahme nötig waren. Das Streben nach Best Practice bezeichnet Frick denn auch als besten Weg ins Unglück. Würde vermehrt Good Practice ange- strebt, resultierte daraus der bessere Unterricht.

In seinen Beratungsgesprächen kämpft er zum Teil richtiggehend mit betroffenen Lehrpersonen, damit diese unrealistische Ideale als solche erkennen. Ob sie auch gerne arbeite, wenn jemand in ihrer Familie gestor- ben sei, fragte er schon provokativ eine Lehrerin mit dem überhöhten Anspruch, immer gerne zur Arbeit zu gehen.

Die Suche nach Entlastungsmöglichkeiten führt oft ins Privatleben. Lastet man sich dort ebenfalls zu viel auf?

Übernimmt man in der Familie oder einem Verein zu viel Verantwortung? Zu einem gesunden Berufsalltag tragen neben bekannten Grössen wie körperlicher Betätigung, Entspannung und Genuss ein tragfähiges Sozialnetz und der Fokus auf Erfolge statt auf Misserfolge bei. Dieser Blick auf das Positive ermöglicht erst, Sinn in der eigenen Arbeit zu sehen. Und wer sein Tun als sinnhaft erfährt, kann selbst hohe Belastungen gut ertragen.

Zusammenspiel vieler Faktoren

So zahlreich die Gesundheitsfaktoren und Belastungsri- siken, so vielfältig sind auch die möglichen Auslöser für

Schwerpunkt Belastung

Korrigieren nach Schulschluss gehört zum Alltag. Zu viel Pflichtbewusstsein kann aber zur Überforderung führen.

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probleme oder die Kompensation durch noch mehr Ar- beit geben.

So werden viele Lehrpersonen von der Schullei- tung für eine Beratung angemeldet, wobei oftmals Scham und das Gefühl aufkommt, nicht zu genügen. «Gerade ältere Lehrpersonen erleben die Anmeldung für eine Beratung zum Teil als grosse Kränkung», sagt Hansjörg Hophan. Der Dozent und Berater, der an der PH Zürich neben Lehrpersonen auch Schulleitungen berät und ausbildet, weist auf die Verantwortung der Schulleitung in der Belastungsproblematik hin. Mit dem Aufdecken einer Überlastung habe diese den richtigen Zeitpunkt eigentlich schon verpasst, so Hophan. Dies nicht zuletzt, weil der Erfolg einer Beratung weniger vom Grad der Überlastung abhängt als von der Bereitschaft der betrof- fenen Person, externe Hilfe anzunehmen.

Nicht Diagnosefähigkeit, sondern eine gute Be- gleitung der Lehrpersonen bezeichnet Hophan als Merk- mal einer guten Schulleitung. «Die Schulleitung muss in einer engen Beziehung zu den Mitarbeitenden stehen», sagt Hophan. Dadurch können Probleme nicht nur früh- zeitig aufgedeckt werden, ebenso wird auch das nötige Vertrauen für Krisensituationen geschaffen. Statt nur zu

fragen, wie es mit der Klasse oder den Eltern läuft, gilt es, Interesse für das persönliche Befinden der Lehrpersonen zu zeigen und diese in ihren Stärken gezielt zu fördern, etwa durch gut geplante Weiterbildungen. In der aufrich- tigen Anteilnahme und einer aktiven Personalentwick- lung drückt sich letztlich eine Wertschätzung aus, die das Selbstwertgefühl stärkt und Belastungen leichter ertra- gen lässt.

Neben der Prävention auf persönlicher Ebene ist Gesundheitsförderung im Lehrberuf weitgehend ein ge- meinsames Projekt. Wenn auch die heutige enge Zusam- menarbeit unter Lehr- und Betreuungskräften an vielen Schulen als zusätzliche Belastung empfunden wird, könnte gerade eine enge Teamarbeit vielen Belastungen entgegenwirken. Wenn Lehrpersonen sich statt als Ein- zelkämpfer als Teil eines Ganzen verstehen und Schwie-

rigkeiten gemeinsam besprochen werden können, ist die Gefahr einer Überlastung kleiner. «Lehrpersonen gehen in ihrer Denkweise oftmals vom Lerninhalt oder dem Kind aus, statt mögliche Ressourcen einer Zusammenar- beit zu klären», sagt Hophan. So können beispielsweise die Erfahrungen eines Arbeitskollegen bei Problemen mit einer schwierigen Klasse helfen oder die Arbeit einer Kollegin bei der Vorbereitung der eigenen Lektion.

