Physikalisches Praktikum für Anfänger (Hauptfach) – Teil 2 Gruppe 2 - Elektrizitätslehre
2.1 Elektrolytischer Trog
1 Einführung
Elektrische Ladungen erzeugen ein elektrisches Feld E. Ist die Ladung räumlich verteilt, so wird sie durch die Raumladungsdichte ρr beschrieben. Der Zusammenhang mit dem elektrischen Feld E ist im Vakuum durch die Maxwell-Gleichung
div D = bzw. div E = /0 (1)
gegeben. Da das elektrische Feld ein konservatives Vektorfeld ist, lässt es sich auf ein skalares Potenzial V zurückführen. Dabei gilt die Beziehung
E = − grad V . (2)
Die Verknüpfung der beiden Gleichungen (1) und (2) liefert dann für die Abhängigkeit des elektrischen Potenzials V von der Raumladung ρ die Poisson-Gleichung
div grad V = − /0 bzw. V = − /0 . (3)
Eine der Hauptaufgaben der Elektrostatik besteht nun darin, zu einer vorgegebenen räumlichen Ladungs - verteilung ρrdas zugehörige räumliche PotenzialfeldVrzu bestimmen. Eine geschlossene Lösung der Differentialgleichung (3) ist nur bei relativ einfachen Ladungsanordnungen möglich. Für viele andere spezielle Fälle gibt es auch Näherungslösungen. Bei komplizierten Ladungsverteilungen wird das Auffinden von Lösungen aber meist mathematisch sehr aufwendig oder kann nur noch numerisch erfolgen.
In solchen Fällen bevorzugt man eine experimentelle Lösung des Problems, indem der räumliche Verlauf des elektrischen Feldes und des Potenzials in einem Versuchsaufbau ausgemessen wird. Dabei werden Äquipotenzialflächen bzw. -linien nicht im Vakuum, sondern in einem Behälter mit einem schwach leitenden Medium, den als Elektrolytischen Trog bezeichnet, untersucht. Im vorliegenden Versuch wird als schwach leitender Elektrolyt Leitungswasser verwendet. Die verschiedenen räumlichen Ladungs- verteilungen werden durch Einbringen von geeignet geformten Elektroden, an denen unterschiedliche Potenziale liegen, realisiert. Entsprechend der vorgegebenen Potenzialdifferenz stellt sich nach Gl.(2) ein elektrisches Feld ein. Das ohmsche Gesetz in seiner Urform liefert dann eine Proportionalität zwischen Stromdichtevektorjund elektrischem Feldvektor E:
j = E. (4)
Der Proportionalitätsfaktor σ heißt spezifische Leitfähigkeit. Dieser Zusammenhang wird für die experimentelle Auffindung des Feldverlaufes ausgenutzt.
2 Messmethode
Die Äquipotenzialflächen bzw. -linien werden im Elektrolytischen Trog mit Hilfe der Poggendorfschen Kompensationsmethode gemessen (siehe Abb. 1). Durch das Anzeigeinstrument fließt genau dann kein Strom, wenn an den Punkten 1 und 2 gleiches Potenzial herrscht. Der Abgleich wird durch Verstellen des Potenziometers hergestellt. Da die Poten- zialmessung stromlos erfolgt, ergibt sich im Gegensatz zur Messung mit einem üblichen Voltmeter kein Messfehler durch Belastung mit dem endlichem Innenwiderstand.
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel
Abbildung 1:
Kompensationsschaltung
UTrog
U0 1 I
2
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Im Versuch wird das Potenziometer durch einen Spannungsteiler mit 20 gleichen Widerständen ersetzt. Die Spannung UTrog wird mit einer Sonde an einem bestimmten Punkt des Troges abgegriffen. Zum Ausmessen einer Potenziallinie wird am Spannungsteiler ein bestimmtes Potenzial vorgegeben und die zugehörige Äquipotenziallinie mit demselben Potenzial im Trog mit der Sonde „verfolgt”.
Der Elektrolyt wird durch Leitungswasser gebildet. Als Messspannung muss eine tonfrequente Wechselspannung verwendet werden. Bei Benutzung einer Gleich- spannung würde sich an den Elektroden eine sogenannte Debye-Schicht ausbilden, die zwar nur wenige Nanometer dick ist, aber einen Spannungsabfall im Bereich von 1 Volt erzeugt. Elektrolyse-Effekte spielen wegen der kleinen Spannungen nur eine untergeordnete Rolle.
Die Benutzung einer Wechselspannung hat zwar den Nachteil, dass die Information über die Richtung des Stromes und damit das Vorzeichen der Potenzialdifferenz verloren geht. Da aber nur der Null- durchgang der Potenzialdifferenz gesucht wird, ist eine Ermittlung des Vorzeichens bei den Messungen nicht erforderlich. Der
komplette Versuchsaufbau ist in Abb. 2 dargestellt. Als Nullanzeigeinstrument wird ein Oszilloskop verwendet.
Zur Vereinfachung der Messungen kann man Symmetrien der auszumessenden Felder durch Einfügen von Metall- bzw. Isolatorflächen in den Versuchsaufbau ausnutzen.
