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Der Hohepriester und Oberbaumeister Boken-
choDS, ein Zeitgenosse Mosis, in der königlichen
Glyptothek zu München.
Von
Prof. Lauth *).
Wer die grossartige Sculpturensammlung Sr. Majestät des
Königs Ludwig besuclit hat — und welcher gebildete Reisende hätte
dies nicht gethan? — wird sich des hier (Tafel) nach einer Photo¬
graphie gezeichneten colossalen Sitzbildes erinnern, das sich im
ägyptischen Saale zu rechter Hand des Eintretenden befindet. Dieses
Denkmal stellt uns einen merkwtlrdigen Mann dar, wenn auch nicht
den berühmtesten aller Pharaonen: Ramses Sesostris, wie der ge¬
druckte Katalog besagt, der diesen auch unrichtiger Weise als den
VL Ramses bezeichnet. Nach Entdeckung der phonetischen Hiero¬
glyphen nämlich im Jahre 1822 durch Champollion le Jeune wurden
die mit sogenannten Cartouches versehenen Monumente sorgfältig mit
dem neuen Alphabete und den daraus constatirten Königsnamen
verglichen, und so auch diese Statue dem Ramses Sesostris zuerkannt, weil sich seine Schilder öfter an ihr finden. Allein sie stellt über¬
haupt keinot^i König vor ; denn sie entbehrt auf dem Haupte des
königlichen Abzeichens: der Ur a eusschlänge ; auch wird die Ent¬
zifferung des Textes uns vollkommnen Aufschluss darüber geben, dass
die Schilder in der Rücken-Inschrift und auf den Schultern, wo sie
gleichsam als herrschaftliches Wappen eingegraben sind, mit den
Schicksalen des Dargestellten aufs Innigste zusammenhangen.
Die Haltung der Figur ist die der ägyptischen Götter und Ver¬
storbenen; die über den Knieen gekreuzten Hände sind zwar, wie
das Ganze, in Ruhe dargestellt; aber die ersten Gruppen belehren
uns augenblicklich, dass der Verstorbene betend und redend
gedacht werden soll. Bei der allgemeinen und energisch ausge¬
sprochenen Ansicht der Aegypter von der Unsterblichkeit der Seele
involvirt diese Darstellung und der Umstand, dass er sein eigenes
Leben erzählt, durebaus keinen Widerspruch.
Die vier verticalen Streifen der Vorderseite, auf der Tafel mit
A bezeichnet, bieten folgenden Text, den ich nach den Grundsätzen
*) Gelesen in der zweiten Sitzung der Augsburger Generalversammlung am 25. Septbr. 1862.
Laulh, der Uohepriesler und Oberbaumeisler Bokenchons. 545
meines 1855 erschienenen Universal - Alphabetes *) in lateinische
Buchstaben umschreibe, in zweiter Linie mit koptischen Wörtern
belege, uud zu unterst mit einer möglichst wörtlichen Uebersetzung begleite.
1) Suten tihotepi Amun-ra Tum Harmaxi
cof i^en '^29 IXxioTnpH -rijuie guip-H-igot
Königliches Gebet: Amon-ra, Tom (der Schöpfer) Horus
bai en pet, anx em mat,
Bi,i n TT - ne &rig xxh\,
d. beiden Horizonte, die Seele d. Himmels, lebend in Wahrheit
Axom hre ua-f*; Mut t-uer
&gOAt goTp OToei-q ; AHwY-e oyn^) (w7]g)
Achom (der Adler) in mitten seines Bootes; Mut (d. Mutter)
her-ca^ toti; Xensu nefer-hotep:
gi--xe ; gnec**) noqpe-go-rn:
die grosse über beiden Welten; Chons der guten Verbindung:
ti-senu 2) ren- a men em Zam tatui
^ pikit-a, AionK atjfi TUT
sie geben, dass mein Name dauere in der Thebais beständig
em xet heh en ka* en repa^ ha nes
grvoyui gAg pec^&tt gH
in der Folge lange, (mir) der Person des Fürsten u. Vorstandes,
nter-houtu en nteru nibu, nter hont xorp« en
noTf^e-goit-r niAi ujopn
des Führers der Propheten aller Götter, des ersten Propheten
Amun em Apetu 3) Bokenxons khru-mat'; zed-f:
Afttroqiig RiuK gpooy-A)ie(-r) •xo-r-q :
Amon's iu Theben: Bokenchons des Seeligen. Er spricht:
a nter hontu, nter atefu, nibu na Amun-par^,
Ol eioT^i, OTHt It*.
0 ihr Propheten, göttliche Väter, Priester, die des Amoneums,
amma anxu» en xentu-a, kebab en zet-a,
*.A».oi ong (sepes) nfie
gönnet doch Kränze meinem Bilde, Spende meinem Leibe;
nuq hen(a) xu n neb-f, ger meter i«
A-noK ^en (gain) ujoy- nnk xepe juierpe
ich (war) ein Knecht, würdig seines Herrn, äussernd gerechtes
*) Ich bemerke hier kurz , dass ich das c in seinem Lautwerthe vor e und
»■im Italienischen, das X nach dem Gebrauche des Spanischen, sonst aber das Alphabet des Herrn Brugscb mit unerheblichen Modificationen anwende.
**) ' H^axleönoXn.
546 Laulh, der Hohepriester und Oberbaumeister Bokenchons.
shesh**-t, hra hi mat, mesded asfn, s-aa
ujHU), ('si)gp«. AloCTC ©Tincq,
Zeugniss, besorgt für Wahrheit, hassend das Falsche, machend
s-rex'* nter-f, nter hont xorp en Amun
cpa.g (ostendere)
gross und kund seinen Gott, (ich) der erste Prophet Amon's:
Boq-en-xons khru - mat.
Bokenchons der Seelige.
Wichtiger als diese meist stereotypen Redensarten sind die
seebs verticalen Columnen des Rückenpfeilers , die auf der Tafel nnter B mitgetheilt sind ; sie lauten :
1. Repa ba nter hont xorp en Amun Boqenxons
Der Fürst, Vorstand, erste Prophet Amon's: Bokenchons der
khrumat, zed-f: noq meter shesh-t xu
Seelige — Er spricht: Ich (war) ein gerechter Zeuge, wür-
en neb-f, tera s-rex nter-f,
-reAe*. (speeies)
dig seines Herm: betrachtend und bekennend seinen Gott,
sheme hi matennu-f, iri sepu en xun em
ujoTfAioioy (pavimentum) juoiit con
wandelnd auf seinem Pfade , leistend den Wechsel des Dienstes
khen nter hat-f. Au- a nes kat
ÄOTf« * Ol KOT
im Innersten seines göttl. Hauses. Ich war ein Oberbaumeister
uer em Amun -par, meh het menx en
t^iup Xke.2_ Aionj^
im Amoneum , erfüllend (befriedigeud) das gütige Herz seines
neb-f A rethu nibi apu em 2) hetsenn
pHTT onoy
Herrn. 0 ihr Menschen alle, erwägend in ihrem Herzen das
unniu enti ea to, ei hi sa-a en
oyon en-TC (c)! cui-i
Seiende, welches auf Erden, kommend hinter mir in einer
keter en ketera em xet aau qehqeh, enti
RTHp (renovatio) ujc <yg<*'og
Periode von Perioden am Stabe des g^rochnen Alters deren
het-senu arku em maa xuu , ti-a
«.fpHX xxeyi
Herzen vollendet sind im Schauen des Geziemenden, ich thue
Laulh. der Hohepriester und Oberbaumeisler Hokenehons. 547
rex-tenu hab-a*^ un ca to ein xuu nibi iri-na
gUjfl ipi
ench liund mein Wirken auf Erden in allen Würden, die mir
en eer mesi-a. Iri-a IV renpet em
n-'s.e xxic epe poiine
geworden seit meiner Geburt. Ich verbrachte vier Jahre als ganz
nezes aker Iri-a XI en renpet em 3) hun.
ÜVtODf.
kleines Kind. Ich verbrachte eine Eilf(heit) von Jahr als Knabe.
Au- a em hri ah en sxeper en suten
gp*.i *>go
Ich ward zum Oberen der Vorrathskammer des Königs
Ra- men-mat. Iri-a ueb en Amun em IV
(Setoshi)
It,fioaig (Menephthah I.) Icb wurde Priester des Amon durch
em renpet. Iri-a nter atef en Amun
eine Vier(heit) von Jahr. Ich wurde paler divinus des Amon
em XII en renpet. Iri-a nter hont mah-shomnt
jujwg-jgjunT durch eine Zwölf(heit) von Jahr. Ich wurde dritter Prophet des
en Anmn em XV en renpet. Iri-a nter hont
Amon durch eine Fünfzehu(heit) von Jahr. Ich wurde zweiter
mah-snau en Amun em XII. Hos-i-fua
giuc
Prophet des Amon durch ein Dutzend Er begünstigte und
sau-fua; hi baa tebh-a ti-fua er nter hout
cooy (praemium) Tuito
erkannte mich an ; zur Gewährung meiner Bitte machte er mich
xorp en Amun em XXVI
zum ersten Propheten des Amon durch eine Sechsundzwanzig(heit)
en renpet. Au-a 4) em atef nefer en smedu-a,
CXIHT ?
von Jahr. Ich handelte als guter Vater gegen meine (Ange)hörigen,
bi sxeper fema-senu, hi tit tot -a
(c)uicuni s-uxxx tot
indem ich gedeihen liess ihr Geschlecht, indem ich meine Hand
enti havn, hi sanx enti em qetu,
20oy (S'eeT
reii'hte don Elenden, indem ich belebte die, so im Unglück (waren),
hi iri xuu em erpa -f. Au-a
epne
indem ich verrichtete den Dienst- in seinem Tempel. Ich ward
548 Laulh, der Hoheprienler und Oberbaumeisler Bokenchons
nes kat ur xent** Zam en si-f pere em
con-xq nipe
Oberbaumeisler im Umkreise der Tbebais dem Sohne sein , der
hau-f, suten xebt Ka vesur)" mat sotep en Ra,
£01 gofe oyegcoi cui-rn
entsprang aus seinen Lenden, dem König des Ober- u. Unterlandes :
si-ra: Ramessu Meri-Amun
Aiepe
Osymandyas, dem Sohn des Sonnengottes: Ramses Sesostris
ti-anx, iri mennu en tef
JULHini
Miamun, dem Lebenspender, welcher errichtete ein Denkmal dem
Amun 5) ti-su hi get-f, iri ger amah nter hont
coy 3'ui (a'k)
Vater Amon, der ihn gesetzt auf seinen Thron, durch den ersten
xorp en Amun Boqenxons khrumat zed-f:
Propheten des Amon: Bokenchons, den Seeligen. Er spricht:
enti iri-a xuu em Amun -par, au-a nes kat
Als ich verrichtete den Dienst im Amoneum in meiner Eigenschaft
en neb-a, iri-na-nef nter sebex-t Ramessu
na.q c&e
als Baumeister meines Herm, baute ich ihm einen hl. Pylon
Meri-Amun Xent nahte em pe sa
cuin-v n*.gTre ne c«.
