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Akzente Das Magazin der Pädagogischen

Hochschule Zürich

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blog.phzh.ch/akzente

Forschung und Schule – Wissenschaft

verstehen lernen

Seite 10

Interview: Lehrmittelautorin Monika Reuschenbach von der PH Zürich über zeitgemässen Geografieunterricht

Seite 30

Serie: Besuch im Unterricht einer Berufseinsteigerin auf der Primarstufe

Seite 32

(2)

A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9

So lernen wir.

Arbeiten an der FES?

In einem Klima der Wärme leistungsorientiert arbeiten, lehren und lernen: Möchten Sie Ihre Ideen einbringen und Ihre Schülerinnen und Schüler beim selbstverantwortlichen Lernen unterstützen?

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Inhaltsverzeichnis/Editorial

Kafi, Gipfeli Zmittag

w w w . h i r s c h l i . n e t

Ohne Forschung keine Schule. Diese einfache Formel mag auf den ersten Blick etwas platt wirken, sie hat jedoch durchaus ihre Gültigkeit. So grün- den letztlich jede Unter- richtslektion und jedes Lehrmittel auf Wissen, das aus Forschungen stammt.

Dieser Erkenntnis kommt die PH Zürich auch in ihrem Ausbildungs- konzept nach: Um den angehenden Lehrperso- nen ein Verständnis für die Wissensproduktion zu vermitteln, füh- ren sämtliche Studen- tinnen und Studenten im Verlauf ihres Studiums ein eigenes Forschungs- projekt durch. Dabei geht es insbesondere darum, ein strukturier- tes Vorgehen zum Er- kenntnisgewinn zu erar- beiten und einen experi- mentierfreudigen Zugang zur Realität zu entwi- ckeln. Beides benötigen Lehrpersonen zur Ent- wicklung des eigenen Unterrichts. Was dies konkret bedeutet, zeigt der Artikel ab Seite 10 zum Thema «Forschung und Schule».

Wie auch Schülerin- nen und Schüler ein Zu- gang zu Fragen aus der Forschung ermöglicht werden kann, beschreibt die Reportage aus dem Zürcher Schulhaus Letzi.

Student Philippe Minet führt dort im Rahmen seiner Masterarbeit mit einer Klasse Experi- mente in Natur und Tech- nik durch. Dabei zeigt sich, dass die Schüle- rinnen und Schüler be- reits nach einer Lek- tion einen wichtigen Forschungsgrundsatz verinnerlicht haben.

Welcher das ist: ab Seite 19 in diesem Heft.

– Christoph Hotz

Inhalt 1/2019

4 Vermischtes

Gesundheitsförderung in der Schule

7 Eine Frage, drei Antworten

Wie arbeiten Sie mit Eltern zusammen?

9 Seitenblick Alles Kinderkram?

10 Schwerpunkt Forschung und Schule

Leitartikel: Forschung als Basis für guten Unterricht

Service: Forschung für die Schule – Projekte der PH Zürich

Interview: Bruno S. Frey, Glücksforscher

Reportage: Eine Zürcher Klasse schlüpft in die Rolle von Wissenschaftlern

24 Studierendenseite

Porträt, Bachelorarbeit, Kolumne 27 PH Zürich

Weiterbildung: Wie sich die Arbeitswelt 4.0 auf die Schule auswirkt

Weiterbildung: Kinder mit komplexen Behinderungen unterstützen

Ausbildung: «Damit kann man Unterricht machen, der begeistert»

Weiterbildung: «Schulinterne Weiterbildungen sind beliebt»

32 Serie «Mein Berufseinstieg»

«Das Schulteam ist meine Familie»

34 Medientipps 37 Querdenker

Mein erstes Mal unterrichten

38 Instagram #takeover 38 Impressum

Verstehen, wie Wissen entsteht

Inserate

Titelbild: Forschung im Schulhaus Letzi, Foto: Nelly Rodriguez

32 Berufseinstieg: Im Unterricht von Zuzana Langenegger.

24 Porträt: Student Lorenz Vogel unterrichtet Flüchtlinge.

10 Forschung: Studierende führen ein eigenes Projekt durch.

Ich nutze die neuen Materialien von conTAKT-kind.ch für die Elternarbeit.

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Vermischtes Vermischtes

Gesundheitsförderung in der Schule

Wie hängen Gesundheit und Bildung zu- sammen? Am Auftaktanlass der PHZH-Reihe

«Motiviert und gestärkt in der Schule» von Mitte Januar zeigten Forscher Roger Keller und Leh- rerin Pia Kuster Antworten auf. «Ich denke, wir sind uns einig, dass wir etwas für die Gesundheit tun müssen. Aber vermutlich ist unklar, was wir darunter genau verstehen», leitete Roger Keller, Leiter des Zentrums Inklusion und Gesundheit in der Schule an der PH Zürich, seine Ausfüh- rungen ein. In der Folge ging er vertiefter auf den Gesundheitsbegriff ein und stellte verschie- dene Definitionen vor – etwa Gesundheit als Freisein von Krankheit und Störungen. «Men- schen verstehen sehr unterschiedliche Dinge un- ter Gesundheit und ich kann Ihnen keine ab- schliessende Empfehlung geben, wie Gesundheit aufgefasst werden soll. Sie sollten sich jedoch über Ihre subjektiven Vorstellungen bewusst sein, da dies Ihren Umgang mit dem Thema Gesundheit wesentlich beeinflusst», gab er zu bedenken.

Anschliessend präsentierte der Forscher wissenschaftliche Erkenntnisse, wie die Gesund- heit, das Wohlbefinden, die Leistungsmotivation und der Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler mit dem Schulklima, Merkmalen des Unterrichts und der Gesundheit der Lehrperso- nen und Schulleitungen zusammenhängen. Be- legt ist beispielsweise, dass ein transformationa- ler Führungsstil, das heisst, gemeinsame Ziele,

echte Partizipation und individuelle Unter- stützung der Mitarbeitenden, zu höherer Ar- beitszufriedenheit, besserem Wohlbefinden und weniger Burnout führt.

Nachfolgend stellte Pia Kuster, Kon- taktlehrerin für Gesundheitsförderung und Prävention an der Sekundarschule Nauen in Dürnten, Praxisbeispiele für Gesundheitsför- derung in der Schule vor. Dazu zeigte sie ein Video, in dem Schülerinnen und Schüler ge- fragt wurden, woran sie eine gesunde Lehr- person erkennen. «In den Antworten gehen Kinder häufig auf den Beziehungsaspekt ein, indem sie beispielsweise sagen, dass eine ge- sunde Lehrperson motiviert und fröhlich un- terrichtet, von sich erzählt oder Geduld mit den Schülern und Schülerinnen hat», fasste Pia Kuster ihre Erkenntnisse zusammen. Be- ziehungskompetenzen sind auch der Schwer- punkt des laufenden Projekts zur Gesund- heitsförderung an der Sekundarschule Nau- en. «Die Ziele des Projekts sind Bestandteil der Jahresplanung und des Schulprogramms.

Diese Verbindlichkeit ist für das Gelingen des Projekts zentral.»

– Olivia Rigoni

Informationen zur Themenreihe «Moti- viert und gestärkt in der Schule»:

tiny.phzh.ch/gesundheitsfoerderung

Kommende Ver- anstaltungen 21. März

Podium Pestalozzi- anum

Wie geht die Schule mit der Digitali- sierung um? Diese Frage steht im Zentrum der Dis- kussion.

9./10. Mai

Tagung zu Partizi- pation

An der Veranstal- tung erhalten die Teilnehmenden im Rahmen von Refera- ten und weiteren Gefässen Einblick in die vielfältigen Formen von Partizi- pation.

