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Vorwort zur 4. Auflage

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Academic year: 2022

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978-3-7910-2636-7 Theisen, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats

© 2007 Schäffer-Poeschel Verlag (www.schaeffer-poeschel.de)

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V

Vorwort zur 4. Auflage

„Der Aufsichtsrat verletzt seine zur Haftung führenden organschaftlichen Pflichten, … wenn er ohne gebotene Information … seine Zustimmung zu nachteiligen Geschäften erteilt“ - so die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 11. Dezember 2006: Konse- quent verfolgen die deutschen Gerichte in den letzten zehn Jahren Sorgfaltspflichtverletzun- gen von Aufsichtsräten und Aufsichtsratsmitgliedern. Vor dem Hintergrund immer stärker detaillierter gesetzlicher Regelungen sowie umfassender Empfehlungen des Deutschen Cor- porate Governance Kodex (DCGK) steht die Information des Aufsichtsrats im Zentrum der Diskussion über eine ordnungsmäßige Überwachung deutscher Unternehmen und Konzerne.

„Durch den schriftlichen Bericht … muss die Hauptversammlung eine konkrete, am tatsäch- lichen Überwachungsaufwand gemessene Vorstellung von der Überwachungstätigkeit er- langen …. Nur eine aussagekräftige individuelle Darlegung der … Überwachungstätigkeit verschafft der Hauptversammlung einen Einblick in die Arbeit des von ihr gewählten Auf- sichtsrats“ so die Feststellung des Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) vom 15. März 2006 zur Berichterstattung des Aufsichtsrats über seine Arbeit. Ein knappes Dutzend einschlägi- ger Urteile aus den letzten sechs Jahren bekräftigt die Funktion und Bedeutung der Bericht- erstattung des Aufsichtsrats und seiner diesbezüglichen Pflichten. Die für die Praxis ebenso eindeutige wie zwingende Erkenntnis lautet:

Die Information ist die Basis, die Berichterstattung der Beleg

für eine ordnungsmäßige und effiziente Überwachungsarbeit des Aufsichtsrats.

Die Information des Aufsichtsrats hat in den letzten zehn Jahren ein besseres Niveau er- reicht. Um sie wirklich gut werden zu lassen, werden in dieser Auflage eine Reihe aktueller Forderungen an eine überwachungsadäquate Informationsversorgung gestellt. Darüber hin- aus werden erstmals die Berichterstattungspflichten, die damit verbundenen Aufgaben für den Aufsichtsrat sowie die Bedeutung dieser „Rechnungslegung“ vor den Aktionären darge- stellt und analysiert. Die „Grundsätze einer ordnungsmäßigen Information des Aufsichts- rats“ - so der Titel der ersten drei Auflagen - werden daher zu einer Darstellung der „Infor- mation und Berichterstattung des Aufsichtsrat“ konsequent und zeitgemäß fortentwickelt.

Wenn von meinen Empfehlungen in den nächsten Jahren in der Aufsichtsratspraxis wieder- um eine Reihe umgesetzt wird, würde meinem seit mehr als 15 Jahren mit dieser Schrift ver- folgten Anliegen, der Unternehmens- und Konzernpraxis eine konkrete Hilfestellung für die Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats zu geben, Rechnung getragen.

München, 15.03.2007 Manuel René Theisen

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VI

Aus dem Vorwort zur 3. Auflage 2002

Weltweit werden täglich immer neue Unternehmensskandale bekannt: Bilanzen zu fälschen, Kurse zu manipulieren, Aufsichtsratsmitglieder zu täuschen, Aktionäre um ihr Kapital zu bringen, erscheint manchem keine Ausnahme mehr zu sein. Aber auch die Kehrseite dieses Verhaltens gewinnt Konturen: Vorstandsmitglieder werden fristlos entlassen, Manager zu hohen Geld- und auch Haftstrafen verurteilt und Aufsichtsräte erfahren ihr Haftungsrisiko und ihre Verantwortung gegenüber den ihnen anvertrauten Unternehmen.

Zahlreiche Änderungen der Gesetzeslage (KonTraG 1998, TransPuG 2002), eine fortentwi- ckelte Rechtsprechung und mehrere privatrechtlich initiierte Kodizes zur Corporate Gover- nance einschließlich des Deutschen Corporate Governance Kodex begründen diese Auflage.

Aus dem Vorwort zur 2. Auflage 1996

Der Aufsichtsrat der deutschen Kapitalgesellschaften ist - pünktlich zu seinem 125. Ge- burtstag - als Institution in der Krise ...