Gesundheit planen

«In einer erfolgreichen Schule wird Gesundheit nicht dem Zufall überlassen», sagt Hophan. Was er als «Kultur des Miteinanders» bezeichnet, soll von der Schulleitung durch geeignete Strukturen wie Intervisionsgruppen und konkrete Massnahmen wie dem Thematisieren von ge- genseitigen Erwartungen gefördert werden. Auch symbo- lischen Handlungen kommt eine grosse Bedeutung zu.

Wenn Sitzungen von der Schulleitung bewusst nicht über Mittag geplant werden, ist dies auch ein Bekenntnis für eine Kultur der gesunden Grenzen. Eine Kultur, die Ge- sundheit in den Vordergrund stellt, setzt sich in der Aus- wahl der Mitarbeitenden fort, da die Passung von Lehr- person und Schule die Grundlage eines guten Arbeitsklimas bildet. Angesichts des Lehrkräftemangels können zwar nur Schulen mit einem guten Ruf ihre Mit- arbeitenden auswählen, doch resultiert dieser Ruf wiede- rum meist aus einem klaren Profil und einer bewussten Personalpolitik.

Gesundheitsmanagement und Personalführung bilden zentrale Elemente der Schulleitungsausbildung an der PH Zürich. Viele Anforderungen an eine gute Schul- leitung wie ein feines Sensorium und Motivationsfähig- keit sind jedoch Persönlichkeitseigenschaften oder Soft Skills, die nur beschränkt in einer Ausbildung vermittelt werden können, sondern durch Erfahrung wachsen.

Während Schulleiterinnen und -leiter für gesunde Ar- beitsbedingungen sorgen, geht gerne vergessen, dass sie selbst einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Laut Ho- phan sind belastungsbedingte Ausfälle in den Schul- leitungen so häufig, dass sich bereits ein Markt für tem- poräre Aushilfekräfte entwickelt hat. Die gehäuft auftre- tenden Überlastungsfälle lassen sich einerseits durch das relativ junge Berufsbild erklären, andererseits durch die schwierige Scharnierstelle der Schulleitung zwischen Behörden und Lehrpersonenteam. Die Bedingungen für einen gesunden Berufsalltag sind für Schulleitungen dieselben wie für Lehrpersonen. «Schulleitungen müssen genauso darauf achten, dass sie nicht alleine sind und genügend Unterstützung erhalten», sagt Hophan. Entlas- ten kann sowohl eine erweiterte Schulleitung als auch das regelmässige Feedback der Lehrpersonen. Die negativen Belastungserfahrungen von Schulleitungen bestätigen letztlich, wie wichtig die Einbettung in ein Ganzes ist – unabhängig von Position und Erfahrung.

Wenn Schwierigkeiten gemeinsam besprochen werden können, ist die Gefahr einer Überlastung kleiner.

Schwerpunkt Belastung Schwerpunkt Belastung

Die Tabelle bietet Gelegenheit für eine Selbsteinschätzung. Mehrere Werte unter 5 sind tendenziell gesundheitsgefährdend und sollten angegangen werden – z.B. mit einer Beratung.

0 = kaum vorhanden 5 = mittel ausgeprägt 10 = hoch ausgeprägt

1. Adaptive Akzeptanz 2. Realistischer Optimismus 3. Angemessene Ideale,

Ansprüche und Ziele

4. Selbstsorge – Selbstfürsorge 5. Balance zwischen Berufs-

und Privatleben

6. Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugung

7. Verantwortung übernehmen und Verantwortlichkeiten klären 8. Distanzierungsfähigkeit und

angemessene Abgrenzung 9. Befriedigende Beziehungs-

gestaltung/soz. Unterstützung 10. Bewegung, Ernährung, Schlaf,

Luft, Tageslicht

11. Lösungsorientiert statt problemverhaftet

12. Zukunftsbezogen statt vergangenheitsorientiert 13. Gelungenes und Positives

würdigen und wertschätzen 14. Sinnfindung und Sinnhaftigkeit 15. Gelassenheit und Humor

Jürg Frick. Gesund bleiben im Lehrberuf:

Ein ressourcenorientiertes Handbuch.