24.Mai

Symposium Perso- nalmanagement Der Anlass steht ganz im Zeichen der Profilierung und Entwicklung der eigenen Schule.

Weitere Infos:

phzh.ch/veranstal-

tungen Fot

o: Olivia Rigoni Fotos: Christoph Hotz

Forscher Roger Keller von der PH Zürich erläutert den Zusammenhang zwischen Gesund- heit und Schule.

Aktuelles

Schulpflegen zu Besuch

Zum Beginn der neuen Amtsperio- de der Zürcher Schulpflegen hat die PH Zürich Ende November die neu gewählten Behördenmitglieder so- wie die Schulpräsidentinnen und -präsidenten zu einem Begrüssungs- anlass eingeladen. Auf dem Pro- gramm standen Inputs zu zentralen Themen der Hochschule.

Schulwandbilder im Geschichts- unterricht

Im Rahmen eines Ausbildungsmo- duls im Bereich Geschichte haben Studierende Schulwandbilder aus den Jahren 1935 bis 1995 unter- sucht. Die daraus entstandenen Projekte wurden in einer Ausstel- lung gezeigt.

Projekt zu Augmented Reality Ein neues Forschungsprojekt der PH Zürich beschäftigt sich mit dem Einsatz von Augmented Reality in der Lehrerbildung. Darunter wird die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung durch Einblendung von zusätzlichen Informationen bezeichnet. Die Technologie kann auch für das Lehren und Lernen genutzt werden.

Berufseinsteigende an der PHZH 300 Berufseinsteigende haben im

Die Abgeordneten kamen auch mit Studierenden der PH Zürich ins Gespräch.

Schulwandbilder waren bis in die 1980er Jahre in den Klassenzimmern weit verbreitet.

Januar eine dreiwöchige Weiterbil- dung an der PH Zürich absolviert.

Die Teilnehmenden konnten aus rund 100 Angeboten auswählen.

Tanz und Podium zu antiautoritä- rer Erziehung

An einer Veranstaltung der PH Zürich und des Landes museums wurde im November mit einer Tanzvorführung und einem Podi- um der antiautoritären Erziehung nachgespürt. Rund 50 Studierende waren daran beteiligt.

Besuch von US-Delegation Im Rahmen einer Tour durch die Schweiz besuchten 14 US-Kongress- abgeordnete die PH Zürich. Im Zentrum stand das Thema Berufs- wahlorientierung.

In einem der Workshops lernten die Lehrpersonen, Erklärvideos für den Unterricht zu produzieren.

PHZH in Zahlen

Anzahl Ausleihen in der Bibliothek der PH Zürich im 2018

E-Books 195'071

Bücher 96'257

DVDs 3'894

CDs 2'431

Medienpakete (z.B. Buch plus Kartenset)

1'584

CD-ROM 1'419 Zeitschriften

967

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9

6

Meinungen

Inserate

Eine Frage, drei Antworten:

Wie arbeiten Sie mit Eltern zusammen?

Vor der Zusammenarbeit mit den Eltern hatte ich zu Beginn meiner Arbeit als Lehrerin grossen Respekt, doch heute bin ich von der Wichtigkeit eines guten Zusammen- spiels überzeugt. Anfangs Oberstufe führe ich jeweils mit allen Eltern und Kindern ein Gespräch durch.

Dabei lege ich besonderen Wert darauf, dass die Eltern spüren, dass ich ihrem Kind gegenüber wohlwol- lend eingestellt bin. Ist erst einmal eine positive Basis geschaffen, ist es einfacher, auch in schwierigeren Situationen gut zusammenzuarbei- ten. Elterliche Kritik nehme ich ernst und versuche, hinter die Fassa- de zu blicken. Oft stecken Ängste dahinter, die es zu klären gilt. Ich habe immer gute Erfahrungen damit gemacht, den Eltern gegen- über transparent zu sein. Neben persönlichen Auskünften haben sie jederzeit die Möglichkeit, Noten online einzusehen. Dabei bin ich darauf bedacht, auch Positives festzuhalten. Reklamationen von Eltern kommen oft dann, wenn sie negative Überraschungen erleben.

Werden sie auf dem Laufenden gehalten, passiert dies kaum.

Darüber hinaus finde ich es schön, zwischendurch Begegnungen zu schaffen, die nichts mit der Beur-

teilung zu tun haben. So lade ich Eltern etwa gerne ein, um die Arbeiten aus einer Themenwoche zu begutachten und gemütlich beisammenzusitzen.

Eines scheint uns allen klar zu sein: Gelingt es uns, eine wertschätzende und offene Zusammenarbeit mit den Eltern zu erarbeiten, so spüren das die Kin- der. Dies wiederum wirkt sich positiv auf das Lernen und das Klima im Schulzimmer aus. Wir führen ein kleines Heftchen – El- ternkontaktheft genannt –, in das die Eltern oder wir jederzeit schreiben können, wenn etwas ansteht. Gespräche zwischen Tür und Angel führen wir nur kurz, wenn es dringend ist. Wir möchten uns Zeit nehmen und vereinba- ren lieber Gesprächstermine. Of- fene Kommunikation, ehrlicher Austausch und immer wieder Informationen scheinen uns selbstverständlich – so entstehen Vertrauen und Wohlwollen. Wir möchten doch alle das Beste für unsere Kinder, also: Bleiben wir dran! Und wir Erwachsenen sind die Vorbilder der jungen Generati- on, umso wichtiger ist es vorzule- Johanna Heide-Liebetrau, Unterstufenlehrerin, Henggart Sabrina Hottinger, Oberstufen-

lehrerin, Hinwil

ben, was wesentlich ist: ein respektvoller, achtsamer, freund- licher Umgang miteinander.

Die Elternzusammenar- beit hat macht- und kraftvolles Potenzial. Auf unkomplizierte Wei- se kann die Schule mit den Er- ziehungsberechtigten wesentliche Entscheide fällen zugunsten der Kinder. Da wichtige Aspekte für den Lernerfolg ausserhalb des schulischen Umfeldes liegen, lohnt sich ein vertrauensvoller Bezie- hungsaufbau zu den Eltern doppelt.

Schon beim Kindergarteneintritt wird der Grundstein für eine Ko- operation auf Augenhöhe gelegt. Die Eltern also nicht möglichst rasch aus dem Zimmer scheuchen, sondern involvieren und sich der Chance des Vertrauensaufbaus bewusst sein – insbesondere im interkulturellen Kontext. Freundliche Gesten und eine echte Willkommenskultur wirken im Umgang mit Eltern Wunder. Der Einbezug in Projekte und den Unterricht unterstützt ein unbeschwertes Grundklima. So können auch Konflikte lösungsori- entiert und mit gemeinsamer Ver- antwortungsübernahme angegan- gen werden.

Roger Spiess, Schulleiter, Winterthur

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Karin Zopfi Bernasconi – Seitenblick

Alles Kinderkram?

Seitenblick

Inserate

Erdwissenschaftliches Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich

Illustration: Studio Nippoldt; Bilder: NASA, Fabian Neyer (modif.)

Erdwissenschaftliches Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich

EXPEDITION

SONNENSYSTEM

• Führungen und Workshops für Schulklassen

• Unterrichtsmaterial und Aufgabenblätter Informationen und Buchung unter www.focusterra.ethz.ch Öffnungszeiten focusTerra:

• Montag bis Freitag 9 - 17 Uhr

• Sonntag 10 - 16 Uhr

Illustration: Elisabeth Moch

Eigentlich hängt der Haus- segen schief. Der Küchenboden ist mit einer Staubschicht übersät, die einiges an Arbeit verspricht und em- pathische Gefühle für Sisyphus auf- kommen lässt. Einzig das Kind lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Es kauert auf dem Boden und hämmert die einzelnen, in Gips eingeschlosse- nen Teile des Dinosaurierskeletts frei.