Metallflächen :
Wegen der hohen elektrischen Leitfähigkeit herrscht auf der metallischen Oberfläche stets konstantes Potenzial. Man kann demnach in ein Feld parallel zu den Äquipotenzialflächen - also senkrecht zu den Feldlinien - Metallflächen einfügen, ohne das Feld zu verändern. Liegt die Metallfläche auf Nullpotenzial, so verhält sich die Anordnung so, als ob eine spiegelbildliche Elektrodenanordnung jenseits der Platte läge.
Diese „Spiegelungsregel” wird beispielsweise bei der Zweidrahtleitung ausgenutzt.
Isolatorflächen :
Da wegen der geringen Leitfähigkeit alle Feldlinien an der Oberfläche verlaufen, stehen die Äquipotenziallinien senkrecht auf ihr. Man kann also parallel zu den Feldlinien Isolatorflächen ein führen, ohne den Feldverlauf zu ändern. Auf diese Art kann man auch - z.B. aus kugelsymmetrischen Feldern - Sektoren oder Teile „herausschneiden”. Der Aufbau für den Zylinder- bzw. Kugelkondensator basiert auf dieser Überlegung.
Abbildung 2: Versuchsaufbau des Elektrolytischen Trogs
Elektrode
Sonde Spannungsteiler
Wechselspannungsquelle
Elektrode
Y1 Y2
Oszilloskop
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3 Messungen an den Modellen
3.1 Zylinderkondensator
Durch Ausnutzung der o.g. Symmetrieregeln entspricht der Aufbau nach Abb. 3 mit flachem Trogboden einem Zylinderkondensator. Nach der Theorie folgt für das Potenzial dieses Kondensators :
V r = a1 b1 ln r/cm. (5) Aufgaben:
3.1.1 Messen Sie die Radien r, bei denen die abgreifbaren Potenziale auftreten.
3.1.2 Tragen Sie V(r) gegen ln(r/cm) auf, und bestimmen Sie a1 und b1. 3.2 Kugelkondensator
Der Aufbau für den Kugelkondensator entspricht dem für den Zylinderkondensator, nur dass hier der schräge Boden benutzt wird, wobei die „Uferlinie“ des Wassers direkt an der Isolatorfläche (in Abb.3 an der gestrichelten Linie) liegen muss. Für das Potenzial des Kugelkondensators gilt :
V r = a2 b2 /r . (6)
Aufgaben:
3.2.1 Messen Sie die Radien r, bei denen die abgreifbaren Potenziale auftreten.
3.2.2 Tragen Sie V(r) gegen 1/r auf, und bestimmen Sie a2 und b2 . 3.3 Zweidrahtleitung
Das Feld der Zweidrahtleitung erstreckt sich auf beiden Seiten bis in das Unendliche. In dem Modell hierfür wird nur ein „Draht” benutzt, und die Mittelebene durch eine Metallfläche gebildet. Außerdem werden zwei viertelkreisförmige Feldlinien durch Isolatorflächen dargestellt.
Aufgaben :
3.3.1 Zeichnen Sie die Äquipotenziallinien im Inneren des Modells mit Hilfe der Plot-Einrichtung.
3.3.2 Bestimmen Sie aus dieser Grafik das elektrische Feld (z.B. in Potenzialeinheiten pro mm) entlang der Metallfläche als Funktion der Koordinate x, und tragen Sie dies in ein Diagramm ein.
3.4 Quadrupolstruktur
Die Quadrupolstruktur ist die Urform der Anordnungen, die dem Massenspektrometer und verschiedenen Formen von Ionen- und Atom-„Fallen”
zugrunde liegt. In dem Modell werden die kleineren Zylinder über Kreuz mit der Spannungsquelle verbunden. Die äußere Umrandung besitzt dann ein Potenzial, das dem Mittelwert der Spannungen entspricht.
Aufgaben :
3.4.1 Zeichnen Sie die Äquipotenziallinien für den zentralen Bereich der Struktur mit Hilfe der Ploteinrichtung.
3.4.2 Bestimmen Sie aus dieser grafischen Darstellung den Potenzialverlauf V(x) und V(y) entlang der Symmetrielinien, und tragen Sie beide Potenziale gegen die gemeinsame Abszisse x oder y auf.
(Hinweis : Nach der Theorie sind die Äquipotenziallinien im zentralen Bereich Hyperbeln mit orthogonalen Asymptoten; V(x) und V(y) sind Parabeln, woraus folgt, dass die beiden elektrischen Feldkomponenten Ex (x) und Ey (y) proportional zu x bzw. y anwachsen. )
3.4.3 Messen Sie mit Hilfe des feiner abgestuften Spannungsteilers das Potenzial V(0) im Zentrum der Figur - dem so genannten Sattelpunkt des Potenzials.
Abbildung 3: Modell für den Zylinder- und Kugelkondensator
Abbildung 4:
Modell der Zweidrahtleitung
Abbildung 5: Modell der Quadrupolstruktur
−
− + y x +
x
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Literatur :
Meschede: Gerthsen Physik, Kap. 6.1.3, 6.1.4.
Küpfmüller, K: Theoretische Elektrotechnik und Elektronik, 2. Kap. (9.,14.) Pregla, R.: Grundlagen der Elektrotechnik, Kap.1
Geräte :
1 elektrolytischer Trog mit Sonde und Plot-Einrichtung, Oszilloskop, 1 ebener Boden, 1 schräger Boden, 2 Spannungsteiler, 3 Elektroden-Modelle (Zylinder- und Kugelkondensator, Zweidrahtleitung, Quadrupol)
1.2012/Ra