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DIE UMDEUTUNG DER NEUTRALITÄT

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Academic year: 2022

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DER NEUTRALITÄT

Die Eidgenossenschaft hatte ihre Neutralität in den Stürmen der napole- onischen Zeit nicht aufrechterhalten können. Dennoch sollte die neutralisierte Schweiz einen zentralen Platz in der Nachkriegs ordnung der anti-napoleonischen Allianz einnehmen. Damit sie diese Aufgabe erfüllen konnte, mussten die Eidgenossen das Vertrauen in

ihre Neutralität wiederherstellen – sowohl im Inneren als auch unter den benachbarten Mächten. Die Schweiz nach 1815 sei, so sollte vermittelt werden, nicht mit jener von 1798 vergleichbar, da sie an innerer Stärke gewonnen habe. Diese sollte aus dem stärkeren Zusam - men rücken der Schweizer erwachsen, aber auch aus institutionellen Verbesserungen, besonders bei der Landesverteidigung. Dadurch wird verständlich, weshalb die neue immerwährende Neutralität für das entstehende schweizerische Nationalgefühl eine wichtige Bedeutung erhielt.

Autor

Peter Lehmann studierte Geschichte, Theologie und Betriebswirt- schaftslehre an der Universität Bern und promovierte an der Universität Lausanne. Seit 2009 unterrichtet er Geschichte und Religion an der Kantonsschule Solothurn.

Eine politische Ideengeschichte

der Eidgenossenschaft vor und nach 1815

Pe te r L eh m

DIE UMDEUTUNG

DER NEUTRALITÄT

www.schwabe.ch

D IE U M DE U TU N G D ER N EU TR A LI TÄT

Eine politische Ideengeschichte

der Eidgenossenschaft vor und nach 1815

Peter Lehmann

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Die Umdeutung der Neutralität

Eine politische Ideengeschichte der Eidgenossenschaft vor und nach 1815

Schwabe Verlag

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wurde finanziert durch die Fondation des Archives de la Famille Pictet.

Erschienen 2020 im Schwabe Verlag Basel

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0)

Abbildung Umschlag: Unvollendetes Porträt von Charles Pictet de Rochemont, undatiertes Aquarell, seiner Tochter Amélie Pictet zugeschrieben. Fondation des Archives de la Famille Pictet, H36.5 x L30cm (Ausschnitt).

Korrektorat: Trude Trunk, Berlin

Umschlaggestaltung: icona basel gmbh, Basel Layout: icona basel gmbh, Basel

Satz: 3w+p, Rimpar

Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISBN Printausgabe 978-3-7965-3975-6 ISBN eBook (PDF) 978-3-7965-4026-4 DOI 10.24894/978-3-7965-4026-4

Das eBook ist seitenidentisch mit der gedruckten Ausgabe und erlaubt Volltextsuche. Zudem sind Inhaltsverzeichnis und Überschriften verlinkt.

rights@schwabe.ch www.schwabe.ch

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Danksagung . . . 13

1 Einleitung . . . 15

1.1 Fragestellung . . . 15

1.2 Forschungsstand . . . 20

1.3 Methodik und Aufbau der Studie . . . 34

Erster Teil: Interpretationen der Schweizer Neutralität bis 1815 2 Neutralität und Unabhängigkeit in der Zeit des Siebenjährigen Krieges. . . 43

2.1 Das unbestreitbare Recht jedes unabhängigen Staates: Die Neutralität in Vattels Völkerrecht . . . 43

2.1.1 Die Rahmenbedingungen der Neutralität in Vattels Droit des Gens. . . 44

2.1.2 Neutralität und die Frage des gerechten Krieges . . . 48

2.1.3 Rezeption . . . 51

2.2 Wirtschaftliche Unabhängigkeit durch ökonomischen Patriotismus . . . 54

2.2.1 Die Gründung ökonomischer Sozietäten als Antwort auf Krisen und Kriege . . . 54

2.2.2 Landwirtschaftliche Reformen zwischen Begeisterung und Kritik: Agromanie . . . 60

2.2.3 Wirtschaftliche Reformen ohne politische Reformen . . . 65

(9)

3 Neutralität im Verhältnis zu Frankreich . . . 69 3.1 Allianzerneuerung 1777: Neutralität als minimale

Unabhängigkeit im Rahmen der französischen Protektion . . . 69 3.1.1 Die Angst vor Österreich verbindet die Kantone mit

Frankreich . . . 70 3.1.2 Die Eidgenossenschaft als französisches Bollwerk:

Verhinderung von Truppendurchzügen mit der Waffe . . . . 74 3.1.3 Sich nicht zu stark binden: Die Kantone fordern

Neutralität . . . 76 3.2 Unabhängigkeit und Vaterlandsliebe: Franz Bernhard Meyer von

Schauensees Solddienstkritik . . . 86 3.2.1 Fremde Dienste und Neutralität . . . 88 3.2.2 Volkswirtschaftliche und sittlich-moralische Bedenken . . . . 90 3.2.3 Die Solddienste machen abhängig und erpressbar . . . 95 3.2.4 Aufklärung und Vaterlandsliebe gegen das Reislaufen . . . 97 3.2.5 Meyer von Schauensee: Aufgeklärte Freunde und

revolutionäre Bekanntschaften . . . 100 3.2.6 Reaktionen auf die Rede . . . 106 3.2.7 Stärkung des eidgenössischen Militärwesens:

Die Helvetisch-Militärische Gesellschaft . . . 109 4 Nur eine souveräne Republik kann neutral sein. Neutralität

angesichts der französischen Revolution und Napoleons . . . 115 4.1 Ist die Eidgenossenschaft eine Republik? Diskussion am

Vorabend der französischen Besetzung . . . 115 4.1.1 Frédéric-César de La Harpe: politische Partizipation als

Bedingung für Neutralität . . . 118 4.1.2 Karl Ludwig von Haller: Neutralität als rein vertragliche

Verpflichtung . . . 133 4.1.3 Isabelle de Charrière: Die Schweizer sind die glücklicheren

Republikaner . . . 136 4.1.4 Neutralität als Politik der schwachen Republik . . . 143 4.2 «Man wird aber durch die vereinigte Stärke Aller stark sein.» Die

Neutralität in der Helvetischen Republik . . . 146

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4.3 Kritik an der Neutralität 1813: Friedrich Gentz und die Frage der

schweizerischen Souveränität unter der Mediationsverfassung . . . 152

4.4 Die Grenzverletzung zulassen heisst, das Vaterland aufzugeben: Karl Viktor von Bonstetten und die exponierte Position Genfs 1815 . . . 159

Zweiter Teil: Neutralität als nationales Einigungsprojekt– Pictet de Rochemonts Verständnis von Neutralität 5 Charles Pictet de Rochemont–ein moderater Aristokrat als Diplomat in Wien und Paris . . . 173

5.1 Publizistik und Agronomie als diplomatische Türöffner . . . 179

5.1.1 Eine bemerkenswerte Wahl. Pictet als Genfer Gesandter 1814 . . . 179

5.1.2 Die Bibliothèque britannique und die agronomischen Schriften . . . 188

5.1.3 Erwartungen an die Agrarreformen . . . 196

5.1.4 Popularität der Merinoschafe . . . 199

5.1.5 Diplomatie der Privatbesuche . . . 203

5.1.6 Die russische Delegation . . . 209

5.2 November 1815: Charles Pictet de Rochemont und die Erklärung der immerwährenden Neutralität der Schweiz . . . 217

5.3 Zwischenfazit: Pictet als Verkörperung eines aufgeklärten Patrioten . . . 224

6 1821/22 Angezweifelte Neutralität–gelobte Neutralität: Verarbeiten einer Niederlage . . . 229

6.1 Inhalt von Pictets SchriftDe la Suisse dans l’intérêt de l’Europe: Verarbeitung der Jahre von 1798–1815 . . . 229

6.2 Zweifel an der Neutralität–Entstehung vonDe la Suisse . . . 233

6.3 Gelobte Neutralität–Rezeptionsgeschichte vonDe la Suisse . . . . 252

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7 Ein schwarzer Fleck auf der militärischen Landkarte Europas.

Pictets Auslegung der schweizerischen Neutralität vor dem

Hintergrund der Erfahrungen von 1799. . . 269 7.1 Die Stellung der Schweiz im Operationsplan Frankreichs 1798–

1800 . . . 270 7.2 Garant für den Frieden: die Stellung der Schweiz in Europa nach

dem Wiener Kongress . . . 275 8 Verpasste Verbesserungen und nötige Reformen:

Konsequenzen aus Pictets Neutralitätsverständnis . . . 291 8.1 Vertrauen durch Rückzug und Bescheidenheit. Die Aussenpolitik

der neutralen Schweiz . . . 292 8.1.1 Fremde Dienste, moralische Unabhängigkeit und

neue Bescheidenheit . . . 292 8.1.2 Stellung gegenüber der Heiligen Allianz: Republikanische

Freiheit gegen Willkür . . . 298 8.1.3 Der Schutzschild Europas: Grenzen und Militärgeographie

der Schweiz . . . 301 8.1.4 Die Bedeutung der Alpenpässe . . . 307 8.2 Die Genfer Stadtmauern als nationales Problem . . . 310

8.2.1 Eroberung und Unterdrückung: Die Frage der Genfer

Befestigungen . . . 310 8.2.2 Die Diskussion einer existentiellen Frage für Genf und die

Schweiz gehört in die Öffentlichkeit . . . 313 8.2.3 Nationale Verteidigungsstrategie und helvetischer Mythos . 319 8.2.4 Reform des Militärwesens und Erziehung eines

schweizerischen Nationalbewusstseins . . . 327 9 Fazit. . . 333 9.1 Die Schweiz als Förderin des Friedens . . . 333 9.2 Die Anerkennung der immerwährenden Neutralität als

nationales Reformprojekt . . . 339 9.3 Neutralität als heilsamer Mythos . . . 341

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9.4 Marignano und Wiener Kongress . . . 344

10 Bibliographie . . . 347

10.1 Abkürzungen . . . 347

10.2 Manuskripte . . . 347

10.3 Gedruckte und edierte Quellen . . . 349

10.4 Literatur . . . 354

Personenregister . . . 375

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(14)

Eine Doktorarbeit zu verfassen ist nur auf den ersten Blick eine einsame Arbeit. Zahlreiche Menschen haben mich auf diesem langen, spannenden, aber auch nicht einfachen Weg begleitet.

