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Christian Grethlein. Taufpraxis in Geschichte, Gegenwart und Zukunft

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Christian Grethlein

Taufpraxis in Geschichte,

Gegenwart und Zukunft

Ta uf pr ax is i n G es ch ic h te , G eg en w ar t u n d Z uk un ft G re th le in

Taufpraxis vollzieht sich in Kontinuität und Wandel. Die diskurstheoretische Ana- lyse ihrer Geschichte ergibt eine Span- nung zwischen der Offenheit des Evange- liums und rechtlichen Exklusionen. Aus dem Ritus der Nachfolge Jesu wurde ein kirchlicher Rechtsakt. Heute wandelt sich die teilweise erzwungene Selbstverständ-

lichkeit der Taufe in eine freiwillige Op- tion. Dies ist eine Chance für die Reform von Kirche. Ein komparativer Ausblick in die Ökumene führt zu neuen Perspektiven.

Aktuelle Reformvorschläge gehen vom konkreten Taufvollzug aus. Er eröffnet mit seinen traditionellen Zeichen einen dyna- mischen Kommunikationsraum.

ISBN 978-3-374-03881-7

EUR 38,00 [D]

9 7 8 3 3 7 4 0 3 8 8 1 7

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Taufpraxis in Geschichte, Gegenwart und Zukunft

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Christian Grethlein

Taufpraxis in Geschichte, Gegenwart und Zukunft

EVANGELISCHE VERLAGS ANSTALT

Leipzig

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig Printed in Germany · H 7769

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.

Cover: Zacharias Bähring, Leipzig Satz: Steffi Glauche, Leipzig

Druck und Binden: Hubert & Co., Göttingen ISBN 978-3-374-03881-7

www.eva-leipzig.de

Christian Grethlein, Dr. theol., Jahrgang 1954, ist seit 1997 Professor für Praktische Theologie an der Evangelisch-Theo- logischen Fakultät in Münster. Er wurde 1980 zum evange- lisch-lutherischen Pfarrer ordiniert. 1991 begründete er die

»Arbeiten zur Praktischen Theologie«, seit 1992 gehört er zum Herausgeberkollegium der ThLZ und seit 1997 zu dem der ZThK und des IJPT. Er war von 1999 bis 2007 Fachberater bei der vierten Auflage der RGG; von 2002 bis 2007 Mit - herausgeber der TRE. Von 1999 bis 2004 leitete er die (Lu- therische) Liturgische Konferenz und von 2006 bis 2009 den Evangelisch-Theologischen Fakultätentag. Von 2010 bis 2012 erhielt er das Opus-magnum-Grant der VolkswagenStiftung.

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Vorwort

Das Thema der Taufpraxis begleitet mich seit Beginn meines Theologie-Stu- diums. Nach meinem ersten Semester (1973/74) hatte ich eine neutestament- liche Proseminar-Arbeit zu Mt 28,16–20 zu schreiben – und seitdem beschäf- tigt mich »Taufe«. Biografisch warf die Geburt unserer beiden Kinder Jonas und Hannah die damals theologisch virulente Frage auf, ob man kleine Kinder taufen dürfe. Die dadurch angeregte Beschäftigung mündete in meine Habi- litationsschrift zur »Taufpraxis heute« (1986). Von daher ist dieses Buch für mich auch ein Ergebnis des Wegs, den ich in den letzten 30 Jahren im Bereich universitärer Praktischer Theologie zurücklegte.

Inzwischen hat die Geburt meiner beiden Enkelinnen Merle und Philine mich von Neuem persönlich zu dem Thema geführt. Ich wurde gebeten, sie zu taufen. Und damit stellte sich für mich die Frage nach einer angemessenen Taufpraxis für Menschen, die vielleicht das 22. Jahrhundert erreichen werden, noch einmal neu.

Die jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Thema Taufe ist eng mit dem Gespräch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen verbunden. Sie waren und sind, obgleich jünger als ich, oft meine praktisch-theologischen Lehr- meister. Dafür bin ich sehr dankbar. Diesmal lasen Franziska Beetschen, Michael Domsgen, Lutz Friedrichs, Erhard Holze, Christine Jürgens, Claudia Rüdiger und Marcell Saß das Manuskript vorab und gaben mir wichtige Hinweise zur Verbesserung. Vielen Dank! Zum anderen macht mich die lange Arbeit am Thema Taufpraxis – ich muss es gestehen – ungeduldig: In den sog. Gemeindegottesdienst »eingeschobene« Taufen sind für mich schwer er- träglich, pastorale Kritik an der angeblichen Oberflächlichkeit der »Leute«

macht mich traurig, das Gerede von »Taufquoten« ärgerlich.