„Ramses Miamun Vertbeidiger des Glaubens" an der
her en Amun-par, seha-na texeimu ams
Tikgo Tr«.(3T{(tune)
oberen Seite des Amoneums, ich stellte Obelisken vor demselben
em ane en mähet, nefra-senu hi teqen hert;
lune ne^tu "vo-x
auf von Syenitgestein, deren Schäfte fast berühren das Firmament ;
9a(;au 6) em meto-s em ane em xetf Zam,
■soe SneAjiTO-c SngmT
das Mauerwerk davor (ist) von Stein im Angesichte der Thebais ;
bahuu kumu sred em shennuu; iri-a
£io(qo) «'lUAi (c)piu-r ujhh
(ich zog) Kanäle und Gärten , bepflanzt mit Bäumen ; ich führte
tiru aau uer uer em hat, nefru-senu hi hnem
•3tHpe(T*.p) g»-T, nejui
Pfeiler auf, sehr grosse, versilberte, deren Schäfte fast erreichen
Laulh , der Hohepriesler und Oberbaumeisler Bokenchons. 549
hert. Uah-a (elaiiiu) aau uer uer, seha-a-
oiCi.g p&jua.
das Firmament. Ich fügte liinzu Säulen , sehr grosse , stellte sie
senu em abet as em xetf en nter hat-f
«.{iHT *^coY iiat(hor)
auf in der Praclitwoliuung gegenüber seinem göttlichen Hause.
Uali-a biru aau ente aru mere en Amun Muth
&*.pi *.A(spleudor)xiHpe
Ich fügte hinzu grosse Barken, die schmücken den Teich der
Xensu An repa ha nter hont
tbebanischen Triade. (Alles dies ist geschehen) durch den Fürsteu,
xorp eu Amun Boqenxons khru-mai.
Vorstand , ersten Propheten Amon's : Bokenchons den Seeligen.
Der in drei Absätzen horizontal um die Basis laufende Text,
leider dui'ch den Bruch des Materiales, eines siliciösen Kalksteines,
sehr verstümmelt und daher nach Vermuthung ergänzt, lautet:
1) Repa ha nter hont xorp en Amun Boqenxons
Der Fürst, Vorstand, erste Prophet Amon's, Bokenchons der
khrumat zed-f: nuq ger mat 2) s-xu nter-f.
Seelige spricht: Ich äusserte Wahrheit, eiu Würdiger seines
hen-su hi sep-f, ti-f (um sur)u(em zar)u,
gern: ofuiAi CO «"paio
Gottes, ihm nahend an seiner Reihe, gebend das Nöthige den
amahtui-f hi nefer (khrumat "').
^AlA.g-'J-
Dürftigen, dessen Arme (rangen) um das Gut der (Rechtfertigung).
3) khrot irit hemit ...em anx, au nefer-q em hru pen
ÄpoT giAie gooY
Kind u. Beweibter, die ihr so lebt, deren heutiges Glück das gestrige
er sef huz-to, ti-f 4) hau^^ hi nefru-a, au-a
CCq gTC 'i'gHOf
u. morgige übertrifft , ziebe Nutzen von meiner Tugend , der ich
em-hut hnn er xeper aau em khen Amun-par,
gl'X ü
von Jugend auf bis zum Altwerden im Heiligthume des Amoneums
hi shese nter-f, hi dega hatui nter-f
ujcc(n-xi.3'ce) -ruia'c ä5*.«otuj
war, indem (er) ich bediente seinen (meinen) Gott, indem ich (er)
6) ra nib menk-f-
Aioytic betrachtete das Antlitz meines (seines) Gottes jeden Tag. Er be-
550 Laulh , der Hohepriesler und Oberbaumeisler tiokenclions
na ha em nefer her sa renpet CX iri ger amah repa ha
oge
reite mir die Dauer im Glücke nach hundertzehn Jahren !
nes kat em mennu '^^ ....
Durch den Fürsten, Vorstand, Baumeister der Monumente
Aus dem bisher Vernommenen .sei es gestattet, einige der
wichtigsten Corollare zu ziehen.
I. Die in der Inschrift A, 1 und B, G genannten Götter bilden
die tbebanische Triade: Amon - Muth - Chons. Es müssen folglich
alle Symptome mit dieser Grundbestimmung im Einklänge stehen
d. h. unser Denkmal muss aus der Tbebais stammen. In der
That bestätigt eine zwischen A u. C angebrachte französische Inschrift
die wichtige Erhärtung des Fundortes in erwünschtester Weise:
„Decouvert par J. Rifaud 6r Frangoi it 30 ä Thebes (sic!) 1818."
Die Entdeckung fällt also vor das Jahr 1822, womit selbst die ent¬
fernteste Anzweiflung der Aechtheit des Denkmals beseitigt ist.
Ausserdem aber beweist der Text selbst, der von dem Dienste und
den Bauten des Bokenchons im Amoneum und der Thebais aus-
schlüsslicli spricht, dass dieses Sitzbild nicbt etwa schon in alter
Zeit von einem anderen Orte nach Tlieben versetzt worden ist.
Ja sogar der Name des Inhabers trägt dieses sozusagen landschaft¬
liche Gepräge ; denn er besagt wörtlich : „Diener des Chons" und die Art der Bildung desselben erinnert augenblicklich an die arabischen
Abd-el Wenn meine weiter unten zur Besprechung kom¬
mende Vermuthung richtig ist, dass nämlich der Nachfolger unseres
Oberbaumeisters ÜQachons geheissen, so hätten wir in diesem Namen "
des muthmasslichen Sohnes ein zweites Beispiel der Zusammensetzung
mit Chons. Was ferner die Verwendung des Wortes Buir servus
betrifft, so begegnet uns in dem später noch einmal zu nennenden.
Schreiber Bok-en-phthah gleichsam das unterägyptiscbe Gegen¬
bild unseres Bokenchons, indem Phthah vorzugsweise in Mem¬
phis verehrt wurde, wie Chons in Theben. Unser Denkmal
fällt in eine Zeit, wo die Pharaonen ihren Aufenthalt zwischen
Theben und Memphis theilten, ebensowohl aus politischen wie
aus religiösen Gründen, was aus der weiter unten folgenden Erörte¬
rung mit Nothwendigkeit sich ergeben wird.
Unser Hohepriester oder „erster Prophet des Amon" Bokenchons, ler diesen seinen Titel offenbar über seinen Rang als Oberbaumeistcr
der Thebais setzt, muss in Bezug auf religiöse Dinge als authen¬
tische, officielle Quelle anerkannt werden. Wenn er daher einerseits
bei Erwähnung des heiligen mit Barken versehenen Teiches einfach
die drei Glieder der Tbebanischen Triade : Amon-Mutb-Chons nennt,
dagegen in seinem Gebete zwischen Amon und Muth die Namen
Ra (Sonnengott) T u m (Abendsonne) Harm achi (Horus der beiden
Horizonte), „die Seele des Himmels, lebend in Wahrheit" aufführt,
so muss daraus geschlossen werden, dass alle diese Gottheiten als
Laulh, der Hohepriesler und Oberbaumeisler bokenchons. 551
mit Amon zusammenfallend, im Sinne des Verfassers, gedacht wurden.
Die Beinamen der Muth, des weiblichen Princips, so wie des Chons,
der als drittes Glied aus den beiden vorigen hervorgebt, wie sonst
Horus zwischen Isis und Osiris getroffen wird, führen auf das
nämliche Ergebniss.
Hierbei ist nicht ausser Acht zu lassen, dass Bokenchons im
Verlaufe des Textes nur von „seinem Gotte" spricht, womit
natürlich nur Amon gemeint sein kann. Diese beinahe monotheis¬
tische Färbung findet sich allerdings schon früher*) und das erste Glied der Triade beansprucht hier , wie überall , den ersten Rang, so dass
mit ihm implicite die beiden andern Gheder zugleich genannt werden
nnd jenes als das alleinige göttliche Wesen aufgefasst werden kann.
Allein die wiederholte Versicherung des Hohepriesters Bokenchons,
„dass er seinen Gott gepriesen und bekannt (gemacht) habe"
erhält erst das gehörige Licht, wenn man sich erinnert, dass gerade
auf einer Statue des Ramses-Sesostris in Tanis (Sän), nicht zu¬
fälligerweise in Unterägypten, dieser Pharao eiu „Liebling des
Sutech" genannt wird, „dessen Cult in Ha var (y4t!ap«f=Tanis)
von dem (Hykshos) Könige Apophis gestiftet worden" was mit
dera Papyrus Sallier übereinstimmt, wo erzählt wird, dass Apophis
keine Götter des ganzen „Landes ausser Sutech verehrt und diesem
in Havar einen Tempel von schöner lang dauernder Arbeit erbaut
habe". Dieser Sutech aber, eine ampliative Form des Set, war vor¬
zugsweise die ausländische Gottheit; dies ergiebt sich am
schlagendsten aus dem von Brugsch übersetzten Vertrage zwischen
Ramses-Sesostris und dem Chetiterkönige Chetasar. Er
wurde zwar auch ägyptisirt und zum Sohne der N u t gemacht ; allein
seine gewöhnliche Begleitung ist doch die phönikische Ast arta,
die mit der A nata eben so wechselt, wie Baalu mit S^utech.
Im Hinblicke auf diese thatsächlichen , weil urkundlich erwiesenen
Verhältnisse dürfte es nicht gewagt erscheinen zu behaupten, dass
Bokenchons der Hohepriester mit seiner energischen Betonung
des Amondienstes den Gegensatz zwischen diesem einheimischen
und dem in Unterägypten eingedrungenen Sutechculte im Sinne eines
Protestes angedeutet habe.
II. Die drei Hauptabtheilungeu der ägyptischen Hierarchie:
Priester, göttliche Väter und Propheten werden durch
unsern Text ausser allem Zweifel gestellt. Wenn auf andern Denk¬
mälern — ich nenne beispielsweise als das bekannteste den Stein
von Rosette — eine grössere Mannigfaltigkeit priesterlicher Titel
erscheint, so liegt es nahe, sie in einer dieser drei Rubriken unter¬
zubringen. In völliger Uebereinstunmung mit unserer Inschrift, aber
in umgekehrter Ordnung. — entsprechend der rosettanischen, während
die unsrige zu Clemens Alex, stimmt — heisst es in dem an schönen
•) Im Papyrus Sallier wird der Dienst des Amon dem des Sutech
gegenübergestellt.
