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Academic year: 2022

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Akzente Das Magazin der Pädagogischen

Hochschule Zürich

1/ 18

blog.phzh.ch/akzente

Führung von Klassen – über Beziehungen

Regeln definieren

Seite 10

Beratung: Anfang Jahr melden sich besonders viele Lehrpersonen bei der Hotline der PH Zürich

Seite 27

Serie: Sezieren im Experimentierkurs

«Natur und Technik»

Seite 32

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A K Z E N T E 1 / 2 0 1 8 3

Inhaltsverzeichnis/Editorial

Ausstellung Cupboard Love

3. Dezember 2017 bis 22. April 2018

Ohne ihn geht es kaum, und doch wollen wir ihn oft loswerden.

Ob Repräsentationsobjekt oder unliebsame Notwendigkeit, im- mer ist der Schrank praktisches Behältermöbel in unterschied- lichsten Formen und Funktionen. Er dient als Ort der Aufbewah- rung und der Ordnung, nicht nur von Dingen, sondern auch von Wissen, Erinnerungen oder Geheimnissen. «Cupboard Love»

rückt das sperrige Möbel ins Rampenlicht und beleuchtet es aus der Perspektive von Design, zeitgenössischer Kunst, Film und Kulturgeschichte. Dabei wird seine Gestaltung und sein metaphorisches Potenzial erforscht und ein Blick in sein Inne- res geworfen, das viele Geschichten zu erzählen weiss.

Angebote für Schulen Alle Tassen im Schrank?

Workshop für Unter- und Mittelstufe, 2.–5. Klasse Eine Kooperation von Museums- und Theaterpädagogik der Stadt Winterthur, für Klassen des Kantons Zürich vergünstigtes Angebot von schule&kultur

Cupboard Love

Der Schrank, die Dinge und wir Dialogische Führung für die Sekundarstufe I + II Material-Archiv

Interaktives Labor für Materialrecherchen Zahlreiche thematische Workshops für alle Stufen Material-Archiv

Schwerpunkt Farbe

Begleitheft & Lehrer/innendokumentation für alle Stufen für den selbstständigen Besuch mit der Klasse, kostenlos erhältlich an der Museumskasse, Download ab

www.gewerbemuseum.ch / Angebote für Schulen &

Lehrpersonen Öffnungszeiten

Di bis So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen Öffnungszeiten Feiertage www.gewerbemuseum.ch

Anmeldung und Informationen Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, 8400 Winterthur Telefon 052 267 51 36 E-Mail gewerbemuseum@win.ch www.gewerbemuseum.ch

Gewerbemuseum Winterthur

Das Thema Klassenfüh- rung ist in der Schule allgegenwärtig. Darauf weist auch die hohe An- zahl an Anfragen hin, die bei der Beratungs- hotline der PH Zürich dazu eingehen. Dabei geht es in den Beratungs- gesprächen oft um den Umgang mit Störungen im Klassenzimmer. Sieht sich eine Lehrperson beispielsweise mit einem schwierigen Schü- ler oder einer schwieri- gen Schülerin konfron- tiert, kann dies zu er- heblichen Belastungen führen.

Die Botschaft der drei Lehrerinnen, die sich in diesem Heft zur Frage nach den Faktoren einer erfolgreichen Klassenführung äus- sern, ist deutlich:

Führung im Klassenzim- mer gelingt dann, wenn die Lehrerin oder der Lehrer in jeder neuen Klasse von der ersten Stunde an eine eigene Linie verfolgt. Konkret bedeutet dies: Verbind- liche Rahmenbedingun- gen für den Unterricht zu setzen und gute Be- ziehungen zu den Schü- lerinnen und Schülern aufzubauen.

Besonderes Gewicht hat bei der Beziehungs- gestaltung die Persön- lichkeit und die Empa- thie der Lehrperson.

«Kinder wollen gesehen werden, im Guten wie im Schlechten», sagt dazu die Dozentin Heidi Keller-Lehmann von der PH Zürich. Dies bestä- tigt die Aussage einer der drei Lehrerinnen.

Sie bringt diesen Aspekt in ihrem State- ment so auf den Punkt:

«Manchmal muss man den Schülerinnen und Schülern einfach nur zuhören».

– Christoph Hotz

Inhalt 1/2018

4 Vermischtes

Tagesschulen – Kinder und Jugendliche im Fokus 7 Eine Frage,

drei Antworten Wie schaffen Sie gleiche

Chancen für alle?

9 Seitenblick Wir sind die Guten!

10 Schwerpunkt Klassenführung Leitartikel: Die Klasse

zum Lernen hinführen Porträts: Wie Lehrpersonen

ihre Klasse führen

Interview: Heinz Russheim, Leiter FCZ Academy

Reportage: Mit Spielen lernen und führen in Sri Lanka

24 Studierendenseite

Porträt, Masterarbeit, Kolumne 27 PH Zürich

Beratung: Hotline der

PH Zürich – eine Nummer für neue Vorsätze

Ausbildung: Befragung zeigt Zufriedenheit mit dem Studium Lernmedien-Shop: «Gedruckte

Lernmedien bleiben weiter unentbehrlich»

Ausbildung: «Schreiben und Denken gehen Hand in Hand»

32 Serie «Das Modul»

Experimentieren mit Kopf, Herz und Hand

34 Medientipps 37 Unter vier Augen Macht Fehler!?

38 Instagram #takeover 38 Impressum

Interesse zeigen und zuhören

Inserate

Titelbild: Christian Droz, Schule Männedorf, Foto: Dieter Seeger

Kafi, Gipfeli

3.—

Zmittag 7.—

w w w . h i r s c h l i . n e t

10 Leitartikel: Beziehungsarbeit als A und O der Klassenführung.

20 Reportage: Ein neuer Ansatz zur Klassenführung in Sri Lanka.

32 Serie: Studierende sezieren in «Natur und Technik» Tierorgane.

(3)

Vermischtes Vermischtes

Tagesschulen – Kinder im Fokus

Ende Januar fand an der PH Zürich die Tagung «Tagesschule 2018 – Kinder und Ju- gendliche im Fokus» statt. Den Auftakt mach- ten die eingeladenen Funktionsträgerinnen und Funktionsträger aus Schule, Betreuung, Amt und Elternvertretung. Maria Aebi, Leite- rin der Berner Tagesschule Schwabgut, hielt fest, dass gute Beziehungen massgebend für die Leistungs- und Lernfähigkeit der Kinder sind.

Zudem sei das aktive Mittragen der «Philoso- phie Tagesschule» aller Involvierten essenziell:

der Betreuungs- und Lehrpersonen, jedoch auch der Kinder, Familien und Gemeinden.

Andreas Baumann, ehemaliger Schullei- ter der Zürcher Tagesschule Albisriederplatz, wies darauf hin, dass die Tagesstrukturen nicht parallel zum Unterricht entwickelt werden soll- ten. Lehrpersonen und Betreuungspersonen sollten stattdessen interdisziplinär agieren.

Die Sicht der Bildungsbehörden vertrat Rachel Guerra vom Schulamt des Fürstentums Liechtenstein. Auch sie betonte die Wichtigkeit einer wertschätzenden und fördernden Zusam- menarbeit. Bei den Tagesschulen ginge es nicht allein um ein Angebot für arbeitende Eltern, sondern vielmehr um eine «qualitative Mehr- zeit», bei der die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Zentrum stehen.

Als Präsidentin der Kantonalen Eltern- organisation Winterthur brachte Gabriela Koh- ler-Steinhauser die Sicht der Eltern ein. Sie

schilderte die nicht immer einfache Verein- barkeit zwischen Beruf und Familie und wies auf die Wichtigkeit hin, dass auch die Bedürfnisse der Kinder und ihrer Eltern bei der Einführung der Tagesschulen abgeholt werden sollten.

Im folgenden Programmpunkt stellte Frank Brückel, Dozent und Berater an der PH Zürich, das kürzlich abgeschlossene Projekt «Qualität in Tagesschulen» (QuinTaS) vor. Das Team um Frank Brückel widmete sich darin der Frage, was gute Qualität in Tagesschulen bedeutet. Aus dem Projekt ging hervor, dass sich gute Tagesschulen un- ter anderem durch gemeinsam erarbeitete, schulspezifische Ziele sowie durch interes- senorientierte Angebote für Kinder und Ju- gendliche auszeichnen. Basierend auf seinen Erkenntnissen entwickelte das Projektteam praxisnahe Unterlagen. Diese unterstützen Tagesschulen dabei, die Qualität ihrer Ange- bote partizipativ weiterzuentwickeln.