Die konzentrierte Stimmung besänf- tigt schnell. Minuten später sitzen bei- de auf dem Boden, unterhalten sich über die nächsten Hammerschläge und freuen sich über die bereits frei gelegten Langknochen. Schon bald wird die Riesenechse stehen; die jurassische Küchenlandschaft ärgert nun niemanden mehr.

Unschwer lässt sich erken- nen, dass die Aufmerksamkeit des Kindes und das gemeinsame Tun die Perspektive des Erwachsenen verändert haben. Wäre die Einord- nung dieser Situation nur auf kog- nitiver Ebene erfolgt, hätte die Reaktion vermutlich anders aus- gesehen. Das Ganze ist aber auch ein Lehrstück für Didaktik und Pädagogik.

Dass selbstgemachte Erfah- rungen nicht nur beim impliziten Lernen, sondern auch für explizite, schulische Lernprozesse eine wich-

tige Grundlage bilden, ist eine Binsenwahrheit. Sie lässt sich in di- daktischen Evergreens wiederfin- den, beispielsweise im sogenannten EIS-Prinzip des amerikanischen Psychologen Jerome Bruner. Im Sinne des nachhaltigen Lernens sollten im Unterricht demnach alle drei Repräsentationsformen berück- sichtigt werden – die enaktive Ebene der konkreten oder vorgestellten Handlungen, die ikonischen Dar- stellungen verstanden als bildliche Formen und die symbolischen Repräsentationen, die Inhalte durch Zeichen oder Sprache vermitteln.

Die eigene Erfahrung und der selbst nachvollzogene Weg der Erkenntnis sind auch beim deutschen Pädago- gen Martin Wagenschein wesent- lich. Nach ihm bleibt Wissen, zu dem es keine Erfahrung gibt, leer.

Dem Kind räumt er das Recht auf jede Frage ein – und der Lehrper- son das Recht auf jede Antwort, sofern sie dem Kind etwas aufgehen lässt. Und genau in diesem Punkt liegt unsere Kunst.

Auch der Perspektivenwech- sel stellt in der Didaktisierung von Lerninhalten einen entscheidenden Schritt dar. Es lohnt sich für alle Stoffgebiete und Stufen, gestellte Aufgaben im Voraus selber durch-

zuarbeiten, damit allfällige Hürden erkannt und Hilfestellungen abge- leitet werden können. Zu Recht wird dieser Zugang in der Lehrer- bildung mantramässig wiederholt.

Die Beachtung dieses Grundsatzes trägt schnell Früchte, die Ernte wird einzig durch akuten Zeitman- gel bedroht.

Beim Beispiel der jurassi- schen Küchenlandschaft geht es mit dem Verstehen aber noch einen Schritt weiter. Die gemeinsame Erfahrung des Hämmerns und Kratzens hat nicht nur die Perspek- tive verändert, sondern ein echtes Verständnis für die Situation des Kindes ausgelöst. Es bleibt die Frage offen, ob mit diesem Ansatz der gemeinsamen Erfahrung auch in weiteren Zusammenhängen Dialoge und Prozesse anders aus- gestaltet werden könnten. So würde es mich reizen, einmal in der Rolle als Studentin eine Woche an un- serer Institution mitzulaufen.

Bestimmt würde sich die eine oder andere Lernlandschaft anders präsentieren. Doch wegen akuten Zeitmangels blieb es bislang bloss beim Gedankenspiel.

Karin Zopfi Bernasconi ist Dozentin für Pädagogische Psychologie an der PH Zürich.

boesner Luegislandstrasse 105 8051 Zürich www.boesner.ch boesner Luegislandstrasse 105

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 11 Erfährt eine Lehrperson von einem Konflikt unter

Schülerinnen und Schülern, sollte sie dies zeitnah mit den Beteiligten besprechen.

Schwerpunkt Laufbahn

Im Rahmen ihrer Ausbildung führen sämtliche Studie- renden der PH Zürich ein eigenes Forschungsprojekt durch. Der experimentelle Zugang zu Wissen und das dabei erforderliche systematische Vorgehen ist von wesentlicher Bedeutung für die Weiterentwicklung des eigenen Unterrichts. Daneben werden Entwicklungspro- zesse an den Schulen auch durch Studien von Forschen-

den der PH Zürich angestossen.

Text: Melanie Keim, Fotos: Sophie Stieger

Forschung als Basis für guten

Unterricht

Sch

werpunkt Forschung und Schule

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Forschung für die Schule –

ausgewählte Projekte der PH Zürich

Die PH Zürich arbeitet bei einer Vielzahl ihrer Forschungsprojekte eng mit Schulen zusammen. Dabei werden die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse so aufgear- beitet, dass sie von den Lehrerinnen und Lehrern im Schulalltag genutzt werden können. Ein Überblick über vier ausgewählte Projekte.

Partizipation in der Schule stärken

In dem Projekt wird untersucht, wie Partizipation von Schüle- rinnen und Schülern in Schulen verstanden und umgesetzt wird. Dabei führte das Forschungsteam in fünf Schulen Befra- gungen sowie Beobachtungen des Schulalltags durch. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler insbe- sondere im ausserunterrichtlichen Bereich mitbestimmen und während des Unterrichts wenig Partizipation stattfindet.

Das Forschungsteam fasste die Ergebnisse zuhanden der teilnehmenden Schulen in einem Bericht zusammen und führte mit den Schulteams Workshops durch. Dabei wurden die Re- sultate gemeinsam mit den Schulteams und den Lernenden diskutiert, interpretiert und daraus Massnahmen für die Schul- entwicklung abgeleitet. Zudem erhielten alle Schulen im Kanton Zürich eine Projektzeitung mit den wichtigsten Ergeb- nissen.

Planungshilfen zur Gesundheitsförderung und Prävention

Im neuen Lehrplan 21 ist Gesundheit als überfachliches Thema unter der Leitidee «Bildung für Nachhaltige Entwicklung»

verankert. Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungspro- jekts haben Dozierende aus Forschung, Aus- und Weiterbil- dung Planungshilfen zur lehrplanbasierten Umsetzung von Themen der Gesundheitsförderung und Prävention im Un- terricht erarbeitet. Dazu führte das Forschungsteam zur best- möglichen Abstimmung der Planungshilfen auf die Bedürf- nisse im Schulfeld schriftliche Befragungen und Interviews mit Lehrpersonen, Schulleitungen und Mitarbeitenden von Fachstellen durch. Die Planungshilfen werden an der PH Zürich in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt und sind für alle auf einer Online-Plattform zugänglich.

Pädagogische Zuständigkeiten an Tagesschulen Das Projekt untersucht, wie in Tagesschulen pädagogische Zuständigkeiten zwischen Lehr- und Betreuungspersonen ausgehandelt werden. Dazu führten die Forschenden in vier Schulen, die erst seit kurzem als Tagesschulen geführt werden, Interviews durch. Dabei zeigte sich, dass durch die neuen Formen der Zusammenarbeit unklare Verantwortlichkeiten entstehen. Dabei besinnen sich Lehr- und Betreuungspersonen einerseits auf ihren traditionellen Berufsauftrag und grenzen sich von berufsfremden Tätigkeiten ab. Andererseits nehmen sie in Bezug auf das gemeinsame pädagogische Handeln aber auch Entwicklungsmöglichkeiten wahr. Die teilnehmenden Schulen wurden während des Projekts laufend mit einem Newsletter über den Stand der Forschung sowie über Ergebnis- se und Publikationen informiert und erhielten schulspezifische Rückmeldungen. Weiter fanden gemeinsame Auftritte an Tagungen und Kongressen statt.