Bern: Hans Huber, 2015. 392 Seiten.

1. Adaptive Akzeptanz (mit dem Unausweichlichen klarkommen): Was ist unvermeidbar, muss gemacht bzw. akzeptiert werden und was nicht?

2. Realistischer Optimismus (sich auf Stärken besinnen):

Was kann ich gut? Was fällt mir leicht im Umgang mit anderen Menschen?

3. Angemessene Ideale, Ansprüche und Ziele: Muss ich immer allen Schülerinnen und Schülern gerecht werden?

4. Selbstsorge – Selbstfürsorge: Gönne ich mir auch Müssiggang, ungeplante Zeit?

5. Balance zwischen Berufs- und Privatleben: Pflege ich Freizeitaktivitäten, die ich als entspan- nend und regenerativ erlebe?

6. Selbstwirksamkeit: Was habe ich alles durch meinen Einsatz bewirken, beeinflussen können?

Finde ich Mittel, mich durchzusetzen?

7. Verantwortung übernehmen und Verantwortlichkeiten klären: Weiss ich, in welchen Situationen ich die alleinige Verantwortung habe und wann jemand anderes zuständig ist?

8. Distanzierungsfähigkeit und angemessene

Abgrenzung: An welchen Sitzungen und Konferen- zen muss ich dabei sein?

9. Befriedigende Beziehungsgestaltung /soziale Unter- stützung : Kann ich mich im Team über aktuelle Schwierigkeiten im Schulalltag unterhalten?

10. Bewegung, Ernährung, Schlaf, Luft, Tageslicht:

Bewege ich mich regelmässig draussen?

11. Lösungsorientiert statt problemverhaftet: Versuche ich, aktiv Lösungen – statt nur Erklärungen für ein Problem zu suchen?

12. Zukunftsbezogen statt vergangenheitsorientiert:

Richte ich den Blick auf die Fragen «Wie weiter und wohin»?

13. Gelungenes und Positives würdigen und

wertschätzen: Welche positiven Erfahrungen habe ich in der letzten Woche sammeln können?

14. Sinnfindung und Sinnhaftigkeit: Was macht in meiner Tätigkeit in der Schule alles Sinn?

15. Gelassenheit und Humor: Was ist das Schlimmste, was in einer Situation passieren könnte?

Warum ist das letztlich gar nicht so schlimm?

Die 15 Pfeiler der Gesundheit

In seinem Buch «Gesund bleiben im Lehrberuf» hat Berater Jürg Frick von der PH Zü- rich eine Übersicht über die 15 wichtigsten gesundheitsrelevanten Faktoren ent- wickelt. Der nachfolgende Beitrag fasst anhand von Beispielfragen aus dem Schul- alltag die einzelnen Punkte zusammen – inklusive Selbsttest.

Die 15 Pfeiler im Selbsttest

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Wir klagen heute gerne über Stress in Beruf und Alltag. Was ist das überhaupt, Stress?

Es gibt kaum einen Beruf, der nicht Be- lastung in den Vordergrund stellt, selbst Arbeitslose und Künstler klagen über Stress. Von aussen kommt aber kein Stress auf mich zu, sondern sogenannte Stres- soren wie Lärm, eine Aufgabe oder ein Terminplan. Diese sind objektiv messbar, das Erleben ist immer subjektiv. Was zu Stress wird, liegt an der Art, wie wir Stressoren aufnehmen und bewerten, aber auch an den Ressourcen und Unter- stützungssystemen, die uns zur Verfü- gung stehen. Letztlich kann ich alles stressig erleben, auch Yoga, einen Abend mit Freunden oder den Kirchgang. Dabei spielt der Zeitgeist ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle: Wer zur Rush Hour durch den Zürcher HB schlendert, wirkt auf viele wie ein Faulenzer.