Die Schwachstellenanalyse hierzu hat aus meiner Sicht ergeben, dass sowohl die Organisa- tion und der Ablauf der Aufsichtsratsarbeit als auch die ganz konkreten Überwachungsauf- gaben und -funktionen des Aufsichtsrats kritisch überprüft und systematisch überdacht wer- den müssen. Die Aufsichtsratsarbeit sollte aber auch transparenter und überprüfbarer wer- den. Es ist sinnvoll, dass von der Wissenschaft in Zusammenarbeit mit der Unternehmens- praxis konkrete „Grundsätze ordnungsmäßiger Überwachung“ entwickelt und in einem

„Kodex für Aufsichtsräte“ fortgeschrieben werden ...

Die „Aufsichtsratskrise“ hat vermutlich mindestens ebenso viele Gesichter wie Ursachen.

Die Wege aus der Krise erfordern ein systematisch wie nachhaltig angelegtes Konzept. Ein wichtiges Element auf dem Weg zu einer insgesamt erfolgreicheren Aufsichtsratstätigkeit ist die überwachungsspezifische Information des Aufsichtsrats. Ihr ist diese Schrift gewidmet.

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage 1991

Für die nachhaltige Aufforderung, diesen Themenkomplex aus betriebswirtschaftlich-orga- nisatorischer Sicht aufzubereiten, danke ich der Praxis.

Die Überwachung deutscher Unternehmungen wird - auch und gerade - im Zeichen zuneh- mender internationaler Verflechtungen eines der aktuellen Themen unserer Zeit bleiben.

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Teil A Information des Aufsichtsrats I. Fragen zur Informationsversorgung

Eine inhaltlich wie formal ordnungsmäßige Information ist die wichtigste Voraussetzung für eine ordnungsmäßige Überwachung der Vorstände und Geschäftsführer deutscher Kapital- gesellschaften durch den Aufsichtsrat. Die Ausgestaltung dieser Information, ihr Umfang und ihre Form sind von größtem praktischen Interesse. Gleichzeitig kann die Untersuchung und Darstellung des Informationsbedarfs zur Entwicklung von Grundsätzen einer ord- nungsmäßigen Informationsversorgung des Aufsichtsrats beitragen. Diese können ihrerseits als Basis für die Interpretation der aktuellen Kodexvorschriften bzw. der gewünschten „best- practice“-Vorgaben dienen.

Der Informationsbedarf bestimmt Form, Inhalt, Umfang und Zeitpunkt der Informationsver- sorgung sowie den Kreis und die Pflichten der Informanten. Zentraler Ansatzpunkt ist der Überwachungsauftrag in der Form einer aktiven Verpflichtung des Aufsichtsrats:

„Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.“1

Die Summe aller bestehenden rechtlichen Vorschriften stellt wichtige Rahmenbedingungen für die Informationspflichten und -wege dar. Ein Teil der (verbindlichen) Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)2 sowie weiterführende Anregungen kon- kretisieren Wege, Formen und Inhalte der Informationsversorgung. Für generelle Lösungen einer ordnungsmäßigen Informationsversorgung des Aufsichtsrats müssen allgemeine, inter- subjektiv nachprüfbare Kriterien entwickelt werden, die zur Bestimmung überwachungsre- levanter Informationen geeignet sind.

Die Entwicklung und Darstellung aller notwendigen bzw. maßgeblichen Überwachungsin- formationen haben sich ausnahmslos an der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats zu orientieren. Soll die Unternehmens- und Konzernführung, also das Handeln der Vorstände und Geschäftsführer, überwacht werden, dann muss die Summe aller Informationen deren Tätigkeiten hinreichend genau und vollständig abbilden. Als Informationsbedarf des Auf- sichtsrats kann also die Gesamtmenge aller nach betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen erforderlichen Informationen bezeichnet werden, die ein Aufsichtsrat (mindestens) benötigt, um die Unternehmens- und Konzernführung ordnungsgemäß überwachen zu können.

1 § 111 Abs. 1 Satz 1. §§ ohne Bezeichnung im Text sind solche des AktG i.d.F. vom 10.01.2007.

2 Vgl. Regierungskommission DCGK, Kodex, 2006.

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I. Fragen zur Informationsversorgung 2

Die Ermittlung dieses Informationsbedarfs setzt eine Analyse der (gesetzlichen) Pflichten des Aufsichtsrats voraus:1 Nur im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben kann (und darf) der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Überwachungsträger tätig werden. Er ist „nur“ Überwa- cher, weder Obergeschäftsführer noch Super-Vorstand. Ohne eine detaillierte Aufgabenana- lyse und eine entsprechende Funktionsbeschreibung können keine fundierten Aussagen zu einer ordnungsmäßigen Information gemacht werden.2 Die konkrete Herausforderung für den ersten Teil dieser Untersuchung kann also mit der Ermittlung der überwachungsadäqua- ten Information umschrieben werden.