Integrative Förderung von Kindern mit Verhal- tensauffälligkeiten

Das Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit Verhal- tensauffälligkeiten zählt zu den zentralen Herausforderungen im Alltag von Lehrpersonen. Im Rahmen des Forschungspro- jekts werden gemeinsam mit einer Vielzahl an Schulen schwie- rige Schulsituationen mit auffälligen Kindern anhand wissen- schaftlicher Methoden analysiert. Die Schulen planen anschlies- send zusammen mit den Forschenden der PH Zürich geeignete Massnahmen zur Bewältigung dieser Situationen. Durch diese enge Zusammenarbeit können die beteiligten Schulen und Lehrpersonen gezielt und praxisnah in ihrer Kompetenz im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten gestärkt werden.

Ethnografisches Beobachten, Statistik oder Inter- viewtechniken würde man auf Anhieb kaum mit der Aus- bildung von Lehrpersonen in Verbindung bringen. Doch an der PH Zürich gehören Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse sowie Fragen zu Forschungsdesigns und Forschungsethik zum festen Programm aller Studien- gänge. So führen sämtliche Studierenden aller Stufen im Rahmen des Moduls «Forschung und Entwicklung» ein eigenes Forschungsprojekt durch. In parallel geführten Kursen zu unterschiedlichen Themen und Forschungsme- thoden lernen die Studierenden dabei eine spezifische Forschungsmethode kennen und gehen mit dieser einer selbständig entwickelten Fragestellung nach. Je nach Inte-

resse erforschen sie etwa mit Methoden der ethnografi- schen Forschung das Spiel von Kindern und Jugendli- chen, führen Videoanalysen von Unterrichtssituationen durch oder untersuchen vor dem Hintergrund neu etab- lierter Tagesschulen Familienbilder von Politikerinnen und Politikern. Dabei werden die Ebenen Forschung und Entwicklung immer als Einheit behandelt. Zu einem For- schungsprojekt gehören neben der analytischen Erfor- schung von Gegebenheiten und Situationen also auch Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zu deren Veränderung. So entwickeln Studierende beispielsweise Möglichkeiten, wie sie überfachliche Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern sinnvoll erheben können.

Eintauchen in die Wissensproduktion

Im Grunde sind Lehrpersonen sowohl im Studium als auch später im Berufsleben ständig mit Forschungsresul- taten konfrontiert. So basieren nicht nur Unterrichtsinhal- te, sondern ebenso pädagogische und fachdidaktische Konzepte, Schulreformen oder neue Lehrmittel letztlich auf Wissen aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten.

Der exemplarische Einblick in Forschungs- und Entwick- lungsprozesse soll das Verständnis für die Wissensproduk- tion und damit auch die Fähigkeit fördern, Resultate von Forschungs- und Entwicklungsprojekten kritisch einzu- ordnen. In den genannten Modulen steht jedoch weniger die kritische Rezeption von Forschungsresultaten im Zen- trum als vielmehr das eigene forschende Handeln der an- gehenden Lehrpersonen. «Ziel des Moduls ist es, dass die Studierenden die Forschungs- und Entwicklungsprozesse

durch das eigene Forschen kennenlernen und dadurch eine forschende Haltung entwickeln», erklärt Christine Bieri, die an der PH Zürich die Sekundarstufe 1 leitet. Es geht also darum, dass sich die Studierenden ein struktu- riertes Vorgehen zum Erkenntnisgewinn erarbeiten und einen neugierigen, experimentierfreudigen Zugang zur Realität entwickeln. Beides benötigen Lehrpersonen ge- mäss Bieri zur Entwicklung des eigenen Unterrichts. «Der Prozess der Unterrichtsentwicklung und das Vorgehen in Forschungsprojekten gleichen sich stark», sagt sie. «Will eine Lehrperson beispielsweise die eigene Klassenführung verbessern, muss sie ihr Handeln erst sinnvoll analysieren können und aufgrund dessen gezielt Massnahmen zur Ver- änderung erproben.» Wie in einem Forschungsprojekt muss sich die Lehrperson für eine Verbesserung ihres pro- fessionellen Handelns also klare Ziele setzen und geeigne- te Methoden finden können, um ihren Unterricht kritisch zu reflektieren und diesen aufgrund der Beobachtungen entsprechend anzupassen. Und dann beginnt das Beob- achten wieder von neuem.

«Unterrichtsentwicklung verläuft wie Forschung und Entwicklung kreisförmig», erklärt Bieri. Das bedeutet, dass der Forschungskreislauf nach der Erprobung einer spezifischen Intervention wieder zum Ausgangspunkt zu- rückkehrt und die Beobachtung zur Verbesserung von neuem beginnt. «Nur sind diese Kreisläufe der Erprobung im Berufsalltag selbstverständlich kürzer und verlaufen weniger systematisch», sagt Bieri. Wenn sich Studieren- de in den Kursen spezifische Forschungsmethoden aneig- nen, dann also nicht mit dem Ziel, dass sie diese im Be- rufsalltag direkt anwenden können. Vielmehr sollen sie exemplarisch erleben, wie sie mit einem systematischen Vorgehen zu sinnvollen Erkenntnissen kommen und Inter- ventionen gezielt entwickeln und überprüfen. In der Be- rufspraxis hilft so etwa ein Unterrichtstagebuch bei der Verbesserung der Klassenführung oder eine Fragebogen- erhebung in der Klasse, um die Wirkung eines neuen Lern- arrangements zu überprüfen.

Ein Beitrag zur Professionalisierung

Während die Studierenden den Nutzen solcher For- schungsprojekte früher noch relativ häufig in Frage stell- ten, hat sich inzwischen gemäss Bieri eine forschungs- freundliche Haltung unter den Studierenden etabliert.

«Forschung und Entwicklung sind heute ein selbstver- ständlicher Teil des Studiums», gibt sie eine verbreitete Ansicht wieder. Gemäss mehreren Evaluationen ist die Akzeptanz für das Modul «Forschung und Entwicklung»

hoch. «Viele Studierende schätzen die vertiefte Auseinan- dersetzung mit einem Thema», sagt Bieri. Viele sind davon überzeugt, dass das eigene Forschen zur Kompetenzent- wicklung beiträgt.

Zudem weist Bieri darauf hin, dass entdeckende, experimentelle Unterrichtsformen an den Schulen heute

Sowohl Unterrichtsinhalte als auch Lehrmittel basie- ren letzlich auf Wissen aus Forschungsprojekten.

Schwerpunkt Forschung und Schule Schwerpunkt Forschung und Schule

weit verbreitet sind, und zwar nicht ausschliesslich in den naturwissenschaftlichen Fächern. Schülerinnen und Schü- ler entdecken beispielsweise im Deutschunterricht Gram- matikregeln, suchen nach Mustern in der Mathematik und erarbeiten sich Wissen häufig selbständig in Projekt- arbeiten, die bei einer konkreten Fragestellung ansetzen.

Lehrpersonen mit einer neugierigen, forschungsorientier- ten Haltung gelingt es gemäss Bieri eher, kleine For- schungsprozesse in den Unterricht zu integrieren. Und dies sei nicht nur motivierend, sondern festige auch das Wissen.

Beachtliches Expertenwissen

Eine forschungsorientierte Haltung wird im Studium an der PH Zürich nicht nur im besagten Modul gefördert,

sondern ebenso in diversen Lehrveranstaltungen sowie in den Mentoraten. Zudem schreiben die Studierenden für ihre Bachelorarbeit kleinere Forschungsarbeiten, auf Se- kundarstufe 1 werden für die Masterarbeit auch umfang- reichere Forschungsprojekte durchgeführt. Dies geschieht in Form von theoretischen Arbeiten, empirischen For- schungsprojekten mit eigener Fragestellung und eigenem Forschungsdesign oder der Mitarbeit an einem bestehen- den Forschungsprojekt der PH Zürich.