Allen voran möchte ich meinem Directeur de thèse Professor Béla Kapossy danken, der mir diese Forschungsarbeit überhaupt erst ermöglicht hat und mich während des langen Prozesses mit kritischen Fragen, prakti- schen Hinweisen und seiner grossen Erfahrung und Quellenkenntnis immer wieder zu kritischem Hinterfragen und zum Blick in neue Geländekammern veranlasst hat. In kritischen Momenten hat er mich aber auch zu nötigen Pausen angehalten, und wenn es die Umstände wieder erlaubten, mit subti- lem Druck vorwärtsgetrieben. Ebenso möchte ich meinem Zweitbetreuer Professor André Holenstein danken. Er hat mich in meiner Berner Zeit für die Schweizer Geschichte begeistert, mir den Einstieg in die Dissertation ermöglicht und mich auf diesem jahrelangen Weg wissenschaftlich, aber auch menschlich stets begleitet und unterstützt. Den weiteren Mitgliedern der Jury, Professorin Irène Herrmann und MER Sandro Guzzi-Heeb ihrer- seits danke ich für die mannigfachen Anregungen im Zuge des Colloque intèrne und der Soutenance de thèse, welche der Arbeit zusätzliche Tiefen- schärfe verliehen. Ebenso gebührt mein Dank zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, welche mich im Rahmen der Doktorandenkolloquien der Uni Lau- sanne und Bern und der Ecole doctorale mit Rat und Tat, aber auch mit einer gehörigen Portion Solidarität und dem Gefühl, nicht alleine zu sein, unterstützt haben.

Dem SNF bin ich ebenso zu Dank verpflichtet. Dank dessen Finanzie- rung konnte dieses Projekt überhaupt erst entstehen und reifen. Zudem hat er diese Publikation durch seine grosszügige Unterstützung erst ermöglicht.

Des Weiteren möchte ich den zahlreichen Personen danken, welche meine Forschungen in Archiven und Bibliotheken ermöglichten. Stellvertre-

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tend möchte ich hier die Fondation des archives de la famille Pictet erwäh- nen, die mir immer freundliche Aufnahme gewährte, mich mit etlichen Bil- dern für Artikel und das Buchcover versorgte und grosszügigerweise die Druckkosten für dieses Buch übernahm. Für die angenehme Zusammenar- beit während der Publikation meiner Arbeit, für die kritischen Hinweise und Rückfragen und die konstruktiven Verbesserungsvorschläge möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Schwabe Verlages, namentlich Tho- mas Hirt, herzlich danken.

Schliesslich gebührt all meinen Freunden, Arbeitskolleginnen, meinen Eltern und Familienmitgliedern ein grosser Dank. Sie haben mir den Weg zur Dissertation geebnet und mich vor allem in den nicht immer einfachen Stunden dieser Arbeit ausgehalten und aufgemuntert, aber auch alltägliche Sorgen anhören müssen. Ohne sie hätte ich kaum so lange durchgehalten.

Der letzte Dank gebührt meiner lieben Frau Theres. Sie hat mich mit bewundernswerter Geduld unterstützt, hat gut zu den Kindern geschaut und sie von mir ferngehalten, wenn Papa arbeiten musste. Und sie hat mich oft wieder auf den Boden zurückholen müssen. Vielen herzlichen Dank!

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1.1 Fragestellung

Nur die strengste Handhabung der angelobten Neutralität unter allen Umständen und gegen alle fremde Eingriffe, von welcher Seite sie kommen sollten, kann dem schweizerischen Namen wieder Achtung erwerben; aber nöthigenfalls muss diese Neutralität mit dem Schwert verfochten und kein Opfer als zu gross angesehen wer- den, um solche zu behaupten, denn mitdieser ernsten Neutralität erhalten wir unse- re Selbständigkeit.[…] Stehet zusammen, wackere Brüder, folget den Bessern unter euch, welche es wahrlich redlich und treu mit dem Vaterlande meinen; rüstet eure Streithaufen zur Vertheidigung des schweizerischen Bodens, so lange es noch Zeit ist, zeiget dem Auslande, dass ihr würdig seid, eine freie Nation zu bleiben, und dass ihr, wenn es sein muss, jeden Angriff gegen eure Selbständigkeit gleich rächend bekämpfen wollet.1

Mit patriotischem Eifer rief Zschokkes Schweizer Bote 1821 zur gemeinsa- men Verteidigung der Eidgenossenschaft auf. Nicht dass zu dieser Zeit ein Heer an der Schweizer Grenze gestanden hätte, allerdings waren im angren- zenden Ausland vermehrt Stimmen laut geworden, welche der Eidgenossen- schaft die Fähigkeit absprachen, ihre Neutralität im Falle eines neuerlichen Krieges in Europa zu schützen. Die Vehemenz, mit welcher der Autor die Schweizer zur Einigkeit und zu einer kraftvollen militärischen Antwort auf- rief, ergibt sich aus dem Stellenwert, welcher die Neutralität in seinen Augen hatte: Sie war für ihn der Prüfstein für die Existenz der Schweiz als selbst- ständige Nation.

Die Benennung der Neutralität als Bestandteil des politischen Selbstver- ständnisses der Schweiz 1821 ist durchaus bemerkenswert. Als sechs Jahre vorher, am 20. November 1815, die europäischen Grossmächte in Paris die

1 Schweizer-Bote 1821, Nr. 46 [15.11.1821], 366, Hervorhebung im Original.

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Urkunde unterschrieben, welche die immerwährende Neutralität der Schweiz bestätigte, war deren Ansehen auf einem Tiefpunkt angelangt.2Seit dem Ein- marsch der französischen Truppen 1798 stand die Eidgenossenschaft unter dem offensichtlichen, direkten Einfluss ihres westlichen Nachbarn, der ihr zunächst ein Offensiv- und dann ein Defensivbündnis mit weitgehender Ver- fügungsgewalt über ihr Truppenreservoir aufzwang.3 Umgekehrt scheuten sich auch die gegen Napoleon verbündeten Mächte 1813 nicht, ihre Truppen durch die Schweiz nach Frankreich marschieren zu lassen, ja 1815 stiessen sogar eidgenössische Truppen selbst über die Grenze nach Frankreich vor.

Dennoch hielten die Eidgenossen an ihrer Neutralität fest und liessen sie sich von den europäischen Grossmächten bestätigen.

Warum wollten die Eidgenossen 1815 eine Anerkennung der Neutralität erhalten – und zwar, wie immer wieder betont wird, als quasi einziger gemeinsamer Nenner–, nachdem sie mit dieser Politik in den vorangegange- nen Jahren offensichtlich Schiffbruch erlitten hatten? Welchen Sinn und Zweck schrieben die Zeitgenossen der Neutralität zu? Wie versuchten die Schweizer die Glaubwürdigkeit der Neutralität nach dem offensichtlichen Versagen dieser Politik angesichts von Napoleons Herrschaft wiederherzu- stellen? Gab die Garantie der immerwährenden Neutralität den Anstoss zu einer neuen Interpretation dieser Politik? Lassen sich demzufolge Diskonti- nuitäten in der Interpretation der Neutralität durch die Eidgenossen zwi- schen dem 18. Jahrhundert und dem frühen 19. Jahrhundert erkennen?

Diese fünf Fragen standen am Anfang dieser Arbeit. In ihrem Fokus steht damit die Interpretation der immerwährenden Neutralität im unmittel- baren Nachgang zu ihrer Anerkennung 1815 und deren politische Implika- tionen. Dafür bietet sich die 1821 vom genferisch-schweizerischen Diploma-

2 Nach dem Fall Napoleons wurden drei grosse europäische Kongresse abgehalten, welche oft verkürzt unter‹Wiener Kongresssubsummiert werden: im Frühjahr 1814 der erste Pariser Kongress, der die nicht gelösten Streitfragen an den Wiener Kongress weiter- gab, welcher von September 1815 bis März 1815 tagte. Nach Napoleons Rückkehr von der Insel Elba und nach seiner Niederlage bei Waterloo wurden die definitiven Regelungen der strittigen Fragen am zweiten Pariser Kongress im Sommer und Herbst 1815 getroffen.