Der aus betriebswirtschaftlicher Sicht angemessene Informationsbedarf kann mit dem tat- sächlichen Informationsangebot („Bringschuld“) sowie den Informationen aufgrund von Nachfragen seitens des Aufsichtsrats („Holschuld“) übereinstimmen: In allen anderen Fällen deckt sich das Informationsangebot einmalig oder nachhaltig nicht mit dem Informationsbe- darf. Dann aber muss das Informationsangebot der, in der Praxis bislang allein informieren- den Vorstände als auch die individuelle bzw. kollektive Nachfrage der Aufsichtsratsmitglie- der bzw. des Aufsichtsrats bezüglich unternehmungsbezogener bzw. gesamtwirtschaftlicher Daten und Dokumente untersucht und dargestellt werden.

Nur im Idealfall stimmen Überwachungsinformationsbedarf, -angebot und -nachfrage über- ein. In der Unternehmens- und Konzernrealität bedingen die jeweiligen Rechtsformen sowie die verschiedensten Traditionen und Interessenlagen ein sehr unterschiedliches Informati- onsverhalten. Form, Menge, Inhalt und Qualität der für die Überwachung notwendigen Daten unterscheiden sich aber auch unabhängig davon von Unternehmen zu Unternehmen, von Konzern zu Konzern.3

Die aktuelle Situation in den Unternehmen und Konzernen macht eine ausführliche Unter- suchung zur Information des Aufsichtsrats vor dem Hintergrund der Konkretisierung seines gesetzlichen Überwachungsauftrags sowie der Forderungen des Deutschen Corporate Go- vernance Kodex (DCGK) zwingend erforderlich.4 Eine verbesserte Information ist zudem ein erklärtes Ziel der Aktienrechtsreformen in den letzten zehn Jahren;5 ergänzend stellt der DCGK in Ziffer 3.4 Satz 1 explizit fest:

1 Vgl. dazu ausführlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht Theisen, M. R., Überwachung, 1987; Theisen, M. R., Unternehmungsführung, 1989, S. 132-145; Theisen, M. R., Reform, 2003, sowie Semler, J., Über- wachungsaufgabe, 1980; Jaschke, T., Überwachungsfunktion, 1989. Zum aktuellen Stand der Dis- kussion vgl. Semler, J./Schenck, K. v., Arbeitshandbuch, 2004; Potthoff, E./Trescher, K./Theisen, M. R., Aufsichtsratsmitglied, 2003.

2 Für die Situation im amerikanischen Board vgl. Bleicher, K./Leberl, D./Paul, H., Unternehmungsverfas- sung, 1989, S. 153: „Daraus folgt, dass der Board den an ihn gestellten Anforderungen nur gerecht wer- den kann, wenn er auch über adäquate Informationen verfügt.“ Zum Systemvergleich vgl. Theisen, M.

R., Governance, 2002; Theisen, M. R., Aufgaben, 2003.

3 Vgl. dazu bereits die Untersuchung von Bleicher, K., Aufsichtsrat, 1987.

4 A. M. immer noch Mertens, H.- J., Kölner Kommentar, 1996, § 90 Anm. 4: „Insgesamt sorgt die gesetz- liche Regelung ... durchaus für eine funktionsgerechte Information des Aufsichtsrats.“ Vorsichtiger Lut- ter, M./Krieger, G., Pflichten, 2002, Rz. 206: „Auf dieser Grundlage sachlicher und sachlich nachprüf- barer Informationen kann der Aufsichtsrat seiner Pflicht zur Überwachung des Vorstands durchaus wir- kungsvoll nachkommen“; zurückhaltender aber auch Lutter, M., Professionalisierung, 1995, S. 1133.

