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Als Indikatoren einer „small fibre neuropathy&#34

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Untersuchungen zum orozäkalen Transit bei Diabetes mellitus

Stefan Lautenbacher*, Günther Galfe*, Manfred Haslbeck**, Rupert Hölzl*, Friedrich Strian*

Zusammenfassung

In dieser Studie wurden Veränderungen des gastrointestinalen Transits bei Dia- betes mellitus mit einer Variante der H2- Atemtests untersucht, die zuverlässigere Schätzungen der orozäkalen Transitzeit nach einer Lactulose-Testmahlzeit er- laubt. Zusammenhänge mit metaboli- schen Größen und Neuropathieindika- toren wurden bewertet. Als Indikatoren einer „small fibre neuropathy" dienten zwei kardiale Parameter (spontane Hetzfrequenzvariabilität nach Airaksi- nen, respiratorische Arrhythmie nach Ewing) sowie die Empfindungsschwel- len für Warm- und Kaltreize am Fuß. 15 stationär behandelte Typ-1-Diabetiker (neun Frauen, sechs Männer) im Alter von 19 bis 47 und elf gesunde Kontroll- personen (neun Frauen, zwei Männer) im Alter von 27 bis 49 Jahren wurden Summary

Study of oro-cecal transit times in dia- betes mellitus

The present study investigated changes of gastrointestinal transit in diabetes meUitus by a variant of the hydrogen exhalation method, which produces reliable estimates of oro-cecal transit times of a 1actulose test meal. Relation to metabolic state and small fibre neuropathy was also evaluated. The lat- ter was indexed by Airaksinen's variabil- ity score for resting pulse frequency, Ewing's index of respiratory sinus ar- rhythmia, and wann and cold thresholds at the foot. 15 inpatients with verified type 1 diabetes (nine female, six male) and eleven healthy controls (nine

Gastrointestinale Komplikationen des Diabetes mellitus wurden lange Zeit in ihrer Bedeutung unter- schätzt, da sie oft nur intermittierend auftreten oder keine manifesten Sym- ptome verursachen. Erst Verbesse-

-

* ~ax-Planck-lnstitut für Psychiatrie, Klinisches Institut (Direktor: Prof. Dr. Dr. Florian Holsboer), und

** Krankenhaus Milnchcn-Schwabing, III. Medizinische A_btcilung, und Forschergruppe Diabetes, München.

Eingang des Manuskripts: 10.10.1989.

Annahme des Manuskripts: 16. 1!.1989.

untersucht. Keiner der Patienten zeigte eindeutige klinische Symptome oder Befunde einer Makroangiopathie oder Neuropathie. Die HbA1c-Werte der Pa- tienten waren mäßig erhöht (x ± s = 8,2

± 1,6). Im Mittel war der orozäkale Transit bei den Patienten um 20% ver- längert (x ± s = 102, 7 ± 28,2 min; Kon- trollen: 79,6±15,4; p = 0,02, U-test). Bei zwei Patienten war diese Verzögerung besonders deutlich. In keinem Fall war der Transit beschleunigt. Eine signifi- kante Korrelation zu Neuropathie- und Stoffwechselindikatoren war nicht fest- zustellen. - Die Verzögerung des orozä- kalen Transits bei Typ-I-Diabetikem ist wahrscheinlich die Folge einer spezifi- schen, viszeralautonomen oder primär enterischen Neuropathie, die anfangs auf das gastrointestinale System be- grenzt ist, und/oder metabolischer Ein- flüsse.

female, two male) were under investiga- tion. Ages ranged from 19 to 47 and 27 to 49 years, respectively. No clearcut signs of angiopathy or neuropathy were pre- sent in patients. HbA1c values were mod- erately high (x ± s = 8.2 ± 1.6). Dia- betes patients showed prolonged transit compared to controls (i ± s = 102.7 ±

28.2 min, and 79,6±15.4, resp.; p = 0.02, U-test). Two patients had extremely long transit times, none showed acceler- ation. However, neither indices of small fibre neuropathy nor metaboJic parame- ters were significantly correlated with transit measures. Prolonged oro-cecal transit, therefore, seems to be due to a specific visceral-autonomic or primary enteric neuropathy, which is still limited to the gastrointestinal system in this stage, and/or metabolic effects.

rungen der Untersuchungstechniken machten deren Häufigkeit deutlich [11, 17]. Charakteristische Krank- heitsbilder sind die diabetische Ga- stroparese sowie Diarrhöen [3, 7).