3 Edgar Bonjour benannte das entprechende Kapitel in seiner Neutralitätsgeschichte auch die «Scheinneutralität zur Zeit der Helvetik und Mediation». Bonjour, Neutralität, 147.

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ten Charles Pictet de Rochemont publizierte SchriftDe la Suisse dans l’intérêt de l’European. Einen ersten Hinweis auf Pictets Werk lieferten die traditio- nellen Werke zur Neutralitätsgeschichte. Sowohl Paul Schweizer wie Edgar Bonjour haben die zur Verfügung stehenden Quellen, welche sich mit Neu- tralität beschäftigen, weitgehend erfasst. Bei beiden taucht der Name Pictet de Rochemont als Verfasser der Neutralitätsurkunde prominent auf.4

Pictets Schrift ist ein wichtiger Text, der zeitgenössisch breit rezipiert wurde und andere inspiriert und zu eigenen Stellungnahmen veranlasst hat.

Pictet darf daher durchaus als Meinungsführer betrachtet werden. In seiner Schrift sind alle in der Debatte jener Jahre vorgebrachten Argumente zu fin- den, womit sie ein zentrales und zugleich repräsentatives Dokument dafür darstellt, das darüber hinaus bis ins 20. Jahrhundert hinein als Referenzwerk für die Interpretation der schweizerischen Neutralität diente. Davon zeugen unter anderem mehrere Neuauflagen, welche immer in Situationen publiziert wurden, in denen die Schweiz wegen ihrer Neutralitätspolitik unter Beschuss geriet.5

Aufklärung, Revolution, Napoleon – diese drei Schlagworte bildeten den Erfahrungshorizont einer ganzen Generation politischer Entscheidungs- träger um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Das gilt auch für Char- les Pictet de Rochemont. Wer seine SchriftDe la Suisse dans l’intérêt de l’Eu- ropevon 1821 interpretieren will, kommt nicht um die Frage herum, welche Ereignisse, Erfahrungen und Ideen sein Denken geprägt haben. Dabei kommt den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine grosse Bedeutung zu. Pictet de Rochemont gehörte zu jenen Männern, für welche die Geschichtsschreibung den Begriff der ‹Generation Metternich› prägte, obwohl er etwas älter war als die meisten ihrer Vertreter.6Diese Generation

4 Bonjour, Neutralität, 211–224, 235. Schweizer, Neutralität, 585–612.

5 Zu den Umständen, welche in den frühen 1820er-Jahren zu einer eigentlichen Neu- tralitätsdebatte in der Schweiz führten, sowie zur Rezeption der Schrift siehe Kapitel 6.2.

6 Zur‹Generation Metternich›siehe etwa Externbrink, Kulturtransfer, 68–77, oder Siemann, Metternich, 11f., 490–497. Ihre Vertreter sammelten sich um das Geburtsjahr 1770 herum, so Wilhelm von Humboldt (1767), Kaiser Franz (1768), Castlereagh, Wel- lington (1769), Friedrich Wilhelm III. (1770), Schwarzenberg (1771), Metternich und Dalberg (1773). Zu den etwas älteren gehörten Hardenberg (1750), Talleyrand (1754), vom Stein (1757) und Friedrich Gentz (1764). Siemann, Metternich, 491.

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der massgeblich an den Regelungen des Wiener Kongresses beteiligten Staatsmänner verbrachten ihre Kindheit und Jugend in den letzten Jahrzehn- ten des Ancien Régime, sie waren eingebettet in das alte, kosmopolitische Europa der aufgeklärten Gelehrsamkeit, was ihre intellektuelle Erziehung massgeblich beeinflusste.

Für diese Männer spielten zwei grundlegende Erfahrungen eine zentrale Rolle. Einerseits war das der relativ lange Frieden nach dem Ende des Sieben- jährigen Krieges, welcher in weiten Teilen Europas von der Aufklärung inspirierte Reformen ermöglichte. Andererseits prägte sie das Janusgesicht der Jahre der Revolution und unter Napoleon, mit den Verheissungen von Freiheit und moralischem Fortschritt aber auch Kriegen in einem bisher nie gekannten Ausmass. Diese Erfahrungen führten bei den Entscheidungsträ- gern des Wiener Kongresses zum Schluss, dass eine neue Friedensperiode nur durch die Etablierung ähnlicher Strukturen entstehen konnte, wie sie die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts geprägt hatten. Um Frieden und Ordnung in Europa zu sichern, bedurfte es der Wiederherstellung eines imperialen Gleichgewichts zwischen Frankreich, Österreich, Preussen, Eng- land und Russland, aber unter veränderten Bedingungen. Eine blosse Rück- kehr zu den Verhältnissen des Ancien Régime war keineswegs angestrebt. In diesem Sinne ist die Epochenbezeichnung ‹Restauration› für die Zeit nach dem Wiener Kongress auch irreführend.7

In Pictets SchriftDe la Suissespiegeln sich die Eckpunkte wider, welche auch seinen Erfahrungshorizont prägten, Aufklärung und Revolution bezie- hungsweise die napoleonischen Kriege. Er verwob Diskurse und Ideen, wel- che seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert kursierten, aktualisierte sie aber unter dem Blickwinkel der Erfahrungen seit der Revolution. Dazu gehörten Fragen nach der richtigen republikanischen Verfassung der Schweiz, nach dem Wert und der Ausgestaltung ihrer Neutralität, aber auch ganz wesent- lich Diskurse, welche sich um die Frage drehten, wie die Schweiz ihre Unab- hängigkeit verbessern beziehungsweise ihre Abhängigkeit gerade von Frank- reich verringern konnte. Pictet kompilierte die aus diesen Diskursen hervorgegangenen Ideen und führte sie unter der Fragestellung zusammen,

7 Siemann, Metternich, 12, 492f. Stauber, Wiener Kongress, 11–14. Externbrink, Kul- turtransfer, 74–77.

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wie die Schweiz für die Zukunft ihre Aussen- und Innenpolitik gestalten musste, damit die ihr zugestandene immerwährende Neutralität als vertrau- enswürdig eingeschätzt würde und die Eidgenossen damit in Zukunft von den Kriegen ihrer Nachbarn unbehelligt bleiben konnten.

Seine Thesen, welche er in De la Suisse entwickelte, fasste Pictet am Schluss seines Bandes kurz und bündig zusammen:

La véritable politique de la Suisse est de servir tour à tour de bouclier à ses voisins;

de cultiver leur bienveillance, sans qu’il en coûte rien à sa dignité; de décourager les projets de corruption, en resserrant le cercle de ses besoins, et de maintenir dans son intégrité la réputation de droiture, de fidélité et de bravoure, que l’histoire assigne à ses habitants.8

Darin verwob Pictet die verschiedenen Stränge, welche er für eine glaubwür- dige Neutralitätspolitik für unabdingbar hielt: Mit ihrer Neutralität sei die Schweiz die Schildwache des Europäischen Friedens. Damit sie diese Aufgabe erfüllen konnte, musste sie gegen alle unparteiisch und unbestechlich sein, wobei sich die Unbestechlichkeit aus der Bescheidenheit ergeben musste. Um der Neutralität ihre Glaubwürdigkeit zurückzugeben, mussten die Schweizer sich wieder die Tugenden ihrer Ahnen aneignen: Tapferkeit, Treue, Recht- schaffenheit.

Das Zitat gibt einen Hinweis darauf, woher er seine Ideen bezog. Es sind die Tugenden der Aufklärung, des liberalen Bürgertums und das Geschichts- bild des helvetischen Patriotismus. Pictet verband diese mit der immerwäh- renden Neutralität. Dabei machte er aus der Neutralität eine tugendhafte Institution und ihre Aufrechterhaltung zur Existenzfrage für die Schweiz.

Diese Umdeutung herauszuarbeiten und herzuleiten sowie deren Konse- quenzen für die Interpretation der immerwährenden Neutralität als Grund- pfeiler der nationalen Existenz der Schweiz darzustellen ist Ziel dieser Arbeit.

8 [Pictet de Rochemont], De la Suisse, 120.

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1.2 Forschungsstand

Die Schweizer Neutralität ist spätestens seit dem 17. Jahrhundert Gegenstand der kritischen Diskussion, insbesondere aber seit ihrer völkerrechtlichen Festschreibung 1815, ebenso ihre Infragestellung im Ausland wie im Inland.9 Besonders nach dem Fall der Berliner Mauer hat sich die Diskussion um die Neutralität in der Schweiz deutlich intensiviert und nochmals gegen Ende der 1990er-Jahre im Zusammenhang mit der Diskussion der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, sodass für die 1990er-Jahre von einer regel- rechten «Krise der Neutralität» gesprochen werden kann.10Die Frage nach dem Sinn eines Festhaltens an der althergebrachten Neutralität stand dabei im Zentrum der Diskussion. Besonderen Auftrieb erhielt die Diskussion durch das Nein des Schweizer Volkes zum EWR 1992, durch die Kriege auf dem Balkan, durch die Diskussion im Vorfeld der Abstimmung zum Beitritt der Schweiz zur UNO und ansatzweise 2010 durch den neuen Sicherheitspo- litischen Bericht des Bundesrates.11Die Schweizer Politik sah und sieht sich gezwungen, klarer Position zu beziehen, wie die Eidgenossenschaft ihr Ver- hältnis zum immer mehr zusammenrückenden Europa und zu supranationa- len Organisationen sowie ihre zukünftige Sicherheitspolitik gestalten soll.