Gewisse Studierende erreichten in dieser relativ kurzen Zeit ein beachtliches Expertenwissen oder Know- how im Methodenbereich, so Bieri. Zudem finden sich unter den Studierenden, insbesondere in den Studiengän- gen für Quereinsteigende, auch Personen mit starkem Forschungshintergrund, wobei einige in ihrer Masterar-

(8)

A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 15 beit mit einem bestehenden Fach- oder Methodenwissen

an Fragen aus dem Schulfeld anknüpfen. So untersuchte eine Studentin mit einem Abschluss in Literaturwissen- schaften beispielsweise, wie Lehrpersonen Schülerinnen und Schüler, die zuhause kaum Zugang zu Büchern ha- ben, für Literatur interessieren können. Oder ein Ingeni- eur ging in seiner Masterarbeit der Frage nach, wie man Mädchen bei der Berufswahl für naturwissenschaftliche und technische Berufe gewinnen kann.

Studierende, die Teilzeit studieren und bereits eine eigene Klasse unterrichten, haben zudem die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Masterarbeit ein sogenanntes Aktions- forschungsprojekt durchzuführen. Unter Aktionsforschung versteht man die systematische Untersuchung des eigenen professionellen Handelns mit dem Ziel, dieses zu verbes- sern. Über einen längeren Zeitraum untersuchen die Stu-

dierenden dabei anhand verschiedener Methoden einen Aspekt ihres Unterrichts und versuchen diesen durch ge- zielte Interventionen weiterzuentwickeln. Beispielsweise untersuchte ein Student, inwiefern er das Lernen seiner Schülerinnen und Schüler stört und wertvolle Lernprozes- se durch sein eigenes Handeln unterbricht. Eine andere Studentin erforschte, wie sich Variationen ihrer Aufgaben- stellungen auf die Einstellung ihrer Schülerinnen und Schüler zur englischen Sprache auswirkten.

Eine Gruppe von Lehrpersonen, die ein solches Ak- tionsforschungsprojekt als Masterarbeit durchgeführt hat- te, wurde zwei Jahre nach Abschluss ihres Studiums zu der Wirksamkeit ihrer Forschung befragt. Dabei gab die Mehr- heit der zwölf Befragten an, dass ihre Forschung die Fähig- keit zur Unterrichtsentwicklung verstärkt habe. Viele fühl- ten sich durch die Aktionsforschung kompetent, klare Zie-

le für eine Veränderung setzen zu können, was gerade beim Berufseinstieg angesichts der zahlreichen Herausforderun- gen schwierig sein kann, aber dennoch zentral ist.

Forschung an und mit Schulen

Forschung und Entwicklung hat an der PH Zürich nicht nur ihren festen Platz in der Ausbildung von Lehrperso- nen. Auch forschen professionelle Forschende der PH Zü- rich zu verschiedensten Fragen im Zusammenhang mit Schule, wobei sie häufig auf die Mitarbeit von Schulen angewiesen sind. Nur ist es für Forschende häufig nicht ganz einfach, Schulen für die Teilnahme an einem For- schungsprojekt zu gewinnen. Denn das Schulfeld wird von verschiedenen Seiten stark beforscht. So fragen Schulen neben professionellen Forschungsteams von Pädagogi- schen Hochschulen auch andere Bildungsinstitutionen für die Mitarbeit bei Studien an. Und auch im Rahmen stu- dentischer Forschungsarbeiten, Masterarbeiten oder Qua- lifikationsarbeiten auf CAS- oder MAS-Stufe werden Stu- dien an Schulen durchgeführt. Für die Schulleitungen und genauso für Lehrpersonen bedeutet die Beforschung durch Externe oft einen zusätzlichen Zeit- und Organisa- tionsaufwand neben dem bereits fordernden Schulalltag.

«Wenn wir Schulleitungen für eine Zusammenarbeit ge- winnen wollen, müssen wir ihnen den Mehrwert eines Forschungsprojekts an ihrer Schule klar aufzeigen kön- nen», sagt Patricia Schuler, die an der PH Zürich das Forschungszentrum für Professionalisierung und Kom- petenzentwicklung leitet. Meistens können die Forschen- den dabei klar aufzeigen, inwiefern die Schule direkt von einem Projekt profitieren kann. «Forschungs- und Ent- wicklungsprojekte an Schulen kann man als Teil des Schulentwicklungsprozesses betrachten», sagt Schuler.

«Wenn wir einen Aspekt des Schulalltags an einer Schule beforschen, halten wir den Lehrpersonen und der Schul- leitung auch einen Spiegel vor und können damit Ent- wicklungsanstösse geben», erklärt sie. Ein Handlungsbe- darf wird manchmal sogar bereits bei der Datenerhebung ersichtlich. So etwa, wenn eine Frage zum Schulprofil in einem Gruppeninterview ganz unterschiedliche oder gar widersprüchliche Antworten auslöst.

Gewöhnlich entscheidet die Schulleitung, ob ein Projekt an einer Schule durchgeführt werden kann. Da-

mit ist jedoch noch nicht über die Teilnahme der einzel- nen Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler oder El- tern entschieden. Denn diese bestimmen selbst, ob sie befragt oder beobachtet werden dürfen. So muss die Teil- nahme an Forschungsprojekten gemäss den geltenden forschungsethischen Standards stets freiwillig sein. Wenn sich Schulen für die Teilnahme an einem Forschungspro- jekt entschieden haben, seien die meisten Beteiligten sehr offen, sagt Schuler. Generell habe sie kaum schlechte Er- fahrungen bei der Erforschung von Schulen gemacht.

Experten und Expertinnen im Feld

Wenn Forschende ihre Daten erhoben und ihre Schlüsse gezogen haben, ist die Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schule noch nicht beendet. Denn die Forschenden lassen den Beforschten immer Einblicke in die Erkenntnisse ihrer Forschung zukommen. Diese werden von Fall zu Fall an- ders an die Schulen zurückgebracht. Je nach Wunsch prä- sentieren die Forschenden ihre Resultate nur und zeigen mögliche Herausforderungen für die Schule auf, oder sie schlagen konkrete Lösungsansätze vor und diskutieren diese mit dem Lehrpersonenteam. Oft werden Lösungs- wege in Workshops gemeinsam mit dem Team der jeweili- gen Schule erarbeitet. Und bisweilen laden die Forschen- den der PH Zürich Lehrpersonen oder Schulleitungen für gemeinsame Vorträge an Symposien oder Tagungen ein.

Gemäss Schuler geht es dabei nicht einfach um eine Illus- tration der Forschungsresultate durch einen Einblick in die Praxis. «Ich verstehe Lehrpersonen als Expertinnen und Experten im Feld. Und deren Erfahrungswissen ist für die Forschung sehr wichtig», so Schuler.

Grundsätzlich werde Forschung heute stärker als Austausch auf Augenhöhe verstanden, sagt Schuler. In Forschungsprojekten der PH Zürich wurden Beforschte auch schon aktiv in die Forschung miteinbezogen, etwa bei einem Forschungsprojekt zur räumlichen Gestaltung von Tagesschulen an der Tagesschule Zug. Neben konven- tionellen Erhebungsmethoden wurden die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler auch durch diese selbst einge- fangen. So machten die Kinder Fotos von Räumen und Aussenorten, kommentierten diese schriftlich und stellten auf Plakaten zusätzlich Optimierungsmöglichkeiten vor.