Darüber hinaus bedingen Motilitäts- und Entleerungsstörungen unter- schiedliche Kontaktzeiten mit den einzelnen Darmsegmenten [18, 22]

und führen so zu unerwünschten Phasenverschiebungen von Insulin- wirkung und Nahrungsangebot und

zu starken Blutzuckerschwankungen [4]. Digestion und Resorption kön- nen außerdem durch Hypo- oder Achlorhydrie sowie Veränderungen in der intestinalen Permeabilität be- einträchtigt sein [6, 10, 26].

Asymptomatische Motilitäts- und Transitstörungen können bei Typ-1- und Typ-II-Diabetikern früh im Krankheitsverlauf auftreten [17]. Zei- chen einer peripheren und autonomen Neuropathie sind nicht obligat. In ei- ner neueren Studie [14] waren Öso- phagus- bzw. Magenentleerung nur mit den Plasmaglucosekonzentratio- nen, aber nicht mit dem Schweregrad der autonomen Neuropathie oder der klinischen Symptomatik korreliert.

In einer anderen Untersuchung [28]

stand zwar die diabetische Gastropa- rese mit den neurographischen Be- funden in Zusammenhang, jedoch nicht die Verzögerung des Dünn- darmtransits, gemessen mit dem Hi- Atemtest. Daraus wurde auf eine mögliche primäre Schädigung des enterischen Nervensystems geschlos- sen. Es ist aber wahrscheinlich, daß noch andere nichtneuronale Faktoren in Frage kommen [4, 7).

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, mit der klinisch einge- führten Methode des H2-Atemtests Ausmaß und Verbreitung von Stö- rungen des orozäkalen Transits an Typ-I-Diabetikem festzustellen, die nicht nach manifester gastrointestina- ler Symptomatik vorselektiert waren.

Gleichzeitig sollten die Transitzeiten mit dem Ausmaß der autonomen Neuropathie („small fibre neuropa- thy") und mit Stoffwechselindikato- ren verglichen werden.

Patienten und Methodik Untersuchungsgruppen

Untersucht wurden 15 stationär be- handelte Typ-1-Diabetiker und elf Kontrollpersonen mit vergleichbaren soziobiologischen Variablen. Die kli- nische Beschreibung der Patienten

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gibt Tabelle 1 wieder. Die Patienten waren zwischen 19 und 47 Jahre (x =

32,0 Jahre, s = 9, 9), die Kontrollper- sonen zwischen 27 und 49 Jahre alt (x

= 35,2 Jahre, s = 6,8). 60% der Pa- tienten waren Frauen, 40% Männer.

Bei den Kontrollpersonen war das Verhältnis 82 zu 18%. Alle Patienten erhielten mindestens zwei Insulin- injektionen täglich und wiesen zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Stoffwechseldekompensation auf. Ei- ne klinisch manifeste Makroangiopa- thie wurde durch angiologische Un- tersuchungen (Pulsstatus, Elektrokar- diogramm, Ultraschall-Doppler-Un- tersuchung der Extremitätenarterien) ausgeschlossen. Die Mehrzahl der Pa- tienten wies einen unauffälligen Au- genhintergrundbefund auf. Nur bei zwei Patienten (Fall 9 und 13) fanden sich eine proliferative Retinopathie und bei einem Patienten (Fall 8) eine Hintergrundretinopathie. Bei diesem bestand bereits eine Funktionsein- schränkung der Nieren. Gastrointe- stinale Beschwerden wurden bei den Kontrollpersonen durch ein standar- disiertes Interview ausgeschlossen.