Wichtiger Gegenstand dieser Diskussion ist immer das Verständnis der Neu- tralität, welche dabei als Stellvertreter für die aussenpolitischen Visionen der politischen Akteure dient. Dabei geht es im Kern immer um die Frage, inwiefern die nationalstaatliche Handlungsfähigkeit unter den Bedingungen von Globalisierung und Europäisierung eine Mitgliedschaft in supranationa- len Organisationen oder institutionalisierten Staatenverbünden wie der EU voraussetzt.12 Neben Parteien und ihnen nahestehenden Gruppierungen13

9 Vgl. die Zusammenstellung bei Widmer, Aussenpolitik, S. 26–30. Ebenso Maissen, Invention. Maissen, Fuchs.

10 Tanner, Geschichte, 562–567; Suter, Neutralität, 137.

11 Zu Letzterem vgl. etwa den Kommentar von René Zeller in der NZZ vom 15.4.

2010. Zeller, Kluger Marschbefehl.

12 Riklin, Neutralität am Ende, S. 22, Rhinow, Neutralität als Deckmantel, S. 20f. Tan- ner, Geschichte, 567.

13 Um nur die politischen Pole zu nennen: Die SVP mit der ihr nahestehenden Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz AUNS und auf der anderen Seite der der SP

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beteiligen sich naturgemäss auch Politologen,14 Armeeangehörige, Juristen und Wirtschaftsvertreter an der Diskussion.15Vom konservativen Festhalten an der bisherigen Neutralität beziehungsweise vom Zurückkehren zur soge- nannten integralen Neutralität, wie sie angeblich während langer Perioden des zwanzigsten Jahrhunderts erfolgreich praktiziert wurde, bis hin zur For- derung nach völliger Aufgabe der Neutralität bei gleichzeitigem Beitritt zur EU und gegebenenfalls sogar zur NATO ist dabei das gesamte Meinungs- spektrum zu finden.16Eine vorbehaltlose Diskussion um die weitere Gestal- tung der Neutralität wird dabei erschwert durch die Tatsache, dass die über- wiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung in ihr ein identitätsstiftendes Merkmal sieht und ihre Bedeutung sogar höher einschätzt als die der direk- ten Demokratie, während sie im Ausland zunehmend auf Unverständnis stö- sst.17

So verwundert es nicht, dass zum Thema Neutralität primär kurze, all- gemeinverständliche Beiträge von Juristen, Politologen und Politikern aller Couleur publiziert wurden.18Eigentliche wissenschaftliche Studien zum The- ma sind dagegen eher selten. Jürg Martin Gabriel bemerkte dazu, dass das Thema für die völkerrechtliche und politologische Forschung undankbar da

«ausgeforscht» sei.19Für die historische Forschung scheint Georg Kreis‘Mei-

nahestehende Schweizerische Friedensrat. Über die Parteigrenzen hinweg tätig ist die Neue Europäische Bewegung Schweiz, welche sich für einen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union einsetzt.

14 Etwa Jürg Martin Gabriel, welcher ganz bewusst zur Meinungsbildung im Sinne einer Überwindung der Neutralität beitragen will. Gabriel, Sackgasse Neutralität, 9–17.

15 Vgl. dazu etwa Unternehmerforum Lilienberg, Die Schweiz zwischen bewährter Neutralität und europäischer Solidarität, 7–14.

16 Haering, Hug, Neutralitätsdiskurs, 20f. Brunner, Neutralität, 55–57. Mörgeli, Neu- tralität, 5–8.

17 Widmer, Aussenpolitik, 31f., Riklin, Neutralität, 21, Rhinow, Deckmantel, 20. Auch aktuelle Umfragewerte bestätigen mit 95% die hohe Zustimmung zur Neutralität. Szvirc- sev Tresch; Wenger; Ferst; Pfister; Rinaldo, Sicherheit 2015, 22.

18 Vgl. dazu den oben erwähnten Aufsatz von Kreis, Georg, Die Neutralitäteine his- torische Kategorie für eine künftige Politik, in: Kreis (Hg.), Neutralität, 35–50, der einen Überblick über diese Diskussionen bietet.

19 Gabriel, Sackgasse Neutralität, 7.

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nung verbreitet zu sein, wonach von ihr kaum neue Erkenntnisse zu erwar- ten seien. Zunächst hätte der historische Bestätigungsdiskurs dominiert, des- sen Ziel es war, aufzuzeigen, dass sich die Neutralität bewährt habe. Diesem folgte naheliegenderweise der Hinterfragungsdiskurs, der darlegte, dass die Neutralität in der Realpolitik mitunter nicht eingehalten wurde. Mittlerweile würden weitere Arbeiten folgen, die den schwankenden Stellenwert der Neu- tralität für die Realpolitik betonten. Immerhin, so Kreis, würden immer wie- der Wortmeldungen von Historikern nötig sein, die zeigten, dass die Neutra- lität nicht von «Marignano» ihren massgebenden Inhalt bekommen habe, sondern erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer isolationistischen Maxime gemacht worden sei.20

Der Aufstieg der Neutralität zur aussenpolitischen Maxime und ihre tie- fe Verwurzelung im kollektiven Bewusstsein der Schweizer werden in der historischen Literatur unterschiedlich erklärt. Die ältere Schweizer Geschichtsschreibung versuchte, die Neutralität unseres Landes als gut schweizerische Tradition möglichst weit zurückzuverfolgen. Von zentraler Bedeutung ist hier das Buch von Paul Schweizer,21 welcher als Erster ein umfassendes Werk zu dieser Thematik verfasste. Er schuf dabei eine Abstu- fung verschiedener Formen der schweizerischen Neutralität, indem er begrifflich eine aufsteigende Linie der verschiedenen Neutralitäten vom Mit- telalter bis 1815 zog. Damit schaffte er es, Neutralität als ein Merkmal eidge- nössischer Aussenpolitik quasi in deren Gründungszeit zurückzuverfolgen und in der Folge als sich stetig verstärkende Maxime darzustellen.22Die ers- ten Jahrhunderte der Eidgenossenschaft setzte er unter den Titel «Die Peri- ode der gelegentlichen Neutralität», welcher die Zeit der «regelmässige[n], aber mehrmals verletzte[n] Neutralität im dreissigjährigen Kriege» folgte.

20 Kreis, Georg, Die Neutralitäteine historische Kategorie, 36.

21 Als Anlass zum Verfassen seiner Schrift nannte er den im Sommer 1889 entstande- nen Streit über die schweizerische Neutralität. Gemeint ist damit der Wohlgemuth-Han- del, als die Schweiz wegen einer Spitzelgeschichte beinahe in einen bewaffneten Konflikt mit dem Deutschen Reich geraten wäre. Schweizer sah sein Buch als erweiterte Replik auf wissenschaftlicher Grundlage auf die Angriffe der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung.

Schweizer, Neutralität, Vorwort, III. Zu den Entstehungsumständen siehe Suter, Neutrali- tät, 164–168.

22 Schweizer, Neutralität, 189.

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Die Zeit der ludovizianischen Eroberungskriege im späten 17. Jahrhundert subsummierte Schweizer unter dem Stichwort «prinzipielle Neutralität».

Über die «Infragestellung und Wiederbefestigung des Neutralitätsprinzips im spanischen Erbfolgekrieg» führte Schweizer seine Erzählung zur «vollständi- ge[n] und exakte[n] Neutralität» in den späteren Kriegen des 18. Jahrhun- derts. Wie die aristotelische Peripetie und Katharsis der schweizerischen Neutralitätsgeschichte liest sich der Titel zur Zeit der napoleonischen Kriege,

«Aufhebung, Scheinexistenz und Wiederherstellung der Neutralität», gefolgt vom Epilog: «Behauptung der Neutralität und Ausbildung des neuern Neu- tralitätsrechts durch die Eidgenossenschaft seit 1815».

Schweizer pries die Neutralität als kluge «Staatsmaxime» der Schweiz.23 Indem er die Situation des Spanischen Erbfolgekrieges mit derjenigen der seinerzeitigen Schweiz verglich, zog er den pathetischen Schluss:

Wenn die Armeen der Mächte heute weit zahlreicher sind, hat doch auch die Mili- tärorganisation der Schweiz sich entsprechend verbessert. Vor allem aber ist der Grundsatz der Neutralität und die Einigkeit gegen aussen heute bei weitem stärker ausgebildet. […] Die eigene Uneinigkeit der Eidgenossen hat sich noch immer als der gefährlichste, ja als der einzige wirklich gefährliche Feind ihrer Neutralität und Unverletzlichkeit erwiesen. Die zuweilen auftauchende Ansicht, dass die Behaup- tung der schweizerischen Neutralität auch beim besten Willen und bei aller Anstrengung von seite [sic] der Schweiz einem sie rings umgebenden Kriege gegen- über unmöglich wäre, ist jedenfalls durch die Geschichte des spanischen Erbfolge- krieges widerlegt.24

In dieser Tradition steht auch Edgar Bonjour mit seiner bis heute umfas- sendsten Darstellung der Geschichte der Neutralität, die er als «Grundgesetz schweizerischer Aussenpolitik» beschrieb.25Für ihn ist denn auch die Aner- kennung der dauernden Neutralität der Schweiz durch die Alliierten auf dem Wiener Kongress und in Paris 1814/15 der Kulminationspunkt einer seit

23 So im Titel zum Kapitel VI. 1. Schweizer, Neutralität, 283.

24 Schweizer, Neutralität, 497–498.

25 Bonjour, Neutralität, 9 Bde, Basel 1965–1976. Wobei Bonjour die These des Ursprungs der Neutralität bei der Schlacht von Marignano relativiert: «Indessen erwachte die Neutralität nur allmählich aus dem Dämmer völkerrechtlicher Verflechtungen zu kla- rem Bewusstsein», Bonjour, Neutralität, Bd 1, 13.