552 Laulh , der Hohepriester und Oberbaumeister Bokenchons.
Texten so reichen Recueil von Brugsch IV, 6: „ 0 ihr Propheten,
„ihr göttlichen Väter, ihr Priester, eintretend zum Tempel der Nith,
„der Herrin von Sais, die ihr liebet das Leben, verachtet den Tod :
„vererbet eure Titel euern Kindern, die Lob darbringen eurer Gott-
„heit, vfie ihr es aussprecht".
Der höchste Grad des ägyptischen Priesterthums: „erster Pro¬
phet des Amon" wird als Haupttitel von Bokenchons mit Vorzug
erwähnt. Auch ist seine Verleihung als ein Ausfluss besonderer
Gnade des Pharao bezeichnet. Wie hochwichtig dieser Rang, den
ich, um an Bekannteres anzuknüpfen, überschriftlich durch „Hohe¬
priester" wiedergegeben habe, gewesen ist, ergiebt sieh aus der be¬
deutsamen Thatsache, dass unser Bokenchons auf eiuer Stele von
Hamamat (Brugsch Histoire d'Egypte p. 259) als 21. Ahn eines
gewissen Ra-hnum-het aufgeführt wird, der unter Amasis (Kambyses?)
und Darins I. gedient hat. Auf einer werthvollen Stele des könig¬
lichen Antiquarium's zu München ist die Genealogie eines ge¬
wissen Petharpokrates durch neun Geschlechter, die so ziemlich
den neun Königen der XXII. Dynastie entsprechen dürften, rück¬
wärts geleitet, obgleich er nur „hos-ka" d. h. ein aiäöf gewe¬
sen. Es darf uns daher, wenn die priesterlichen Familien solche
Stammbäume bewahrten, nicht Wunder nehmen, wenn die Nach¬
kommen des Ramses-Sesostris, — von diesem ihrem erlauchtesten
Ahnherrn meist Ramses genannt — wenn, sage ich, die ausgearteten
Ramessiden der XX. Dynastie durch „erste Propheten des Amon"
vom Throne gestossen wurden und diese sofort eine eigene Dynastie
begründeten, welche Manetho als „XXI. von sieben Taniten" be¬
zeichnet. Mit dieser priesterlichen Dynastie stand Sheshong, das
Haupt der „XXII. von neun Bnbastiten", der Eroberer Jerusalem's
im 5. Jahre Reha beam's, in erweislicher Verschwägerung und
er sowohl aJs seine Nachfolger führten in ihren Schildern den Titel
„Erster Prophet des Amon" ebenfalls fort.
III. Die drei Vorstufen zu den priesterlichen Würden des
Bokenchons bestehen in den drei Lebensaltern der frühesten
Kindheit (pueritia), des Knabenalters (adolescentia), des Jünglings¬
alters (juventus). Letzteres ist zwar nicht eigens so genannt, allein
der Stufengang und die Bedeutung der Würde eines „ Obem der
Vorrathskammer des Königs", der anderwärts beständig als jugend¬
licher Schreiber mit Papyrasrolle und Griffel auftritt, nöthigen
uns, für diese Würde als passendste Altersklasse die des juvenis
zu wählen. Leider ist die Dauer dieser amtlichen Verrichtung nicht
angegeben; allein auch ohne diese sonst scbätzenswertbe Angabe
entziffert sich aus den vollkommen sicheren Posten die Summe von
mindestens 84 Lebensjahren und Bokenchons sagt daher mit Recht
von sich aus, dass er „vom Jünglinge an bis zum Greis-werden" im
Amoneum gewesen. Würde man für die fehlende Stufe als mittlere Zahl
6 Jahre einsetzen, so ergäben sich 90 Jahre, ein erklecklich hohes
Alter vou drei yivtut. Jedoch galt diese bei uns selten^ Erschei-
Laulh, der Uohepriesler uud Oberbaumeisler, BotienckoM. 553
nung, drei Menschenalter (wie Nestor) gesehen zu haben, bei den
Aegyptern noch nicht als höchster Gipfelpunkt des Lebens, wie ich
in der vorletzten Anmerkung darthun werde.
Flir die Begierungsdauer der beiden in der Inschrift genannten
Könige Setoshis Menephthah L und Kamessu II. Merftmuja
ergibt sich das, wenu auch negative, so doch höchst wichtige Resultat,
dass beide zusammengenommen wenigstens 84 Jahre geherrscht bf^ea
mttsseu. Es wäre gewiss äusserst bedenklich, für zwei unmittelbar
auf einander folgende Regierungen, noch dazn von Vater und Sohn,
eine so enorme Ziffer anzunehmen und mau ist geneigt, die Nicht¬
erwähnung anderer Könige besonderen Gründen zuzuschreiben. Allein
die zahlreichen FeldzOge und grossartigen Bauwerke des Königs
Setoshis I., die urkundlich erhärteten 64 Regierungsjahre seines
Sohnes und Nachfolgers Ramses Beso&tris zwingen selbst den be¬
sonnensten Forscher, die von Maaetho dem letzteren zugeschriebeneu
66 J. 2 Monate Regierung als historisches Factum anzuerkennen uud
legen es nahe, in dem Si^uaif mit 59 Jahren eine Verschmelzung
zweier Setoshis Menephthah, des Urgrossvaters und des Urenkels, zu
vermuthen, aber so, dass von den 59 Jahren jener jedenfalls eine
weit grössere Hälfte, als dieser, beansprucht Unser colossaler Zeuge
und Zeitgenosse jeuer beiden Könige, gesellt sich nun als drittes
zu den zwei bisherigen JBeweismitteln fUr die lange Dauer ihrer
Regierungen und die am Ende der Sockelinschrift erwähnten 110
Jahre, obgleich nur als Wunsch und Ideal eines langen Lebens da¬
stehend, wurden vielleicht doch öfter erreicht, als uns nach den
Erfahrungen unserer Zeit und Zone zulässig erscheint, so dass auch
vou dieser Seite die hohen Ziffern eine Bestätigung erhalten.
IV. Neben seiner hohenpriesterlichen Würde bekleidete Boken¬
chons auch noch den hohen Posten eiues Oberbaumeiaters im
Umkreise der Thebais unter Ramses IL Wer nur einen Augenblick
überlegt, dass gerade dieser könig die Blüthezeit defi ägyptischen
Reiches begründet; dass Ramses-Sesostris bei Griechen und Rö¬
mern einen so nachhaltigen, wenn auch zum Theil sagenhaften Ruf
geniesst, als das „hundertthorige Theben" bei Homer — der wird be¬
greifen, dass ein Denkmal eines Oberbaumeisters, der einige jener
weltberühmten Bauten aufgeführt hat, ein aussergewöhnliches Interesse
gewinnt Da ausdrücklich das Amoneum d. h. die westlich vom
Nil liegende Seite Thebens als Feld der Wirksamkeit unseres Ober¬
baumeisters genannt ist, so beziehe ich die Prachtwohnung
auf das von Diodor I, 47 sqq. so ausführlich beschriebene in der
Nähe der Ammouspallakidengräber befindliche fi*ijfiu ßaaiklws toü
nQofuyoQiv&^vtos ' Oav ft ay 6 v ot'*). Derselbe Schriftsteller nennt
*) Hängt es mit der Berillimtlieit dieses Baues zusammen, dass Boken¬
chons unter den 25 Oberbaumeistern von Hamamat allein das Deutbild
der angesehenen Personen hinter seinem Namen hat , so wie das Httnchner Denkmal auf der rechten Soito eine SperberbUste in antiker Zeichnung aufweist ?
Ii.l. Wll. 37
554 Lauth, der Hoheprietter undOberbaumeitter Bokenchon--.
es I, 49 am Ende einen juif og und diese Angabe enthält keinen
Widerspruch, da es bekannt ist, dass die Könige bei ihrer Lebens¬
zeit gleich vom -\nbeginne ibrer Regierung an unausgesetzte Sorge
auf die Herstellung der „ewigen Wohnnng" d. i. des Grabes ver¬
wendeten. Es würde einer rationellen Ausgrabung, da das Grabmal
des Osymandyas, die Bibliothek, rpvx^t lujgiTuv tlber dem Eingange
genannt, längst als ein Werk des zweiten Ramses erkannt ist, nicht
schwer fallen, die unter der Leitung unseres Bokenchons entstandenen
Bauten in ihren Grundmauern wieder aufzufinden und bloss zu legen.
Seine „göttliche Seb ext an der oberen Seite des Amonenms" spie¬
gelt genau den nvXwvu XlSvv noiulXov xuru j/jv H^odov wieder,
desseu (Quer-) Länge 200 Fuss betrug, während sich seine Höhe
auf 45 Ellen belief Diese Angabe der Gewährsmänner des Siziliers
scheinen mir nicht Obertrieben, da die Obelisken von Syenitgestein, die Bokenchons vor diesem Pylon aufstellen liess , „mit ihren Schäften fast das Firmament erreichten" nnd thatsächlich Obelisken von noch bedeutenderer Höhe|als 45 Ellen sich heutzutage noch vorfinden. Auch
der Umstand, dass die -soc d. h. die Umfassungsma.uer von Stein
war, nicht von getrockneten Nilziegeln, wie sonst, deutet auf
einen Prachtbau und mag diesem daher Diodor's Xi9iro( nfgiatvXos
entsprechen, der auch „gegenüber von Zam" gelegen haben muss.
Von den S ä n 1 e n , deren koptisches Analogon ich in dem Kircher'-
schen cAsjui subsidiär aofgestellt habe, weil mir dieses Wort den
Stamm fK%x (on) zu enthalten scheint und sie ausdrücklich als
ur ur aan „sehr sehr grosse" bezeichnet werden, würden sich
ebenso sicher noch Spnren auffinden lassen, als von dem heiligen
Teiche, dw sich in jener Gegend jetzt noch nachweisen lässt,
nachdem die heiligen Barken der göttlichen Triade Thebeus längst
mit den feierlichen Prozessioiien verschwunden sind. Dieses Schicksal
haben natürlich die mit Bäumen b^flanzten Gärten sammt den in
sie geleiteten Rinnen getheilt und selbst in Betreff der nr ur aau
tiru, mögen nun „Mäste" oder „Pfeiler" (xiöfK) darunter zu
verstehen sein, ist es mir wahrschMulich , dass sie von Kambyses
entweder zerstört oder ihres Metallwerthes wegen fortgeschleppt
wurden, weil sie versilbert oder von Silber waren, und dieser
Eroberer auch den )((^aov( ki'kJIoc aus dem astronomischen Theile
dss Ramesseums von 365 Ellen hat plündern lassen.