Anschliessend hatten die 300 Teil- nehmenden die Möglichkeit, einen von ins- gesamt 13 Workshops zu besuchen. Im Rah- men von Vorträgen und Diskussionsrunden wurden dabei der Aufbau und die Weiter- entwicklung von Tagesschulen, aber auch Aspekte wie Raumdesign, altersgerechte Angebotsgestaltung oder Personalplanung thematisiert. – Angela Roos

Kommende Ver- anstaltungen 7. März

Workshops

Holocaust Education Das Programm be- steht aus einer Lehrmitteleinfüh- rung und einem Workshop zur Aus- stellung «The Last Swiss Holocaust Survivors».

18. Mai

Lerncoaching in der Berufsbildung Den Schwerpunkt bildet die Frage, wie «Lernen» und

«Coaching» kombi- niert werden können.

25. Mai

Symposium

Personalmanagement Die diesjährige Austragung findet unter dem Titel «Be- rufsbiografische Entwicklung - Füh- rung - Förderung»

statt.

Weitere Infos:

phzh.ch/

veranstaltungen Fot

o: Reto Klink

PHZH in Zahlen

Fotos: Christoph Hotz, Christian Wagner, Olivia Rigoni

Vielseitige Perspek- tiven auf das Thema Tagesschule: Maria Aebi, Gabriela Kohler-Steinhauser, Rachel Guerra, Andreas Baumann (v.l.).

Aktuelles

Neue Prorektorin Ausbildung Silja Rüedi ist zur neuen Prorek- torin Ausbildung der PH Zürich ernannt worden. Die Juristin, pro- movierte Erziehungswissenschaft- lerin und derzeit stellvertretende Generalsekretärin der Bildungsdi- rektion des Kantons Zürich war zuvor unter anderem als Bereichs- leiterin der Weiterbildungsstudien- gänge «Bildung und Lernen» an der PH Zürich tätig.

Zukunftstag an der PH Zürich Rund 75 Kinder und Jugendliche nahmen im vergangenen November am Zukunftstag teil. Sie machten Interviews, bewirtschafteten den Instagram-Account der PH Zürich und schlüpften in die Rolle einer Lehrperson.

Drei neue Professuren

Die PH Zürich hat drei neue Pro- fessuren in den Bereichen Lehr-/

Lernprozesse, Berufspraktische Ausbildung sowie Schulentwick- lung verliehen. Die Professuren erhielten Annelies Kreis, Enikö Zala-Mezö und Wassilis Kassis.

Musiktheater-Produktion

In zwei vollbesetzten Vorstellungen gaben Studierende der Sekundar- stufe I im Stück «Fish’n’ Wish» eine Kostprobe ihres szenischen und

Engagierte Diskussion auf dem Podium: Dieter Rüttimann, Leiter der Gesamtschule Unterstrass.

Einsatz in der Praxis: Ein Teil der Kinder unterrichtete am Zukunfts- tag in einer 1. Klasse.

musikalischen Könnens. Das Stück handelt von einer rauschenden Neujahrsparty, die live im Radio übertragen wird.

Religionen: neues Netzwerk Die PH Zürich setzt mit einem neuen Netzwerk einen Schwerpunkt in der Fachdidaktik «Religionen, Kulturen, Ethik». Ende November fand die Auftaktveranstaltung statt.

Im Zentrum stand die Frage nach der Bedeutung von religionsspezi- fischen Kompetenzen im Unterricht.

Podium zum Thema Regeln Unter dem Titel «Welche Regeln für alle?» diskutierten an der Podiums- veranstaltung der Stiftung Pestaloz- zianum Vertretende aus Politik, Schule und Medien, wie Vielfalt und Normen vereinbar sind.

Engagement der PH Zürich bei der Einführung des Lehrplans 21.

Mitarbeitende sind an der Entwicklung und Umsetzung der

Einführungsmass- nahmen beteiligt

Schulleiterinnen und Schulleiter besuchten 2017 die

Weiterbildung zum LP 21 Jahre flossen in die Planung und Entwicklung ein

Lehrpersonen nehmen bis September 2018 an den Impuls-

veranstaltungen zum LP 21 teil

Lehrpersonen werden für die Grundlagen- kurse Medien und In-

formatik bis Sommer 2021 erwartet Schulen nutzen

die online unterstützten Weiterbildungen Zentren und Bereiche

haben zur Umsetzung beigetragen

97

750 5

2400

3200 350

11

Insgesamt beteiligten sich rund

20 Studentinnen und Studenten an der Theater-Produktion.

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Erdwissenschaftliches Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich

Illustration: Studio Nippoldt; Bilder: NASA/JPL

Erdwissenschaftliches Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich

EXPEDITION

SONNENSYSTEM

• Führungen und Workshops für Schulklassen

• Unterrichtsmaterial und Aufgabenblätter

• Weiterbildungen für Lehrpersonen Informationen und Buchung unter www.focusterra.ethz.ch Öffnungszeiten focusTerra:

• Montag bis Freitag 9 - 17 Uhr

• Sonntag 10 - 16 Uhr

« Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern so,

wie wir sind.»

GRUNDLAGEN IN MEDIATION Fundamentale Aspekte der Mediation,

praxisbezogen und mit vielen Trainingsmöglichkeiten.

Das grundlegende Handwerkszeug für die Mediationstätigkeit wird vermittelt und trainiert.

So können die Teilnehmenden die Mediation in verschiedenen Arbeitsfeldern konkret anwenden.

IEF-Zertifikat, Anerkennung durch SAV und SKWM.

Leitung: Raymund Solèr, lic. iur., Coach und Mediator SDM

Nächster Beginn: 15. März 2018, Dauer: 18 Tage

SYSTEMISCHES ELTERNCOACHING

Die Weiterbildung beschäftigt sich mit Problematiken in der Familie: Lebenseinstellung, Komplexität, Sucht, Krankheit, unterschiedliche Modelle,

Gewalt und andere mehr. Sie werden nicht nur lernen, sondern erleben, wie Sie sich verschiedenen Situationen flexibel anpassen können.

Leitung: Marianne Egloff,

Familienmediatorin und Erziehungsberaterin Nächster Beginn: 19. März 2018, Dauer: 11 Tage

IEF Institut für systemische Entwicklung und Fortbildung

Schulhausstrasse 64, 8002 Zürich, Tel. 044 362 84 84, ief@ief-zh.ch, www.ief-zh.ch

Letzte Plätze

Meinungen

Eine Frage, drei Antworten: Wie

schaffen Sie gleiche Chancen für alle?

Unter dem Begriff «Chan- cen» verstehe ich primär Möglichkeiten, Gelegenheiten oder auch Glücksfälle, die sich im Laufe unseres Lebens ergeben oder einem

«zufallen». Da ich selbst Migrati- onshintergrund habe und von enga- gierten Lehrerinnen und Lehrern gefördert wurde, weiss ich, wie wichtig, ja sogar entscheidend die Einstellung und Haltung von Lehrpersonen sein können. Als Klassenlehrperson in einer QUIMS- Schule in der Stadt Zürich orga- nisiere und strukturiere ich meinen Unterricht so, dass meinen Schü- lerinnen und Schülern jene Mö- glichkeiten und Gelegenheiten

«zufallen», die sie in ihrem Lern- prozess optimal stützen und för- dern. Dazu gehört meines Erach- tens unbedingt ein sprachsensibler Unterricht, und zwar nicht nur im Fach Deutsch, sondern genauso in den anderen Schulfächern. Diesem widme ich – auch dank meiner Zusatzausbildung in «Deutsch als Zweitsprache» – ganz besondere Aufmerksamkeit. Denn aufgrund meiner eigenen persönlichen und schulischen Biographie weiss ich, wie zentral die Sprache für den Schulerfolg der Kinder und Jugend- lichen ist. Chancengleichheit mag

vielleicht weitgehend eine Illusion bleiben, aber man kann sich ihr auf jeden Fall annähern, davon bin ich überzeugt.