5 Vgl. dazu S. 27-56.

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I. Fragen zur Informationsversorgung 3

„Die ausreichende Informationsversorgung des Aufsichtsrats ist gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat.“1

Der Gesetzeslage sowie der DCGK-Feststellung kommen insoweit Bedeutung zu, als damit zum einen die Frage nach der rechtlich ausreichenden bzw. angemessenen Information zu beantworten ist; zum anderen aber bleibt unverändert die (weiterreichende) Frage zu beant- worten, welche die im betriebswirtschaftlichen Sinne erforderliche Information für eine ord- nungsgemäße Überwachungsarbeit des Aufsichtsrats ist. In den vergangenen Jahren seit Erscheinen der ersten Auflage dieser Schrift (1991) sind diese beiden Fragen zunehmend wissenschaftlich untersucht und auch gerichtlich geklärt worden. Diese Entwicklung lässt es geboten erscheinen, den Stand der Erkenntnisse zusammenzustellen und kritisch zu durch- leuchten. Die Notwendigkeit, sich in der Praxis weiterhin und tendenziell sogar noch ver- stärkt damit zu beschäftigen, belegt die Praxis selbst: Die anhaltende Kritik an den Überwa- chern deutscher Unternehmen setzt immer wieder auch und vor allem an der fehlenden, lückenhaften oder sogar falschen Information der Aufsichtsratsmitglieder an. Eine Warnung aus der Praxis soll zum Beleg ausreichen:2

„Der Aufsichtsrat kann sich nicht darauf verlassen, dass der Vorstand ihn umfassend infor- miert. Der Vorstand besitzt Anreize, Informationen nicht oder verfälscht weiterzugeben; mög- licherweise wird er aber auch ungenügend, falsch oder zu spät informiert.“ 3

1 Regierungskommission DCGK, Kodex, 2006, Ziff. 3.4 Satz 1.

2 So Eschbach, H., Verfilzt, 2002, S. K 1: „(Viele Aufsichtsräte) können ihre Aufgabe nicht optimal erfüllen, weil ihnen Informationen vorenthalten werden.“ (Interview mit A. Leysen). Als eine von zwei Gründe für Überwachungsdefizite benennt Girnghuber, G., Committee, 1998, S. 182 f.: Schwächen bei der Informationsversorgung und der Informationsverarbeitung.

3 Becker, T., Überwachungskonzepte, 1993, S. 4; ähnlich Schenck, K. v., Information, 2002, S. 64; Pelt- zer, M., Governance, 2004, S. 44. Deutlicher Schneider, S. H., Informationspflichten, 2006, S. 105: „Der moderne Aufsichtsrat ist ein Gremium institutionalisierten Misstrauens“. A. M. wohl Lutter, M./Krieger, G., Pflichten, 2002, Rz. 246: „Manchmal wird vor allem von betriebswirtschaftlicher Seite in allgemei- nen Publikationen der Eindruck erweckt, Aufsichtsräte würden ständig unzureichend informiert.“

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5

II. Informationsbeziehungen in der Unternehmung

Dem Aufsichtsrat als dem zentralen Überwachungsorgan müssen alle die Informationen zur Verfügung stehen, die die Realität in der Unternehmung „zum Reden bringen“. Diese Reali- tät wird durch die Führungsentscheidungen und deren Grundlagen abgebildet und dokumen- tiert. Das zentrale rechtliche Problem hierbei stellt die Ermittlung des objektiv erforderli- chen (Mindest-)Informationsbedarfs dar. Darüber hinaus müssen aber auch das generelle Verhältnis zwischen Informationsangebot und Informationsnachfrage hinsichtlich der betei- ligten Personen, ihre Informationswege und -mittel sowie die quantitative, qualitative wie zeitliche Ausgestaltung untersucht werden.

Zur Bestimmung des Informationsbedarfs ist allein der Überwachungszweck maßgeblich.1 Oder anders ausgedrückt: Informationen, die für einige oder einzelne Aufsichtsratsmitglie- der möglicherweise von größtem Interesse sind, aber nicht in Zusammenhang mit der kon- kreten Überwachungsaufgabe stehen, können zu keinem Zeitpunkt einen berechtigten In- formationsbedarf darstellen. Dabei sind dem Aufsichtsrat aber alle die Informationen zu geben, die ihm ein zweckorientiertes Wissen ermöglichen: Sie müssen in jedem Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben im Interesse einer ordnungsmäßigen Überwachung erforder- lich oder zumindest geeignet sein.