Ich habe mir für die dritte Abtheilung vorbehalten, die mir
nöthig scheinenden Anmerkungen fiber diejenigen Pnnkte zu li^ern,
welche einer näheren Begründung bedürfen. Wenn ich hierisei znm
Theile sehon Allbekanntes vorbringe, so möge man dies auf Rech¬
nung des Umstandes setzen, dass ich in's Einzelne eingehen muss,
um den Verdacht eines Plagiats von mir ferne zu halten. Es
ist nämlidi die im Voransgchenden behandelte Inschrift bereits Ge¬
genstand einer Abhandlung in, der Revue archeologique Aoüt 1862,
linterzeichnet M. T. Deveria, geworden nud wenn ich bei Gelegen-
Lauth, der Uoheprieeler und Oberbautneitter Bokenektmi. i&S
heit meines Augsburg«- Vortrages die aktenmtesigen Beweise bei¬
gebracht habe, dass ich mich zuerst mit der dreifachen lipechrift
am Sitzbilde des „Bakenlthonsou graijd pretre d'Ammon et architecte principal de ThÄbes, contemporain de Moise" beschäftigt hatte*), s»
ubrigt an dieser Stelle nur noch der spezielle Nachweis, dass meioß
Arbeit von der genannten des französischen Gelehrten unabhängig
dasteht Dem grösseren gelehrten Publikum dürfte übrigens auch
eine derartige Glossirung erwSnsditer und lehrreicher eracheinen,
ak eine unerquickliche und unfruchtbare Polemik über PrioriUt Ich
gebe desshalb ohue Weiteres zur Sache über nnd berflksicl^tjge dabei
die Uebersetzung des Herm Deveria, auf sein wsführliches „M^;-
moire" verweisend.
1. Die Formel „suten ti hotep" wird gewöhnlich und so auch
vou Herrn D. mit acte d'adoration" 4bei;setzt So zutreffend dies
fttr den Siun ist, so wenig wird dadurch der philologischen Genau¬
igkeit genügt. Da die Bedeutung des ersten Wortes für „König"
feststeht und die Redensart „suten si" . kgl. Sohn oder Prinz den
Beweis liefert, dass es auch adjectivisch gebraucht nnd ausnahms¬
weise vorangesetzt werden da^f, so halte ich die Fassung des ti-hotep
als eines Substantivs für erlaubt uud erblicke darin das Kppt
precatio. Eine solche Verstümmelung kann nicht befremden, wenn
man erwägt, dass die .Nameu auf hotop in -mttijc gräzisirt und
uuter andern das aweimal (B, 6) vorkommende uud durch das deter¬
minirende Gesicht über allen Zweifel erhabene „em jceft" im Kopr
tischen, mit Hinzunabme des bestimmten Artikels, zu Hiigwr y^u
conspectu" geworden ist. Was ferner die Cbarakterisirung des Ge¬
betes als eines königlichen betrifft, so hat diese bei der streng
monarchischen Verfassung und Gesinnung der Aegypter nichts Auf¬
fallendes. Ja es erklärt sich daraus der gleiche Aufang so vi^Ie^
Tauseide von Stelen, die somit gleichsam in ofUcielles ^wand ge¬
kleidet Bind, so wie die im Todtenbuch cap. 126, 8 ao&tossende Stelle: ufthia, an xeb-a te)[>hn" =„ nicht vermehrte ich, »ic^t veränderte ich die Gebete."
, i. Dia Bedeutung der Gruppe „Gesieht und Herz" als Mitte
ist gesichert durch Todt cap. 165, 11—12, wo gesagt ist, d»88 der
Rumpf des ithyphallischen Wesens der Vignette aus eiuem Kftf^
besteht. Die Lautung anlangend, so bietet die Liste des Hephaestiop
den mit gleichen Zeichen geschriebenen Dekal^^ unter der Form
'Pi)ovw.= hre uaa; daraus folgt uMuittelbar, dass die Hieroglyphe
des Her;ieits bei, dieser Grujipe als blosses ,Determiaa,tiv nicht aua-
•) Hlar&bar luim leh äiick jetu aof dM Kkctrwiteeade aeucniu las H. Vic. de ^ug^ aelbst berufen , das mir dieser ausgezeichnete Aegyptologe im Januarhefte 1863 (letzte Nummer) aasgestellt hat. H. D.'s Hinweis auf Descript do l'Kf. A. II, Tb', 1—6; 80, 8, 11 wo die 'ntnlutvr, uuA kuf di«
Notices p. 6S8 ClikmpDUkm<s, 4er im Tliale von EI Assusif 4m «trab vaa»r*i Bokenchons besucht hat, ist sehr solillieMweHh.
556 Lauth, der Uoheprietler und Oberbaumeitler Bokenehons
gesprochen werden darf — wirklich heist gofp „venter" oder „inferior
rei cujusdam cavitas" — und dass das Boot uaa und nicht ßügif
lantirt werden mnss, abgesehen davon, dass die hierogl. uud demot.
Gruppe für letzteres lägst in biru und biri aufgefunden ist. Das
Kopt. o-roei cursus deckt den Begriff.
3. Mut t-uer „die grosse Mutter" ist schon oft, und so auch
von Herm Devdria mit dem Miitvtg verglichen worden, welches
Plutareh de Iside et Osiride in Verbindung mit fi(>v& (/irjrj^p)
xmd'l^Svgi (o?xoc IQjfv; als avvd^uur tx it jov nXi'iQovq xut
iov all iov erklärt. Da nun dieser sehr gut, weil aus Manetho
unterrichtete Schriftsteller (wie Bunsen richtig vermuthet), bei
den beiden ersten Namen nachweisbar das Richtige getroffen hat,
sp ist ihm in Bezug auf Mt^itg eiu Gleiches zuzutrauen. In, der
That widerspricht zwar die Uebersetzung „grosse Mutter" der Grund¬
regel des Aegyptischen, dass das Adjeetiv nachsteht, nicht, nnd wäre somit zulässig; aber von dem Begriffe nXjJpjjf ist keine Spur darin
aufzufinden. Ich schlage desshalb vor, das plutarchische /xi^vtg in
jener mystischen Kuh wiederzuerkennen, die häufig erwähnt wird;
so z. B. Todt. 17, 29—30, wo es Hr. Vic. de Roug6 in seiner meister¬
haften Behandlung dieses Hauptstückes mit „la vache M6hour" übersetzt.
Entscheidender ist die Stelle 71, 1: „a baq pere em nun neb Meh-
t-uer" = „0 du Sperber, entsprossen dem Abgi'und, Herr der
Meh tuer"*). Da unter dem Sperber in der Regel Horus (Amon,
Osiris) zu verstehen ist, und dieser bald als Sohn, bald als
Gemahl der Isis auftritt, so ist an der Identität der Mtd^i'tg mit
'lau nicht zu zweifeln und Plutarchus mit seiner Behauptung ij dt
l'ativ Olt xui Mov9 xat nuhv "A^vgi xat Mt^vtg npof-
ayogivtrat vollständig gerechtfertigt ; deun die Grnppe für iiXr',gi]( =
meh = Aieg ist in beiden Stellen des Todtenbuches sicher und durch
die drei Wellenlinien, das Symbol des Wassers, determinirt; für die
Vermittlung des Begiiffes uer „gross" (d. ur?) mit ui'nog ist ohnehin' die Brücke leicht zu schlagen. Sollte aber noch ein Zweifel haften,
dass wirklich mit der Mid-iitg eine kosmogonische Gestalt gemeint
sei, so verweise ich auf Brngsch (Geogi-. des alten Aeg. I Taf XXIV.
äusserste Columne links), wo hinter der Gruppe Meh-t-uer un¬
verkennbar das Deutbild einer das Lotusscepter haltenden, weib¬
lichen Gottheit angebracht ist.
Aber doch QJgftov9i( ist die „grosse Mutter" (Isis)? Dieser
Name wird von Plutareh der Isis beigelegt und Aelian de nat. ann.
X, 31 sagt, dass die Aegyptier eine heilige Schlange (ilam'g) unter
diesem Namen verehrten. Da nun die Schlange häufig für sich
allein z. B. in der Inschrift von Rosette Zeile 5 Göttin bedeutet
•) Da« dasiu gehörige Titelbild : ein mumisirter Sperber, gegeuüber einer liegenden Kuh, die ddreb ihre Attribute deutlich als Isis-Hathor bezeichnet ist , spricht klar zu Ounsteu meiner Ansicht.
Laulh, der Hoheprietler und Oberiauwuitler Bokenchont. 557
und Isis als die Göttin »ot' l^oxrjy angesehen wurde, so harmoniren beide Schriftsteller mit einander. Aber der Begriff t-uer „die grosse"
kann diesmal wegen der unter dieser Voraussetzung unrichtigen
Stellung des Adjectivs nicht darin gesucht werden. Ich bin über¬
zeugt, dass die Verbindung der Axt (-ruipi) des Zeichens für „Gott"
und „göttlich" mit dem Geier fttr den Begriff „Mutter" das Wort
&{gfiov9iS hervorgerufen hat, womit demnach „die göttliche Mutter"
bezeichnet wird. Die Lautirung der Axt mit neter, woraus das
Kopt. ncrfTc entstand, halte ich für eine ziemlich junge und habe
desshalb, einen Mittelweg einschlagend, nter umschrieben, weil dieses
nach der Gleichung nt=.d z. B. im Namen des Darias, mit jenem
0tp in Qfgixovdii und sogar mit *t6f deus vereinbart werden kann.
Was die Aussprache hi ca = gi«c(n) der beiden Köpfe betrifft,
so rührt sie bekanntlich von Champollion her, ohne dass derselbe
jedoch einen Beweis dafür beigebracht hätte. Ich glaube im Todt.
147 b, 8 in der Gruppe: Kopf-Sieb-Phallns mit 3 Wellenlinien das
Aequivalent des Kopt. -».KekUt lavare um so mehr erkennen zn
dürfen, als dieser Begriff in derselben Umgebung steht, wie sonst
das gerade so durch das Wasser determinirte Verbum i a (cio.) lavare,
nämlich mit ^ht das Herz (Todt. 1, 6), und in den Zusammenhang
vortrefflich passt; denn es heisst dort: „Rede des Osirianers NN:
„des Seeligen, wann er naht dieser Station: Ich sass nieder um
„zu thun erfrischen (baden) mein Hera". Die Bedeutung tpvXaxtrigiov
giebt Horapollo I, 24 für diese Gruppe. H. Dev6ria erklärt eben so.