Die Ergebnisse im Magen-Darm- Faktor der Freiburger Beschwerde- liste [9J lagen dementsprechend im Bereich des Normalen (x = 14,5,

s = 3,6).

Untersuchtmgsverfalirett H;..Atemtest: Die orozäkale Transit- zeit wurde mit einem standardisierten H2-Atemtest bestimmt. Hierbei wird die H2-Konzentration in der Atemluft gemessen, die bei Verabreichung nichtabsorbierbarer Kohlenhydrate kurz nach Eintreffen erster Mahlzeit- teile im Zäkum durch bakterielle Gas- freisetzung ansteigt und so die Tran- sitzeit markiert.

Als Testmahlzeit wurden 20 ml Lac- tulose-Sirup (66%ig), vermischt mit 130 ml Wasser, gegeben (entspre- chend 13 g Lactulose auf 150 ml Flüs- sigkeit), um eine ausreichende Bolus- größe zu erzielen [24}. Die Untersu- chungen begannen zwischen 8. 00 und 9.00 Uhr nach einer zwölfstündigen Nüchternperiode. Rauchen vor der Untersuchung war untersagt. Von Beginn der Testmahlzeit bis drei Stunden danach wurden alle zehn Mi- nuten zwei Messungen der Hz-Kon- zentration am Ende der Exspiration vorgenommen [2], deren Mittelwert

Fall Alter Diabetes- Abweichung HbA1c Kreatin in Retino-

(Jahre), dauer vom Broca- (%) (mg/dl) pathie*

Geschlecht (Jahre) gewicht(%) N: bis6 N: bis 1,2

1 35 c,? 2 -11.3 6,1 0,7

2 29 9 6 -15,7 7,1 0,8

3 41 9 6 +13.3 9.4 0,8

4 22 g 6 -17.8 9,0 1,0

5 440 22 -14,0 7,0 1,0

6 19 9 7 +11,7 10.6 0.6

7 20 0 4 - 1,1 8,8 0,8

8 45 0 29 -10,0 B.4 1,8 3

9 22 c,? 7 -13.2 11,4 0,5 2

10 20 c,? 4 + 1.0 8,8 1,0 1

11 47 c,? 27 0,0 7.5 1,1 1

12 24 0 18 -30,7 6,2 0,8 1

13 26 0 12 - 9,3 7.3 1,0 2

14 31 0 16 + 1,3 8.4 1,1

15 31 c,? 4 -11,6 6.4 0,7

*1 =ohne Befund; 2 =proliferative Retinopathie; 3 = Hintergrund-(background-) Reti nopathie.

Tabelle 1. Personenkenndaten und Steffwechselparameter.

in die weitere Auswertung einging.

Hierbei mußte über ein T-Stück in eine Spritze abgeatmet werden. Die Hz-Konzentration wurde mit einem GMI-Hi-Monitor (GMI Medical Ltd., Inchinnan Estate, Renfrew, Scotland) gemessen.

Da für die Definition des Transitzeit- punkts bisher keine einheitlichen Kri- terien existieren, unterschiedliche Kriterien jedoch deutliche Verände- rungen der Ergebnisse bedingen [2, 16], wurde zur Zeitpunktbestim- mung eine Kombination aus drei Kri- terien eingesetzt: Kriterium 1 ver- langt Anstiege über drei Meßpunkte mit einem relativen Mindestbetrag zur Grundlinie; die Kriterien 2 und 3 fordern überzufällige Abweichungen von der Grundlinie (Kriterium 2:

non-parametrische Testung der An- stiegsgrößen, Kriterium 3: parametri- sche Testung von Grundlinienabwei- chungen). Hierdurch kann der Tran- sitzeitpunkt auch bei instabilen Grundlinien und geringen Hz-Anstie- gen nach Zäkumeintritt festgelegt werden. Nach diesem Verfahren mußten ein Patient und eine Kon- trollperson wegen nicht bestimmba- rer Transitzeiten aus der Auswertung ausgeschlossen werden. Die Stabilität der ermittelten Transitzeiten wurde bei den Kontrollpersonen in einer zweiten Untersuchung überprüft.

