1 Analyse von Alltagsbewegungen mit GPS
Christoph Ehlers , Udo Backhaus Fachbereich Physik, Universität Duisburg-Essen Kurzfassung
In diesem Beitrag sollen Anreize für die dynamische Untersuchung von Bewegungen mit dem Global Positioning System (GPS) gegeben werden, wie sie auch in der Sekundarstufe II durchge- führt werden können. Es wird ein Weg aufgezeigt, wie man von gemessenen Geschwindigkeits- werten zur Abhängigkeit der Leistung von der Geschwindigkeit kommen kann. An die Leistungs- kurve wird ein einfaches Modell angepasst mit dem es fortan möglich sein wird, den Energiebe- darf für beliebige Streckenfahrten zu bestimmen. Als weitere Einsatzmöglichkeit wird der Ener- gieumsatz bei Fahrten mit Motorrad, Fahrrad und Auto verglichen.
1. Einleitung
GPS-Systeme werden bereits heute vielfach in Wirtschaft, Verkehr und Freizeit zur Positionsbe- stimmung, Geschwindigkeitsmessung und zur Wegführung verwendet. GPS-Geräte für Pkws und Sport sind billiger als viele Lehrmittel-Messgeräte.
Daraus ergab sich die Idee, dieses System zur Un- tersuchung alltäglicher Bewegungen zu nutzen. Im Rahmen einer Examensarbeit für das Lehramt an der Sek. II [1] wurde untersucht, wie mit dem GPS der Energieumsatz bei Fahrten mit Motorrad, Auto oder Fahrrad gemessen werden kann.
Abb. 1: Der zur Messung verwendete GPS- Empfänger etrex vista der Firma Garmin
Abb. 2: Messung der Frontfläche zur Berech- nung des cw-Wertes bei der Kawasaki EN 5
v-t-Diagramm
0 5 10 15 20 25 30 35
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
t / s
v / (m/s)
Abb. 3: Geschwindigkeitsabnahme beim Aus- rollen
2. Methode
Den Ausgangspunkt der Messungen bilden so ge- nannte Ausrollkurven: Das Fahrzeug wird auf eine möglichst hohe Anfangsgeschwindigkeit gebracht und kommt dann (nach Auskuppeln) allmählich zum Stillstand. Dieses Verhalten ist durch Roll- und Luftwiderstand zu erklären, die aus den Kurven bestimmt werden können, indem aus der Ge- schwindigkeitsabnahme die Energieabnahme be- rechnet und daraus auf die Leistung geschlossen wird, die erforderlich ist, um mit konstanter Ge- schwindigkeit zu fahren (vgl. Abb. 3 – 6).
Die Kurven werden mit Excel berechnet und ge- zeichnet, nachdem die Daten des GPS-Empfängers auf den PC übertragen wurden.
E-t-Diagramm
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
t / s
E / kJ
Abb. 4: Die Abnahme der Energie mit der Zeit
Didaktik der Physik
Frühjahrstagung Kassel 2006
2
P-t-Diagramm
0 2 4 6 8 10 12
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
t / s
P / kW
Abb. 5: Die Leistung als Funktion der Zeit
P-v-Diagramm
0 2 4 6 8 10 12
0 5 10 15 20 25 30 35
v / (m/s)
P / kW
Abb. 6: Die Leistung als Funktion der Geschwindigkeit
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000
0 5 10 15 20 25
v / m/s
P / W
Abb. 7: Über viele Messungen gemittelte Leis- tungskurve und Anpassung an eine einfache Modellvorstellung
3. Vergleich mit der Theorie
Fasst man den Reibungswiderstand vereinfachend als Summe aus einer konstanten Rollreibungskraft und quadratisch mit der Geschwindigkeit wachsen- der Luftreibungskraft auf, dann erwartet man eine Leistungskurve der Gestalt (vgl. Abb. 7).
Passt man also an die gemessene Leistungskurve eine entsprechende Ausgleichskurve an, lassen sich Rollreibungskraft und, bei bekannter Querschnitts- fläche (A = 0,85m² vgl. Abb. 2), der cw-Wert bestimmen. Für das Motorrad ergab sich auf diese Weise:
Anmerkung:
Besonders bei der Messung des cw-Wertes ist der Typ des verwendeten Motorrads entscheidend. Das verwendete unverkleidete Fahrzeug (Abb. 2) weist einen deutlich höheren cw-Wert auf als wind- schnittige Sport- oder Tourenmotorräder (cw-Wert bis zu 0.34).