So beabsichtige ich in diesem Buch zweierlei: Ich möchte dem lebenser- schließenden Potenzial von Taufe auf die Spur kommen. Zugleich forsche ich danach, was dessen Rezeption im Weg steht. Oder mit den Worten von vor 30 Jahren: Ich lege »Praktisch-theologische Überlegungen zu einer theolo- gisch verantworteten Gestaltung der Taufpraxis im Raum der EKD« vor. Dies ist – wieder einmal – nur ein unvollkommener Versuch. Die Leser und Lese- rinnen mögen entscheiden, ob ich in den letzten Jahrzehnten vorangekommen bin – oder mich vielleicht verirrt habe. Für beides bietet die Geschichte der Tauf-Theologie zahlreiche Beispiele. Formal sei darauf hingewiesen, dass bei Zitaten generell keine Kursivschreibungen oder Fettdrucke übernommen wur-

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den, weil hierfür jeweils recht unterschiedliche Kriterien zu herrschen schei- nen. Jeder Kursivdruck geht auf mich zurück. Hinsichtlich der Abkürzungen sei auf das Abkürzungsverzeichnis der 4RGG verwiesen.

Gewidmet sei dieses Buch meinem Bruder Thomas Johannes Grethlein.

Ich verdanke ihm viel.

Münster, im Januar 2014 Christian Grethlein Vorwort

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Inhalt

Taufpraxis – in Geschichte, Gegenwart und Zukunft . . . 9

I  Taufpraxis in der Geschichte: Kontinuität und Wandel

. . . 11

1  Von der mimetischen Lebenswende zum Eintritt in die Kirche (bis 300) . . . 18

2  Ausbreitung und Reduktion (300–600) . . . 33

3  Entwicklung zum formalisierten staatlichen Zwangsritual (600–900) . . . 42

4  Teil des dominanten Christentums (900–1200). . . 48

5  Zwischen Scholastik und Volksfrömmigkeit (1200–1500) . . . 52

6  Orientierung für den Menschen (1500–1800) . . . 58

7  In einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft (1800–1990). . . 70

8  Zusammenfassung . . . 82

II  Taufpraxis in der Gegenwart: Pluriformität zwischen Selbstverständlichkeit und Optionalität

. . . 84

1  Empirisch: zwischen Kontinuität und Wandel . . . 86

2  Kirchenamtlich: rechtliche Bestimmungen und kirchenleitende Orientierungen . . . 109

3  Komparativ: Ökumene . . . 124

4  Praktisch: Anregungen und Modelle. . . 141

5  Zusammenfassung . . . 153

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III Taufpraxis in der Zukunft:

kommunikatives und lebenspraktisches Potenzial

. . . . 157 1  Probleme eines exklusiven Bezugs auf Kirche. . . 159 2  Kommunikation des Evangeliums als konzeptioneller Rahmen . . . . 165 3  Zeichen in der Taufliturgie als Grundlage für das Verstehen

des Christseins . . . 182 4  Ausblick: Taufpraxis als Orientierung für Kirche . . . 191

Register. . . 197 Inhalt

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Taufpraxis – in Geschichte, Gegenwart und Zukunft

Die Taufe gehört nach allgemeiner Auffassung konstitutiv zum Christsein. So konstatiert der römisch-katholische Liturgiewissenschaftler Reinhard Meßner:

»Der Taufgottesdienst bringt den Status des Christseins symbolisch zur Dar- stellung und bewirkt ihn dadurch. Christsein und Kirche sind ohne Taufe – ohne den Prozeß der Initiation – undenkbar.«1

Dass dies auch der Einstellung der heutigen Evangelischen entspricht, zeigt ein Resultat der Kirchenmitgliedschaftsbefragung in der EKD (Evange- lische Kirche in Deutschland). Demnach bejahen über 90 % von ihnen das Item: »Es gehört unbedingt (sc. zum Evangelischsein, C. G.) dazu, dass man getauft ist.«2Tatsächlich sind seit vielen Jahrhunderten die meisten der im Gebiet des heutigen Deutschland lebenden Menschen getauft, allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden. Auch scheinen jüngere Menschen be- sonders an der Taufe und ihrer Bedeutung interessiert. So rangierte bei einer repräsentativen Umfrage unter Konfirmanden und Konfirmandinnen die Taufe unter den theologischen Themen mit großem Abstand ganz vorn.3 Schließlich zeigten die im Zuge des EKD-weiten Jahres der Taufe (2011) ge- feierten Tauffeste deren große Popularität. Nicht selten beteiligten sich etliche hundert Menschen an diesen Gottesdiensten.