Der gesetzliche Überwachungsauftrag ist der zentrale Maßstab zur Bestimmung des Um- fangs und Inhalts der Überwachungsinformationen.2 Damit ist die Bestimmung, Auswahl und Gewichtung der für die Überwachung erforderlichen Informationen auch Gegenstand und Resultat der „Grundsätze ordnungsmäßiger Überwachung (GoÜ)“.3 Die Notwendigkeit eines solchen Grundsatzsystems wurde aus rechtswissenschaftlicher Sicht lange Zeit und nachhaltig verneint. Darüber hinaus wurde selbst die Berechtigung, der Praxis entsprechen- de Anregungen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive - als der einschlägigen Fachwissen- schaft - zu geben, als nicht akzeptable Anmaßung kritisiert.4 Seitdem aber die internationale Corporate Governance-Diskussion den Kodex-Gedanken nach Deutschland gebracht hat, wird diesbezüglich der Rückzug angetreten. Darüber hinaus ist die Idee entsprechender Grundsätze explizit in Ziff. 3.8 Satz 1 DCGK aufgenommen worden: „Vorstand und Auf- sichtsrat beachten die Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung“.5

Wichtige Zusammenhänge zwischen den informierenden und den informationsnachfragen- den bzw. -empfangenden Stellen werden in Abbildung 1 dargestellt. Als Überwachungsin- formationsbedarf soll die Menge aller objektiv erforderlichen Informationen bezeichnet

1 So bereits Becker, T., Überwachungskonzepte, 1993, S. 22; a. M. Mertens, H.- J., Kölner Kommentar, 1996, § 90 Anm. 4.

2 So u. a. LG Hannover, Urt. v. 27.06.1989, DB 1989, S. 1816.

3 Zu einem vergleichbaren Ansatz zur Ermittlung der Informationsgrundlagen für den Abschlussprüfer vgl. Schichold, B., Redepflicht, 1995.

4 So u. a. Kallmeyer, H., Pflichten, 1993, S. 107: „Zur Ableitung von Rechtspflichten aus Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre bedarf es weitergehender rechtlicher Begründungen. Die Betriebswirt- schaftslehre spielt für den Rechtswissenschaftler nur eine unterstützende Rolle.“

5 Ziff. 3.8 Satz 1 DCGK; ausführlich dazu u. a. Theisen, M. R./Werder, A. v., Grundsätze, 2004.

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II. Informationsbeziehungen in der Unternehmung 6

werden, die der Aufsichtsrat und seine einzelnen Mitglieder benötigen, um eine ordnungs- mäßige Überwachung der Unternehmens- und Konzernführung leisten zu können. Von diesem objektiven Informationsbedarf ist zum einen das Angebot der Informierenden (In- formationsgeber), zum anderen die individuelle oder kollektive Nachfrage der Informations- empfänger zu unterscheiden. Nur im Idealfall sind die drei, diese einzelnen Funktionen in Abbildung 1 symbolisierenden Kreise deckungsgleich. Die hier beispielhaft gewählte Dar- stellung weist auf die in der Praxis regelmäßig bestehenden Unvollkommenheiten und Infor- mationsschrägverteilungen („Informationsasymmetrien“) hin.1 Die Gründe für unterschied- lich verteilte bzw. gegebene Informationen sind vielschichtig:

• Der oder die Informanten gewähren die erforderlichen Informationen nicht vollständig und/oder nicht in der notwendigen Qualität und Umfang und/oder zu falschen - meist zu späten - Zeitpunkten. Es besteht eine zeitliche, inhaltliche, quantitative oder qualitative Informationsblockade durch die Informationsgeber (information lag).2

• Die zu informierenden Aufsichtsratsmitglieder haben keine vollständigen Kenntnisse über die für ihre Überwachungsarbeit erforderlichen Informationen und/oder die Infor- mationswege und -rechte. Es besteht Unkenntnis über den Informationsanspruch und die Informationsversorgung seitens der Informationsempfänger (information lag).3

• Die zu überwachenden Vorstandsmitglieder und die überwachenden Aufsichtsratsmit- glieder sind mit dem Informationsaustausch sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch des Inhaltes und der Informationszeitpunkte zufrieden. Es besteht beidseitig ein subjekti- ves Zufriedenheitsgefühl, obwohl die Informationsversorgung und/oder die Informations- nachfrage bei objektiver, aufgabenbezogener Betrachtung nicht vollständig sind (infor- mation gap).

• Die vom Vorstand (und anderen) gewährten Informationen sind objektiv hinreichend („angemessen“). Der tatsächliche Wert und die damit verbundenen Aussagen werden aber nicht zutreffend erkannt und eingeschätzt. Es bestehen also mangelnde - subjektive wie objektive - Kenntnisse über die Bedeutung und Qualität einzelner Informationen, den konkreten Informationswert. Die vorhandenen Informationen werden daher für die Überwachung nur teilweise oder überhaupt nicht ausgewertet und verwendet (informati- on slack).