«Wenn eine Schule aktiv beteiligt ist an der Forschung, wird sie Resultate einer Untersuchung eher umsetzen», nennt Schuler einen wichtigen Vorteil der partizipatori- schen Forschung. Das Projekt an der Schule Zug diente letztlich als Modell, wie Schulen sich selbst beforschen und so Schulentwicklungsprozesse gezielt vorantreiben können. Die Abgängerinnen und Abgänger der PH Zürich haben für solche Prozesse die notwendigen Kompetenzen.

Dank der eigenen Forschungserfahrung können sie schu- lische Situationen nicht nur gezielt analysieren, sondern kennen mögliche Wege, um Innovationen zu erproben und Entwicklungsprozesse anzustossen.

Das Erfahrungswissen der Lehrerinnen und Lehrer ist für die Forschung sehr wichtig.

Im Modul «Forschung und Entwicklung» lernen die Studierenden spezifische Forschungsme- thoden kennen und gehen einer selbständig entwickelten Fragestellung nach.

Schwerpunkt Forschung und Schule

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Schwerpunkt Forschung und Schule

«Forschen macht glücklich, weil man so viel ausprobieren kann»

Bruno S. Frey gilt als einer der einflussreichsten deutschsprachigen Ökonomen. Der Glücksforscher bezeichnet Neugierde für die Umwelt und Begeisterung für die Sache als zentrale Merkmale von guten Forschenden. Die Förderung dieser Eigenschaften sei auch Aufgabe der Schule.

Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez Akzente: Sie sind seit Jahren emeritiert, sind als Forscher aber immer noch aktiv. Was fasziniert Sie daran?

Frey: Etwas herauszufinden, was noch nicht existiert, und gegenteilige Positionen zu den üblichen Meinungen aufzubauen, hat mich immer gereizt. Schon in der Schule wollte ich mehr wissen, als unterrichtet wurde. Ich mag mich noch gut an mein erstes Geschichtsbuch über den römischen Kaiser Claudius erinnern. Dass man über eine vergangene Zeit so viel erfahren kann, hat mich fasziniert. Und mir war bewusst, dass jemand herausfinden musste, wie diese Personen gelebt haben. Bei mir waren die Begeisterung für das, was mich umgibt, und die Neugierde ausschlaggebend für meinen Werdegang. Die akademische Laufbahn hat sich dann ergeben, wobei ich auch viel Glück gehabt habe.

Hat die Schule etwas zu dieser Neu- gierde beigetragen?

Bei mir scheint das wohl genetisch zu sein (lacht). Auch meine Geschwister und mein Vater, der kein Akademiker war, hatten eine solche Neugierde. Doch ich wurde auch von guten Lehrern gefördert. Ganz stark beeinflusst wurde ich neben zwei Professo- ren durch einen Lehrer im Gymnasium, der mir durch die Literatur eine neue Welt eröffnen konnte. Eigentlich war er Franzö- sischlehrer, doch er hatte eine solche Be- geisterung für die deutsche Gegenwartslite- ratur, dass er mit uns fast nur über deutsche Literatur sprach und Autoren wie Heinrich Böll zu uns an die Schule einlud.

Heute würde das natürlich nicht mehr gehen. Doch es wäre gut, wenn solche aussergewöhnlichen Lehrer, die etwas anders, aber mit Begeisterung unterrich- ten, an der Schule toleriert würden.

Was braucht es, um erfolgreicher For- scher zu werden?

Neben der Begeisterung für die Sache braucht es einen langen Atem, wenn sich nicht sofort Resultate zeigen. Und man muss fähig sein, Erkenntnisse auch in Publi- kationen zu übersetzen. Ich habe sehr intel- ligente Assistenten gehabt, die am Ende weniger erfolgreich waren als andere brave

«Schaffer», weil sie ihre Überlegungen nicht auf den Punkt bringen konnten. Bei der För- derung von Nachwuchsforschenden musste ich immer auch darauf hindeuten, wie wich- tig Disziplin ist.

In ihrer Ausbildung an der PH Zürich führen Studierende eigene Forschungs- projekte durch. Ziel ist, dass sie mit einer forschenden Haltung den eigenen Unterricht verbessern können. Was ist Ihre Meinung dazu?

Eine forschende Lehrperson ist doch das beste Vorbild, das es gibt. Wenn Schülerin- nen und Schüler sehen, dass ihr Lehrer sich für vieles interessiert, nicht zu allem eine fixe Meinung hat und offen ist für Lösungen, ist das nur positiv. Bei solchen Arbeiten ist der Prozess wichtig, dass man sich in etwas vertieft, etwas selbständig erarbeitet und mit anderen Leuten agiert. In Zukunft wird eine solche offene, suchende Haltung in vielen Berufen wichtiger, weil stumpfe, repetitive Tätigkeiten durch intelligente Maschinen ersetzt werden.

In der Volksschule wird ein forschender Zugang zu Themen und Phänomenen gefördert. Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich Wissen auch selbstän- dig in Projektarbeiten. Diese Entwick- lung befürworten Sie als Forscher wahrscheinlich.

Über Bruno S. Frey Bruno S. Frey kam 1941 in Basel zur Welt. Er studierte Na- tionalökonomie an der Universität Basel, wo er auch promovier- te und habilitierte.

Mit 29 wurde er Professor für Finanz- wissenschaften an der Universität Kon- stanz, danach folgten weitere Professuren für Volkswissen- schaften und Verhal- tensforschung.

Frey machte sich einen Namen mit der Anwendung der Öko- nomie auf fachfremde Bereiche wie Politik oder Kunst und The- men wie Terrorismus oder Familie. Zudem erweiterte er öko- nomische Modelle des menschlichen Verhaltens um psy- chologische und soziologische Aspek- te. Einer breiten Öf- fentlichkeit ist er bekannt für seine Studien zu Glück.

Frey erhielt für sei- ne Forschung zahl- reiche Auszeichnun- gen. Heute ist er Forschungsdirektor des von ihm mitge- gründeten Forschungs- instituts CREMA (Cen- ter for Research in Economics, Manage- ment and the Arts) und Gastprofessor an der Universität Basel. Er ist verhei- ratet, wohnt in Zürich und reist viel und gerne.

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 9 19 Auf jeden Fall. Die Schule soll die Neugierde für die

Umwelt fördern, dass man sich fragt, wieso etwas ist, wie es ist. Meine Fragestellungen kommen fast immer aus dem Alltag. Ich lese etwas in der Zeitung oder sehe etwas beim Spaziergang durch die Altstadt und stelle mir Fragen dazu. Die Schule scheint diese Neugier auch tatsächlich zu wecken. Die jungen Leute, die ich treffe, sind auf jeden Fall alle sehr interessiert und motiviert.

Ich erhalte immer wieder Interviewanfragen von Ma- turandinnen, die zum Thema Glück forschen, interessan- terweise sind es immer Frauen. Und das Niveau dieser Arbeiten ist erstaunlich hoch.

Haben die Forschungs-Skills bei Jungen also zugenommen?

Technische Fähigkeiten wie Statistik- oder Englischfähig- keiten haben bei jungen Forschenden gewaltig zuge- nommen. Was in der akademischen Welt aber leider ab- genommen hat, ist die Begeisterung für ein Thema, eine Fragestellung. Junge Forschende beginnen oft mit der Frage, wo es brauchbare Daten gibt. Überdies fördert der starke Publikationsdruck die Begeisterung für eine Sache gar nicht. Wenn man ständig veröffentlichen muss, tendiert man dazu, auch weniger interessante Fragen zu

behandeln, nur weil sich dazu ein Paper schreiben lässt.

Damit geht auch Kreativität verloren. Zu Beginn sollte man nicht zu stark auf den Output achten.

Doch Forschung sollte immer einen konkreten Output haben?

Letztlich schon. Man soll der Öffentlichkeit ja auch et- was kommunizieren können. Schliesslich steht Wissen- schaft im Dienst der Gesellschaft.