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Jahrhunderten konsequent verfolgten Politik und das (praktisch) einzige gemeinsame Interesse aller schweizerischen Gesandten.26 Diese traditionelle Sichtweise der jahrhundertealten, mehr oder weniger erfolgreichen Neutrali- tätstradition hinterfragt der Politologe Daniel Frei in seinem 1967 erschiene- nen, unterdessen ebenso klassisch gewordenen Buch zur Beurteilung der schweizerischen Neutralität seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Er arbei- tet in seiner Geschichte der Aussenpolitik besonders den Stellenwert der Neutralität in der nationalen Selbstwahrnehmung und für das in zweihun- dert Jahren wechselnde Sendungsbewusstsein der Schweizer heraus.27

Auch Andreas Suter widerspricht der traditionellen Sicht in zwei Ende der Neunzigerjahre erschienenen Beiträgen vehement.28 Er vertritt die Auf- fassung, die Verankerung der Neutralität im kollektiven Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung sei deutlich jünger. Sie sei nicht eine seit dem Aus- gang des Mittelalters gelebte Tradition, sondern eine erfundene Tradition des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Für ihn ist die völkerrechtliche Anerkennung der Neutralität 1815 denn auch eher der Ausgangspunkt für ihre Entwick- lung zur schweizerischen aussenpolitischen Maxime.

Dieser Auffassung widerspricht Thomas Maissen. In mehreren Beiträ- gen legt er dar, dass die Schweizer ihre Neutralität – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen des Dreissigjährigen Krieges – ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert zwar nicht als exklusive, so aber doch als spezifisch schwei- zerische Tradition verstanden.29Dabei zeigt Maissen auf, dass die Eidgenos- sen ihr neutrales Verhalten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts als Nachweis für ihre Souveränität und ihre Unabhängigkeit beizogen, wobei sie auf die neuen Begriffe des Völkerrechts zurückgriffen. Sie machten den ausseror- dentlichen Umstand, dass die Schweiz seit langer Zeit in keinen Krieg mehr verwickelt worden war, von einer seit jeher beachteten Neutralität der Eidge- nossenschaft abhängig. Damit lösten sie die innere Stabilität der Eidgenos- senschaft – zumindest argumentativ – aus der Garantie durch Frankreich, wie sie seit dem Ende des Dreissigjährigen Krieges augenfällig bestand. Die

26 Bonjour, Neutralität, Bd. 1, 193, 218.

27 Frei, Neutralität.

28 Suter, Neutralität. Suter, Die Entdeckung von Marignano.

29 Maissen, Geburt der Republic, 212f. Maissen, Invention. Maissen, Fuchs.

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Neutralität wurde dadurch zu einem Grundpfeiler der Eidgenossenschaft erhoben. Im Bestreben, diesen möglichst weit zurückzuverfolgen, entstand die Tradition, den Startpunkt der schweizerischen Neutralitätsgeschichte in der Schlacht von Marignano zu sehen. Beim Rückgriff auf Marignano han- delt es sich also um eine Erfindung der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wobei der Erste, der diese Zuschreibung 1691 machte, der Schwyzer Tagsat- zungsschreiber Franz Michael Büeler war. Es brauchte allerdings seine Zeit, bis eine Mehrheit der Schweizer diese Sichtweise übernommen hatte.30 Die Wirkung dieser Tradition entfaltete sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt durch das Werk Emer de Vattels.31

Die Anerkennung der schweizerischen Neutralität 1815 wird in den Überblicksdarstellungen zwar konsequent erwähnt, typischerweise unter einem ereignisgeschichtlichen oder völkerrechtlichen Blickwinkel. Dabei erscheint die Kodifizierung als logischer rechtlicher Schritt der Zementierung einer jahrhundertelangen Praxis32 oder als Ausgangspunkt einer bewussten Neutralitätspolitik der Schweiz.33Eine vertiefte Untersuchung zur Diskussion in der Schweiz im Vorfeld und im unmittelbaren Nachgang des Wiener Kon- gresses fehlt allerdings.

Dass dieses Kapitel der Schweizer Neutralitätsgeschichte bisher auf wenig Widerhall stiess, zeigt sich ebenfalls in der Person des Genfers Charles Pictet de Rochemont. Die einzige bisher erschienene Biographie datiert von

30 Siehe hierzu die Ausführungen Maissens zur symbolischen Repräsentation und der Umdeutung der Neutralität von einer Politik der Feigheit, der Abhängigkeit oder gar des Verrats an Gott und den Menschen hin zu einer pragmatischen, legitimen und vernünfti- gen Option einer kleinen, aber souveränen Macht. Maissen, Invention, 33–45. Maissen, Fuchs, 260–272.

31 Maissen, Invention, 25–35. Das 250ste Jubiläum des Erscheinens von VattelsDroit des Gens bot Anlass für zahlreiche Publikationen zum Thema, vor allem aus rechtsge- schichtlicher und philosophischer Perspektive, wie auch zu einer Neuausgabe seines Hauptwerkes. Chetail, Haggenmacher, Vattel’s international Law. Hunter, Law of Nations.

Vattel, The Law of Nations.

32 So bei Bonjour und Schweizer.

33 So bei Suter.

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1892.34Auf dieser basieren seither alle Beiträge zu ihm.35 Erst vor Kurzem sind durch die Publikation eines Teils seiner Privatkorrespondenz neue Quellenbestände einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, welche vorher nur indirekt oder auszugsweise in der alten Biographie zu fin- den waren.36Diese ergänzen die bereits vor über hundert Jahren publizierten Briefe Pictets von seinen diplomatischen Missionen37und aus seiner Korre- spondenz mit Philipp Emanuel von Fellenberg.38 Diese entstanden im Umfeld des 100-jährigen Jubiläums des Eintritts Genfs in die Eidgenossen- schaft und des Wiener Kongresses. Für die Vorgeschichte des Wiener Kon- gresses ist aus Schweizer Perspektive immer noch das Werk von William Martin wichtig.39 Sein Namensvetter Paul-Edmond Martin widmete einen Beitrag der Diskussion um die Genfer Befestigungen in den 1820er-Jahren, in dem Pictet de Rochemont eine wichtige Bedeutung zukommt.40 Auch Paul Waeber hat in seinen Publikationen zur Genfer Restauration Pictet nahelie- genderweise viel Platz eingeräumt.41 Zu Pictet hat auch das Jubiläumsjahr 2015 einige neue Publikationen hervorgebracht.42

Auch im Zusammenhang mit Publikationen zu zweihundert Jahren Wiener Kongress erschienen etliche Publikationen, sowohl Überblicksdar-

34 Pictet, Edmond, Biographie, travaux et correspondance diplomatique de Charles P.

de Rochemont, Genf 1892.

35 So Candaux, Pictet; Widmer, Aussenpolitik; Wartburg, Helvetiker; Kutter, Schweiz, 46–48; Boissier, Pictet de Rochemont.

36 Pictet de Rochemont, Lettres.

37 Cramer, Correspondance.

38 Brugger, Briefe.

39 Martin, La Suisse et L’Europe.

40 Martin, Fortifications. Martin, Staatsarchivar und Geschichtsprofessor in Genf, war mit einer Frau aus der Familie Pictet verheiratet. Er stand also quasi mitten in den Quel- len für seine Arbeit. Roth, Martin, Paul-Edmond.

41 Waeber, Formation; Waeber, Joseph Des Arts et Pictet de Rochemont; Waeber, L’option de 1814.

42 So z.B. die Beiträge von Pictet und Lehmann in: Kaestli, Nach Napoleon. Lehmann, Négocier. Bereits etwas früher (2013) erschienen: Cihangir; Lehmann, Sismondi and Pic- tet de Rochemont.

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stellungen43 wie auch mehr kulturgeschichtliche, diplomatiegeschichtliche und biographische oder prosopographische Werke.44 Einige dieser entstan- den nicht zuletzt im Umfeld eines umfangreichen österreichischen For- schungsprojektes zum Wiener Kongress.45Das besondere Ergebnis des Kon- gresses in Bezug auf die Schweiz, die Anerkennung der Neutralität und der Umstand, dass sie als einziges republikanisches Staatswesen in einem monar- chischen Europa überlebte, und die unrühmliche Art und Weise, wie die zer- strittenen Eidgenossen in den Jahren zwischen 1813 und 1815 agierten, wer- den in den neuen Überblickwerken gebührend gewürdigt, ohne zu neuen Interpretationen zu gelangen.