1 Dazu ausführlich u. a. Auge-Dickhut, S., Aufsichtsrat, 1999; Grothe, P., Unternehmensüberwachung, 2006, S. 86-94; Leyens, P. C., Information, 2006, S. 48 f.

2 Dazu Klartext bei Lutter, M./Krieger, G., Pflichten, 2002, Rz. 225: „Das ist die ganz normale Haltung eines Vorstands … Niemand reicht einem anderen gern und rasch den Strick, mit dem er aufgeknüpft werden kann!“

3 Ähnlich Girnghuber, G., Committee, 1998, S. 178: „Die Ursache .., daß Aufsichtsräte ... bestehenden Informationsbedarf sorgfaltswidrig nicht erkennen.“

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1. Informationsgeber 7

Abb. 1: Beziehungsgefüge zwischen Überwachungsinformationsbedarf, -angebot und -nachfrage

Legende:

1 = Informationen, die weder angeboten, noch nachgefragt werden, aber notwendig sind (information gap)

2 = Informationen, die angeboten werden, notwendig sind, aber nicht nachgefragt werden (information lag)

3 = Informationen, die nachgefragt werden und notwendig sind, aber nicht angeboten wer- den (information lag)

4 = Informationen, die angeboten und nachgefragt werden und notwendig sind

5 = Nachrichten, die angeboten und nachgefragt werden, aber nicht notwendig sind (infor- mation slack)

6 = Nachrichten, die angeboten werden, aber weder nachgefragt werden noch notwendig sind (information slack)

7 = Nachrichten, die nachgefragt werden, aber weder angeboten werden noch notwendig sind (information slack)

Vor dem Hintergrund der zahlreichen - subjektiven wie objektiven - Einschränkungen der tatsächlichen Aufsichtsratsinformation soll eine Analyse der Informationsbeziehungen vor- genommen werden.1 Anschließend werden die gesetzlichen Grundlagen sowie die Forde- rungen, die sich für die kodexverpflichteten Unternehmen nach den Empfehlungen des

1 Zu den Grundtypen der auf Informationsdefizite aufbauenden Entscheidungen überzeugend Salje, P., Informationsordnung, 1998, S. 50.

Überwachungsaufgabe

Informationssender

Angebot Nachfrage

Informationsempfänger

Überwachungs- Informationsbedarf

1

2 3

5

6 7

Überwachungs- Informationsbedarf

3

6 5 7

1 2

4

Überwachungsaufgabe

Informationssender

Angebot Nachfrage

Informationsempfänger

Überwachungs- Informationsbedarf

1

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5

6 7

Überwachungs- Informationsbedarf

1

2 3

5

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Überwachungs- Informationsbedarf

3

6 5 7

1 2

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II. Informationsbeziehungen in der Unternehmung 8

DCGK ergeben, dargestellt und analysiert.1 Zudem wird das faktische Informationsverhalten der Vorstände und Geschäftsführer deutscher Kapitalgesellschaften gegenüber ihrem jewei- ligen Aufsichtsrat an Hand von empirischen Untersuchungen sowie im Spiegel der aktuellen Rechtsprechung vorgestellt. Diese Darstellung wird die bestehende Unvollkommenheit im Beziehungsgefüge zwischen Überwachungsinformationsbedarf, -angebot und -nachfrage belegen. In den weiteren Kapiteln des Teil A werden Einzelaspekte der Information des Aufsichtsrats behandelt.

1. Informationsgeber

Als Informationsgeber (Informanten) werden alle Personen und Stellen bezeichnet, die den Aufsichtsrat informieren müssen bzw. können. Mit dem Begriff „Information“ sollen alle Maßnahmen erfasst werden, die von Personen oder Einrichtungen ergriffen werden (müs- sen), um den Überwachungsträgern, insbesondere dem Aufsichtsrat und seinen Mitgliedern, die für deren Überwachung der Geschäftsführung erforderlichen Kenntnisse geben zu kön- nen.2 Dabei geht es vorrangig um eine ziel- und zweckmäßige Bestimmung der Gesamtheit der Informationsgeber und der diesen jeweils zur Verfügung stehenden Informationen. Die weitgehend gesetzlich geregelten Informationswege und deren Optimierung sind anschlie- ßend zu untersuchen.