Wieso hat dieses Stressempfinden so zugenommen?

Die überbordende Erwerbstätigkeit strukturiert und synchronisiert heute alles, vom Aufstehen bis zum Schlafen- gehen, auch bei Menschen, die nicht erwerbstätig sind. Wir meinen, einen Ausgleich zur Arbeit finden zu müssen.

Man sucht die Work-Life-Balance, das Resultat gleicht aber eher einer Work- Work-Balance. Dabei ginge es gar nicht um eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit, sondern um die Vereinbarkeit ganz verschiedener Lebensbereiche. Ein zusätzliches Problem ist, dass in vielen Berufen eine Zergliederung und Verdich- tung der Aufgaben stattgefunden hat. Zu einer ganzheitlichen Aufgabe, die ich von vorne bis hinten erledige, habe ich aber ein ganz anderes Verhältnis. Sie wirkt wie ein Stresspuffer. Zudem wird an Arbeits- plätzen kaum mehr darüber gesprochen, wie man Dinge macht, wo man Unter- stützung benötigt oder geben kann, sondern nur noch über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.

Bei Lehrpersonen haben Überlas- tungen zugenommen. Was hat sich im Lehrberuf verändert?

Kinder zu unterrichten ist eine sehr

ganzheitliche Aufgabe, doch auch diese ist zergliedert worden in Richtung Fliess- bandarbeit. Die Einführung fixer Lehr- pläne und die Modularisierung des Unter- richts sind möglicherweise vom Segen zum Fluch geworden. Denn Schule ist auf Ganzheit und Beziehungen angelegt. Ein Klassenlehrer oder eine Klassenlehrerin ermöglicht Nähe, Bindung und damit Chancen des Verstehens. Viele Lehrperso- nen fühlen sich heute nicht mehr als Teil des Ganzen. In anderen Ländern gibt es bereits Lehrpersonen, die von Schule zu Schule pendeln.

Grund für die Überlastungen im Schulfeld sind also weniger zusätzli- che Aufgaben und die hohe zeitliche Belastung als fehlende Beziehungen?

Auch in der Schule hat es Verdichtung gegeben. Doch schwerer als das quantita- tive Mehr wiegt der qualitative Verlust.

Nicht nur die Solidarität untereinander ist ein Stück weit verloren gegangen, sondern auch das Selbstwertgefühl und die Wert- schätzung von aussen. Bei vielen Lehrper- sonen herrscht eine Kluft zwischen Berufs- verständnis und Berufsauftrag, weil dieser gesellschaftlich so aufgeladen ist. Auch Reformen sind für Lehrpersonen immer eine Belastung, weil sie die bisherige Pra- xis in Frage stellen. Heute unterrichten viele mit Vorsicht und kochen verständli- cherweise auf Sparflamme. Das aber mögen Schüler und Eltern gar nicht.

Wie wirkt sich die Identifikation von Lehrpersonen mit der Schule auf den Umgang mit Belastungen aus?

In der Psychologie unterscheiden wir zwischen der personalen Identität, also wie ich mich persönlich sehe, und der geteil- ten, sozialen Identität, die beschreibt, wie ich mich beispielsweise mit meinem Team identifiziere. Eine Reihe von Studien zeigt, dass die Burnout-Raten bei Lehrpersonen niedrig sind, wenn die soziale Identität stark ist. Die Ursache für Stress liegt dem- nach nicht darin, dass das Individuum in Stresssituationen mit den Belastungen nicht klarkommt, sondern in fehlender sozialer Unterstützung aufgrund mangeln- der geteilter Identität. Gemäss einer Um- frage des Zürcher Lehrerinnen- und Über Theo

Wehner

Theo Wehner, 1949 in Fulda (D) geboren, fand auf dem zweiten Bil- dungsweg zur Psy- chologie. Nach einer kaufmänni- schen Lehre bei einer Bank studier- te er einige Se- mester Medizin und Statistik und wech- selte dann zu Psychologie und Soziologie. Sein Interesse für die Arbeits- und Orga- nisationspsycho- logie entspricht einem Bild des Menschen als in ers- ter Linie tätiges und nicht primär soziales Wesen.