Dies war bei den Patienten aufgrund der Kürze des stationären Aufenthalts nicht möglich.

Indikatoren einer „small fibre net1ropa- thy ": Als sensorische Indikatoren wurden die Temperaturschwellen für Warm- und Kaltempfindung am Fuß- rücken beider Extremitäten bei einer Ausgangstemperatur von etwa 30°C bestimmt. Das hierbei eingesetzte Verfahren mit einer Peltierthermode ist im Detail bei Strian et al. [25] be- schrieben. Da im Fall der diabetischen Neuropathie mit einer symmetri- schen Erkrankung der Extremitäten .zu rechnen ist, wurde der Mittelwert beider Körperseiten in die weitere Auswertung übernommen.

Zur Diagnose autonomer Störungen wurden zwei kardiale Parameter er- mittelt, die besonders die vagale Ak- tivität widerspiegeln: die spontane Herzfrequenzvariabilität im Ruhe- EKG nach Airaksinen et al. [1] und die respiratorische Arrhythmie bei Taktatmung (6 cpm) als Differenz der höchsten und niedrigsten Herzfre- quenz während einer einminütigen

Meßperiode [8]. .

Stoffivechselindikatorett: Das Langzeit- verhalten der Blutglucose wurde über die HbA1 c -Werte beurteilt (Bio-Rad_--. t Testverfahren), Serumkreatinu:i mi der üblichen klinisch-chemischen Autoanalyzer-Methode bestimmt.

(3)

Ergebnisse

Stabilität der oroziikalen Transitwerte Bei zehn Kontrollpersonen wurde der intestinale Transit in zwei Untersu- chungen bestimmt. Der Vergleich beider Untersuchungen weist die Transitzeiten im Gruppenmittel als relativ stabil aus (Ul: X:= 85,0 Minu- ten, s = 25,5; U2: X:= 74,6 Minuten, s = 16,4; Wilcoxon-Test der Unter- schiede n. s.). Der Zusammenhang der Einzelwerte zwischen den Unter- suchungen ist jedoch gering (r = 0,06). Dies liegt vor allem an der Ho- mogenität der Kontrollgruppe und an der nicht zu vermeidenden intraindi- viduellen Variation der intestinalen Transportfunktionen selbst.

_ Den angestrebten Gruppenvergleich beeinträchtigt dieses Ergebnis nur ge- ringfügig, da keine die gesamte Stich- , probe betreffenden gleichsinnigen

Veränderungen zwischen den Unter- suchungen auftraten. Um eine zuver- lässige Schätzung der Transitzeit bei Gesunden zu erhalten, wurde für den Gruppenvergleich der Mittelwert pro Kontrollperson aus beiden Untersu- chungen verwendet (bei einer Kon- trollperson mit nur einer Untersu- , chung wurde der Einzelwert über-

nommen).

Gruppenvergleich

In. Abbildung 1 sind die Individual- werte und der Gruppenmittelwert der Typ-I-Diabetiker und der Kontroll-

;. personen dargestellt. Der zum Grup- penvergleich durchgeführte U-Test belegt eine signifikante Verzögerung des orozäkalen Transits bei den Dia- betikern (p = 0,02). Um Hinweise über Ausmaß und Häufigkeit der Verzögerung im Einzelfall zu erhal- ten, wurde die Lage der Individual- werte der Patienten im Bereich X:

±: 2 s der Kontro1lpersonenwerte be- , sttm~t. Das Ergebnis zeigt ebenfalls

Abbildung 1. Nimmt man Abwei- chungen über zwei Standardabwei- chungen vom Mittelwert der Kon- trollp~rsonen als Zeichen auffälliger Tr~ns1tveränderungen, so zeigen eine Reihe von Diabetikern eine Transit- verzögerung, keiner jedoch eine Be- schleunigung. Selbst bei vorsichtiger

B~wertung können hiernach Transit- z~iten bei gleichen Untersuchungsbe- dingungen zwischen 110 und 130 Mi-

nuten als grenzwertig, ab 140 Minu- ten als eindeutig verzögert eingestuft werden.

Den Zusammenhang der orozäkalen Transitzeiten mit klinischen Daten, Neuropathie- und Stoffwechselindi- katoren zeigt Tabelle 2 (Spearman- Rangkorrelationen). Bedeutsame Zu- sammenhänge zeigen sich hierbei nur für das Alter der Patienten. Die Be-

Korrelations- koeffizient (r)*

Alter (Jahre) -0.54 **

Diabetesdauer (Jahre) 0,00

Idealgewicht(%) 0,11

Temperatur- 0.20

empfinden: Warm (°C)

Temperatur- -0,07

empfinden: Kalt (°C)

Herzraten- -0.25

variabilität (ms)

Respiratorische -0.38 Arrhythmie (bpm)

HbA1c(%) 0,26

Serumkreatinin (mg/dl) -0.27

*Spearman-Rangkorrelationen; **p ... 0,04.

schleunigung des intestinalen Transits mit zunehmendem Alter ließ sich bei den Kontrollpersonen nicht bestäti- gen (r = -0,21, n. s.}. Für die Inter- pretation der Zusammenhänge muß berücksichtigt werden, daß die Werte der Kovariaten bei den Patienten in den meisten Fällen in der Norm oder normnahe liegen (siehe Tabelle 2).

Betrachtet man die beiden Patienten

Mittelwert Normwerte

± Standardabweichung 32,0 ± 10,0

11,3 ± 8,9

-7,2 ± 11,6 Zwischen -15 und +20 8.4 ± 3,6 Bis9,3

lnachl25]) 4,3 ± 2,6 Bis4,0

(nach [25))

116 ± 61 Über54

(nach [1]) 24,5 ± 11,8 Über15

(nach [8]J 8,2 ± 1,6 Bis6

(Labornorm) 0,9± 0,3 Bis 1,2

(Labornorm)

Tabelle 2. Korrelationskoeffizienten.für den Zusammenhang zwischen Transitzeit und klinischen, neurologischen sowie metabolischen Variablen, Mittelwert und Standard- abweichung dieser Variablen bei den Patienten sowie Normwerte.

Zeit (min)

150 00

0 00

Diabetiker

Kontrollpersonen Gruppenvergleich: p = 0,02

(U-Test nach Mann-Whitney)

Abbildung 1. Einzelwerte und Gruppenmittelwerte der Transitzeiten bei Pa- tienten (11 = 15) und K0ti-

trollperso11en ( n = 11);

der sc11raffierte Bereic11 e11t- spricht x ± 2 s bei den Ko11trollperso11e11.

(4)

mit den stärksten Transitverzögerun- gen (Fall 6 und 12; je 150 Minuten), so ergibt sich folgendes Bild:

Fa11 6. Einern erhöhten HbA1c-Wert (10,6%) und einer deutlich erhöhten Sensibilitätsschwelle für Warmreize ( 10, 6 °C) stehen sonst weitgehend normgerechte Werte gegenüber.

Fall 12. Neben extrem hohen Sensibi- litätsschwellen für Warm- (14,3°C) und Kaltreize (6, 9°C) sowie einer grenzwertigen sensiblen Nervenleit- geschwindigkeit (Nervus suralis: 43 m/Sekunde) ist vor aUem das deutli- che Untergewicht des Patienten (- 30, 7%) auffällig. Dies läßt im Zu- sammenhang mit der Transitverzöge- rung eine bisher klinisch nicht mani- feste Gastroparese vermuten.