4. en ka „der Person". Diese Wendung kann vermöge der
ägyptischen Grammatik, die, wie schon Varro de 1. 1. weiss, keinen
eigentlichen Casus unterscheidet, entweder als Genitiv oder als Dativ
gedacht werden, je nachdem man sie von „tisenu sie geben" oder
von „ran-a meinen Namen" abhangen lässt. Ja ich bin der Ansicht,
dass dieses enka, weil es auf den Stelen mit dem stereotypen
Style regelmässig unmittelbar vor dem Namen erscheint, die Ver¬
anlassung geworden ist, dass die Kopten sogar vor dem Nominativ
ihr Kxc oder Hä'c auftreten lassen. Hieroglyphisch dient ka, oft
auf einem Gestelle angebracht, zur Stütze der Pronomina z. B.
Inschrift von Ros. Z. 7 en ka-senu = uvrolf. In der Dualform
steht es bei Lepsius, Chronol. p. 127: „Thoth redet zu den ka-ti
en nter menx d. h. zu den beiden Euergeten Ptolemaeus und
Berenike", und ist also „kati" kein Beiname des Thoth.
5. Den Titel repa fiihrt unter den Göttern 8 e b so beständig,
dass es überflüssig wäre, Belege beizubringen. Da nun bei Diodor
I, 27 Osiris von sich aussagt nar^/p niv imiftoi Kgövo( v tdtxato^
^n7iv anavTwv, was mit Todt. 26, 3 und 69, 4 wörtlich überein¬
stimmt, so müsste man eigentlich übersetzen der „Jüngste", was auf
Bokenchons sehr wenig passen würde. Der Gewährsmann des
Diodor hat eben die zwei Wörter repa nobilis und repa = renpa
vio( (woher auch renp6-t das Jahr eig. die VeiiOngong) verwechselt
SS8 Laulh, ier Hohepriesler und Oberbaumeisler Bokendtans.
Die Kopten kennen den Saturnus nodi unter dem Namen pe^üLit,
dessen Schluss-n entweder Ueberbleibsel des folgenden Genitivs
oder Tersetzung aus renpa ist. Die LXX haben ^mos V, 26 einen
"PailfMit der dem Repha entspricht, und mit Verdoppelung der
Unrichtigkeit Act Apost. VII, 43 „xui jo uat por ror 9tov vfiüv
Vtfsipiiv". Es verdient Beachtung, dass der Name des Gottes Seb,
den die Griechen gewiss nicht ganz ohne Grund mit xpövoc (;(pövo()
wiedergaben — weil seb auch Stern (coy, cioy; cht Zeit) bedeu¬
tet — sehr h&ufig durch einen Stern determinirt ist, der bisweilen dann noch steht, wenn cie „porta" ausgedrückt werden soll*). Da nun der
itlnfstrahlige Stern nach den Denkmälern und Horapollo auch die
Zahl fünf ausdrückt, die lantet, so wurde das Zeichen des
Sternes dissophonisch fttr c und ^, wie oben der Kopf ca und ape.
6. Statt ape (*.Tie) eig. Kopf, dann überhaupt der Oberste,
Erste, gebrancht das Koptische sehr häufig gopn, das desshalb von
Champollign überall eingesetzt ward, wo es der Znsammenbang zn
fordern schien. Einen Nachweis dieser Lesnng habe ich aber nirgends gefunden. Ich schlage daher vor, das Kopt. Kop&i, ^po&i &lx,
cnlter, scalp rum zu Grnnde zu legen, da die Figur einem Dolche
ib der Scheide nicht unähnlich fiieht. Der Uebergang der Gutturalen
in breite Zischlaute ist auch Im Aeg. selbst schon, geschweige denn
erst im Kopt. häufigst eingetreten.
7. Für die Umstellung khru-mat fehlt es nicht an Belegen : ich
erinnere an die Legende des angeblichen Osymandyas in den Trans¬
actions of the soeiety of literature I pl. XV, a und des Antinous
anf dem Obelise. BerberinL Die Lesnng khru der Zunge ergiebt
sich aus der demot. Redaetion von cap. 125 des Todtenbuchs, aus
HorapoUons tfutri] nuu(fiidtv = oiut{ , wo nach Ausscheidung des
Wortes ».fc«..! (= ovo«*) aus dem kopt Worte j6«kpaA«.i=/Spovrj}
für ifwurj das Wort *«.p und von gpoT-t».! das Wort gpoT übrig
bleibt. Nun hat aber der fälschlich in die XII. Dynastie versetzte
Shuarptg den Beisatz, dass er wegen seiner Grossthaten den Ae¬
gyptern als der „Erste nach Osiris" gah, der den Beisatz khru-
inat, veridicus od. justiftcatus als Vorbild aller Verstorbenen mit
Vorzug führt. Und in des Eratosthenes Laterculus steht derselbe
König als 2iaToai-x tcfifjc. woraus ich schliesse, dass eben dieses
ytQttr,( die wenig gräcisirte Form jenes so häufigen khru-mat sein
dürfte. In dieser Annahme bestärkt mich die Wahrnehmung, dass
auf den Nachmann des Siatoaixipurjf, nämlich den' Miigrn (wo
die Sylbe /uo die Elle umschreibt,) ein St<f&ttf folgt mit der rich¬
tigen Uebertragung vto; 'Htpaiaiov. aber dem falschen Beisatze b
*) D« Amos V, 26 ausdrücklich vom Moloch (Scb, KQOi'ot, Saturnus) und dem Stern die Bede ist, den „sie zu ihrem Gotte gemacht", so ziebe icli das hebr. kokhab (SIJ^S) zu der Form keb, welche mit Seb auf den DenkmUera wechselt
Laulh, der Hohepriesler und Oberbaumeisler Bokenchon*. &&9
xoi ^Egin^f- Da nun in der XII. Dynastie M i t regierungen statt'
fanden uud der Name Mägtjc dafiir bürgt, dass der Laterculus auch
Vornamen enthält, so stehe ich nicht an, in dem 'Egfiijt den
vierten 'AfurtfitK zu erblicken, dessen Thronschild khru-mat lautet,
so dass also im ursprünglichen Texte stand : Mägtjt xai 'EgfsTjf.
Diese letztere Form verhält sich aber zu y.ign^f gerade so, wie
das theban. gpooT zu dem memphit. ÄpuioT = vox und hat uns
nebstdem einen weiteren König in des Eratosthene'S Verzeichniss
geliefert. Hiermit stimmt es auch, wenn Plutareh c. 68 sagt:
j-^ fitv yag ivürr] tni ölxa, *) joö ngoixov firjvus iagtul^ovTti tip
'Egfiji, ft^' avxov la^lovaiv imXiyovxic yXvxv ti uli;^«««'
TU äi xtjt "laiöof (fvXaxttjgiay, o mgu'tnxia^at ftv&oXoyovatr
uvsTjr, igfirivtinur (pwv^ aXrj^tjt. Hier haben wir die wört¬
liche Uebersetzung deä khru-mat, und es fi:agt sidi nur noch,
ob nicht das griechische 'Egn fii selbst nach Herodots (H, 4) Zeug¬
niss für eine ägyptische tnotvvftia zu halten ist. Ich gestehe, dass
ich zu dieser Ansicht längst neige, um so mehr, als umgekehrt dfts
ägypt. Thoth, genau Tauud Quöd, mir aus dem semitischen ir
(cf. Thaddaeus) entsprossen scheint.
8. Die Lesujag par des Hausplanes, eine folgenreiche Ent¬
deckung onseres sq sehr yerdienten Landsmannes Brugsch..« ergab,
mit Hinzunahme des in Anmerkung 12 zur Besprechuug kommenden
„aa gross" den bertlhmten Königstitel Pbar-ao. Iqh we^s sieht,
ob hierbei anf Horapollo I, 61 hingewiesen worden ist, der unzwei¬
deutig sagt, dass die Figur eines (sich in den Schwanz heissendeB) oifif mit o7xo; (ifyat iv avtif den ßuaiXiiig xoafio^cgdttog (lezeichne.
Man beachte die ganz uugriechische , aber ächt ägyptische Stellung
von oixoe niyuf — par-aa, um mit mir hierin sowohl eine Bestätigung
meiner Ansicht über Qigfiovd-if, als eine wörtliche Uebersetznng
des Wortes Pharao zu erblicken, das. demnach „Grosshaus" ; bedeut^.
Sonderbarerweise steht das Wort p(ir, das. sonst aur Bildung von
Städtenamen vorangesetzt wird (mit Verlust, seines r), häufig hinter
Amun, so dass man auf den Gedanken gerathen könnte, es sei. bis¬
weilen Amun-par zu lesen nnd dieses, ganz dem Charakter des
Aegyptischen entsprechend, das zwischen dem Semitischen nnf} Indo¬
germanischen in der Mitte steht , wörtlich 'ÄfiwvönoX(,i (),i\i l^ujti-
ren. Ich erinnere daran, dass im Sanscrit puras (heutzutage pur)
den Genitiv purjas bildet, wie nolif nöXfun (zweisylbig wegen des
Accents). Das bibL "iaM-M] entsteht aus d. Stadtplan (nu)-fAmon.
9. Der eigentliche G^nstand, der den Ste^iiS Leben aus¬
drückt, ist noch nicht ermittelt; denn der vielbesprochene Nil-
*) MoD&mental ist dieser Tag bestXtigt darch die von Ctreene ans^e^abepe Wand Ramses' HL Hr. Vic. de Rengj 'sagt in seiner Notice Uetrill»«r: „1»
19. Thoth renait Ia Ute dn Thoth, ^gmlemsit mentioiuiie quelqiMfois dans les llete* dea tombeaux."
3 7«
LÖHth, der ffohrprieiter und Oberbaumeitter Bokenchont.
Schlüssel scheint es nicht zu sein. Hier ist die Grnppe anxn
dnrch das Dentbild der Blnme determinirt: ich vergleiche das
Kopt. ong sepes, sepimentum. Bisweilen folgt ein bewimpertes Auge-,
in diesem Falle scheint es snpercilium zu bedeuten und an das
ähnlich lautende anhu (nog) palpebrae anzustreifen. In Verbindung
mit dem Ohren paare glaube ich es I'qxo; iiikov deuten zu sollen,
dem f'pxoc idörrinv parallel.
10. Die Lesung des Phallus als meter und nach Abfall des
finalen r, als meto ergiebt sich mir vorerst ans dem Deutbilde
der beiden Finger, die zum Schwüre erhoben scheinen wie bei
der Grnppe ak (os.) welche den Meineid oder die Lüge bedeutet.