In Zeiten von Fake News werden auch immer wie- der wissenschaftsfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft thematisiert. Wie sollen Forschende sich dazu verhalten?

Ich sehe hier eine grosse Verpflichtung der Wissenschaft- ler, komplexe Sachverhalte verständlicher zu kommuni- zieren. Sie müssen einer breiten Öffentlichkeit erklären können, worum es geht in ihrer Arbeit und warum ihre Forschungsfragen wichtig sind. Eigentlich kann man Lai- en alles erklären, zumindest in den Geistes- und Sozial- wissenschaften. Forschende sollten also wieder besser er- klären können, was sie tun, und Ergebnisse präsentieren, die nicht völlig trivial sind. Ich habe dafür einen Gross- mutter-Test. Forschungsresultate müssen mehr zeigen, als die Grossmutter auch schon wusste.

Aber Forscherinnen und Forscher müssen doch auch die unspektakuläre Aufgabe übernehmen und das, was man gemeinhin als gesunden Men- schenverstand bezeichnet, wissenschaftlich überprüfen?

Richtig. Aber damit Forschung sinnvoll ist, muss dazu auch ein Gegensatz vorhanden sein. Anhand der Glücks- forschung kann ich das gut erklären. Meine Grossmutter hätte wohl gedacht, dass es für das eigene Glück wichtig ist, materiell gut ausgestattet zu sein. Aber es gibt heute manche Leute, die sagen, dass Glück gar nichts mit materiellem Wohlbefinden zu tun hat. Wir konnten mit unserer Forschung belegen, dass die Grossmutter Recht hatte, dass Geld unser Glück also beeinflusst.

Sie erforschen seit Jahrzehnten, was Leute glück- lich macht. Gehört forschen dazu?

Ja, forschen macht glücklich. Und zwar, weil man Neues erkunden und so vieles ausprobieren kann. Das ist befreiend. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, aber auch empirisch belegen. Man weiss aus der For- schung, dass Leute in freien, selbstbestimmten Berufen in der Regel glücklicher sind, obwohl sie im Durch- schnitt weniger verdienen, härter arbeiten und ein grösse- res Risiko haben. Forschende sind zwar institutionell eingebunden, aber in der Regel wird ihnen nicht vorge- schrieben, was sie erforschen. Diese Autonomie in der Forschung trägt zum Glück bei.

Schwerpunkt Forschung und Schule Schwerpunkt Forschung und Schule

Rodrigo hält den Messzylinder unter den Wasser- hahn. Während ein dünner Strahl ins Gefäss fliesst, kneift er ein Auge zu und beobachtet die Messlinie genau. Bei 100 Milliliter zieht er den Zylinder rasch zurück und kippt den Inhalt in den gelben Plastikbecher. Nachdem der Erstsekundarschüler dieselbe Handlung zweimal wieder- holt hat, ist das Gefäss fast voll. «Noch 20 Milliliter», schätzt seine Mitschülerin Naomi und neigt den Kopf zum Becherrand, während Rodrigo tröpfchenweise auf- füllt, bis sich der Wasserspiegel leicht wölbt. Beim nächs- ten Tropfen läuft das Gefäss über. Es bildet sich eine klei- ne Lache auf dem Pult.

Eben waren die Schülerinnen und Schüler des Zürcher Schulhauses Letzi an diesem Dezembermorgen noch schlaftrunken ins Chemiezimmer geschlichen und hatten sich gähnend an ihre Plätze verdrückt. Doch nun, eine halbe Stunde später, wirken sie hellwach. Schliesslich steht etwas Besonderes auf dem Programm: An Stelle des Klassenlehrers gestaltet ein Student der PH Zürich die Doppelstunde. Die 18 Jugendlichen dürfen selber in die

Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schlüpfen und erfahren, wie diese arbeiten. Und was sie nicht wissen: Gleichzeitig ist der Unterricht Gegenstand eines Forschungsprojekts. Im Rahmen seiner Masterarbeit testet Philippe Minet verschiedene Unterrichtsformen aus und vergleicht sie miteinander. Er will herausfinden, wie sich kooperative Lernformen auf den Wissenszuwachs auswirken. «Während der Zusammenhang zwischen Sozi- alkompetenzen und kooperativem Lernen bereits mehr- fach untersucht wurde, gibt es hier noch kaum Studien», sagt der 23-Jährige.

Rollenzuteilung hilft Trittbrettfahren vermeiden Bevor die Klasse jetzt experimentiert, befasste sie sich in Vierergruppen mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Dabei ging sie nach dem sogenannten Think- Pair-Share-Muster vor. Dabei gilt es, zuerst einen Text alleine zu lesen und sich darüber Gedanken zu machen.

Jede Schülerin und jeder Schüler hat dazu eine bestimmte Rolle zugeteilt bekommen; während die einen zum Bei-

Kooperativ lernen mit

Wasser, Waage und Würfel

Zusammen oder allein? Diese Frage beschäftigt Philippe Minet in seiner Masterar- beit. Der angehende Sekundarlehrer untersucht, ob sich kooperatives Lernen auch für die Naturwissenschaften eignet und ob die Schülerinnen und Schüler dabei fach- lich dazulernen. In einer Zürcher Versuchsklasse wirkte sein Unterricht auf jeden Fall anregend.

Text: Andrea Söldi, Fotos: Nelly Rodriguez

Bruno S. Frey: «In Zukunft wird eine suchende Haltung in vielen Berufen wichtiger.»

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Zur Berechnung des Fassungsvermögens des Be- chers führt die Klasse den Versuch mehrfach durch.

Student Philippe Minet untersucht in seiner Masterarbeit, wie sich kooperatives Lernen auf den Wissenszuwachs auswirkt.

Bevor es ans Experimentieren geht, befasst sich die Klasse in Vierergruppen mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens.

Ein Teil der Klasse arbeitet alleine. Diese Schüler bilden in der Masterarbeit die Kontrollgruppe.

Mit dem Messzylinder lässt sich am besten bestimmen, wie viele Milliliter in dem Messbecher Platz haben.

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Schwerpunkt Forschung und Schule

didaktische Methode häufiger in sprachlichen Fächern oder in Bereichen mit Diskussionspotenzial zum Einsatz als in den Naturwissenschaften. Doch auch naturwissen- schaftliche Fächer könnten vermehrt davon profitieren, ist Keller überzeugt. «So können die Kinder während eines grossen Teils der Lektion selber aktiv sein. Das vermittelt ein ganz anderes Bild der Chemie oder Physik, als wenn der Lehrer vorne etwas zeigt, das diejenigen in den hinte- ren Reihen nur halb mitbekommen.»

Generell werde der Nutzen der kooperativen Lern- formen unterschätzt, sagt der Dozent, der regelmässig Weiterbildungen zu diesem Thema erteilt und Lehrer- teams coacht. «Das Vorurteil hält sich hartnäckig, dass starke Schülerinnen und Schüler die Aufgabe an sich reis- sen und schwächere sich drücken.» Dabei hätten Praxiser- fahrungen und die Forschung gezeigt, dass das Phänomen der Trittbrettfahrer deutlich überschätzt wird. Kooperati- ves Lernen beinhalte weit mehr als banale Gruppenarbei- ten, stellt Keller klar. Wichtig sei, dass die Aufgabenstel- lung sorgfältig durchdacht sei. Das Think-Pair-Share- Modell, kombiniert mit der Zuteilung verschiedener Rollen, stelle sicher, dass sich jeder Einzelne selber mit der Materie beschäftigt. Denn er weiss, dass er im Austausch mit dem Kollegen etwas liefern muss, und entwickelt des- halb einen gewissen Ehrgeiz.