Beschränkungen, die sich aus den zum Teil unterschiedlichen rechtlichen Vorschriften für die verschiedenen Rechtsformen und deren Verfassung ergeben, sollen zunächst weitgehend außer Betracht bleiben.3 Eine zielorientierte und zweckgerichtete Überwachung der Unter- nehmens- und Konzernführung durch den Aufsichtsrat ist vorrangig an den sachlichen und formalen Zielen, die im Rahmen des Unternehmens verfolgt werden, auszurichten. Die Überwachung selbst hat sich auf die folgenden Gebiete zu beziehen:

• funktionelle Führungsbeurteilung, die Beurteilung der Aufgabenerfüllung der Füh- rungsorgane,

• Einschätzung der personellen und institutionellen Führungsqualifikation, die Güte der Unternehmungsführung und der sie leistenden Personen,

• die Beurteilung des Ablaufs der Führungsprozesse, die Unternehmungsführung als ein aktives Handeln,

• die Einschätzung der Ergebnisse der Führungsentscheidungen, die Organverantwortung der Unternehmensführung.4

1 Pauschalkritik dazu von Hüffer, U., Aktiengesetz, 2006, § 76 Anm. 15b: „Vorfrage …, ob .. für Kodex überhaupt Bedarf besteht, stellt sich … nicht mehr; richtigerweise war sie zu verneinen“; ähnlich Wolf, M., Governance, 2002.

2 Grundlegend dazu vgl. Grotz-Martin, S., Informations-Qualität, 1976, S. 73 f.

3 Anders dagegen aus rechtlicher Sicht u. a. Lutter, M./Krieger, G., Pflichten, 2002, Rz. 63: „Überwa- chungsgegenstand ist .. die Tätigkeit des Vorstands“.

4 Zu den „Soll-Maßstäben der Überwachung“ aus betriebswirtschaftlicher Sicht vgl. Chmielewicz, K., Führung, 1988, S. 569 f.

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1. Informationsgeber 9 Eine auf diese Gebiete ausgerichtete, systematische Überwachung der Unternehmensfüh- rung ermöglicht die erforderliche Strukturierung der Überwachungsaktivitäten. Der Umfang und die Intensität der Überwachung sind unmittelbar von den jeweiligen Zielen und Zwe- cken des Unternehmens und ihrer Organisationsform abhängig.

a. AG-Vorstand bzw. GmbH-Geschäftsführung

Der Überwachungsgegenstand des Aufsichtsrats in seiner Gesamtheit wie für jedes seiner Mitglieder ist die Unternehmensführung. Überwachungsziel aber ist das mit der - und vor allem durch die - Unternehmensführung angestrebte sowie erreichte Ergebnis aller wirt- schaftlichen Aktivitäten des Unternehmens auf dem Markt. Im Mittelpunkt der Untersu- chung steht damit die Unternehmensführung, nicht die Überwachung. Als zielführende Leit- linie der Analyse soll formuliert werden:

„Es geht nicht darum, die Überwachung zu perfektionieren, sondern die Unternehmensführung zu verbessern.“1

Die Unternehmungsführung wird in der Betriebswirtschaftslehre auf verschiedenen Ebenen bzw. mit unterschiedlichen Dimensionen definiert: So werden unter dieser Bezeichnung die Unternehmensführer, also die Vorstände und Geschäftsführer, als Individuen erfasst. Mit der Geschäftsführung wird aber auch alternativ die Einrichtung als Organisationsebene und Stelle beschrieben. Schließlich deckt der Begriff der Geschäftsführung auch die von den konkreten Personen ausgeübten bzw. auszuübenden Funktionen ab.2 Das jeweils rechts- formbedingt unterschiedlich ausgestaltete Leitungsorgan (AG-Vorstand, GmbH-Geschäfts- führung) stellt aber in allen Fällen den zentralen Informationsmittler im Beziehungsgefüge Unternehmensführung - Aufsichtsrat dar.

Eine weitere terminologische Klärung ist erforderlich: In dieser betriebswirtschaftlichen Ab- handlung wird von Unternehmung gesprochen, wenn die betriebswirtschaftliche Organisati- onseinheit beschrieben bzw. erfasst werden soll; diese kann sich sowohl aus einer als auch aus mehreren rechtlich selbstständigen Gesellschaften - Unternehmen im rechtlichen Sinne - zusammensetzen. Der Begriff des Unternehmens wird in den Fällen aufgegriffen, in denen der rechtliche Zusammenhang und damit auch die zugrunde liegende Rechtssprache dies erforderlich machen.