Im Todt. 149, g 27 heisst es von einer Schlange: an hab matu-q
am-a „nicht sende dein Gift gegen mich"! Kopt. heisst venenum
AxtK-soy. Determinirt dnrch das Wasser, schien es Herrn Chabas
(le papyrus magique No. 856) durch „ctangs od. marais" übersetzt
werden zu müssen; ich erblicke darin das Kopt. ü-to gurges;
denn Isis sucht die Glieder ihres Bruders in solchen. Als substan¬
tivische Präposition nimmt das Wort im Kopt. den Artikel und
die Possessiva vor sich, so dass unser Beispiel Kopt. SnecS-ro
lantet. Sogar alphabetisch habe ich oben den Phallus in der Gruppe
■x«.K<ouL lavare gefunden. Ein weiteres Beispiel seines Gebrauches
als m steht Todt. 12, 2 maqua bemata to „lass micb auch hacken
(mein) das Land". Hier ist die Handlung bemata, das an das
Kopt. oif«.Aie ligo anklingt, durch den ägypt. Karst nebst
dem bewaffneten Arme determinirt. Sonderbar ist anch der Dop¬
pelsinn des Zeugens, verglichen mit meter (fiäprvt^) testis,
testicnli.
11. Die Straussfeder giebt nachHorapolloII, 118 dieBegriffe
wahr, gerecht, gleich. Da nun Letzteres im Kopt. ui«!H oder
tguiig lantet und der mit der Feder bezeichnete Gott, dessen Anlaut sh sich auch gefunden hat, im Griechischen durch 2wa-ig umschrieben
worden ist, so vergleiche ich weiter das hebr. byssus und zwar
auf Grund des Todt. 129, 4—5, wo gesagt wird; „Bemerkung über
dieses Bild (ciio-r), welches mit Farben zu malen ist auf neue
shcsh". Es kann nur Leinwand gemeint sein, wie in der Pa¬
rallelstelle 162, 8—9 mit ^ama (x">) Papyrus bezeichnet ist.
12. DieseStelle übersetzte H. D. entschieden unricbtig, indem
er srex mit sxer verwechselte: „qui developpe la doctrine de son
dieu". üm nur gleichzeitige Texte als Gegenbeweise zu gebrauchen,
verweise ich auf Brugsch Recueil XLIX e 3 — 4: ... „sie sagen,
indem sie erheben (s-aa) Seine Majestät, indem sie besingen seine
Siege" — XLVII f 5 — 6: . . . „sie sagen, indem sie besingen
(sosh) Seine Majestät, indem sie erheben seine Tapferkeit".
Hier ist überall das causative s an der Spitze, um aus den Adjec¬
tiven aa, osh und rex entsprechende Verba zu bilden; auch sind
beide Verba durch die Papyrusrolle determinirt, die bei geistigen
Laulk , der UokeprieUer und Oberbaumeister Hokenehons. 561
Vorgängen, bei Rede nnd Schrift angewendet wird. Endlich
hiesse es den Geist aller semit. wie der ägypt. Poesie verkennen,
wollte man den Parallelismns der Glieder übersehen*).
13. „Venant derriere moi de millions d'annees en millions
d'ann^es, apr^s vieillesse et caducit^" (Euph^misme pour exprimer
la mort). Der' kauernde Mann mit erhobenen Armen und dem
Zeichen des Jahres auf dem Haupte hat hier den abschliessenden
Strich beide Male zur Seite, wodnrch die Periode ausgedrückt
wird, vermuthungsweise von mir dnrch das kopt. Kinp lantirt.
Wenn H. Deviria bei wiederholter Uebersetzung dieser Stdle im
Octoberhefte der Revne arcb. p. 269 das possessive Pronomen er¬
gänzt, „apr6s m a vieillesse et m a caducity", so ist zu bemerken, dass
von dieser Beziehung auf die Person des Bokenchons im Originale
nicht die geringste Spur vorliegt. Offenbar werden die Alten an¬
geredet, wie auf der Stele des Petharpokrates im kgl. Antiquarinm:
„0 ihr Lebenden, ihr Alten (uney) des Landes, Jeder von euch,
der vorbeigeht an diesem Heiligthnme (Grabe), dessen Mund kennet
die weisen Sprüche des Landes in seiner Weite — jeder Schreiber,
der da erkläret Texte, jeder Eintretende zn den Hieroglyphen,
stehet nnd hdret etc." Ein ganz Ähnlicher Text findet sich bei
Brngsch Reiseberichte p. 70: „0! die ihr lebt, ihr Alten, ihr
Schriftgelehrten ttnd Schreiber, ihr Priester und ihr Propheten der
Tempel etc." Auf einer sehr werthrollen Stele der kgl. Glyptothek
aiks der Zeit des KOnigs Amenophis-Memnon heisst es in dem Oe-
bete des Basilikogrammaten Hni: „Gieb Verkostung der Lnft meinem
Verlangen, gieb dass ich erreiche den Ort seines (des Sebcknecht)
Wandeins, am Stabe des gesegneten Greises, dass ich mich ver¬
einige mit meinem Vater in seinem Heiligthume!"
Wm das Wort »'ga'og fractus, ruptus („membra labore") be¬
trifft , 80 Steht es anch in dem magischen Papyms des H. Harris
(Chabas tab. VHI erstes Wort) nnd bei Brugsch (Recueil XXXVHI
9), wo von dem Chons als Mondgottheit behauptet wird: er sei
»ah (log) der Mond in seiner Schönheit von seiner Jngend (*pö^)
an, ein kochender (glühender?) Stier in seinem Alter (*^^oj^).
14. „Que leur coeur soit satisfait eh consid*rant mes dignit^s !"
Die Fügung ist relativ, wie nnmittelbai' vorher „da* Seiende, welches
auf Erden" d. h. das Irdische, Vergängliche. Da nun anch jede
Spur des prön. poss. der ersten Person äuf dem Steine fehlt, so
brauche ich meine Uebersetzung nicht weiter zu rechtfertigen.
15. Diese Stelle mft augenblicklich die Parallele ans der von
de Rougd zergliederten' und für die Eiltwicklung der Aegyptologie
so förderlichen „Inscriptien du tombeau d'Ahmfes, chef des nauton¬
niers" ins Gedächtuiss und Ich dachte daher, bei der Verletzung des
Steines gerade in dieser Grappe, unmittelbar an die Ergänzung zn
*] In leinom Hteotre biogr. hat H. DeT<ria diM«n Varrtoss «ascament
}62 Lautk , der Hohepriester und Obei baumeister Bokenehons.
£uic carmen, historia Allein eine genauere Untersuchung über¬
zeugte mich, dass in der Mitte eiu deutliches a, am Ende der
untere Theil des Beiues b, und als Anlaut die Spur eines Zeichens
vorhanden ist, das mit dem hierogl. h vereinbar scheiut und glaube
daher hab (gaife = opu8) einsetzen zu dürfen. Doch ist H. Deveria's
qa persona zulässig, mnss aber dann als «'h (^ot'?) im Sinne von
Rolle aufgefasst werden.
16. „d'enfant intelligent". Allerdings hat aker neben seiner
Bedeutung „siegreich" — mau vergleiche Nit - aker = iViTwxp«(
— Ii4&r]*ü vt»r}(f !igo<; bei Eratostheues — auch die von sapiens,
was zum Doppelcbarakter der Minerva vortrefflich passt. Aber so
wie valde und „sehr" (cf. „versehren") wird auch «"po — aker für
die Steigerung der Begriffe verwendet. Und warum sollte denn
gerade das Kind in den ersten 4 Jahren seines Daseins das Prädikat
„intelligent" verdienen? Eher wäre noch an „discens" zu denken, das mir wirklich eine Zeitlang vorschwebte. In meinem 1857 beiLindaner zu München in Commission erschienenen „Germanischen Rnnen-Fudark"
p. 166 habe ich aus ähnlichem Grunde das deutsche Wort „Fratj;"
(goth. frasts) von fra-atjan (fressen?), nicht aber mit J. Grimm
von firatbjan (fröds), das deu ,J)enkenden" bedeuten wtlrde, herge)eitet.
17. Ich habe diesen Ausdruck nur als einen analogen,
nicht als einen congruenten gewählt-, denn im Grunde enthält
das Wort „Dutzend" den Begriff einer fixen und sich wiederholenden
Grösse, was bei dem hierogl. XII nicht der Fall ist. Uebrigens
fehlt auch im Texte das Wort „Jahr"
18. Die Kalbsnase mit der Lautung xent, wie unter 21
dargethan wird, ist hier durch den Halbkreis und den Hausplan
determinirt. Die ihr ganz ähnliche Gruppe des Papyrus magique
hat Chabas p. 170, 5 mit „officine, atelier, lieu de travail" über¬
setzt. Das koptische con-vq meusura schien mir die erforderlichen Bedingungen zu vereinigen.
19. Die Hieroglyphe des Fuchskopfes ist bisher nur un¬
vollständig erklärt worden. Ich erkenne darin das kopt. 6e.igop
vulpes, das, wie die Glosse des Hesychius ßuaaÜQiu (ßaoaügtj) t«
ithontxiu zeigt, urspi-ünglich basar*) lautete, im Gegensatz zu oT^op
Hund, sab (3NT) Schakal, oyiunja lupus. Verwechslungen dieser
Namen und Thiere faudeu gerade so statt wie zwischen vulpes
und Wolf imd bei den Farben zwischen fiavus und blau. Im
Todtenb. 90, 3 steht der Fuchskopf auf einer Stange in Parallele
zu *.nc das Haupt: „abzuschneiden dein Haupt (Sdiädel), abzutren¬
nen deinen Scheitel". Ich vergleiche hiemit das kopt. oTpegcoi
culmen tectum. Durch den Holzknorren determinirt, bedeutet
der Fuchskopf augenscheinlich Ruder feoccp. Folgt der bewaffnete
Arm auf diese [wegen des oft als Anlaut vorstehenden Hnhns mit
*) ti«.pc<i,pi«.c steht offenbar fUr basar-ia«.