Nach Promotion und Habilitation an der Universität Bremen lehrte Wehner bis 1997 als Professor für Arbeitspsycho- logie an der TU Hamburg und bis 2015 an der ETH Zürich. In den letzten 20 Jahren forschte er inten- siv im Bereich der Freiwilligen- und Milizarbeit so- wie der Zusammen- arbeit in komplexen Organisationen wie Schulen oder Spi- tälern. Wehner ist Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Frau in der Stadt Zürich.

Er trennt nicht zwischen Arbeit und Freizeit, sondern spricht vom Privi- leg, sich ganzheit- lich mit den Themen beschäftigen zu können, die ihn leidenschaftlich interessieren.

«Die Wertschätzung von aussen ist ein Stück weit verloren gegangen»

Theo Wehner, emeritierter Professor für Arbeits- und Organisationspsycho- logie an der ETH Zürich, sieht eine Zergliederung der Arbeitsprozesse als Grund für die zunehmende Belastung im Beruf. Eine Identifikation mit der Schule als Ganzes hilft Lehrpersonen, mit Belastungen umzugehen.

Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

Schwerpunkt Belastung

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Lehrerverbands zur Zufriedenheit im Beruf sind Lehrpersonen mit den ich-bezogenen Aspekten wie Pensum und Vertrag grösstenteils zufrieden. Alles, was das Kollektiv betrifft, Stundenplan oder Projekt- arbeit, schafft hingegen Unzufriedenheit, weil die personale Identität nicht mehr in ein Wir-Gefühl eingebunden ist.

Weshalb findet diese Einbindung nicht statt?

Die Entsolidarisierung in der Schule hängt natürlich mit der Individualisierung der gesamten Gesellschaft zusammen. Die Leistung von Lehrpersonen wird zudem stark personifiziert, von den Eltern, aber auch vom Kollegium. Ich höre von vielen Lehrpersonen, dass sie ein schlechtes Abschneiden der Schülerinnen und Schüler als Kränkung erleben. Wenn ich für alles verantwortlich bin, kann das nur in die Erschöp- fung führen. Wir neigen dazu, Scheitern uns selbst zuzuschreiben, statt zu fragen, was das für unsere Schule bedeutet. Wenn ich mich als Lehrperson auf die soziale Identität beziehen kann, habe ich ein Unterstützungssystem, das ich alleine mit persön- licher Identität nicht erreiche. Es ist enorm, was ge- teilte Identität und soziale Unterstützung der Ge- sundheit bringen. Wenn mich eine Kollegin beim Elternabend unterstützt, wird dieser vom Stressor zum Lernfeld.

Wie gelingt es, ein solches Wir-Gefühl zu generieren? Ist dies Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer oder eher der Schulleitung?

Es ist Aufgabe der Gesellschaft. Wir sprechen von der Bildungsgesellschaft, aber das ist dann eine Far- ce, wenn wir die Zuständigkeitsbereiche und Verant- wortlichkeiten einfach abschieben. Es gibt nicht das Elternhaus hier, die Schule dort und das Lernen von acht bis zwölf Uhr. Dieses Auseinanderdividieren muss aufhören, Bildung muss wieder zu unserem gemeinsamen Anliegen werden. Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass wir die Schule brauchen, doch es gelingt nicht mehr, die Komplexität des Lehrberufs und des Schulalltags in die Bevölkerung zu tragen.

Die Krise in der Wissens- und Bildungsgesellschaft ist aber stark genug, um einen Wandel hervorzurufen.

Die Gesellschaft verändert sich nicht von heute auf morgen. Welche konkreten Handlungsmög- lichkeiten gibt es für Lehrpersonen Ihrer An- sicht nach?