Dafür bieten diese Werke in diplomatiegeschichtlicher Hinsicht zum Teil neue, spannende Zugänge. Besondere Beachtung wird der Geselligkeit beigemessen. Diese wird nicht nur als Nebeneffekt der Verhandlungen gese- hen, welche den Stoff für eine «chronique scandaleuse» des Kongresses lie- fert.46Vielmehr wird ihre zentrale Funktion für das Verhandlungsgeschehen hervorgehoben. Die Festlichkeiten boten die Möglichkeit, im informellen Rahmen ohne Protokolle die drängenden Probleme des Kongresses zu besprechen und Lösungen vorzuspuren. Dabei kam den Diplomaten zugute, dass die Monarchen seit dem späten 18. Jahrhundert symbolisch entlastet wurden, indem sie nicht mehr in personam den Staat verkörperten. Diesen Strukturwandel hat Johannes Paulmann in seiner Habilitation zu den Mon- archenbegegnungen umfassend beschrieben.47

43 Um nur zwei Beispiele zu nennen: Duchhardt, Wiener Kongress. Stauber, Wiener Kongress.

44 So etwa Schneider; Werner, Europa in Wien. Oder aus der Schweiz die Edition der Tagebücher von Jean de Montenach und Anna Eynard-Lullin aus ihrer Zeit in Wien.

Montenach; Eynard-Lullin, Vienne 1814–1815. Einen Überblick über die Literatur, wel- che im Zusammenhang mit 200 Jahren Wiener Kongress publiziert wurde, bietet die Sammelrezension von Wolfgang Behringer bei H-Soz-Kult: http://www.hsozkult.de/publi cationreview/id/rezbuecher-26597?utm_source=hskhtml&utm_medium=email&utm_

term=2016-9&utm_campaign=htmldigest, [5.9.2016].

45 http://www.wiener-kongress.at/index.php/de/, [ 26.8.2016].

46 Duchhardt, Wiener Kongress, 11.

47 Paulmann, Pomp, 105–202.

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Hillard von Thiessen und Christian Windler verorten den Wiener Kon- gress am Ende der «Sattelzeit der Diplomatie»,48in welcher eine zunehmen- de Professionalisierung und eine wachsende Dominanz des Adels im diplo- matischen Corps festzustellen ist. Dagegen wird der Gelehrte, der wie Pictet de Rochemont eine diplomatische Verhandlungsaufgabe übernahm, als Diplomat vom ‹type ancien› zunehmend zum Auslaufmodell,49 der aber gerade Kleinstaaten immer noch die Möglichkeit bot, kulturelles Renommee als politisches Kapital zu verwerten, wie Alexander Schmidt am Beispiel der Beziehung zwischen Sachsen–Weimar–Eisenach und Napoleon exempla- risch zeigen konnte.50

Wie insbesondere die eidgenössischen Republiken und die Zugewandten verhandelten, haben Nadir Weber und Andreas Affolter für das 18. Jahrhun- dert jüngst in ihren Dissertationen herausgearbeitet. Weber schuf für den Fall des Fürstentums Neuenburg den Begriff der «zusammengesetzten Diplo- matie», um die Parallelität verschiedener Verhandlungskanäle, sowohl loka- ler wie gesamtstaatlicher, sprich königlich-preussischer, zu beschreiben.51 Affolter seinerseits zeichnete für das frühe 18. Jahrhundert die Verhand- lungsstrategien und die zahlreichen offiziellen und inoffiziellen Verhand- lungskanäle nach, die Frankreich im Verkehr mit den Eidgenössischen Repu-

48 So der Titel des fünften Teils ihres Sammelbandes. Thiessen, Windler, Akteure der Aussenbeziehungen.

49 Externbrink, Humanismus, Gelehrtenrepublik und Diplomatie. Thiessen, Diploma- tie vomtype ancien.

50 Schmidt, Du pouvoir des «muses».

51 Weber fasste unter seinem Begriff drei Phänomene zusammen, wie sie im aussenpo- litischen Verkehr von zusammengesetzten Herrschaftssystemen auftraten. Erstens bestand die Möglichkeit einer Parallelität von direkt durch den Monarchen oder dessen Ministern geleiteten Aussenbeziehungen und Aussenbeziehungen, welche direkt in der Kompetenz der örtlichen Eliten, sprich der Neuenburger Räte lagen. Zweitens fand während Ver- handlungen auf Ebene der Souveräne stets parallel ein intensiver vertikaler Austausch mit den betroffenen Eliten in Neuenburg statt. Und drittens kam es zu Doppelrollen von königlichen Gesandten, die nebst den Interessen ihres Souveräns immer auch diejenigen ihres Herkunftslandes im Blick behielten. Weber, Lokale Interessen und grosse Strategie, 596–598.

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bliken zu nutzen versuchte, wie auch die zahlreichen Schwierigkeiten, die sich im politischen Verkehr mit Republiken ergaben.52

Affolter hat als Fallbeispiel für seine Studie die Verhandlungen zur Erneuerung der französisch-eidgenössischen Allianz unter der Ambassade d’Avarays untersucht. Damit besteht zumindest für das frühe 18. Jahrhun- dert eine aktuelle Studie zu den französisch-schweizerischen Allianzverhand- lungen. Für die in dieser Arbeit untersuchten Allianzverhandlungen von 1777 muss dagegen durchwegs auf ältere Arbeiten zurückgegriffen werden.

Sie beleuchten diese Verhandlungen allerdings durchaus detailreich und aus unterschiedlichen Perspektiven.53

Das Jubiläum 200 Jahre Anerkennung der immerwährenden Neutralität 1815 und dasjenige zu 500 Jahren Schlacht von Marignano haben auch das Thema der Neutralität erneut in den Fokus der Schweizer Öffentlichkeit gerückt. Allerdings gaben die beiden Jubiläen weniger zu neuen Forschungen Anlass, als zur wiederholten Interpretation von bereits Bekanntem und zur medienwirksamen Gegenüberstellung von «Mythos und Wahrheit»54in der Schweizer Geschichte.55Die NZZ widmete dieser für Schweizer Verhältnisse recht heftigen historischen Diskussion eine eigene Serie von Gastkommenta- ren, die das Meinungsspektrum unter Historikerinnen, Kulturschaffenden und Politikern widerspiegelte.56 Dabei hat die Debatte einmal mehr offen- bart, dass die Schweizer Nationalgeschichte nach wie vor in erster Linie eine

52 Affolter, Verhandeln mit Republiken.

53 Wild, Allianz (1917); Gern, Relations Franco Suisses (1970); Zuletzt untersuchte ausführlicher Stephan Meyer 1999 diese Episode: Meyer, Vorbote des Untergangs.

54 So der Titel eines Artikels des Historikers und SVP-Nationalrates Peter Keller, wel- cher in einem Weltwocheartikel Anfang 2015 über die Wichtigkeit der nationalen Erinne- rungskultur schrieb und in den schweizerischen Mythen einen «Notvorrat in Krisenzei- ten» erblickte. Keller, Mythos und Wahrheit.

55 Wie eine Zusammenfassung dieser Debatten zur Interpretation der Jubiläen 1315, 1515 und 1815 kann der Dok-Film mit dem Titel «Hütet euch am Morgarten» von Moni- ca Suter angesehen werden, den das Schweizer Fernsehen am 17. September 2015 aus- strahlte. http://www.srf.ch/sendungen/dok/huetet-euch-am-morgarten, [29.12.2016].

56 Vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Beiträge unter dem Gastkommentar von Sandro Guzzi-Heeb in der online-Ausgabe: Guzzi-Heeb, Marignano, Mythen, fremde Richter.

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deutschschweizerische Männergeschichte ist, was zu recht zur Anregung Anlass gab, auch den Frauen, den Untertanen und der lateinischen Schweiz endlich einen gebührenden Platz darin einzuräumen, auch um von den alten, politisch besetzten Narrativen wegzukommen und die damit verknüpften, mythologisch und politisch aufgeladenen Begriffe wie Neutralität, Unabhän- gigkeit, Freiheit oder direkte Demokratie zu entlasten.57

Die Diskussion dreht sich insbesondere um zwei Fragen: Einerseits, ob die Neutralität der Schweiz nun tatsächlich im Kern auf Marignano zurück- geht, andererseits, ob die immerwährende Neutralität in Wien auf dem Wunsch der Schweizer oder doch dem sicherheitspolitischen Kalkül der Grossmächte beruhte, welche die Eidgenossenschaft in einen Gürtel aus Puf- ferstaaten zu integrieren versuchten. In diesem Zusammenhang kamen ins- besondere Thomas Maissen und André Holenstein prominent in der Öffent- lichkeit zu Wort. Beide versuchen mit ihren jüngsten Büchern eine Loslösung der Schweizer Geschichte aus national-mythisch verklärten Deu- tungsmustern und aus nationalkonservativer Instrumentalisierung in aktuel- len politischen Debatten zu erreichen. Dagegen betonen sie die enge Ver- flechtung der Eidgenossenschaft mit Europa,58 was ihnen bisweilen den Vorwurf einbrachte, dass sie «im krampfhaften Bemühen, originell zu sein und alles neu zu interpretieren […] faktenblind […] alte Mythen durch neue» ersetzten.59

Dass der Ansatz von Maissen und Holenstein auf Widerspruch stösst, ist angesichts des hohen Stellenwerts, den Neutralität und Unabhängigkeit im schweizerischen Selbstverständnis einnehmen, wenig verwunderlich. Die Betonung partikularistischer Eigentümlichkeiten in der Schweiz wie Gemein- deautonomie, Föderalismus, direkte Demokratie und eben Neutralität wird gemeinhin unter dem Begriff des Sonderfalls subsumiert. Die Idee der eige- nen Einzigartigkeit ist allerdings eine Konstante im historischen Reden über die eigene Nation, auch ausserhalb der Schweiz.60Als analytischer Begriff ist

57 So Guzzi-Heeb, Marignano, Mythen, fremde Richter und Studer, Was ist Schweizer Geschichte?

58 Maissen, Heldengeschichten, 12f. Holenstein, Mitten in Europa, 13.

59 So Paul Widmer in einem Kommentar in der NZZ von Mitte 2015. Widmer, Von Marignano zum Wiener Kongress.

60 Maissen, Heldengeschichten, 201f.

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‹der Sonderfall›daher unbrauchbar,61insbesondere in Bezug auf die Neutra- lität, waren doch von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert hinein auch andere bedeutende Staatswesen über längere Zeiträume neutral, von Ham- burg über die Benelux-Staaten bis hin zu den USA.