4. Anwendung: Messungen des Energieumsatzes Misst man den Benzinverbrauch auf Langstrecken- fahrten mit möglichst konstanter Geschwindigkeit, dann lässt sich der Wirkungsgrad des Motors
η
ermitteln:
Bei dem verwendeten Motorrad ergab sich, fast unabhängig von der Geschwindigkeit, ein Wir- kungsgrad von
η
=0.27. Misst man eine beliebi- ge Fahrt, so kann mit Hilfe der v-t-Daten der Ener- gieumsatz bei der Fahrt und damit den Benzin- verbrauch ermittelt werden:( )
3 3
( ) 1 2
Luft Roll
w Roll
P v F F v
c Av F v av bv
= +
= +
= +
0.53 und 44 44
1.0
Roll w
a kg b N
m
F N
c
= = ⇒
=
=
( )
Brennwert des verbrauchten Benzins P v t
η=
( ) ( )
1 1
Benzinverbrauch
Brennwert P v t dt
=η
∫
3
Abb. 8: Geschwindigkeit, Leistung und Energie- verbrauch bei einer Motorradfahrt
Vergleich mit anderen Fahrzeugen:
Auf diese Weise wurden auch Leistungskurven für einen PKW und ein Fahrrad [3] ermittelt. Dabei zeigt sich, dass Der Energieumsatz beim Motorrad- fahren nur bei niedrigen Geschwindigkeiten unter dem beim Autofahren liegt. Bei hohen Geschwin- digkeiten (bereits ab v≈100kmh ) ist Motorradfah- ren aufgrund des schlechten cw-Wertes (unverklei- deter) Motorräder energetisch aufwändiger als Autofahren (vgl. Abb. 9).
Leistungsvergleich
0 10000 20000 30000 40000
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
v / (m/s)
P / W
Leistung eines Rades Leistung eines PKW (VW Polo) Leistung eines unverkleideten Motorrades (Kawasaki EN 5)
Abb. 9: Vergleich des Energieumsatzes bei Pkw, Motorrad und Fahrrad
5. Fazit
Die Genauigkeit des GPS ist im Allgemeinen hoch genug für die beschriebenen Messungen und Aus- wertungen. Allerdings kann sie unter Umständen (z.B.: schlechte Himmelssicht, zu kleine Anzahl der empfangenen Satelliten) deutlich eingeschränkt sein (vgl. Abb. 10). Das Messverfahren hat sich deshalb als gut geeignet erwiesen, Alltagsbewegungen e- nergetisch zu untersuchen. Messungen wie die hier gezeigten können auch mit anderen Fahrzeugen (mit Fahrrädern z.B. auf Sportpätzen, mit Autos
und Motorrädern anderer Bauart) wiederholt wer- den. Nicht geeignet sind Motorroller, da eine Tren- nung von Motor und Antriebsrad durch so genann- tes „Auskuppeln“ auf Grund des Automatikgetrie- bes nicht möglich ist. Dafür sollten aber auch sport- liche Bewegungen mit Rollerblades oder Skate- boards auswertbar sein.
-1000 -950 -900 -850 -800 -750 -700 -650 -600 -550 -500
2000 2100 2200 2300 2400 2500 2600 2700
Ost - West - Achse in Metern
Nord - Süd - Achse in Meter n
Abb. 10: Mehrfache Durchfahrt des Autobahn- kreuz Hilden
Dieses Projekt soll Anregungen für die Physikaus- bildung in Schule und Hochschule geben. Ähnliche Messungen und Untersuchungen können sicherlich im Rahmen von handlungsorientiertem (Projekt-) Unterricht durchgeführt werden und dort einen Beitrag zu größerer Lebensnähe des Physikunter- richts leisten.
Kontakt:
Christoph Ehlers eMail: ehlers.christoph@gmx.de Prof. Dr. Udo Backhaus
eMail: udo.backhaus@uni-essen.de
Literatur:
[1] C. Ehlers, Untersuchungen von Alltagsmecha- nik mit GPS, Staatsexamensarbeit, Universität Duisburg-Essen, Essen 2006
[2] M. Budisa, G. Planinsic: Teaching motion with the Global Positioning System, Phys. Educ. 38/6, 512 (2003)
[3] U. Backhaus, Alltagsmechanik mit GPS, DPG- Tagung, Berlin 2005
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
0 200 400 600 800 1000 1200 1400
t / s v / (m/s) P / kW E / MJ