Je älter ich werde, sei es als Pädagogin oder als Mutter, desto mehr wird mir bewusst, wie schwierig diese berechtigte Forde- rung an die Volksschule umzusetzen ist. Klar kenne ich die Tricks der Binnendifferenzierung, arbeite mit offenen Lernaufgaben, stärke die Stärken jedes und jeder Einzelnen mit dem persönlichen Stärkenport- folio, lasse die Schülerinnen und Schüler kooperativ arbeiten, so dass sie auch voneinander lernen können, und gebe differenzierende Hausauf- gaben, weil ich weiss, dass zuhause nicht alle Kinder Unterstützung bekommen. Auch meine Unter- richtsmethoden wechsle ich sorgfäl- tig ab, um möglichst alle Lerntypen zu berücksichtigen. So läuft es bei mir einigermassen gut. Ich weiss, dass ich mein Möglichstes als Päda- gogin tue. Das Ziel «Chancen für alle!» – ohne den Zusatz «gleiche» – ist jedoch realistischer. Die Heraus- forderung bleibt so weiterhin an- spruchsvoll, jedoch wird der Um- stand, dass wir Menschen höchst Susanne Meier Leuenberger, Kooperationsschulleiterin an der PH Zürich und Primarlehrerin Anna Siegrist-Ronzani,

Primarlehrerin in der Schule Aussersihl

individuelle Wesen sind, besser berücksichtigt.

Ganz einfach: Das schaffe ich nicht! «Gleiche Chancen für alle» mag in meiner Arbeit als schulische Heilpädagogin zwar ein Fernziel sein, doch erfordert es eine unermüdliche Zusammenarbeit aller beteiligten Personen. In meiner Arbeit unterstütze ich Schülerinnen und Schüler der Heilpädagogischen Schule, die integrativ die Regel- schule besuchen, in ihrem sozialen, emotionalen und schulischen Lernen. Die Kooperation sämtli- cher Menschen ihres Umfeldes – der Lehrpersonen, Klassenkamera- den, Eltern, Therapeuten und Schulleitenden sowie der Schülerin beziehungsweise des Schülers selber – ist dabei unablässig. Gemeinsam versuchen wir, den Kindern und Jugendlichen möglichst gute Chancen in ihrem aktuellen und zukünftigen Leben zu ermöglichen.

Wir bauen zusammen etwas auf und hoffen, dass die Kinder durch unsere Arbeit bessere Möglichkei- ten im späteren (Berufs-)Leben erhalten. Doch «bessere Chancen»

sind halt tatsächlich nicht «gleiche Chancen».

Inserate

Esther Schuster, Schulische Heilpädagogin an der Heilpädago- gischen Schule der Stadt Zürich

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Seitenblick

Illustration: Elisabeth Moch

Karin Zopfi Bernasconi – Seitenblick

Wir sind die Guten!

Inserate

Ich wohne in jener Gemeinde der Nordwestschweiz, die als erste in allen Privathaushalten das Kunst- stoffrecycling eingeführt hat. Mit Pauken und Trompeten wurden vor knapp zwei Jahren in alle Haushal- tungen gelbe Säcke verteilt. Eine Umweltpädagogin leistete in den Schulhäusern unermüdlichen Ein- satz, indem sie von Klasse zu Klasse pilgerte und die Kinder dazu erzog, Joghurtbecher, Plastikbeutel und Fleischpackungen vom Restmüll zu trennen. In der privaten Recycling- station muss nun neben Altglassack, Petflaschenbehälter, Batteriensäck- chen, Altpapierkiste, Grünabfuhr und dem Restabfall auch noch dieser neue, gelbe Kollege seinen Platz finden. Beim Kochen und Aufräumen haben die Automatis- men ausgedient, denn jeder Griff in Richtung Müll erfordert ab sofort eine aktive Denkleistung: grauer oder gelber Sack? Falls es die Grossen nicht so genau nehmen, schaltet sich das geschulte Kinder- gewissen ein, das die Eltern gerne nochmals auf die Relevanz der The- matik hinweist. Wer bei der Umge- wöhnung ohne kindlichen Finger- zeig, dafür aber budgetbewusst funktioniert, kommt mit dem neuen

Beutel auch auf seine Kosten, denn er lohnt sich sogar auf dieser Ebene.

So zieren diese gelben Säcke nun alle zwei Wochen die Strassen meines Wohnorts. Egal mit welcher Motivation sie verwendet werden, das Resultat ist für alle dasselbe:

Wir fühlen uns etwas grüner, ja, eigentlich einfach etwas besser. Wir achten ein Quäntchen mehr auf unsere Umwelt und meinen damit die ökologische Bilanz deutlich zu verbessern. Dagegen gibt es gar nichts einzuwenden. Schliesslich muss man im Kleinen beginnen.

Umwelterziehung mit Kindern zu betreiben, ist eine unterstützenswer- te Sache: Sie sind unsere Zukunft!

Was bei dieser Thematik aber gerne aussen vor gelassen wird, ist die Frage des effektiven Nutzens und der Relationen. Auswertungen zum privaten Plastikrecycling wei- sen nämlich darauf hin, dass dem verhältnismässig kleinen ökologi- schen Nutzen hohe Kosten gegen- überstehen. So kann potenziell pro Person und Jahr lediglich eine 30 km lange Autofahrt gespart werden.

Es ist also fraglich, ob sich dieser grosse Aufwand lohnt. Diese harten Fakten lassen die Vermutung auf- kommen, dass noch andere Mecha-

nismen im Spiel sein müssen.

Helfen diese vermeintlich sinnvol- len Handlungen, mit dem schlech- ten Gefühl der kollektiven Öko- Bilanz umzugehen? Können wir damit die Dissonanz, die das Leben in unserer Wegwerf-Gesellschaft auslöst, etwas reduzieren oder spielt das Verantwortungsgefühl zukünf- tigen Generationen gegenüber eine entscheidende Rolle?

Falls es mit solchen Pro- jekten gelingt, das Bewusstsein für einen nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen zu schärfen, wird sich der Aufwand längerfristig auszahlen. In diesem Zusammen- hang wäre es aber wichtig, gerade unsere Kinder nicht in einem blind geschulten Gehorsam nur Abfall trennen zu lassen. Ihnen sollte das Verständnis für die grösseren Zu- sammenhänge vermittelt werden, so, dass der Fingerzeig in diesem Beispiel bereits beim Einkaufen er- folgt. Dass man dabei fröhlich von der nächsten, fernen Feriendestina- tion träumen kann, gehört zu den Widersprüchen unserer Zeit.

Karin Zopfi Bernasconi ist Dozentin für Pädagogische Psychologie an der PH Zürich.

www.schloss-au.ch

Schloss Au – Das Tagungszentrum mit Charme am Zürichsee

Ein Betrieb der Pädagogischen Hochschule Zürich

Reduzierte Tarife für

Schulen

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Klassenführung gelingt, wenn die Präven- tion vor der Reaktion steht. Dies erfor- dert an erster Stelle eine gute Beziehung

zu den Schülerinnen und Schülern. Ange- sichts der zunehmenden Heterogenität und

Individualisierung in der Schule ist die Klassenführung anspruchsvoller geworden und stärker als Teamaufgabe zu betrachten.

Text: Melanie Keim, Fotos: Dieter Seeger

Die Klasse zum Lernen

hinführen

Schwerpunkt Klassenführung

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Schwerpunkt Klassenführung

Eine Lektion, die voll und ganz nach den Vorstel- lungen der Lehrperson abläuft, ist eine Illusion. Irgend- wann lenkt immer ein Kind ein anderes kurz ab, fällt ein Stift zu Boden, wird bei einer Gruppenarbeit gestritten.

Wie Unterrichtsbeobachtungen zeigen, wird der Unter- richt sogar beinahe konstant leicht gestört: Etwa alle 10 Sekunden tritt gewöhnlich eine Störung auf. Störungs- freier Unterricht ist aber nicht nur unrealistisch, sondern auch nicht wünschenswert. «Störungsfreier Unterricht ist nicht gleichbedeutend mit guter Klassenführung», sagt Heidi Keller-Lehmann, die an der PH Zürich Studieren- de im Bereich Klassenführung ausbildet und Lehrperso- nen berät. So kann eine Auseinandersetzung bei der Gruppenfindung beispielsweise nötig sein, damit Kinder auch wirklich zur Gruppe zusammenfinden. «Bei der Klassenführung geht es auch nicht um Disziplinierung, sondern darum, dass Schülerinnen und Schüler in einem angstfreien, der Konzentration förderlichen Klima lernen können.»