Die Erforschung des Nationalisierungsprozesses in der Eidgenossen- schaft, verstanden als Entstehung und sich verbreiternde Rezeption der erfundenen Tradition der Nation, hat seit Beginn der 1990er Jahre einige bedeutende Arbeiten hervorgebracht, wobei auch die Forschung zum Bei- spiel der Schweiz wichtige Impulse durch die grundlegenden Arbeiten Bene- dict Andersons62 und Eric Hobsbawms63 erhalten hat. Guy Marchal und Aram Mattioli haben in ihrem Sammelband den aus der Anthropologie übernommenen Begriff der «Bastelei» für das Verständnis der Konstruktion nationaler Identität fruchtbar gemacht,64den auch Irène Herrmann in ihrem Buch zur Integration Genfs in die Schweiz aufnahm,65und Guy Marchal in seiner Schweizer Gebrauchsgeschichte nochmals aktualisierte.66 Mit seinem Konzept der «Gebrauchsgeschichte» verdeutlichte Marchal dabei, dass Myt- hen und Geschichtsbilder wie ein Gebrauchsgegenstand wesentlich durch ihre Zweckbestimmung geprägt werden. Sie können dabei zu verschiedenen Zeiten durchaus unterschiedlichen Zwecken dienen. Gerade diese jeweilige Aktualisierung sichert allerdings auch das Überleben der historischen Myt- hen und Geschichtsbilder. Marchal versucht mit seiner Gebrauchsgeschichte, die gesellschaftliche Bedeutung und Funktion der gängigen Geschichtsbilder zu erklären.

In vier zeitlichen Schnitten arbeitet Oliver Zimmer in seiner Monogra- phie A contested Nation den Prozess der nationalen Identitätsbildung der Schweiz heraus: Anhand der Helvetischen Gesellschaft der 1760er-Jahre, der Helvetischen Republik, der Bundesstaatsgründung und deren Verarbeitung in den 1840er- und 50er-Jahren und die Auseinandersetzung um eine natio-

61 Meyerhofer, Vaterland, 12.

62 Anderson, Erfindung der Nation.

63 Hobsbawm, Nationen und Nationalismus.

64 Marchal, Mattioli, Erfundene Schweiz, 12. Besonders in diesem Band Marchal, Schweizeralpenland.

65 Herrmann, Entre République et Canton, 12.

66 Marchal, Gebrauchsgeschichte, 431–444.

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nale Kulturpolitik und die Entwicklung einer professionellen schweizerischen Historiographie im ausgehenden 19. Jahrhundert, welche beide in den Jubilä- umsfeierlichkeiten 1891 kulminierten. Dabei stellt er fest, dass nicht der Bun- desstaat einen schweizerischen Nationalismus erschuf, sondern dass sich‹die Nation› seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zu einem entscheidenden ideologischen Bezugsrahmen entwickelt hatte. Der Bundesstaat weckte aller- dings ein wachsendes Bedürfnis nach nationaler Selbstvergewisserung. In Abgrenzung zur in Europa dominanten Idee einer kulturell und sprachlich homogenen Nation bezog die schweizerische Nation ihre Legitimation vor allem aus der Geschichte. Dabei ist für Zimmer der entscheidende Punkt bei der Herausbildung nationaler Identität nicht die Homogenität eines nationa- len Selbstbildes, sondern die Debatte darüber, welche trotz unterschiedlicher Sichtweisen die Nation als gemeinsamen Bezugspunkt etabliert. Prägnant fasst er seine These im Schlusssatz seines Werkes zusammen: «The Swiss nation, like Braudel’s France, could have its being only at the price of being forever in search of itself.»67

Die Begrifflichkeiten, welche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für einen gesamtschweizerischen Nationalismus verwendet wurden, erforsch- te Ursula Meyerhofer.68In ihrer Dissertation kam sie zum einen zum Resul- tat, dass die Vorstellung gesamtschweizerischer Zusammengehörigkeit bereits vor der Bundesstaatsgründung so weit gediehen war, dass der neue Staat akzeptiert wurde. Wichtig war dafür, dass sowohl die Konservativen wie die Liberalen und Radikalen sich aus demselben patriotischen Wort- schatz und Geschichtsfundus bedienten. Zum anderen beobachtete sie, dass der Begriff der Nation in den öffentlichen Debatten der Schweiz einen unter- geordneten Stellenwert besass und nie allgemeingültig und richtungsweisend wurde, ganz im Gegensatz etwa zum Gebiet des Deutschen Bundes. Prägend waren dagegen republikanische und bürgerliche Begriffe. In der Bürgerlich- keit als Haltung von Tugendhaftigkeit und bürgerlicher Aufrichtigkeit wirk- ten die aufklärerischen Ideale fort, welche besonders in den 20er-Jahren von den Liberalen der ersten Generation weitergetragen wurden. In öffentlichen Festen wie den Schützenfesten sieht sie die Aktualisierung der aufkläreri-

67 Zimmer, A Contested Nation, 245.

68 Meyerhofer, Vaterland.

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schen Geselligkeit, welche alte Traditionen mit einer neuen gesamtschweize- rischen Perspektive verband. Durch militärische Feste wurde die Verteidi- gungsbereitschaft des Bundes immer wieder vergegenwärtigt. Die Wehrtradi- tion wurde neu in den bürgerlichen Wertekatalog integriert. Dadurch verschmolz der Bürger in seinen Funktionen als Eigentümer und Soldat und als Träger der Republik zu einer Einheit.69

Dass die Armee einen wichtigen Treiber für die Entstehung eines natio- nal-schweizerischen Selbstverständnisses wie auch für das institutionelle Zusammenwachsen der Schweiz im 19. Jahrhundert darstellte, legte Kurt Münger in seiner Dissertation umfassend dar. Für ihn war sie die zentrale institutionelle und ideologische Klammer des eidgenössischen Staates als Nationalstaat und der schweizerischen Gesellschaft als Nation.70 Das Geschichtsbild, das die national-schweizerische Integration ermöglichte, basierte nach Meyerhofer auf den «Mythen der Berge und der Bergbewohner sowie der Neutralität», wobei Letztere leider nicht weiter ausgeführt wird.71 Dagegen betont Münger, dass sich die Schweiz in erster Linie durch die Abgrenzung gegen aussen als staatliche Einheit erfahren hat. Durch die euro- päischen Mächte war sie bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts – aus prag- matischer Notwendigkeit – als Einheit angesprochen worden. Damit korre- spondierte im Innern der Schweiz aber keineswegs mit der gleichen Selbstverständlichkeit die Eigendefinition der Schweiz als einer staatlichen Einheit. Diese entwickelte sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts und beruhte in erster Linie – in Ermangelung einer gemeinsamen Sprache und Kultur – auf der Abgrenzung gegen die umgebenden Grossmächte. Und auch hier war die aktualisierte alteidgenössische Geschichte die wichtigste Klammer: «Es sind also die militärgeschichtlichen Ereignisse, die als gemein- sames Erbe der Schweiz reklamiert werden […]. Erst auf dem vorgestellten Schlachtfeld gegen einen äusseren Feind, so der Kern, erst in der Vorstellung von gemeinsamem Kampf und Tod für das Vaterland werden die Schweizer zu Brüdern und die Schweiz zur Nation.»72

69 Meyerhofer, Vaterland, 201–207.

70 Münger, Militär, Staat und Nation.

71 Meyerhofer, Vaterland, 213.

72 Münger, Militär, Staat und Nation, 446–447.

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Meyerhofer ist auch im Sammelband vertreten, den Altermatt, Boss- hard-Pfluger und Tanner anlässlich des Doppeljubiläums 1998 zum Thema Nation und Nationalisierung herausgaben.73 Dieser gehört zusammen mit einem weiteren Sammelband unter dem passenden Titel «Republikanische Tugend»74nach wie vor zu den zentralen neueren Büchern, wenn es um das Verständnis der Ausbildung eines Schweizer Nationalbewusstseins geht.

Letzterer setzt zurecht einen Schwerpunkt im 18. Jahrhundert, was sich aller- dings auch aus der Urheberschaft der Schweizerischen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts erklärt. Der Stellenwert der Neutralität für die Nationalisierung in der Schweiz ist allerdings in beiden Bänden kein zen- trales Thema.