Es braucht viel Fantasie, um vom Modus des Selbst- managements wieder zum gemeinsamen Handeln zu kommen. Man könnte seinen Unterricht mit anderen viel stärker absprechen, möglich wäre auch ein Co- Teaching in Zweier- oder Dreierteams, kollegiale Beratung, Intervision oder Shadowing ‒ das Beglei- ten als stiller Beobachter und Feedbackquelle. Die

Schulleitung kann natürlich auch für diesen Gemein- sinn sorgen, indem Probleme nicht mehr bilateral zwischen Lehrpersonen und Schulleitung gelöst werden. Es darf auch nicht mehr zugelassen werden, dass Eltern bei Konflikten zuerst die Schulleitung anrufen. Lehrpersonen, aber auch Schülerinnen und Schüler müssen Teilhaber ihrer Schule werden. Wenn sich Schülerinnen und Schüler, aber auch Bürgerin- nen und Bürger stärker mit ihrer Schule identifizieren, geht es der gesamten Schule besser.

Theo Wehner: «Wenn ich für alles verantwortlich bin, kann das nur in die Erschöpfung führen.»

«Kinder zu unterrichten ist eine sehr ganzheitliche Aufgabe, doch auch diese ist zergliedert worden in Richtung Fliessband- arbeit.»

Schwerpunkt Belastung

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Abschied von falschen Idealen

15 Lehrerinnen und Lehrer holten sich Anfang April in einer Weiterbildungsveranstal- tung der PH Zürich Inputs zum Thema «Sinnvolle und hilfreiche Ideale» – ein Aspekt, der viel zum beruflichen Wohlbefinden beiträgt. «Akzente» war am Anlass mit dabei.

Text: Claudia Merki, Fotos: Markus Forte

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Berater Jürg Frick betont: Die Vielzahl an Anforderungen im Schulzimmer kann niemand permanent erfüllen.

Es ist Dienstagabend, kurz vor 18 Uhr. Berater Jürg Frick begrüsst die zwölf Frauen und drei Männer.

Sie sind heute an die PH Zürich gekommen, um mehr über den Umgang mit Idealen zu erfahren. Die Veranstal- tung ist Teil der Themenreihe «Gesund bleiben im Be- ruf», sie bildet den Abschluss der insgesamt neunteiligen Reihe. Mit seiner rhetorischen ersten Frage «Warum sind Sie Lehrerin geworden und nicht Banker oder Spargels- techerin?» ist Frick bereits mitten im Thema. Denn so- wohl die Berufswahl als auch die Gesundheit hätten viel mit Idealen zu tun, erklärt er.

In der ersten Aufgabe werden die Teilnehmenden aufgefordert, sich in Dreiergruppen darüber Gedanken zu machen, was aus ihrer Sicht eine gute Lehrperson ist und welche Eigenschaften sie auszeichnet. Die Diskussi- on ergibt eine ganze Liste von Erkenntnissen: Genannt werden Faktoren wie Empathie, Geduld, Humor, Au-

thentizität, Gelassenheit oder Transparenz. Auch der Be- ziehungsaspekt, die fachliche Kompetenz oder die Freu- de am Unterrichten finden häufige Erwähnung. Den Lehrerinnen und Lehrern wird bewusst: Diese Vielzahl an Anforderungen kann im Schulzimmer niemand per- manent erfüllen.

Lachen über eigene Missgeschicke

Solche übersteigerten Ideale und Ansprüche erkennen und überprüfen zu können, ist eines der Kursziele. Weiter sollen die Teilnehmenden Schritte zur Entwicklung von angemessenen Idealen kennen lernen und sich mit Be- rufskolleginnen und -kollegen über ihre Erfahrungen austauschen. Die Männer halten sich dabei eher zurück, zur Hauptsache ergreifen die Frauen das Wort. Jürg Frick stellt immer wieder Fragen oder streut auch einmal eine Anekdote ein, die von seiner eigenen Unzulänglichkeit Welche Situationen im Praktikum nehmen die

Studierenden als Herausforderung wahr und welche die- ser Herausforderungen erleben sie als belastend? Mit dieser Frage beschäftigte sich das durch den Schweize- rischen Nationalfonds finanzierte Forschungsprojekt

«Blogging in internships: Writing online journals as a method for coping with stress in medical and teacher education», das die PH Zürich von 2013 bis 2015 durch- führte. Insgesamt hatten sich 140 Studierende der Pri- marstufe beteiligt. Ihre Aufgabe war es, in Blogeinträgen über herausfordernde Situationen – die sogenannten Stressoren – im Praktikum zu berichten und zu beschrei- ben, ob sie diese als belastend wahrnahmen oder nicht.