Dass gute Klassenführung weniger eine Frage der Intervention als vielmehr der sorgfältigen Prävention ist,

ist bereits seit längerem bekannt. Anfang der 1970er Jah- re suchte der US-amerikanische Erziehungswissenschaft- ler Jacob Kounin, der heute als Gründer des modernen Classroommanagements gilt, nach der wirksamsten Re- aktion auf Störungen im Klassenzimmer. Bei der Analyse der erhobenen Unterrichtssituationen zeigte sich, dass die gleichen Interventionen bei verschiedenen Lehrper- sonen und Klassen eine sehr unterschiedliche Wirksam- keit aufwiesen. Woran lag es, dass eine Klasse ruhiger wurde, wenn die Lehrerin bei einem hohen Lärmpegel zu sprechen aufhörte, während die gleiche Intervention bei einem Kollegen nicht zur erwünschten Beruhigung führ- te? Video-Analysen des Unterrichts offenbarten schliess- lich, dass nicht die konkrete Intervention entscheidend war. Massgebend war vielmehr, was dieser vorausging.

Klarheit und Vertrauen

«Präventive Klassenführung hat zum Ziel, dass weniger Störungen auftauchen und die Lehrperson auf einem tie- fen Eskalationsniveau intervenieren kann», erklärt Keller- Lehmann. Konkret bedeutet dies, klare und verbindliche Rahmenbedingungen für den Unterricht zu schaffen und gute Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Dies beginnt mit einer geeigneten Raumor- ganisation, klar und präzise formulierten Aufträgen, die dem Niveau der einzelnen Schülerinnen und Schüler an- gepasst sind, sowie mit wenigen, dafür transparenten und durchsetzbaren Regeln. Keller-Lehmann beobachtet im Schulfeld, dass oft zu viele und zudem standardisierte Regeln aufgestellt werden. Eine Regel wie «Wir begegnen einander immer respektvoll» trägt wenig zu einer lehr- und lernförderlichen Atmosphäre bei. Sie stellt weder eine konkrete Verhaltensanweisung dar, noch kann sie konsequent eingehalten oder eingefordert werden. «Für etwas so Komplexes wie einen respektvollen Umgang gibt es meiner Meinung nach keine sinnvolle Regel. Die- ser kann nur vorgelebt und eingeübt werden», sagt Keller.

Stattdessen gilt es, mit der Klasse klar verständliche und einhaltbare Regeln auszuhandeln – etwa, dass man vor dem Sprechen in der Klasse die Hand hebt –, die nicht nur gemeinsam eingeübt, sondern von der Lehrperson auch konsequent eingefordert werden.

Im Falle eines Regelverstosses gilt es, unmittelbar, aber ruhig und unspektakulär zu reagieren, rät Heidi Keller-Lehmann. Meist reichen dabei nonverbale Mittel wie ein Blick, wenn beispielsweise ein Handy auftaucht, oder eine Positionierung der Lehrperson im Raum, die Präsenz markiert. Dabei ist von der Lehrperson nicht nur Konsequenz und Verbindlichkeit gefragt, sondern auch viel Flexibilität und Kreativität im Umgang mit den zahl- reichen Unbekannten, die der Schulalltag mit sich bringt.

Keller-Lehmann erwähnt dazu ein Beispiel von einem Schulbesuch, bei dem eine Schülerin ihren Kaugummi sofort herunterschluckte, als dieser entdeckt wurde. Als

ihre Banknachbarin mahnte, dieser bleibe nun fünf Jahre im Magen, forderte die Lehrerin die beiden Mädchen kurzum dazu auf, diese Behauptung im Internet zu über- prüfen. «Die Lehrerin hat gelassen und souverän auf den Regelübertritt reagiert und diesen sogar in eine sinnvolle Lernsituation überführt», erklärt Keller-Lehmann.

Präventive Beziehungsarbeit

Grundsätzlich gilt: Je breiter das Handlungsrepertoire der Lehrperson, desto besser die Klassenführung. Dabei gilt, dass die Wirksamkeit von Interventionen massgeb- lich von der Beziehung der Lehrperson zu ihrer Klasse abhängt. Besteht ein gegenseitiges Vertrauen, kommt es auch im Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern weniger zur Eskalation. Prävention steht folg- lich in einem engen Zusammenhang mit der Beziehungs- arbeit. «Eine gute Beziehung setzt sich aus zahlreichen kleinen Begegnungen im Alltag zusammen», sagt Kel- ler-Lehmann. So kann die Lehrperson einem Kind oder Jugendlichen beispielsweise bei der Begrüssung über eine kurze Bemerkung zum Resultat seines Lieblingsfuss-

ballclubs Interesse signalisieren. «Kinder wollen gesehen werden, im Guten wie im Schlechten», so Keller-Leh- mann. Dabei hat die Beziehungsbildung weniger mit Technik als vielmehr mit der Persönlichkeit und dem Menschenbild der Lehrperson zu tun. So lässt sich bei- spielsweise Empathie nicht kontrollieren. Berichtet etwa ein Kind vom Tod seines Hamsters, merkt es sofort, ob die Anteilnahme der Lehrperson echt oder nur gespielt ist. Was für die Führung in der Berufswelt gilt, hat denn auch für die Führung von Kindern Gültigkeit: Führung steht und fällt mit der Persönlichkeit und Haltung der Lehrerinnen und Lehrer. Hat eine Lehrperson das Ge- fühl, alles richtig zu machen, während die Kinder sich querstellen, fruchtet auch ein breites Handlungsrepertoi- re kaum.

Weil erfolgreiche Klassenführung stark von der Persönlichkeit abhängt und zudem individuelle Strategi- en und Lösungen verlangt, gehört Klassenführung zu jenen Aspekten des Unterrichts, die sich nur schwer the- oretisch vermitteln lassen. Das individuelle Handlungs- repertoire lässt sich erst in der Praxis festigen und erwei- tern. In der Ausbildung an der PH Zürich wird das Thema Klassenführung im Mentorat während des Be- rufspraktikums meist ausgiebig besprochen. Dabei be- steht jedoch das Manko, dass Studierende in den Praktika kaum mit schwierigen Klassen konfrontiert sind. Umso wichtiger sind die Fachbegleitung in der Schule durch eine erfahrene Lehrperson sowie die Beratungsangebote der PH Zürich in den ersten zwei Jahren des Berufsein- stiegs. Dass das Thema Studierende stark beschäftigt, zeigt sich zudem daran, dass immer wieder Bachelor- oder Masterarbeiten zum Umgang mit schwierigen Schü- lerinnen und Schülern geschrieben werden. Auch die

Weiterbildungsangebote der PH Zürich zur Klassenfüh- rung stossen stets auf grosses Interesse. Neu wird das Thema mit einer Reihe von praxisorientierten Abendver- anstaltungen aufgegriffen. Im Fokus stehen dabei Aspek- te wie Teamteaching, Auftrittskompetenz oder das Thema Achtsamkeit in der Klassenführung. In einem ebenfalls neuen dreitägigen Modul können Lehrpersonen zudem Erfahrungen mit kollegialem Coaching sammeln.

Durch die zunehmende Heterogenität und die wach- sende Individualisierung ist die Klassenführung an- spruchsvoller geworden.

Schwerpunkt Klassenführung

Eine gute Klassenführung ist zentral für das Lernen im Kindergarten. Das Thema ist für mich äusserst vielschichtig.

Wichtig sind die Beziehung zu den Kindern, die Unter- richtsqualität sowie Rou- tinen, Rituale und Regeln.

Eine gute Beziehung zu den Kindern schaffe ich mit einem klaren, liebe- vollen, interessierten und respektvollen Füh- rungsstil. Die Kinder werden gesehen und wahr- genommen und müssen sich nicht negativ bemerkbar machen. Der Unterricht muss inhaltlich spannend gestaltet sein und die Kinder in ihrem jeweili- gen Entwicklungsstand abholen. Nebst den ge- führten Sequenzen bietet hier die Freispielzeit ausgezeichnete Möglich- keiten zur Förderung der Kinder. Dabei beobachte ich die Kinder bewusst und gebe gezielte Spiel- und Lern-Impulse. Unser Klassenraum animiert die

Kinder zum selbständigen Spielen und gewährleis- tet mir als Lehrperson gleichzeitig eine best- mögliche Übersicht, damit ich falls nötig jederzeit unterstützen kann.