Theologisch scheint die Taufe ebenfalls ein Erfolgsmodell zu sein. Frühere erbitterte Auseinandersetzungen über ihre gegenseitige Anerkennung zwi- schen den verschiedenen Kirchen treten hinter der Einsicht zurück, dass die

1 Reinhard Meßner, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn ²2009, 60. Im Folgenden bevorzuge ich aus den im dritten Teil (3.2) genannten Gründen den Begriff des Zeichens gegenüber dem häufig verwendeten Symbolbegriff. Allerdings findet sich dieser in der Literatur und wird dann auch von mir aufgenommen. Sachlich entscheidend ist, dass die dreistellige Relation (Signifikant, Signifikat, Zeichen) und damit die kommunika- tive Struktur von Zeichen (Symbolen) bewusst ist.

2 Wolfgang Huber/Johannes Friedrich/Peter Steinacker (Hg.), Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge. Die vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Gütersloh 2006, 440.

3 Wolfgang Ilg/Friedrich Schweitzer/Volker Elsenbast, Konfirmandenarbeit in Deutsch- land. Empirische Einblicke – Herausforderungen – Perspektiven. Mit Beiträgen aus den Landeskirchen (Konfirmandenarbeit erforschen und gestalten 3), Gütersloh 2009, 367 (Cl01).

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Taufe den Grundstein für ökumenische Gemeinsamkeit bildet. Einen feier - lichen Ausdruck erhielt in Deutschland diese Entwicklung 2007 durch die Unterzeichnung der sog. Magdeburger Erklärung. Hier versicherten Vertreter von elf Kirchen aus der protestantischen, katholischen und orthodoxen Tra- dition u. a.:

»Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe.«4

Doch ist zum einen nicht zu übersehen, dass sich in der pluralistischen deut- schen Gesellschaft die bisherige Selbstverständlichkeit des Getauftseins zu einer Optionwandelt. Es leben mittlerweile viele Menschen in Deutschland jenseits von Christentum und Taufe: vor allem die nach wie vor gegenüber religiösen Überzeugungen skeptische Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung sowie die zunehmende Zahl muslimischer Mitbürger und Mitbürgerinnen.

Zum anderen entdeckt ein genauerer Blick auf die konkrete pastorale Praxis in den evangelischen Kirchengemeinden Deutschlands erhebliche Kon- flikte im Umfeld der Taufe. Hier ist zuerst das seit Ende der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts auf Grund der hohen Zahl von Kirchenaustritten5beste- hende Phänomen von mehreren Millionen Menschen zu nennen, die zwar getauft wurden, aber nicht (mehr) zur verfassten Kirche gehören. Wohl fast jeder Pfarrer/jede Pfarrerin kann von diesbezüglichen Auseinandersetzungen im Umfeld der Kasualien berichten. Darf bzw. soll ein getaufter, aber aus der Kirche ausgetretener Mensch kirchlich bestattet werden u. ä.? Besonders das in den meisten Kirchenordnungen vorgeschriebene Patenamt erweist sich aktuell als Konfliktpunkt. Die Zahl der Eltern, die für ihr Kind die Taufe be- gehren, aber keine Kirchenmitglieder als Paten bzw. Patinnen benennen (kön- nen), nimmt offenkundig zu. Auch Lockerungen der kirchenrechtlichen Be- stimmungen hinsichtlich des »Evangelischseins« von Paten stellen keine grundlegende Lösung dar. Denn manche Eltern können überhaupt keine Paten mit irgendeiner Kirchenmitgliedschaft aufbieten, wünschen aber die Taufe für ihr Kind.

Taufpraxis – in Geschichte, Gegenwart und Zukunft 10

4 Zitiert nach Presse-Mitteilung der EKD vom 23. April 2007.

5 S. die diesbezüglichen grafischen Übersichten sowie die Interpretation bei Jan Her- melink, Kirchenaustritt: Bedingungen, Begründungen, Handlungsoptionen, in: Ders./

Thorsten Latzel (Hg.), Kirche empirisch. Ein Werkbuch zur vierten EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft und zu anderen empirischen Studien, Gütersloh 2008, 95–116.