1.3 Methodik und Aufbau der Studie

Die Schrift von Pictet de Rochemont wird in dieser Arbeit als Kompilation älterer Ideen verstanden, welche unter dem Blickwinkel der 1815 neu aner- kannten, immerwährenden Neutralität neu interpretiert wurden. Es geht daher darum, die Herkunft dieser Ideen zu klären, sie über die Zeit zu verfol- gen und ihre jeweiligen zeitgebundenen Implikationen und paradigmati- schen Funktionen herauszuarbeiten. Damit kann schließlich herausgearbeitet werden, inwiefern sich Pictet an überlieferte Normen bei der Interpretation der Neutralität hielt oder aber darüber hinausgriff. Dieser Interpretationsan- satz orientiert sich methodisch an der politischen Ideengeschichte der Cam- bridge School.

Seit den 1960er-Jahren wurde diese zu einer Erfolgsgeschichte. Einer der Erfolgsfaktoren war ihr interdisziplinärer Zugang. Die grosse methodologi- sche Neuerung, welche die Cambridge School einführte, war die kontextuali- sierte Lektüre politischer und philosophischer Texte.75 Dabei wurden zwei Impulse für die Ideengeschichte fruchtbar gemacht: Peter Laslett übertrug als Erster die moderne historische Praxis, Archivmaterial und unpublizierte Manuskripte zur detaillierten Rekonstruktion von Gedankengängen zu nut-

73 Altermatt, Bosshard-Pfluger, Tanner, Konstruktion einer Nation.

74 Böhler, Hofmann, Reill, Zurbuchen, Republikanische Tugend.

75 Mulsow, Mahler, Einleitung, 7–8. Young, Introduction, 1.

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zen, auf die politische Ideengeschichte. Damit konnte er zeigen, dass ein Text unter Umständen in seiner Entstehungszeit mit ganz anderen Absichten ver- fasst worden war, als man ihm gewöhnlich zuschrieb. Der andere Impuls kam aus den Sprachwissenschaften und ist unter dem Begriff des Linguistic Turn bekannt geworden. Die Erkenntnis, dass mit Sprache immer auch gehandelt wird oder Handlungen ausgelöst werden sollen, war dabei zentral.

Entsprechend galt es zu rekonstruieren, welche Absichten ein Autor mit sei- nen Schriften verfolgte. Um diese Absichten aus sprachlichen Akten zu rekonstruieren, müssen nicht nur deren Entstehungsumstände bekannt sein, sondern speziell auch die sprachlichen Konventionen, innerhalb deren die Äusserungen erfolgten.76

John Pocock interessierte sich besonders für die Herausarbeitung und Bestimmung der jeweiligen Sprache, in der ein Autor argumentierte. Dabei war der Begriff der Sprache bei ihm sehr weit gefasst. Sie war für ihn die Matrix für alle in ihr möglichen Argumentationen, sie stellte eine bestimmte Semantik, bestimmte Autoritäten, Beispiele und rhetorische Muster bereit, die von einem durchschnittlichen Sprecher dieser Sprache benutzt werden.77 Als die erste Aufgabe eines Historiker sah er daher zunächst, die «Sprache»

beziehungsweise das «Vokabular» zu bestimmen, in dem sich ein Autor bewegte, und zu zeigen, wie diese Sprache durch ihre Paradigmen vorgab, was er damit sagen konnte und wie er es sagen konnte. Die Untersuchung der Paradigmen hatte für ihn Vorrang vor der Untersuchung der Intention des Autors, denn erst wenn man wisse, welche Mittel ihm überhaupt zur Verfügung standen, etwas zu sagen, könne man verstehen, was er sagen woll- te, was er tatsächlich gesagt hat, was andere meinten, dass er gesagt hat, oder auch wie sich seine Äusserung auf die Paradigmenstruktur ausgewirkt hat.78 Er brachte diese Idee prägnant auf den Punkt: «Eine Sprache verstehen heisst wissen, was man mit ihr tun kann; sich mit einem Denker befassen heisst folglich verstehen, was er damit tun wollte.»79

76 Mulsow, Mahler, Einleitung, 8–11. Ebenso Whatmore, Intellectual history, 110–

112.

77 Mulsow, Mahler, Einleitung, 11–12. Pocock, Sprachen und ihre Implikationen, 123 124.

78 Pocock, Sprachen und ihre Implikationen, 109–113.

79 Pocock, Sprachen und ihre Implikationen, 113.

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Jacob Soll seinerseits zeigte an mehreren Beispielen, dass auch gedruckte Texte als unstabil betrachtet werden müssen, und dass sie nicht zwingend unter der Kontrolle der ursprünglichen Autorenabsicht blieben. Um die Aus- sageabsichten eines Autors verstehen zu können, genüge es nicht, nur seinen Text zu interpretieren, vielmehr brauche es Vergleiche mit dessen Notizen, anderen Texten aus seiner Feder, seiner Korrespondenz mit Kollegen oder Verlegern, sowie anderen Texten aus seinem Umfeld. Darüber hinaus müsse die Frage gestellt werden, wie ein bestimmter Text in einer bestimmten Zeit gelesen und verstanden wurde.80

Für die Interpretation von Pictet de Rochemonts Schrift De la Suisse können die verschiedenen Ansätze der Cambridge School fruchtbar gemacht werden. Insbesondere wird auf Pococks und Solls Gedanken zurückgegriffen.

Es geht darum, das Werk umfassend in seinem Entstehungskontext zu veror- ten, indem herausgearbeitet wird, inwiefern Pictets Äusserungen sich in damals gängigen Diskursen über Neutralität, aber auch über die politische und ökonomische Verfasstheit der schweizerischen Republiken bzw. der Eid- genossenschaft als Ganzes, wie auch in den damals gängigen historischen Diskursen und Tugenddiskursen verorten lassen. Dazu ist es unumgänglich, die semantischen Felder auszuleuchten, in denen sich seine Argumentation bewegte, indem verschiedene Schriften zu ähnlichen Themen zum Vergleich herangezogen werden. Beispielhaft soll das kurz am bereits gebrauchten Zitat aus Pictets Schrift aufgezeigt werden:

La véritable politique de la Suisse est de servir tour à tour de bouclier à ses voisins;

de cultiver leur bienveillance, sans qu’il en coûte rien à sa dignité; de décourager les projets de corruption, en resserrant le cercle de ces besoins, et de maintenir dans son intégrité la réputation de droiture, de fidélité et de bravoure, que l’histoire assigne à ses habitants.81

Das Zitat verweist auf etliche Diskurse, welche Pictet in seinem Buch zusam- menführte, so die Debatte vom Platz und der Aufgabe der Schweiz in Europa beziehungsweise vom Wert der Neutralität für die Schweiz und Europa, der

80 Soll, Intellectual History and History of the Book, 73–80.

81 [Pictet de Rochemont], De la Suisse, 120.

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Tugenddiskurs der Aufklärung und das helvetische Geschichtsbild, das als bereits ältere «Sprache» im 18. Jahrhundert neu belebt wurde.

Dazu kommt aber auch die Frage nach dem Entstehungskontext der Schrift an sich wie auch der persönlichen Situation und des Erfahrungshori- zonts ihres Autors. Das historische Ereignis, beziehungsweise die politische Debatte, welche Pictets Äusserungen vor allem prägte und den Druck erzeugte «zu Änderungen bezüglich Strategie und Kontext» des verwendeten Modus «für die Legitimation gesellschaftlicher Institutionen über den Ent- wurf einer Vorstellung von Kontinuität»,82 war die Infragestellung der schweizerischen Verteidigungsbereitschaft von französischer Seite. Damit wurde die Institution der Neutralität in Zweifel gezogen, was Pictet zu seiner scharfen Reaktion veranlasste. Diese ist ihrerseits nur unter Berücksichtigung der Ereignisse im Zeitraum zwischen 1798 und 1815 verständlich, welche damit den erweiterten Kontext ausmachen.

Letzten Endes hatte auch Pictet, mit den Worten Pococks, «keine völlige Kontrolle darüber […], auf welcher Ebene seine Äusserung interpretiert wer- den kann». Konsequenterweise wird es auch darum gehen, die Rezeptionsge- schichte seiner Schrift unter die Lupe zu nehmen, um zu begreifen, inwiefern sich ihre Interpretation «auf die bestehende Paradigmenstruktur ausgewirkt beziehungsweise diese verändert hat».83

Durch die vorangehenden Äusserungen ist deutlich geworden, dass der Neutralitätsdiskurs um 1821 diverse ältere Diskurse verschränkte. Um her- ausarbeiten zu können, was sich an der Interpretation der schweizerischen Neutralität durch die Ereignisse der Jahre zwischen 1798 und 1815 verändert hat, ist es nötig, die verschiedenen Diskurse diachron zu analysieren und deren Verknüpfungen mit der Neutralität über die Zeit herauszuarbeiten.

Das beabsichtigt diese Arbeit. Den Ausgangspunkt bildete dabei Pictets BuchDe la Suisse.Es wird gewissermassen als thematisches Kaleidoskop ver- standen, das auf älteren Diskursen aufbaut. Diese Diskurse wurden herausge- arbeitet und dabei untersucht, was zum Thema Neutralität um 1821 gesagt wurde. Die einzelnen Diskurse wurden danach diachron zurückverfolgt in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dazu wurden jeweils Texte ausge-

82 Pocock, Sprachen und ihre Implikationen, 125.

83 Pocock, Sprachen und ihre Implikationen, 109–110.

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