Wenig, aber gut durch- dachte Regeln, die ich konsequent einfordere, sind ebenfalls bedeutend.

Neu in den Kindergarten eintretende Kinder haben manchmal Mühe, sich daran zu halten. Sie können zum Beispiel noch nicht war- ten, bis sie im Kreis an der Reihe sind. Hier ar- beite ich mit visuellen Signalen, zum Beispiel mittels Bildkarten zu den geltenden Regeln. Zu- dem weise ich einzelne Kinder vor Kreissequen- zen nochmals individuell auf das gewünschte Ver- halten hin. Fortschritte mache ich sichtbar, indem ich den Kindern positives Feedback gebe. Gute Klas- senführung hilft mir, im Schulalltag gesund und zufrieden zu bleiben.

Michaela Norrmann

Kindergärtnerin in Flaach

Meine Klassen werden zu Beginn eines neuen Klassenzugs jeweils mit Kindern aus verschiede- nen Unterstufenklassen zusammengesetzt. Die Schülerinnen und Schüler sind sich folglich ver- schiedene Führungsstile gewohnt. Entsprechend prallen dadurch beim Ein- tritt verschiedene Welten aufeinander. Meine Auf- gabe ist es, in den ersten Wochen gemeinsam mit den Kindern neue Regeln für den Umgang miteinander zu erarbeiten. Hier bin ich sehr streng. Einer meiner Grundsätze lautet, dass niemand lacht, wenn jemand einen Fehler macht. Denn nur wenn wir alle am gleichen Strick ziehen, kann eine Lern- gemeinschaft entstehen.

Diese Regeln teile ich auch den Eltern am ersten Elternabend mit. Damit die Kinder mich als Lehr- person respektieren und sie motiviert sind, müs- sen sie sich von mir ernst

genommen fühlen. Hier bildet die Beziehungs- gestaltung einen massge- benden Faktor. Eine Lehr- person soll den Schüle- rinnen und Schülern nicht nur Wissen vermit- teln, sondern muss ein echtes Interesse an ihnen als Persönlichkei- ten zeigen. Dazu gehört, mich regelmässig nach ihren Freizeitaktivitä- ten und Hobbys zu erkun- digen. Die Schule darf kein abgeschlossenes System ohne Bezug zum Privatleben der Kinder bilden. Entgegen der aktuellen Entwicklung bevorzuge ich in meinen Lektionen den Frontalun- terricht. Gruppenunter- richt führt meinen Erfah- rungen nach zur Bildung von in sich abgeschlos- senen «Mini-Gemeinschaf- ten», was sich oft negativ auf Lernfortschritte einzelner Schülerinnen und Schüler und somit auch auf das Lernklima auswirkt.

Michael Zahnd

Primarschule Birmensdorf, 5. Klasse

(8)

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14 15

Bei der Beratungsstelle der PH Zürich ist die Klassen- führung ebenfalls ein Dauerbrenner. «Das Thema ist äus- serst facettenreich und wirft bei Lehrpersonen viele Fra- gen auf», sagt Catherine Lieger, die sich als Dozentin und Beraterin mit der Klassenführung beschäftigt. Fühlt sich eine Lehrperson der Klasse oder beleidigenden Schüle- rinnen und Schülern im Alltag ausgeliefert, nagt dies meist stärker am Selbstbewusstsein als etwa Kritik von der Schulpflege. «Klassenführung gehört zu den höchs- ten Belastungsfaktoren des Unterrichts», sagt Catherine Lieger. Dabei hätten Konflikte oft bereits eine hohe Es- kalationsstufe erreicht, wenn eine Lehrperson die Bera- tungsstelle aufsucht. Vielen Lehrpersonen hilft in solchen Situationen bereits die Gewissheit, dass es andern häufig genauso geht. «Unterstützend wirkt zudem oft nur schon, wenn die Lehrerinnen und Lehrer über das Erlebte spre- chen können», so Catherine Lieger. Sie weist diesbezüg- lich auf die wichtige Funktion der Schulleitung hin, die auch einmal durch eine Unterrichtsassistenz Entlastung bieten kann. Auch der Austausch im Team kann Sicher-

heit geben, wobei Ideen von Kolleginnen und Kollegen nie eins zu eins auf die eigene Praxis übertragbar sind.

Auch in der Beratung können nach einem Unterrichts- besuch lediglich Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die die Lehrperson nach dem «Trial and Er- ror»-Prinzip selbst ausprobieren muss. Auf der Sekundar- stufe 1 wird Lehrpersonen bisweilen auch ein Neustart mit einer anderen Klasse oder in einem anderen Schul- haus empfohlen, da Sekundarschülerinnen und -Schüler ihren Lehrpersonen nur selten eine zweite Chance geben.

Dies hat auch damit zu tun, dass auf der Oberstufe die Peers wichtiger werden und sich Jugendliche vor ihren Kolleginnen und Kollegen keine Blösse geben wollen.

Haben sie die Autorität der Lehrperson erfolgreich in Frage gestellt, werden sie später nicht mehr so leicht ko- operieren.

Tücken der Individualisierung

Tatsächlich ist Klassenführung durch die zunehmende Heterogenität, den erhöhten gesellschaftlichen Leis- tungsdruck, aber auch durch eine wachsende Individua- lisierung auf allen Stufen anspruchsvoller geworden. Die zunehmende Ich-Bezogenheit von Kindern äussert sich im Kindergarten besonders stark. Hier bedeutet Klassen- führung zunächst, dass Kinder überhaupt lernen, sich in eine Gruppe zu integrieren und sich an gemeinsame Re- geln zu halten. Doch bereitet dies immer mehr Kinder- gartenkindern Mühe. Als Grund für die Entwicklung wird oft das Eintrittsalter der Kinder genannt, das im Vergleich zu früher tiefer liegt. Catherine Lieger sieht da- für jedoch hauptsächlich eine veränderte Sozialisierung von Kindern verantwortlich: «In den vergangenen 30 Jah- ren hat sich der Fokus in vielen Familie stark auf das Kind verschoben», so Lieger. Dies beginnt im Kleinen, wenn Kleinkinder beim Einkauf die Pastasorte für die Familie auswählen dürfen, und äussert sich in gezielten ausserschulischen Förderprogrammen. «Dreht sich alles um das Kind, entwickelt dieses meist eine tiefe Frustra- tionsgrenze», so Lieger. Ist sich ein Kind gewohnt, volle Aufmerksamkeit zu erhalten und stets selbst entscheiden zu dürfen, ist es schwierig, in der Gruppe eigene Bedürf- nisse zurückzustecken. Erhält es zuhause laufend gezielte Spiel- und Förderangebote, ist auch seine intrinsische Motivation und die Fähigkeit beschränkt, sich alleine zu beschäftigen.

«Ich höre von vielen Kindergartenlehrpersonen, dass Kinder schlicht nicht wissen, wie sie in einer Gruppe spielen können», sagt Lieger. Diesen Kindern fehle oft- mals die grundlegende Erfahrung des einfachen Funkti- onsspiels. Darunter sind einfache Sinneswahrnehmun- gen mit unstrukturiertem Material wie Sand, Tüchern oder einem Baumstamm zu verstehen. Dass ein Kind wenig solche elementaren Erfahrungen macht, kann ge- rade aus einem besonders starken Bemühen der Eltern

um die optimale Förderung resultieren. «Viele Kinder erhalten heute zu viele Inputs. Ihnen wird stets gesagt, was sie tun müssen», sagt Lieger.

Das freie Funktionsspiel bildet die Basis für die späteren Entwicklungsschritte des Konstruktions-, Rol- len- und Regelspiels, welche ein Kind beim Eintritt in den Kindergarten eigentlich schon erreicht haben sollte. Zeigt ein Kind in einem gemeinsamen Rollenspiel überhaupt keine Fantasie, kann es die Lehrperson im Funktionsspiel mit sehr einfachem Material wie einem Sandbecken, in dem es Dinge ertasten kann, einfach spielen lassen. «Je früher man ansetzt, desto besser klappt später die Integ- ration in der Gruppe», so Lieger. Möglicher Kritik von besorgten Eltern gilt es mit einer proaktiven Kommuni- kation zuvorzukommen. Begründete Lieger solche Ent- scheide in Kindergartenklassen mit Erkenntnissen aus der Forschung, erlebte sie Eltern stets als sehr offen.