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Diese knappen Schlaglichter zeigen: Taufe besitzt eine hohe Attraktivität für viele Menschen in unserer Gesellschaft. Sie ist aber keineswegs selbst- verständlich, vielmehr muss ihr Inhalt überzeugend kommuniziert werden.

Die genannten Probleme im Bereich der Kirchenordnung fordern darüber hinaus eine nähere Bestimmung des Verhältnisses von Taufe und Kirche bzw.

Gemeinde.

Mit den Überlegungen in diesem Buch will ich die Taufpraxis der evan- gelischen Landeskirchen in Deutschland konzeptionell so bestimmen, dass sie die Kommunikation des Evangeliums fördert. Dabei dient der Begriff

»Taufpraxis« zum einen dazu, den prozessualen Grundcharakter des Taufens zu markieren. Zu diesem Vollzug gehören – teilweise jahrelange – Vorberei- tungen sowie grundsätzlich lebenslange Erinnerungen. Insofern enthält eine Theorie des Taufens in nuce eine Theorie des Christseins. Zum anderen macht

»Taufpraxis« auf die Unterschiedlichkeit des Taufens aufmerksam. Am au- genfälligsten wird dies, wenn man die Taufe eines Säuglings mit der eines Erwachsenen vergleicht. Aber auch die verschiedenen Milieuzugehörigkeiten, unterschiedliche kognitive Begabungen u. ä. spielen für die konkrete Feier sowie deren Vor- und Nachbereitung eine wichtige Rolle. Theologisch wird diese Pluriformität traditionell in der Verhältnisbestimmung von Taufe und Glauben diskutiert.

Um die so verstandene Taufpraxis zu erfassen, ist zuerst ein Blick in die Christentumsgeschichte hilfreich. Er ergibt ein vielschichtiges Bild inhalt - licher und kommunikativer Transformationen der Taufe, um dem jeweiligen Kontext bzw. bestimmten Diskursen gerecht zu werden. Dabei wirken ent- sprechende Deutungen und Ausdrucksformen sowie Exklusionen teilweise noch weiter, wenn sich der Kontext verändert, in dem sie entstanden und auf den sie bezogen waren. Diesen Entwicklungen kommt man methodisch am besten durch eine Retrospektive auf die Spur, die kontextuell nach dem Zu- sammenhang von Taufpraxis und den jeweiligen Herausforderungen für die Gestaltung des (christlichen) Lebens fragt. Dabei sind Anregungen für die heutige Praxis zu erwarten, aber auch Einsichten in Gefährdungen von Taufe.

Eine solche Analyse ermöglicht, die gegenwärtige Situation der Taufpraxis differenziert zu erfassen. Hierzu gehört ein komparativer Blick auf andere Konfessionen (in ihren jeweiligen Kontexten). Denn er eröffnet einen Zugang zu Verständnis- und Gestaltungsmöglichkeiten, die evangelische Taufpraxis anregen können – vielleicht auch durch und im Widerspruch. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Taufpraxis im Raum der EKD genauer zu erfassen.

Konkret kristallisiert sich dabei u. a. die Gestaltung eines angemessenen Kir- chenmitgliedschaftsrechts als eine wichtige kirchentheoretische und -recht- Taufpraxis – in Geschichte, Gegenwart und Zukunft 11

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liche Aufgabe heraus. Neuere praktisch-theologische Konzepte sowie reli - gionssoziologische Einsichten sind dabei aufzunehmen.

Diese Überlegungen münden schließlich in einen handlungsorientieren- den Teil, der das lebenspraktische und theologische Potenzial von Taufe für die zukünftige Kommunikation des Evangeliums fruchtbar machen möchte.

Dabei geht es um Hinweise, die sich den imVorhergehenden erarbeiteten Ein- sichten und gegenwärtigen Reformbemühungen verdanken.

In den Argumentationen auf diesen drei Ebenen leitet mich durchgehend die Einsicht in den Kontextbezug jeder Kommunikation. Ronald Grimes for- mulierte klar die sich daraus für den Bereich rituellen Handelns ergebende Dramatik:

»But rites do not thrive in a vacuum. They change as cultural values and world- views change. If they do not, they lost their relevance and die. To live, rites and the traditions they mediate need constant revision. A living rite at once connects with tradition and is attuned to significant shifts in fundamental values and basic, orienting images.«6

Taufpraxis – in Geschichte, Gegenwart und Zukunft 12

6 Ronald Grimes, Deeply into the Bone. Re-Inventing Rites of Passage, Berkeley 2002 (2000), 60.

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I Taufpraxis in der Geschichte:

Kontinuität und Wandel

Grundlegende Literatur: Bruno Kleinheyer, Sakramentliche Feiern I. Die Feiern der Ein- gliederung in die Kirche (GDK 7,1), Regensburg 1989 – Reinhard Meßner, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn ²2009, 59–149 – Andreas Müller, Tauftheologie und Taufpraxis vom 2. bis zum 19. Jahrhundert, in: Markus Öhler (Hg.), Taufe (Themen der Theologie 5), Tübingen 2012, 83–135 – Martin Stringer, A Sociological History of Christian Worship, Cambridge 2005.