Durchgeführt wurde die Studie während des vierwöchi- gen Lernvikariat im 5. Semester.

Vielzahl an Herausforderungen

Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden mit einem Grossteil der Herausforderungen gut klarkommen. Ins- gesamt wurden 745 Situationen von den Studierenden geschildert, die einen Stressor enthielten. Aber nur bei rund 170 dieser Schilderungen erwähnten die Studieren- den auch, dass diese Situationen von ihnen als sehr be- lastend empfunden wurden. Beispielsweise scheint die im folgenden Beitrag geschilderte Situation für die angehen- de Lehrperson eine Herausforderung – einen Stressor – darzustellen, die aber letzlich nicht als Belastung emp-

funden wird: «Die Jungs versuchen es immer noch mit allen Mitteln, mich aus dem Konzept zu bringen. Da ich aber sowohl von der Schulleitung, den anderen Lehrper- sonen als auch dem Schulsozialarbeiter Rückendeckung habe, ziehe ich meine Linie wie gehabt durch.» Projekt- mitarbeiterin Alexandra Totter von der PH Zürich inter- pretiert die Ergebnisse so: «Die Studierenden sind mit einer Vielzahl von herausfordernden Situationen kon- frontiert, sie scheinen jedoch mit der Mehrzahl davon gut umgehen zu können. Die Situationen werden am ehesten dann als hohe Belastung von den Studierenden wahrge- nommen, wenn darin mehrere Stressoren gleichzeitig auftreten.»

Studierende fühlen sich in ihrer Rolle wohl

Betrachtet man die Anzahl Nennungen der einzelnen Herausforderungen, ergibt sich folgendes Bild: Am häu- figsten ‒ rund 290 Mal ‒ nannten die Studierenden Stressoren disziplinarischer Art, beispielsweise wenn sich die Schülerinnen und Schüler untereinander stritten oder die Teilnahme am Unterricht verweigerten. In rund 54 dieser Nennungen wurden die Situationen als sehr belastend empfunden. Ebenfalls oft erwähnten die Stu- dentinnen und Studenten in den Beiträgen herausfor- dernde Situationen im Zusammenhang mit den eigenen Ressourcen ‒ beispielsweise wenn sie unterrichteten, obwohl sie sich krank fühlten. Bei insgesamt 57 Nennun- gen wurde die Situation 18 Mal als sehr belastend emp- funden. Schliesslich wurden auch relativ häufig Situatio- nen mit einzelnen verhaltensauffälligen Schülerinnen oder Schülern genannt ‒ insgesamt 30 Mal. In 13 Fällen wurde die Situation als sehr belastend wahrgenommen.

Eine gleichzeitig durchgeführte quantitative Befragung der Studierenden hat insgesamt ähnliche Resultate her- vorgebracht. Als explizit nicht belastend herausgestellt hat sich dabei der Faktor «Sich in der Rolle als Lehrper- son wohlfühlen».

Der Vergleich der Ergebnisse mit den Erkenntnis- sen einer Studie mit rund 90 Berufseinsteigenden aus dem Jahr 2015 zeigt eine Reihe von Parallelen auf. In dieser von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich in Auftrag gegebenen Untersuchung stand die Frage im Zentrum, wie die Berufseinsteigenden den Beginn ihrer Berufstätigkeit bewältigen. Es zeigte sich, dass die Belas- tung bei den Berufseinsteigenden insgesamt auf einem mittleren Niveau liegt. Am stärksten fallen bei den Be- rufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern die Heteroge- nität der Klasse, ausserunterrichtliche Pflichten, das Ver- halten schwieriger Schülerinnen und Schüler sowie die Beurteilung von Schülerinnen und Schülern ins Gewicht.