<La*lh > äer Hohepriester und Oberbaumeisler Hokenehons. 563
T c 8 u r zu lautirende] Gruppe, so ist es das Ifopt oYcgce^-^wi jubere, imperare, potens. Die Bedeutung „ puissant" gegen Cliämpollions
gardien" oder „soutien" ist durch De Roug6 längst erwiesen. Ich
erblicke in oycgc^-gm ein Compositum wie vol-uptas oder velle-
jubere. Gräcisirt und nach Einbusse des finalen r musste vesu zu
dnv- werden, wie ocp remus nahe legt. Da 'nun im Vor- und
Thronnamen (des Sesostris), den unser Bokenchons bezeichnender
■yVeise auf der bevorzugten rechten Schulter trägt, auf vesu die
Göttin Mat folgt, so glaubte ich Diodor's Osymandyas um so mehr
hieher ziehen zu dtlrfen, als es sich um Bauten dieses Königs handelt;
den letzten Theil -rüvac lasse ich unerörtert.
20. Dass ein Pylon gemeint ist, ergibt sich nicht nur aus
dem Bilde selbst, sondern auch aus dem zweimal darauf zu beziehen¬
den Pron. fem. s, welches zu Sebex-t, dem Ampliativum von cfk
porta, vortrefflich passt. Um den Zusammenhang etwas begreiflicher
zu machen, erinnere ich daran, dass die Inschrift von Rosette in
ähnlicher Weise die dem Ptolemaeus Epiphanes über seine fünf
Namen (daher wohl das fünftägige Fest vom Isten bis öten Thoth
Z. 12?) beigelegten Ehrentitel an die Statuen dieses Königs
anknüpft. Zeile 6 heisst es „das Bildniss des Königs (xentu) soll
genannt werden „Ptolmis anut U?at(ente) bol?f pu Ptolmis xei
(ujiog vindicta) oder xetxot (xoftu en kemi)" = „Ptolemaeus welcher
rächt das hl. Auge d. h. Ptolemaeus welcher si^hlägt die Feinde
Aegyptens", wo der griechische Text Z. 33 in kürzerer Fassung
bloss nruXtfiuiov TOV tnuf.ivvuvrog rrjt Aiyunsmi sagt. Zeile 10
ist von der Kapelle des Königs die Rede, die kenntlich gemacht
werden soll „ort tarir tov ßnatXiug tov fnitfiuvr] nonjaavTog Tijv
Tf avo) x">pav xat T7]r xhtiü (Z. 46). Im entsprechenden hierogl.
Texte ist dies doppelt ausgedrückt: eiumal durch Geier-Uraens auf
dem Zeichen neb, also: „Herr des Hoch- und des Niederlandes",
dann durch die beiden Theile des \iix,tvT hat und de sxer über
dem Zeichen Land und davor die Gruppe s-hnz coei-r, welche
illustris, clarificare bedeutet und wirklich durch die strahlende Sonne
determinirt ist — also : „der hell macht die beiden Läuder, das der
weissen und das der rothen Kroue". Der griechische Uebersetzer hat
auch an dieser Stelle durch sein tnKpuvtj eine Anspielung auf den
Beinamen 'Eni<fuvi]( beabsichtigt, den jedoch als Pere (nipc oriri
splendere) der König neben dem Titel Ei/ägiaiot (neb nefro)
schon früher, vielleicht bei seiner Thronbesteigung, erhalten hatte.
Um auf unsern Ramses-Sesostris (entstanden aus dem
Ra-sest-su durch Umstellung in Se-sust-ra Paj). Anastasi I) zurück¬
zukommen, dem Bokenchons einen Pylon, genannt „Ramessu - Mera-
mun ( Mirifiovv des Josephus) xent nahte" erbaute, so fehlt es nicht
an Beispielen ähnlicher Titel, die ihm aus Anlass gewisser Bauten
zuerkannt wurden. So lese ich bei Brugsch Recueil XII, 1 dass
Ramses wegen einer dem abydenischen Osiris errichteten clsc-Pforte
564 tttuth, der Hohtfrietter und OberbaumeisUr Bokenchont.
aus schwarzem Steine (Granit) mit goldenen Thürflügeln den Namen
hnem-heh „ewiger Geist" erhielt. Auf derselben Tafel Nr. 2 empfängt
derselbe König wegeh einer dem nämlichen Gotte erbauten „grossen
Pforte von Syenitgestein mit eisernen (oder bronzenen) ThürflOgeln"
den Ehrentitel „men meuu em (besp) Abz" Errichter von Monu¬
menten im thinitiscben Gaue. Dieser Titel steht auch bei Brugsch
Geographie d. a. Aeg. III, Taf XII, 1. Es ist sonach ganz in der
Ordnung, dass der von Bokenchons errichtete Pylon einen weiteren
Ehrentitel des Königs Ramses-Sesostris euthält. Ich lese xent nahte, weil die Kalb sna se*) (vgl. Aimierk. 18), wie durch das Demotiscbe in dem Titel des Osiris „xent Amenti" bewiesen ist, xent lautete nnd sich offenbar in dem kopt. ujo-it-re „nasus, nares" erhalten hat.
Der sonst noch vorkommende Name fent kann die Nase als
Athmangsorgan bezeichnen , während jgs.KTC die Nase ( rano;
= r^ooc des Gesichtes?) als hervorragenden Theil charakterisirt.
Jener Titel des Osiris ist längst richtig als „praeses Amenti = qui
praesidet Orco" aufgefasst worden; ich vergleiche desshalb das
sabidische cuin r praeesse und da von diesem Begriffe bis zu „prae¬
sidium der Schutz" nicht einmal ein halber Schritt ist, so werde
ich wohl mit meinem „Vertheidiger des Glaubens" das Richtige ge¬
troffen haben. H. D. übersetzt „qui 6conte le croyant" richtig,
wenn statt der Kalbsnase (xent) das Ochsenohr zn setzen
ist; letzteres hat allerdings nach Horapollo I, 47i tuvgov luj/ov
tiijfiadu — r^y üxofiv) nnd den Denkmälern die Bedeutung „hören"
und die Lautung „setem".
- 21. Diese Stelle ist, weil am Sockel befindlich, stark beschä¬
digt. Jedenfalls müssen hier Werke der Barmherzigkeit erwähnt
gewesen sein, da sonst unser Denkmal der stereotypen Formel ganz
entbehren würde. Herr D. ergänzt und übersetzt: „qni donne la
douceur au coeur (?) qui tend la main aux malheureux (?); ses bras
agissent, ponr le bien chaque jour". Was den ersten Theil betriM,
so stimmt meine Uebersetzung dem Sinne nach damit übereiu ; übri¬
gens gebe ich sie auch nur als conjectural. Für den zweiten Theil
glaubte ich eine Anspielung auf Todt. 19, 3 „Vou den Kränzen der
Rechtfertigung" zu erkennen, wo auch die beiden Arme, das
Gut und die Rechtfertigung in Verbindung gesetzt sind. Im
Texte habe ich statt „gerechtfertigt" überall „der Seelige" gesetzt,
um weiterem Ausholen enthoben zu sein ; es genüge die Hinweisnag
auf die Erklärui^ anderer Aegyptologen.
22. Diese Stelle ist sehr dnnkel; Bokenchons scheint sagen
zu wollen: „0 ihr Jungen und Erwachsenen, die ihr bloss in der
Gregcnwart d. h. in den Tag hinein lebt, wendet euern Sinn auf
•) Trot« mehrerer Versuche habe ich H. Deviria's „Ohr' auf dem Ori¬
ginale nicht finden kSnnen. Poch mnss ieh gestehen, dass aneh die „M*se*' nicht gftns dentlich ist
Lautk, ier Hoheprietter unä Oberbaumfi$ter llokenehoni. 563
den Gottesdienst und ziehet (durch Befolgen) Nutzen von meinem
guten Beispiele 1" H. D. hat: „Enfant ou homme mari^ qui prospfere
dans la vie, dont le bien est en ce jour comme hier et demain!
Qu'if se place derriere moi (qu'il suive mon exemple) puisque je
suis heureux: je suis depuis l'adolescence jusqu'i ce qu'arrive la
vieillesse " etc.
23. Dieser Wunsch muss offenbar auf einen Lebenden
gehen, kann sich also nicht auf Bokenchons den Verstorbenen
beziehen. Eine interessante Stele der kgl. Vereinigten Sammlungen
zu Mönchen, einem Recbtsgelehrteu Kaha angehörend, lässt darüber
keinen Zweifel. Es heisst daselbst: „gewähret mir (Thoth und
Mat mit dem Beinamen Mersegert) zu erreichen (pehu=:rnaig)
die 10 + 100 (sic) auf Erden!" Der berühmte Papyrus Prisse ent¬
hält p. XIX als Schluss der Abhandlung des Phthahhotep den
Wunsch : „Möge ich werden ein Alter auf Erden , möge ich erlangen
110 Jahre glücklicher Lebensdauer" Auf Seite XVI heisst es:
„Nimmt ein Sohn die Worte seines Vaters an, so wird er alt darum."
Auch bewegt sich das 4te der 10 Gebote in demselben Ideenkreise.
Es ist jedenfalls zu beachten, dass die Römer ein Saeculum von
110 Jahren kannten, wie aus des Horatius carmen saeculare v. 21
erhellt: „Certus undenos decies per annos
„Orbis ut cantus referatque hidos!"
24. Ich habe statt des völlig verschwundenen Namens den
„Baumeister der Monumente" U?a-Chons eingesetzt, weil dieser
auf der grossen Stele von Hamamat (Brugsch Histoire d'figypte
p. 259) als der Sohn und Nachfolger unseres Bokenchons auf¬
geführt ist, der selbst als der 2 Iste Ahn eines „directeur de l'archi-
tecture du pays entier, chef des constructions de la haute et de la
hasse figypte" Ra-hnum-het unter Amasis und Darins erscheint.
Herr Brugsch, welcher die Güte gehabt bat, mich nachträglich eben¬
falls auf dieses Factum aufmerksam zu machen, versichert 1. c,
dass die 25 Geschlechter eine ununterbrochene Filiation darstellen.
Wahrscheinlich ist die Fuchs gans oder das Ei oder das blosse
genitivische n dort angebracht. Ich habe auf der 9 Generationen
zählenden Stele des Petharpokrates im kgl. Antiquarinm zu MUn¬
chen den bestimmtesten Beweis gefunden, dass si wie 72 auch im
Sinne von Enkel vorkommt. Denn der Sohn Irit-uru, der die
Stele seinem Vater Petharpokrates gestiftet hat „er s-anx ran-f '
„um zu beleben den Namen desselben" heisst in der obern Legende
„si-f aa uer Irit-uru" sein ältester Sohn Irituru — „mes en nebt
par Chumi" geboren von der Hausherrin Chumi — „si en hos-ka
Irit-uru" Enkel des Sängers Irit-uru *) (seines gleichnamigen Gross¬
vaters). Rechnet man also mindestens 3 Geschlechter auf eiu Jahr-
*) Der Zusammenhang gestattet nicht „ si-(()en hos-ka Irituru " auf die Chumi zu beziehen ; denn i h r Vater ist üUsdrUclLlicb Z e d - h 0 genannt.