Klassenführung als Teamaufgabe

Der Zusammenarbeit mit Eltern kommt im Hinblick auf eine erfolgreiche Klassenführung auf allen Klassenstufen grosse Bedeutung zu. «Es ist wichtig, dass die Eltern die Werte, die in der Schule gelebt werden, kennen und das Vorgehen der Lehrperson unterstützen», so Lieger. Sie betont, dass der Informationsbedarf keineswegs nur El- tern mit Migrationshintergrund betreffe. Lehrpersonen

dürften grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass Eltern heutige pädagogische und erzieherische Konzepte ken- nen und auch unterstützen, so Lieger. Zudem stellt die Pluralisierung von Werten und Erziehungsvorstellungen eine Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Eltern dar.

Catherine Lieger und Heidi Keller-Lehmann sind sich einig, dass Klassenführung aufgrund zahlreicher neuer Herausforderungen heute viel stärker als Teamauf- gabe betrachtet werden muss. Dabei geht es einerseits um die vermehrte Absprache und die gegenseitige Unter- stützung, aber auch um Formen des Teamteachings, wo man sich gegenseitig den Rücken stärkt. Heidi Keller- Lehmann: «Unterrichten wird immer noch zu wenig als Teamaufgabe betrachtet, obwohl man die heutigen He- rausforderungen eines individualisierten Unterrichts mit sehr heterogenen Klassen eigentlich nur gemeinsam meistern kann.»

Themenreihe Klassenführung

Die Weiterbildung «Themenreihe Klassenführung»

der PH Zürich beleuchtet die Thematik an mehreren Abenden aus unterschiedlicher Perspektive. Die Anlässe sind praxisorientiert gestaltet und bieten Gelegenheit, sich mit aktuellen Fragen und möglichen Handlungsansätzen auseinanderzusetzen. Die Reihe startet im März und dauert bis im Mai.

phzh.ch/themenreihen > Klassenführung

Schwerpunkt Klassenführung Schwerpunkt Klassenführung

Ich setze in meiner Klassenführung stark auf die Eigenverantwor- tung der Schülerinnen und Schüler. Dies erfor- dert einen intensiven Zusammenhalt unter den Jugendlichen. Damit die Klasse zu einer Einheit verschmelzen kann, muss ich sie als Lehrerin in wichtige Entscheidungen miteinbeziehen. So erar- beiten wir zum Beispiel unsere Regeln für den Umgang miteinander immer gemeinsam. Nur auf diesem Weg werden diese Prinzipi- en von allen akzeptiert.

Meiner Erfahrung nach funktioniert diese Form der Selbstregulierung gut. Störende Schüler oder Schülerinnen werden so von den Kolleginnen und Kollegen selber gestoppt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist, dass die Regeln gleich zu Beginn eines neuen Klas- senzugs definiert wer- den. Sonst ist es zu spät.

Meinen Stil beschreibe ich als bestimmt und hilfsbereit. Ich lege

grossen Wert darauf, meine Linie in der Klas- senführung von der ers- ten Lektion an konsequent durchzusetzen. Dies erfordert insbesondere in der ersten Zeit mit einer neuen Klasse eine hohe Aufmerksamkeit von meiner Seite. Läuft etwas nicht entsprechend mei- nen Vorstellungen, interveniere ich sofort.

Voraussetzung dazu ist eine ständige Präsenz.

Die Schülerinnen und Schüler schätzen dies.

Sie spüren dadurch, dass ich ihnen echtes Inter- esse entgegenbringe.

Damit ich mit den Jugend- lichen eine gute und individuelle Beziehung aufbauen kann, führe ich regelmässig Einzelge- spräche. Dabei besprechen wir häufig schulische Themen, es haben aber auch private Anliegen der Schülerinnen und Schüler Platz. Denn das ist auch ein Teil der Klassenfüh- rung: dass man den Jugendlichen manchmal einfach nur zuhört.

Simone Zoppi

Sekundarlehrerin Schule Lindau

Verbindliche Rahmenbedingungen im Unterricht erleichtern die Klassenführung. Dazu gehören präzis formulierte Aufträge, die dem Niveau der einzelnen Schülerinnen und Schüler angepasst sind.

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Schwerpunkt Klassenführung Akzente: Im Teamsport gilt es, die

Balance zwischen brillanten Einzel- spielern und -spielerinnen und dem starken Teamplayer zu finden. Ist es bei Kindern und Jugendlichen schwie- riger als im Erwachsenenalter, Einzel- ne zum Team zusammenzubringen?

Russheim: Im Gegenteil. Es ist einfacher, aus den Kindern eine funktionierende Gruppe zu bilden, weil sie einfach nur Fussball spielen wollen. Natürlich gibt es solche, die grosse Träume haben, das gehört dazu. Doch es wollen überhaupt nicht alle berühmte Stürmer werden, die Kinder spielen auch gerne als Verteidiger.

Die Verklärung des Torschützen ist ein mediales Problem. Vielleicht hört man in den Medien noch von jenem Spieler, der den Pass zum Tor gespielt hat, aber dass die entscheidende Aktion drei Stationen vorher stattfand, davon vernimmt man nichts. Als Coach muss ich deshalb die Wertigkeit aller Positionen immer wieder unterstreichen und auch den Verteidiger für ein erzieltes Tor mitverantwortlich machen.

Was sind die Kriterien für eine gute Führung von Kindern und Jugendli- chen im Fussball?

Das ist stark altersabhängig. Je jünger die Kinder sind, desto mehr muss die Freude im Zentrum stehen. Das Spielen ist dabei zentral, weil es implizites Lernen ermög- licht. Bei kleinen Kindern, die sich nicht lange auf eine taktische Aufgabe konzentrie- ren können, muss ich diese Aufgabe clever in ein Spiel verpacken. Um die Orientie- rung zu schulen, stellen Trainerinnen und Trainer beispielsweise auch einmal vier Tore auf den Platz. So müssen sie den Kin- dern nicht erklären, dass sie sich umzuse- hen haben, sondern sie lernen dies automa-

tisch. Spielformen müssen mit viel Kreativi- tät der Gruppe der Situation entsprechend weiterentwickelt werden, damit sich die Spielkompetenzen der Kinder verbessern, während die Freude am Spiel aufrecht bleibt.

Inwiefern verändert sich die Führungs- aufgabe, wenn die Kinder älter werden?

Je mehr sich die Jugendlichen der Pubertät nähern, desto mehr Verständnis braucht es für grosse Leistungs- und Stimmungs- schwankungen. Ab dem 13. Altersjahr wird die Führung schwieriger, klare Regeln und Konsequenz werden wichtiger. Ein banales Beispiel: Wenn ich einen Top-Spieler im Team habe, der aber immer nur 70 Prozent seiner möglichen Leistung erbringt, dann gehört er auf die Bank. Viele Trainer werden hier schwach, weil sie gewinnen wollen.

Dabei geht es nicht nur um Fairness den anderen Teammitgliedern gegenüber, die sich immer voll einsetzen, sondern auch um Erziehung und Förderung. Nur wenn wir eine Leistung in Relation zum Potenzial belohnen, können wir das Beste aus dem Einzelnen herausholen.

Was zeichnet einen guten Coach aus?

Auf der Kinder- und Jugendstufe sind dies Kreativität und das Verständnis, dass es an bestimmten Tagen einfach nicht läuft. Die Einstellung, dass man nur genug hart üben muss, bringt nichts bei Kindern. Wenn die Kinder etwas nach 100 Mal üben zwei Prozent besser können, aber zehn Prozent frustrierter sind, habe ich als Trainer ver- loren. Läuft es im Training einmal nicht wie es sollte, muss man Geduld haben, statt etwas erzwingen zu wollen.

Sie haben fast 30 Jahre parallel als Lehrer und Fussballtrainer gearbeitet.

Inwiefern unterscheidet sich die

«Die Führung im Fussball ist

einfacher, weil alle freiwillig kommen»

Heinz Russheim ist für die Trainings von rund 500 Fussballerinnen und Fussballern zwischen acht und 21 Jahren verantwortlich. Der Nachwuchschef der FCZ Academy bezeichnet Kreativität, Geduld und Konsequenz als wesentliche Merkmale von guter Führung im Nachwuchsbereich.

Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

Über Heinz Russheim

Heinz Russheim, Jahrgang 1962, wuchs in Unterkulm (AG) auf und spielte bereits mit 17 in der Nationalliga B beim FC Aarau. Das Highlight seiner Spielerkarriere war ein Nationalmann- schaftsspiel gegen Deutschland 1980, in dem er ein Tor er- zielte. Ein Jahr später begann Russ- heim die Ausbildung zum Sportlehrer an der ETH Zürich, nach dem Abschluss folgte die Ausbildung zum Berufsschullehrer.

Jahrelang fuhr Russheim beruflich zweigleisig. Er unterrichtete gleichzeitig an der Berufsschule Rüti und arbeitete als Juniorentrainer.

2009 folgte mit dem Angebot für eine Vollzeitstelle als Technischer Leiter bei GC Zürich der schmerzliche Ab- schied von der Berufsschule. Seit 2011 coacht Russheim die Junioren des FC Zürich, seit 2013 als Nachwuchschef der FCZ Academy.

Der Vater von zwei Söhnen und einer Tochter spielt nur noch clubintern Fussball und ist oft mit seiner Frau auf dem Motorrad unterwegs.

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Führung auf dem Platz von der Führung einer Schulklasse?

Die Gruppenführung ist im Fussball einfacher, weil alle freiwillig kommen und deshalb im Gegensatz zur Schule immer die Option besteht, dass ein Kind aufhört. Im Teamsport besteht dafür die Gefahr, dass die Gruppe zu stark in den Blick gerät. In der Schule erhalten die Kinder und Jugendlichen mit Prüfungen immer ein individuelles Feedback. Im Fussball gibt es jedoch nur Teamresultate. Während der Tennisspieler stets weiss, wer schuld ist, hat der Fussballspieler immer zehn

andere mögliche Schuldige. Die Schwierigkeit liegt im Fussball also darin, den Fokus auf die individuelle Ent- wicklung nicht zu verlieren und den Kindern verständ- lich zu machen, dass nur sie für ihre Leistung auf dem Platz verantwortlich sind.

In der Schule haben Kinder teilweise zunehmend Schwierigkeiten, sich in Gruppen zu integrieren.

Zeigen sich solche Folgen der Individualisierung unserer Gesellschaft auch im Fussball?

Im Fussball ist auch eine zunehmende Individualisie-

rung zu spüren, doch hängt diese mehr mit einer ver- änderten Ausbildungsphilosophie zusammen und ist damit hausgemacht. Zuerst haben die Torhüter ein separates Training erhalten, dann kamen das Stürmer- training und die Verteidigungsausbildung, auch im Konditionstraining und in den Morgentrainings trai- nieren die Spieler heute individuell. Durch die Speziali- sierung wird der Einzelne zwar besser, das Team aber nicht unbedingt gestärkt. Der Preis der Individualisie- rung ist, dass wir über weniger Leadertypen verfügen,

die in einer Mannschaft Führungsfunktionen überneh- men können. Weil die Spieler häufiger getrennt nach Positionen trainieren und weniger im Team um Hierar- chien kämpfen müssen, bilden sich keine Teamleader mehr heraus, die die Gruppe wachrütteln. Hier hat sich das Pendel etwas zu stark in Richtung der Individuali- sierung bewegt, dies muss nun korrigiert werden.

Solche Korrekturen kann man auch nach Schulrefor- men, die sich zu stark in eine bestimmte Richtung entwickelt haben, beobachten.

Die zunehmende Heterogenität wirkt sich er- schwerend auf die Klassenführung aus. Beobach- ten Sie dies auch im Fussball?

Im Hinblick auf die kulturellen Hintergründe besteht im Fussball heute eine sehr grosse Heterogenität. Dies beeinflusst die Führungsaufgabe aber weitgehend nicht.

Wenn jedoch in Krisensituationen Jugendliche mit verschiedenen kulturellen Hintergründen aufeinander- prallen, kann dies den Problemlösungsfindungsprozess erschweren. Solche Diskrepanzen treten im Spitzenfuss- ball aber weniger auf als im Breitenfussball, weil bei uns mehr auf dem Spiel steht. Können Jugendliche aus religiösen Gründen wie beispielsweise während des Ramadans nur limitiert trainieren, unterstützen wir sie ganz klar. Gleichzeitig zeigen wir ihnen aber auch die Auswirkungen auf ihre Leistung auf. Wenn diese sinkt, können wir ihnen bei der Zusammenstellung des Kaders nicht entgegenkommen.

Spüren Sie auch eine erhöhte Erwartungshaltung von Seiten der Eltern?

Was im Fussball neu ist, sind die finanziellen Erwartun- gen. Als noch keine grossen Geldsummen im Spiel waren, war Erfolg lediglich eine Prestigefrage. Heute erleben wir, wie wirtschaftlich schlechter gestellte Fami- lien sich vom Erfolg des Sohnes finanzielle Absicherung erhoffen. Ab dem 16. Altersjahr ist es beim FCZ mög- lich, einen Vertrag zu erhalten mit einem Lohn, der vergleichbar ist mit dem Lohn in einer Berufslehre.

Manche Familien rechnen fest mit diesem Einkommen, was zu Schwierigkeiten führen kann. Verheerend ist auch, wenn Eltern von ihrem Kind etwas erwarten, das sie selbst nicht erreicht haben. Die Orientierung vieler Eltern ist von kurzfristigem Denken geprägt. Verfügt ein Jugendlicher beispielsweise über Talent, ist aber körper- lich noch weniger weit entwickelt als seine gleichaltrigen Kollegen, kann ein Wechsel zu einem Partnerclub mit tieferen Leistungsanforderungen eine Chance dar- stellen. Dies ermöglicht dem Jugendlichen, allfällige Defizite aufzuholen. In solchen Situationen protestieren die Eltern jedoch häufig.

In den Kinder- und Jugendteams des FCZ trainie- ren auch Mädchen. Sind durchmischte Teams einfacher oder schwieriger zu führen?

Durchmischte Teams sind das Beste, was einem Club passieren kann. Werden Jungen- und Mädchenteams gemischt, ergibt sich ein ganz anderer sozialer Umgang.

Die Persönlichkeitsentwicklung der Mädchen ist in der Regel weiter fortgeschritten. Sie sagen den Jungs, wo es langgeht. Sobald Mädchen in der Gruppe sind, wird der Umgang untereinander respektvoller und das Macho-

Verhalten gewaltig abgeschwächt. Mit reinen Frauen- teams habe ich als Trainer selber keine Erfahrung.

Wer jedoch ein wirklich konzentriertes Training erleben will, schaut am besten einmal bei der Nationalliga A der Frauen zu. Die Trainingsqualität ist im Frauenfussball enorm hoch. Das liegt auch daran, dass Mädchen nicht aus Prestigegründen oder wegen des Geldes Fussball spielen, sondern nur wegen des Spiels und der Gruppe.

Über Frauenfussball wird immer noch selten berichtet, dadurch entwickeln sich bei den Spielerinnen kaum Starallüren.

« Sobald Mädchen in der Gruppe sind, wird der Umgang untereinander respektvoller.»

«Ab dem 13. Altersjahr wird die Führung schwieriger, klare Regeln und Konse- quenzen werden wichtiger.»

Schwerpunkt Klassenführung

«Die grosse Heterogenität beeinflusst im Fussball die Führungsaufgabe weitgehend nicht.» Heinz Russheim auf der Sportanlage Heerenschürli in Zürich-Schwamendingen.

Schwerpunkt Klassenführung

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Schwerpunkt Klassenführung

Mit Spielen lernen und führen

Ausgestattet mit Hunderten von Holzklötzen beschreitet die PHZH-Dozentin Catherine Lieger in Sri Lanka im Rahmen des Projekts «Spielen Plus» neue Wege in der Klassenführung. Ihre Erfahrungen wird sie auch zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in der Schweiz nutzen.