Am wenigsten fühlen sie sich durch die Zusammenarbeit mit Fachpersonen, den Unterricht in Fächern ausserhalb des eigenen Fächerprofils sowie durch die Zusammenar- beit mit der Schulleitung belastet.

Wie Studierende Belastungen

im Praktikum meistern

Studierende absolvieren während ihrer Ausbildung eine Reihe von Praktika. Ein Forschungsprojekt der PH Zürich hat sich mit der Frage beschäftigt, wie die Studentinnen und Studenten mit den dabei erlebten Herausforderungen umge- hen.

Text: Christoph Hotz

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im Beruf erzählt. In einer anderen Aufgabe möchte er von den Teilnehmenden erfahren, wie ihre Ideale entstan- den sind und wie sich diese über die Zeit verändert ha- ben. Eine Lehrerin erklärt, dass sie sich stark an den in der Ausbildung vermittelten Inhalten orientiere. Eine andere erzählt, durch die Sozialisation im Beruf hätten sich ihre Ideale immer wieder verändert. Auch Jürg Frick, einst selbst Lehrer, nennt ein Beispiel. «Für mich war der Lehrberuf auch ein Feld, um die Gesellschaft zu verän- dern.» Er erklärt, wie beispielsweise mit einer Überprü- fung der Verhaltensmuster individuelle Gewohnheiten angepasst werden können. Auch regt er an, sich gesund- heitsfördernde Ziele zu setzen, die konkret und alltags- nah formuliert sind oder das Positive im Fokus haben.

Statt der vielbeschworenen «best practice» plädiert er für eine «good practice». Und für Humor. Worüber kann man heute lachen, was einst ein Misserfolg war?

Frick macht den Anfang und erzählt eine für ihn damals als jungen Psychologen peinliche Geschichte. Nach ei- nem Moment des Zögerns trauen sich zwei Frauen, es ihm gleichzutun. Die eine erzählt von einem Ausflug in den Wald mit Kindergärtlern, von denen einige am Schluss verschwunden waren und polizeilich gesucht werden mussten. Die Ausreisser wurden zum Glück ge- funden. Die andere berichtet von einem Elternabend.

Beamer und Kabel machten Probleme, sie musste sich mehrmals bücken, wobei das Licht des Beamers ihren

Ausschnitt ausleuchtete. Seither überlegt sie sich genau, was sie an Elternabenden trägt.

Handlungsmuster prophylaktisch überprüfen Inzwischen nähert sich die Veranstaltung dem Ende. Jürg Frick möchte wissen, was die Teilnehmenden inhaltlich mit nach Hause nehmen. «Ich habe herausgefunden, wo ich ansetzen kann, um entspannter zu sein», so ein Votum.

Eine andere Lehrerin will mit den Anleitungen nachfor- schen, woher ihre Idealvorstellung kommt, bis zum Alter von 60 Jahren als Lehrerin tätig sein zu müssen.

Eine der Teilnehmenden ist Unterstufenlehrerin.

Die 40-Jährige arbeitet seit 17 Jahren im Beruf, vor fünf Jahren erlitt sie ein Burnout. Die Kurse hat sie zum An- lass genommen, ihre Handlungsmuster zu überprüfen, um nicht wieder in schädliche Gewohnheiten zu verfal- len. Wie sie haben etliche Lehrpersonen mehrere Kurse der Reihe belegt. Jürg Frick zieht Bilanz: «Die Teilneh- menden waren motiviert und brachten sich mit grosser Offenheit und viel Engagement ein.» Damit das Gehörte nicht in Vergessenheit gerät, empfiehlt er, sich einigen der Themen anzunehmen und sich im Austausch mit Berufs- kolleginnen und -kollegen damit zu beschäftigen oder erworbene Inhalte im Schulteam weiterzuvermitteln.

Die Themenreihe wird ab Herbst 2016 erneut durchgeführt.

Schwerpunkt Belastung

Austausch unter den Teilnehmenden: «Ich habe herausgefunden, wo ich ansetzen kann, um entspannter zu sein.»

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