Naturwissenschaften hautnah erfahren

Auch aus Sicht der Naturwissenschafts-Didaktik sei Phi- lippe Minets Ansatz interessant, sagt Pitt Hild, der für die Betreuung des naturwissenschaftlichen Teils der Master- arbeit zuständig ist. Im neuen Lehrplan 21 würden über- geordnete Aspekte der Naturwissenschaften noch stärker gewichtet als bisher, sagt der PHZH-Dozent. Dazu gehö- ren zum Beispiel die Genauigkeit der Messmethoden und die Wiederholbarkeit von Versuchen. «Die Schüler und Schülerinnen sollten praktische Erfahrungen machen können und lernen, wie Forschende ticken.»

Es sei nicht einfach, Unterrichtsmaterialien mit einfachen, praktischen Versuchen zu finden, weiss Hild.

Denn das neue Lehrmittel für die Oberstufe sei erst in Entwicklung. In der didaktischen Fachliteratur stiess Phi- lippe Minet schliesslich auf zwei einfache Experimente, die sich sowohl für das kooperative als auch für das indivi- duelle Lernen eignen. Neben jenem mit dem Wasserbe- cher wählte er eines, bei dem die jungen Wissenschaftler Salzwasser von Leitungswasser unterscheiden müssen, ohne mit der Zunge zu probieren. Als Lösungsmöglichkei- ten boten sich Wägen, Verdampfen oder die Bestimmung der Dichte mit einem Karottenstück an: Während es im Leitungswasser versinkt, schwimmt es im Salzwasser.

Die Begeisterung der Jugendlichen für die Natur- wissenschaften ist Philippe Minet ein wichtiges Anliegen.

«Besonders Physik und Chemie kommen im Stoffplan eher zu kurz», findet der angehende Sekundarlehrer, der

vor dem Gymnasium selber zwei Jahre in der Sekundar- schule verbracht hat. In sein Studienprofil hat er deshalb unter anderem Mathematik und Naturwissenschaften ge- wählt. Mit geeigneten Experimenten gelinge es meist, auch die Mädchen abzuholen, macht Minet die Erfah- rung. «Sie haben es weniger gern, wenn etwas explodiert, sprechen aber umso mehr auf Farben an.» Im Schulhaus Letzi absolvierte der Student aus Geroldswil bereits sein Schlusspraktikum und konnte so das Vertrauen des Leh- rerteams gewinnen. Die Eltern informierte er mittels Brief über seine Studie.

Grundsatz des Forschens erfasst

Die Vierergruppe von Rodrigo und Naomi ist unterdes- sen bei der dritten Durchführung ihres Versuchs ange- kommen. Jedes Mal hat sie ein anderes Ergebnis erhal- ten: Fasst der Wasserbecher nun 315, 320 oder gar 325 Milliliter? Eliane dokumentiert die Resultate auf dem vorbereiteten Blatt. Neben dem Messzylinder nehmen die Jugendlichen nun auch noch die Holzwürfel zu Hilfe und füllen das Gefäss. Weil es rund ist, eignet sich die Methode aber kaum zur Bestimmung des Fassungsver- mögens, erkennen sie schnell. Es entstehen zu viele Lü- cken zwischen den Würfeln.

«Wenn man das Wasser schneller hineinleert, läuft das Gefäss sofort über», hat Nemanja festgestellt. Beim langsamen Füllen dagegen wölbe sich der Wasserspiegel zuerst leicht über den Rand, teilt er seine Erfahrung beim Austausch mit anderen Gruppenmitgliedern. Dass am Schluss kein eindeutiges Resultat vorliegt, regt Rodrigo zu kritischer Reflexion an: «Wir hätten den Versuch ein viertes Mal durchführen sollen.» Diesem Schluss stimmt Chiara zu: «Man muss ein Experiment so lange machen, bis man mindestens zweimal auf das gleiche Ergebnis kommt.»

Einen wichtigen Grundsatz wissenschaftlichen Ar- beitens haben also die meisten Schülerinnen und Schüler an diesem Morgen verinnerlicht, wie sich auch bei der ab- schliessenden Online-Befragung zeigt. «Es war abwechs- lungsreich und wir konnten viel selber machen», sagt Ra- chel. Die sachgerechte Auswertung der Antworten wird Minet in den nächsten Monaten noch herausfordern.

Auch den theoretischen Teil der Masterarbeit muss er fer- tig verschriftlichen, bis er sie voraussichtlich im nächsten Sommer einreicht. «Ich habe viel gelernt, das ich später anwenden will», sagt der Student.

Im ersten Teil der Arbeit lesen die Schülerinnen und Schüler selbständig einen Text.

Die Schülerinnen erkennen schnell: Holzwürfel eignen sich nicht zur Bestimmung des Fassungsvermögens.

spiel unklare Begriffe markieren, notieren sich andere Fra- gen, die der Text beantwortet. «Damit versuche ich zu ver- meiden, dass einzelne passiv bleiben und zu Tritt- brettfahrern werden», erklärt Minet. In der Pair-Phase werden die Erkenntnisse in der Gruppe diskutiert. Die Möglichkeit zum Austausch decke gleichzeitig das natür- liche Bedürfnis ab, miteinander zu sprechen, sagt Minet.

«So kommt es weniger zu Störungen.» Dann folgt der Ver- such mit dem Wasserbecher. In der darauf folgenden Sha- re-Phase trifft sich je eine Person aus jeder Gruppe zu ei- nem Erfahrungsaustausch. Damit sollen die frischen Erkenntnisse in Worte gefasst und gefestigt werden. Wäh- rend die Schüler und Schülerinnen selber aktiv sind und mit anderen interagieren, hält sich Minet vorwiegend im Hintergrund. «Ich muss nur hin und wieder etwas steu- ern», sagt der angehende Sekundarlehrer, der sich bereits einmal im Rahmen einer Arbeit an der PH Zürich mit kooperativen Lernformen befasst hat.

Philippe Minet führt die beiden Doppelstunden mit drei verschiedenen Sekundarschule-A-Klassen der ersten Stufe durch. Während zwei davon in kooperativer Form lernen, arbeiten diejenigen der Kontrollklasse indi- viduell. Sie können den Text nicht mit anderen bespre- chen, dürfen unbekannte Begriffe dafür aber auf dem

Smartphone nachschauen. Die Experimente führen sie alleine durch. Am Anfang und am Schluss der vier Lekti- onen füllen alle drei Klassen einen Fragebogen am Com- puter aus. Sie müssen zum Beispiel Aussagen bewerten wie: «Es ist nicht wichtig, Experimente mehr als einmal durchzuführen, um Ergebnisse abzusichern» oder «Natur- wissenschaftliche Theorien verändern und entwickeln sich mit der Zeit». In der Auswertung wird Minet die Antwor- ten vergleichen und herausfinden, ob sich der Wissenszu- wachs bei den verschieden unterrichteten Klassen unter- scheidet. Es ist ihm bewusst, dass die Stichprobe etwas klein ist, um repräsentative Aussagen zu machen. Wichtig ist ihm jedoch, dass die drei Klassen möglichst ähnlich sind – also aus dem gleichen Schulhaus, derselben Stufe und im gleichen Niveau. «So kann ich Störfaktoren aus- schliessen», sagt er. Auch hätte eine breiter angelegte Stu- die den Rahmen einer Masterarbeit gesprengt.

Mehr als eine Gruppenarbeit

Die Anwendung der kooperativen Lernform in den Na- turwissenschaften sei innovativ, findet Dozent Martin Kel- ler, der die Masterarbeit von Philippe Minet betreut. «Ich bin beeindruckt von diesem zweigleisigen Ansatz», sagt der Spezialist für kooperatives Lernen. Generell komme diese

«Wir hätten den Versuch

ein viertes Mal durchfüh-

ren sollen.»

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