566 Laulh , dtr Hoheprietter uud Obei baumeitter Bokenchons,
hundert, so würde Bokenchons um 700 Jahre vor 627, also auf
1227 vor Christus fallen. Indess scheint mir dadurch nur die
untere Grenze gegeben zu sein, und obwohl nicht zu verschmähen,
ist diese Angabe doch keine streng chronologische zu nennen*).
Herr Deveria ergänzt den letzten Theil unseres Denkmals mit
dem Namen Bokenchons, was jedenfalls unstatthaft zu nennen
ist, da sowohl die Natur der Sache, als der verschiedene Titel
dagegen spricht. Die Gruppe des strahlenden Auges, deren Lesung
noch unbekannt ist, bezieht sie sich auf die Ueberwachung, Inspec¬
tion des Baues und entspricht dem „curante"? Bei Brugsch Recueil
XLIV, 17 und LXVI, 2 b ist die häufige Gruppe: „(em) gert ra
(enti ra nib)" durch die Ligatur der Scheibe mit dem Schemel aus¬
drückt, wie hier der Schemel unter dem Ange anzunehmen sein
möchte.
In der Ueberschrift habe ich nnsern Bokenchons einen
Zeitgenossen Mosis genannt. Es fragt sich, ob diese Zusam¬
menstellung vom wissenschaftlichen Standpunkte, der hier der allein
massgebende ist , gerechtfertigt werden könne. Man darf heutzutage
von der Voraussetzung ausgehen, dass keiner der besonneneu For¬
scher die Geschichtlichkeit des Exodus läugnet oder anzweifelt, nnd
dass dieses Ereigniss an das Ende der 20jährigen Regierung des
Pharao Meuephthah, des Sohnes von Ramses-Sesostris, der 66
Jahre herrschte , zu setzen sein dürfte. Dieses dnrch Bnnsen nad
Lepsius im Allgemeinen erhärtete Resnltat ward durch Brngsch
gesichert anf Grund des Baues der Stadt Ramses, der während der
5 ersten Jahre des Sesostris ausgeführt worden sein musste , weil der
siegreiche König ans Asien (Naher-el-Kelb , wo die Franzosen nach
verlässigem Berichte seine Schilder Gottlob! nicht zerstört haben,
wie englische Zeitungen im August 1861 berichteten) in dieser neu-
gegründeten Stadt einkehrte (Histoire d'Egypte p. 171 sqq.). Dazu
kommt nun die merkwürdige Bestätigung durch den Leydener Pa¬
pyrus Leemans I, 348, der in Zeile 6 von den „Aperiu, einem
fremdländischen Volke" spricht, „welche schleppen Steine zur
grossen Warte der Stadt Ramses". Brugsch hatte in seiner
Geographie III, 76, 77 die Wichtigkeit dieser Inschrift wohl er¬
kannt nnd alles an das Volk der Juden Anklingende richtig ver¬
muthet, nnr sich enthaltend, die Identität des Namens Aperiu nnd
der auf einem Denkmale (der XXVL Dynastie?) an der Strasse von
Hamamat als Steinbrecher beschäftigten 800 Apen, mit den
Ebräern zu behaupten. Dies geschah zuerst durch Chabas nach
der Revue arch. Avr. 1862. Da aber dieser Forscher das Alphabet
*) Ao« der UeberspringUng eines Gliedes vUrde sich dia Rechhnng nach Arbtinftt (ja 40 Jahren) begreifen lassau.
Lauth, der Hohepriesler und Oberbaumeieler Bokenchont. il&I
Brugsch's verwirft , so musste ihm jene Identität immerhin noch
problematisch bleiben. Was mich betrifft, so hatte ich mir gleich
nach dem Erscheinen der XIXten Lieferung des H. Leemans, zwar
nicht obige Stelle, sondern I, 349 angemerkt, wo es wörtlich heisst:
„mit den (fremden) Aperu, welche schleppen Stein
.... des Ramses Mer-Amun, des Königs in Men-nefer,
mit Nofretari". Diese Stelle eines Briefes, der einen
gewissen Keni-Amnn zum Verfasser hat, während der obengenannte
von zwei Schreibern: Bokenphthah und Kantsir ausgeht, ent¬
hält, ausser der Sicherung des Namens Aperu bei der Stadt
(Ramses), deren Bezeichnung in I, 348 nicht ganz verwischt ist, auch
noch den wichtigen Zusatz „dass der König Ramses mit der
Königin Nofretari (Mimuth) sich damals in Memphis aufhielt."
Es war also damals abwechselnd Theben oder Memphis die
Residenz. Diese Dualität spiegelt sich sowohl in den' dynastischen
Namen Mer-Amun (M/ujuot;»') und Mer-en-ptah (/lf*vo(p*äc>,
als auch in dem zu den Griechen gedrungenen Wiederhall, da bei
Homer Theben die Hauptrolle spielt, während Herodot II, 112
den Nachfolger des Sesostris nnd Otpwt (Pharao der Bibel) einen
avrip Mtf^tf'irtK nennt.
Ist es nun voreilig, den Titel „Vertheidiger des Glau¬
bens", welchen Ramses Sesostris auf unsrer Statue führt, mit den
religiösen Spannungen jener Zeit in Verbindnng zu bringen
und den Bokenchons einen Zeitgenossen Mosis zu nennen'r"*)
Doch von diesem und dem Exodus anderwärts ausführlicher. Jeden¬
falls ist so viel gewiss, dass Bokenchons als Oberbauraeister
den Massregeln nicbt fremd sein konnte, welche den Pharaonen
beliebten, ura das Wacbsthum der fremdländischen Ebräer durch
Prohnarbeit zurückzudämmen.
Es blieben aucb uach dem Auszüge der Aperiu noch immer
Semiten in Aegypten zurück. Ein lehireiches Beispiel bietet der
Papyrus Lee-Rollin **), welcber das Todesurtheil wegen Zauberei
enthäft gegen einen Penhuiban, der sich mit Beihülfe eines
Steinmetzen Athi rom (ein offenbar semitischer Name!) die Bücher
dazu aus dem Palaste des Ramses III. entwendet hatte. Die herr¬
liche Erzählung Herodots II, 121 von dem schlauen Diebe des
'^Pa^ixptviTOf (= Ramses III.) hat dadurch für mich einen neuen
Reiz gewonnen.
Dieselbe Bemerkung macht H. Chabäs in seinen melanges
6gyptol. nach der Versicherung Brugsch's iu seiner neuesten,
höchst lehrreichen Abhandlung : „ T a n i s = A v a r i s " Ztschr. f. allgem.
•) Auch wenn H. Deveria's „Sutern nahti =; qui ecoute le croyant" richtig ist, bleibt die Beziebung auf den A nionsdienst ; ja sic wird noch inniger, weil der Ehrentitel sich dann an den Beinamiiu Mer-Ainun anschliesst: ,, Lieb¬
ling des Amon, welcher erhöret den Oläubigcn."
**) Cf. Chabas le pap. magique Harris p. 169 sqq.
568 LautU, der Uuheprietter und Oberbaumeialer Hokenehons.
Erdk. XII) über die 800 Aperu, welche unter Ramses IV bei den
Steinarbeiten von Hamamat, in Oberägypten beschäftigt erschemen.
Was Brugsch in diesen> neuen Beitrage, ausser dem grossen und
unbestreitbaren Verdienste, zuerst die Ausgrabungen in Sän durch
H. Mariette angeregt zu haben, für die Hykshosepoche Neues und
Brauchbares geliefert hat, kann nicht hoch genug angeschlagen werden.
Er bestätigt in erwünschter Weise, dass ich recht hatte, bereits
18(50 in einer Zuschiift an Herm Vic. de Rouge [wie,mir dieser
Gelehrte nöthigenfalls bezeugen würde], die Nr. 112 des Turiner
Papyms auf die (einzige) Hykshos dynastie, die XV. Manetho's zu
beziehen. Die von mir beigezogenen ;Nummern 109, 117, 144, 148
desselben Papyrus, so. wie der Umstand, dass ich hier (in Mttnchen)
die betreffenden Werke in der Regel etwas später erst benutzen
kann, bürgen dafür, dass ich jene Entdeckung unabhängig gemacht
hatte. Ich hatte in jenem französisch geschriebenen, gegenwärtig
noch in Paris befindlichen Aufsatze zugleich meine Ansicht über die
Hykshsos dahin ausgesprochen, dass sie im 193. Jahre der mit
der XIV. gleichzeitigen XIII. Dynastie unter dem Diospoliten-Könige
Amun-em-tais (dessen Schild ich unlängst gefundeu habe) iu
Aegypten einfielen und dürcb Amosis, das Haupt der XVL Dynastie,
nach 2G0 jähriger Herrschaft vertrieben wurden, also nur eine ein¬
zige , die XV. Dyn. Manetho's , "bilden. Die bisherige XVIII. Dyn.
zerfiel mir sonach in drei Dynastien, deren Abschnitte durch die
weiblichen Regierungen: der '.-int f a ig {yvvi^), der lixty/piig
(&vyun]p) und durch den Pharao des Exodus : Menephthah sich
von selbst ergeben. Den Beweis für die Richtigkeit dieser meiner
Ansicht entnahm ich aus den Summen der Könige, wie sie am Ende
des U. Bandes bei Africanus und Eusebius stehen : 96 — 92. Erstere
entziffert sich aus 7-f60-|-6-)-16+7 welche den ,Dyn. XII, XIU,
XV, xvm, XIX, letztere aus 7-f-60-|-4-|-16+5, welche den Dyn.
XII, XIH, XVII, XVIU, XIX entsprecben. Damit ist die XIV. als
gleichzeitige, XVI und XVII des Africanus, XV und XVI des Eu¬
sebius als widerrechtlich eingedrangene ausgeschieden.
Möge H. Dr. Brngsch , dem die Aegyptologie schon so Vieles
verdankt, sich durch vorstehende Abhandlung veranlasst fühlen, im
kgl. Museum von Berlin die Inschriften am Sarge des „Obersten
der Wächter von Diospolis" Bokenchons (Geograph. I, p. 194)
genau zu, prüfen, ob vielleicht Identität der Person mit unserai
Bokenchons vorliegt. Die Wichtigkeit unseres Denkmales, durch
die Behandlung dreier franz. Gelehrten (Dev6ria, Baillet (de Saulcy),
de Rouge Rev. arch. Janv. 1863) hinlänglich documentirt, dürfte
diesen Wunsch genügend rechtfertigen.