Diskussion

Die Bedeutung von Transitstörungen für die Diabcteseinstellung macht ei- ne frühzeitige Diagnostik notwendig.

Da die nichtgastrointestinalen Indi- katoren diese Komplikation nur un- zureichend widerspiegeln, ist der Ein- satz spezifischer Untersuchungsme- thoden geboten. Hier stellt sich je- doch das Problem der Verfahrensaus- wahl. Die meisten Untersuchungs- methoden stellen entweder erhebliche Belastungen für den Patienten dar (zum Beispiel manometrische Son- dentechniken und nuklearmedizini- sche Methoden), sind in ihrem Aussa- gewert auf artifizielle Nahrung be- schränkt (zum Beispiel Ferritbrei- gastrographie) oder weisen nur man- gelhafte Spezifität in der Einzelfalldia- gnostik (zum Beispiel Magenbreipas- sage) auf [ 17). Der Einsatz neuerer, nichtinvasiver Verfahren erscheint in diesem Zusammenhang vielverspre- chend, auch wenn ihr diagnostischer Wert noch weiterer Bestätigung in der klinischen Routine bedarf [13, 27J. Hierzu liegen jedoch trotz zahl- reicher Detailbefunde bisher nur we- nige zuverlässige Daten vor [17}.

In der vorliegenden Studie wurde als klinisch besser erprobter Transitindi- kator der Hi-Atemtest mit Lactulose gewählt. Wegen der kurzen Transit- zeiten für Flüssignahrung [21) werden zusätzliche Belastungen durch zu lan- ge Nüchtemperioden vermieden. Der diagnostische Wert der Untersu- chung ist dadurch nicht gemindert, weil bei der autonomen Diabetesneu- ropathie der Transport von Flüssig-

keiten und von fester Nahrung be- troffen ist [23]. Die Nachteile dieser Testart, nämlich die fehlende Selekti- vität zwischen gastrischen und inte- stinalen Anteilen, die leicht transitbe- schleunigende Wirkung von Lactulo- se und die seltenen Fälle von Hr

„non-producers" sind in Kauf zu neh- men, da diese Faktoren zu keinen falsch-positiven Befunden führen.

Der H2-Test mit Lactulose ist daher als wenig belastende Methode geeig- net, gastroenteropathische Entwick- lungen vor Eintreten manifester Symptome zu erfassen, wie dies auch schon frühere Arbeiten zeigen konn- ten [15, 24].

Nach den Ergebnissen dieser Unter- suchung sind Störungen des orozäka- len Transits bereits bei unselektierten Typ-I-Diabetikern, die nicht nach ga- stroenteropathischen Kriterien ausge- wählt wurden, nachweisbar. Es wur- den jedoch nur Transitverzögerungen festgestellt. Dies steht im Einklang mit Befunden zur diabetischen Ga- stroparese und mit früheren Studien [24, 28). Das Ergebnis von Keshavar- zian u. Iber [15), die bei einigen Typ- I-Diabetikem eine Transitbeschleuni- gung fanden, konnte hingegen nicht bestätigt werden. Für diesen Wider- spruch können zumindest zwei Erklä- rungen herangezogen werden. Zum einen ist, wie die vorliegende Studie zeigen konnte, der orozäkale Transit auch bei Gesunden eine physiolo- gische Funktion mit relativ hoher intraindividueller Variabilität und wahrscheinlich von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Dieses Phä- nomen dürfte bei Diabetikern von noch größerer Bedeutung sein, da zu- mindest für die gastrische Entleerung eine starke Abhängigkeit von der ak- tuellen Stoffwechsellage belegt ist [14, 23). Bei Querschnittserhebungen ist daher mit zufallsbedingten Unter- und Überschätzungen der Transitzei- ten zu rechnen. Zum anderen schei- nen die Pathomechanismen diabeti- scher Transitstörungen komplexer zu sein als ursprünglich angenommen.