Das Taufen ist eine besondere Form der Kommunikation des Evangeliums.

Seit Beginn des Christentums verständigen sich Menschen mit Hilfe dieses Ritus7 über das Christsein. Dabei ist Folgendes für den Vollzug von Taufe konstitutiv:

– Die Unterscheidung von Täufling und Täufer, – die Verwendung von Wasser,

– der ausdrückliche Bezug auf Jesus Christus, – die Einmaligkeit der Handlung.

Jedes dieser beobachtbaren Merkmale enthält weitreichende Implikationen und eröffnet Räume zu Interpretation und Transformation:

Die Tatsache, dass christliche Taufe durch einen anderen Menschen voll- zogen werden muss, also – die in anderen Kulten übliche – Selbstwaschung ausgeschlossen ist, hebt die grundlegende Bedürftigkeitdes Menschen heraus.

7 Zum Ritus- und Ritualbegriff in praktisch-theologischem Kontext s. Thomas Klie, Fremde Heimat Liturgie. Ästhetik gottesdienstlicher Stücke (PTHe 104), Stuttgart 2010, 183–204.

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Das Wichtigste kann nur empfangen, nicht selbst geleistet werden.8Damit wird in elementarer Weise der Sozialität menschlichen Lebens Rechnung ge- tragen und zugleich der besondere kommunikative Charakter des Christseins zum Ausdruck gebracht.

Die Verwendung von Wasser schließt den Ritus in grundlegender Weise an die Leben erst ermöglichende materielle Welt an, theologisch formuliert:

an Schöpfung. Jeder Mensch ist auf Wasser angewiesen und zugleich durch es bedroht.9Religions- bzw. kulturgeschichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen der kultischen Verwendung von Wasser und der Unterscheidung von rein und unrein.

Eine besondere inhaltliche Ausrichtung erhält das Ritual durch den Ver- weis auf Jesus Christus. In der Taufe tritt der Mensch in eine explizite Bezie- hung zu dem Mann aus Nazareth.10Dieser ließ sich selbst am Jordan durch Johannes taufen. Damit begann nach den Berichten der Evangelien sein Wir- ken.

Schließlich impliziert die von Anfang an bestehende Einmaligkeit der Taufe ein besonderes Verhältnis zur Zeit. Vergangenheit, Gegenwart und Zu- kunft koinzidieren in einer besonderen Weise, die nicht wiederholbar ist.11 Auch die Gemeinschaften, die als Kinder anderweitig getaufte Menschen im Erwachsenenalter taufen, halten hieran fest. Denn sie behaupten die Ungül- tigkeit der früher vollzogenen Wasserhandlung.

Dazu traten im Lauf der Christentumsgeschichte noch weitere Ausdrucks- formen: Handauflegungen und Benediktionen, Salbungen, Exorzismen, Fuß- waschungen, besondere Kleidung usw. Sie sind ursprünglich jeweils auf diese vier Konstitutiva bezogen und stellen Kontextualisierungen des Taufens dar, mit entsprechender Eigendynamik.

Der praktisch-theologische12Zugang zum Taufen als einem kommunikati- ven Vollzug im Bereich der Daseins- und Wertorientierung bestimmt meine

Taufpraxis in der Geschichte: Kontinuität und Wandel 14

8 Systematisch gesehen ist die Taufe eine rituelle Gestalt dessen, was Paulus – und an ihn anschließend die Reformatoren – unter dem Begriff der Rechtfertigung als Lehre for- mulierte.

9 In systematischer Perspektive begegnet in der Taufe eine Verbindung von Schöp- fungs- und Heilshandeln.

10 Die Taufe ist eine rituelle Form biografiebezogener Christologie.

11 Systematisch gesehen führt die Taufe in das spezifische christliche Zeitverständnis ein.

12 In dogmatischer Hinsicht steht z. B. der Sakramentscharakter der Taufe im Mittel- punkt der Reflexion (s. zu den entsprechenden klassischen Positionen und deren Proble-

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