Die Unterschiede zwischen rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise füh- ren immer wieder zu Diskussionen. Für diese Differenzen sind u. a. auch die abweichenden Auffassungen maßgeblich, inwieweit zwischen Informationsgeber und Informationsmittler unterschieden werden muss. So werden mit zunehmender Größe des zu überwachenden Unternehmens die Person des Informationsgebers und die des Informationsmittlers ausein- ander fallen: Nach aber (noch) überwiegender Auffassung in der juristischen Literatur ist nur der Vorstand bzw. das jeweils zur Vertretung der Gesellschaft befugte Organ regelmä- ßig der einzige (legitime) unmittelbare Informant des Aufsichtsrats; er hat ihm die erforder- lichen bzw. nachgefragten Informationen zu vermitteln (Informationsmittler). Informations-

1 Jaschke, T., Überwachungsfunktion, 1989, S. 256.

2 Zur Definition vgl. Theisen, M. R., Überwachung, 1987, S. 44.

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II. Informationsbeziehungen in der Unternehmung 10

geber ist dagegen derjenige, der die spezifischen Informationen, z. B. über ein konkretes Projekt, eine bestimmte Maßnahme oder aber auch Teile der Unternehmungsplanung, er- stellt bzw. produziert hat. Die Differenzierung bekommt Bedeutung insoweit, als Informati- onsverluste oder -verfälschungen eine ihrer Ursachen in dem Auseinanderfallen dieser Funktionen finden können.

Seit einigen Jahren wird eine sehr intensive, aber nicht abgeschlossene Diskussion über ei- nen deutlich erweiterten Kreis an Informanten des Aufsichtsrats geführt: Vor dem Hinter- grund der internationalen Entwicklungen, namentlich des angelsächsisch geprägten „Board- Modells“, steht die Unabhängigkeit der Information für den Aufsichtsrat und - damit ver- bunden - die (führungsunabhängige) Berichterstattung im Mittelpunkt. Die (ergänzende, nicht ersetzende) Berücksichtigung vorstandsunabhängiger Informationsquellen und Infor- mationen wird vereinzelt bereits als „zweite Säule der Überwachungsinformation des Auf- sichtsrats“ bezeichnet.1

b. Leitende Angestellte, Sparten-, Profitcenter- bzw. Divisionsleiter

Weitere Informationsgeber sind Bereichsdirektoren, Leitende Angestellte sowie - in Abhän- gigkeit von der Organisationsform - auch Sparten- bzw. Divisionsleiter. Sie bilden wichtige nachrangige bzw. vorbereitende Entscheidungsinstanzen in der Unternehmung und sind daher schon immer wesentliche Informationsmittler.2

Ungeachtet der rechtlichen Gesamtverantwortung und des maßgeblichen Direktionsrechts des AG-Vorstands bzw. der GmbH-Geschäftsführer ist die Eignung dieses erweiterten Füh- rungsstabes als Informationsgeber zu berücksichtigen. Sie besitzen in der Regel erhebliche Kompetenz und Qualifikation. Im Interesse einer zielführenden Information des Aufsichts- rats und unter Berücksichtigung der Informationskosten müssen diese Ebenen und Personen auch als Informationsgeber grundsätzlich berücksichtigt werden.3 Umfang und Ausmaß dieser Inanspruchnahme sind aus juristischer Sicht umstritten: Vor dem Hintergrund interna- tionaler Entwicklungen argumentieren insbesondere Leyens und (eingeschränkt) Hopt/Roth tendenziell für einen ergänzenden Informationsanspruch.4

1 So von Leyens, P. C., Information, 2006, S. 158, umfassend dazu dort S. 158-235; Hopt, K. J./Roth, M., Großkommentar, 2006, § 111 Rz. 391-538 jeweils m.w.N. Dazu umfassend unten Abschnitt 3, S. 24.

2 Deutlich Henze, H., Leitungsverantwortung, 2000, S. 214: „Soweit der Vorstand Geschäftsführungsauf- gaben auf leitende Angestellte delegiert, muß der Aufsichtsrat außer der Zweckmäßigkeit dieser Rege- lung und der Eignung der Angestellten ... überprüfen, ob der Vorstand ... seiner Überwachungspflicht nachgekommen ist.“

3 Zur Informationsbeschaffung „am Vorstand vorbei“ zuerst Brandi, A., Ermittlungspflicht, 2000, S. 175:

„Keine Verpflichtung des Aufsichtsrates ohne konkreten Anlass zu Misstrauen“; vgl. aber auch unten S.

117 f. (Balsam AG).

4 Vgl. umfassend Leyens, P. C., Information, 2006, S. 182-201; Hopt, K. J./Roth, M., Großkommentar, 2006, § 111 Anm. 258 f.; Schneider, S. H., Informationspflichten, 2006; dagegen u. a. Lutter, M., Kon- zern, 2006, S. 521; Lutter, M., Information, 2006, Rz. 309-313.

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