Als Hauptursache von Transit- und Entleerungsverzögerungen wurde bisher eine Abnahme propulsiver Motilität (interdigestiv und postpran- dial) infolge einer diabetischen Auto- vagotomie angenommen [12, 19, 27].

In jüngster Zeit wurden jedoch bei einigen Patienten im Pylorus und im Dünndarm auch Motilitätsstörungen

beobachtet, die spastischen Charakter aufwiesen und als neuropathiebeding- ter Verlust sympathischer Brems- funktionen interpretiert wurden [5, 20]. Weder Autovagotomie noch va- gale Überaktivierung als Konsequenz sympathischer Denervierung haben jedoch einfache und gleichsinnige Ef- fekte auf den gastrointestinalen Tran- sit. Hierbei spielt die Koordination der einzelnen gastrointestinalen Ab- schnitte eine entscheidende Rolle, die wiederum neurogen und hormonell vermittelt wird [17J. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen Motilitätsstörun- gen tnit transitverzögernder Wir- kung, ob paretisch oder spastisch, bei Typ-1-Diabetikern als die häufigere Form erscheinen. Ob die beobachte- ten Transitverzögerungen nur intesti- nalen oder auch gastrischen Ur- sprungs sind, läßt sich mit der ver- wendeten Methodik nicht entschei- den [16, 28]. Kompensatorische Ver- änderungen der Transitgeschwindig- keiten in den einzelnen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts scheinen je- doch nicht stattzufinden.

Der komplexe Pathomechanismus der orozäkalen Transitverzögerung spie- gelt sich auch im fehlen substantieller Zusammenhänge mit den erhobenen klinischen, neurologischen und meta- bolischen Kovariaten wider. Die ne- gative Korrelation mit dem Alter der Patienten ist mit Vorsicht zu interpre- tieren, da sie nur von mittlerer Grö- ße ist und bei den Kontrollpersonen nicht bestätigt werden konnte. Selbst die kardialen Indikatoren einer „small fibre neuropathy" weisen in Überein- stimmung mit anderen Autoren (28]

keinen nennenswerten Zusammen- hang mit den Transitzeiten auf. Im Frühstadium dieser Neuropathieform hängen demnach gastrointestina~e Manifestationen nicht unbedingt mit Symptomen in anderen Organsy- stemen zusammen. ln diesen Fällen sind die Transitverzögerungen wahr- scheinlich Konsequenz kurzfristig~r

Stoffwechselstörungen und/oder ei- ner beginnenden, noch selektiven vis- zeral-autonomen oder enterischen Neuropathie.

Die Untersuchung zeigt, daß mit der klinisch eingeführten Methode des Hi-Atemtests frühzeitig Verzögerun- gen des intestinalen Transits bei Tyf'.

!-Diabetes nachweisbar sind, die nicht mit neuropathischen und ma- kroangiopathischen Veränderungen

(5)

oder mit der metabolischen Situation in unmittelbarer Beziehung stehen.

Obwohl die klinischen Erfahrungen noch erweitert werden müssen, kann der Test ein zusätzliches Hilfsmittel in der Frühdiagnostik intestinaler Tran- sitstörungen bei autonomer Diabetes- neuropathie darstellen.

Die Autoren danken Herrn Pro( Dr. R. Arnold. Phillips- Universität Marburg, für seine kritischen Kommentare zu einer früheren Fassung.

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Endokr. Stoffw. 10 (1989), 142.

Für die Verfasser: Prof Dr. Manfred Haslbeck, Krankenhaus Miinchen- Schwabing, III. Medizinische Abteilung, Kölner Platz 1, D-8000 Miinchen 40.

Abbildung

Abbildung  1.  Einzelwerte  und  Gruppenmittelwerte  der Transitzeiten bei  Pa-tienten  (11  =  15)  und

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