Text: Dorothea Riecker, Fotos: Tharaka Basnayaka

Es ist die erste Stunde an diesem Tag im Kinder- garten «Rahula» in Aluthgama, 20 km von Colombo ent- fernt. In der 2. Klasse werden gerade einfache Holzbau- klötze verteilt. Der 5-jährige Usith zögert kurz, setzt den letzten Bauklotz auf die Spitze seines Turms, fischt ein Zebra aus einem Haufen von Plastiktieren, konzentriert sich und setzt das Tier dann auf die Spitze. Catherine Lieger sitzt gemeinsam mit den Kindern an einem der fünf bunten Rundtische. Sie forscht im Rahmen eines Projekts der Abteilung Internationale Bildungsentwick- lung (IPE) der PH Zürich darüber, wie der Einsatz von spielerischen Elementen den Lernprozess begünstigen.

Zielgruppe sind Kinder von vier bis acht Jahren.

Mit wachsamen Augen beobachtet die Forscherin die Spielszene. Vom anderen Ende des Klassenzimmers tönt unterdessen Tanzmusik. Catherine Lieger erklärt mit Blick auf die eben erlebte Szene: «Dies ist eine inter- essante Entwicklung punkto Spielgestaltung.» Bisher sei- en hier spielerische Elemente kaum im Unterricht einge- setzt worden. Dies mag nicht verwundern, gab es doch kaum Spielmaterial. Gespielt wurde in den vier Kinder-

gärten nur draussen in den Pausen. Also griff Catherine Lieger zu einer unorthodoxen Lösung. Aus der Schweiz brachte sie Holzklötze mit. Holz war bis zu diesem Zeit- punkt in Sri Lanka als Spielmaterial gänzlich unbekannt und galt als Abfall.

Die Kinder konnten aufgrund ihrer fehlenden Er- fahrung zuerst wenig damit anfangen. Inzwischen bauen die Schülerinnen und Schüler dreidimensional in die Höhe. Statt das Spielmaterial nur zu benützen, wählen sie die Spielsachen bewusst aus und mischen die Materi- alien. «Die Kinder lassen dem Spiel jetzt freien Lauf und entdecken ihre Kreativität.» Was nun spielerisch aussieht, ist das Ergebnis intensiver Arbeit. Einen Monat lang zeig- te Lieger den Lehrerinnen und Lehrern neue Möglich- keiten in der Spielbegleitung und in der Klassenführung:

beobachten, vorsichtige Intervention und Impulse setzen.

Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Spielen Jahrelang hat Catherine Lieger zu der Frage geforscht, wie sich Kinder erfolgreich entwickeln können. Ihre Er- kenntnis lautet vor allem: weg vom erwachsenengesteuer-

Spielerisches Lernen: Catherine Lieger arbeitet mit den Kindern mit Holzklötzen.

Traditionelles Ritual: Das gemeinsame Einturnen am Morgen ist fester Bestandteil im Tagesablauf.

Bereits von weit her erkennbar: Der Kindergarten

«Rahula» liegt 20 Kilometer ausserhalb von Colombo.

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Schwerpunkt Klassenführung

Die Lehrerin bespricht mit einem Kind eine Zeichnung, während die Klasse an den neuen Rundtischen arbeitet.

In einem der Räume findet der Unterricht statt, im anderen Zimmer tanzen die Kinder mit der Lehrerin.

ten Wissen. Kinder, die spielen, lernen leichter und sind konzentrierter. Zusätzlich entwickeln sie Eigeninitiative und Verantwortung. Bis vor kurzem lag der Schwerpunkt ihrer Studien im Umfeld von Kindergärten in der Schweiz und in Deutschland. Seit 2017 arbeitet Lieger an dem Projekt «Spielen Plus» in Sri Lanka. Geplant ist, dereinst ein Lehrmittel für Lehrpersonen und zur Elternbildung zum pädagogischen Nutzen vom Spielen zu entwickeln.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit des Materials bietet sich im spezifischen Unterricht von Kindern mit Migrations- hintergrund. Nicht nur bei den 65 000 Migrantinnen und Migranten aus Sri Lanka, sondern auch bei Kindern, die aus anderen Ländern stammen.

Die Kooperation mit den Partnern in Sri Lanka begann bereits im Jahr 2014. Während einer ihrer Studi- enreisen dorthin lernte Catherine Lieger die Schulleite- rin Jimutti Fernandez kennen. «Ich habe mich dafür in- teressiert, wie der Unterricht in den Kindergärten in Sri Lanka funktioniert.» Anfangs war es nicht leicht, die Schulleiterin vom Konzept «Spielen Plus» zu überzeugen – und davon, dass Spielen nicht im Widerspruch zum Lernen steht. In Sri Lanka, wie vielerorts in Asien, beste- hen dem Spielen gegenüber häufig Vorurteile. Die kriti- sche Einstellung ist die Folge eines harten Überlebens- und Konkurrenzkampfs in der Gesellschaft.

Als das Bildungsministerium in Sri Lanka die Ein- willigung zur Umsetzung des Projekts im Kindergarten in Aluthgama gab, ging es sofort los. In einem ersten Schritt brachte Catherine Lieger die Idee ein, die Klas- senraumgestaltung mit dem Pult an der Spitze und die

Holzschulbänke dahinter in Reih und Glied aufzubre- chen und stattdessen farbige Rundtische einzusetzen.

«Die lose und weniger geradlinige Anordnung des Schul- mobiliars ermöglicht insbesondere auf der Kindergarten- stufe mehr Flexibilität in der Klassenführung», erklärt Catherine Lieger. Das Spielzeug sollte dabei allen Kin- dern einfach zugänglich sein. «Dies ist meiner Erfahrung nach eine wichtige Grundvoraussetzung für die Integra- tion von spielerischen Elementen in den Unterricht.» An- fangs fehlte es dabei den Kindern an Ideen, wie sie mit Sand, Steinen, Wasser und Holz spielen können. Auch

umklammerten sie das Spielmaterial und horteten es, so- bald sie es in den Händen hatten. «Die Angst, dass man zu kurz kommen könnte, dass man nichts Eigenes besitzt oder bekommt, ist tief verankert», erklärt die Dozentin.

Sie löste die Verkrampfung, indem sie die Spielsachen

wieder einsammelte und neu verteilte. Durch Vor- und Mitspielen zeigte sie den Kindern in der Interaktion Spielvarianten mit dem vorhandenen Material auf. «Ich möchte den Lehrpersonen nicht das Gefühl vermitteln, dass ich alles besser weiss. Es geht mir lediglich darum, die in meinen Untersuchungen erhaltenen Erkenntnisse zum Einsatz von Spielen beim Lernen und zur Klassen- führung weiterzureichen.»

Erster Schritt ist erfolgreich verlaufen

Am Abend nach dem Unterricht im Kindergarten macht sich Catherine Lieger Gedanken über die Nachhaltigkeit des Projekts. Um langfristig etwas zu verändern, brauche es eine intensive Kooperation mit den einheimischen Lehrkräften. «Ich sehe mich dabei in der Rolle eines Coa- ches. Die wesentliche Umsetzungsarbeit muss die jewei- lige Lehrperson jedoch selber leisten.» Eine Herausforde- rung bleibt die Überwindung der Vorstellung, Spielen sei nutzlos, ohne Wert für die Bildung. «Das ist die grosse Aufgabe, die Eltern und Lehrpersonen davon zu über- zeugen, dass man durch Spielen lernen kann.» Im Kin- dergarten «Rahula» ist der erste Schritt in diese Richtung erfolgreich verlaufen. Schulleiterin Jimutti Fernandez bewertet die gemachten Erfahrungen als sehr positiv. Ne- ben den Lehrpersonen seien auch die Eltern der Kinder zufrieden. Inzwischen hat Catherine Lieger die Erkennt- nisse zum Spiel im Kindergarten und die erhaltenen Ide- en zur Klassenführung an einer Regionaltagung weiteren Lehrpersonen vorgestellt.

Langsam weitet sich der Kreis der Anhänger sogar über das Schulfeld hinaus. In ihrem Übersetzer Saman Da Silva hat Catherine Lieger einen weiteren Unterstüt- zer gefunden. Er klappert in Aluthgama die Abfallhalden der Schreiner ab, um weggeworfene Holzstücke vor den Flammen zu retten. Sie alle lassen sich hervorragend als Bauklötze für weitere Kindergärten verwenden.

Als das Bildungsministe- rium die Einwilligung gab zur Umsetzung des Projekts in Sri Lanka, ging es sofort los.

Eine Herausforderung

bleibt die Überwindung der

Vorstellung, Spielen sei

nutzlos und ohne Wert für

die Bildung.

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