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EuGH schafft weitere Unsicherheit beim Grundstücksbegriff

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Academic year: 2022

Aktie "EuGH schafft weitere Unsicherheit beim Grundstücksbegriff"

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Dr. Atanas Mateev Steuerberater,

Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.)

+49 (0) 89 217 50 12-53 atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 13.07.2020 I Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.

Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden I © KMLZ 1 Sachverhalt

Die A Oy mietete ein Gebäude und richtete darin ein Rechenzentrum ein. Dort bot sie in- und ausländischen Betreibern von Telekommunikationsnetzen Hostingdienste an. Dazu stellte die A Oy abschließbare Geräteschränke bereit, in denen die Kunden ihre eigenen Server unterbringen konnten. Zum Leistungsumfang gehörten auch die Stromversorgung, Klimatisierung und Überwachung, um die effiziente Nutzung der Server unter optimalen Bedingungen zu gewährleisten.

Die Geräteschränke waren am Boden festgeschraubt. Auch die Server waren in den Schränken festgeschraubt, konnten aber innerhalb weniger Minuten ausgebaut werden. Die Kunden verfügten nicht über einen eigenen Schlüssel zu ihrem Geräteschrank. Sie erhielten nach einer Identitätskontrolle aber umgehend einen Schlüssel.

Fraglich war, ob die von der A Oy angebotenen Dienstleistungen als Vermietung von Grundstücken im Sinne der MwStSystRL zu verstehen sind. Wenn dies nicht der Fall war, sollte der EuGH klären, ob die angebotenen Dienstleistungen als grundstücksbezogene Dienstleistungen betrachtet werden sollten.

2 Hostingdienste stellen keinen Vermietungsumsatz dar

Der EuGH hält an seiner Sichtweise fest. Er verneint, dass das Zurverfügungstellen der Räumlichkeiten, in denen die Geräteschränke aufgestellt waren, ein Vermietungsumsatz ist. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn der Vermieter eines Grundstückes einem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht zur alleinigen Nutzung passiv überlässt.

Dies war aber beim vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall. Zum einen war es keinem Kunden möglich, andere Kunden von der Nutzung der Serverräume auszuschließen. Außerdem bot die A Oy noch ein Bündel weiterer Leistungen an.

30 I 2020 EuGH schafft weitere Unsicherheit beim

Grundstücksbegriff

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Stand: 13.07.2020 I Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.

Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden I © KMLZ 3 Serverschränke stellen keinen Grundstücksbestandteil dar

Die Überlassung der Serverschränke hätte auch eine andere grundstücksbezogene Leistung sein können, vorausgesetzt, die Schränke wären als Grundstücksbestandteil zu bewerten gewesen.

Der EuGH hat dies allerdings auch verneint. Er stellte fest, dass die Serverschränke weder als wesentlicher noch als integraler Bestandteil des Gebäudes gelten können. Die Wesentlichkeit scheiterte nach Ansicht des EuGH daran, dass das Gebäude ohne die Serverschränke nicht als strukturell „unvollständig“ zu betrachten ist. Ferner stellten die Serverschränke keinen integralen Bestandteil des Gebäudes dar, da sie nur im Boden festgeschraubt waren und somit schnell entfernt werden konnten, ohne das Gebäude zu zerstören oder zu verändern.

Dass die Geräteschränke aufgrund der nur leichten Befestigung am Boden keinen integralen Bestandteil darstellen, ist wenig überraschend. Die spannende Frage war jedoch, ob die Serverschränke „wesentlich“ für das als Hostingcenter genutzte Gebäude waren. Bewegliche Sachen sind dann wesentlich für ein Gebäude, wenn sie zusammen mit dem Gebäude einem gemeinsamen Zweck dienen. Deshalb war die Frage berechtigt, ob das Gebäude und die Serverschränke nicht einem gemeinsamen Zweck dienten. Leider ist die Antwort des EuGH auch an dieser Stelle nur sehr kurz ausgefallen. Der EuGH erläuterte lediglich, dass das Gebäude ohne die Serverschränke nicht als strukturell

„unvollständig“ zu betrachten sei.

4 Auswirkungen für die Praxis

Was in der Umsatzsteuer als Grundstück zu verstehen ist, regelt Art. 13b der EU-VO 282/2011. Auch zunächst bewegliche Sachen können demnach später einen wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks darstellen oder darin fest installiert sein und somit unter den Begriff Grundstück fallen.

Der EuGH stellte im vorliegenden Fall auf die „strukturelle“ Wesentlichkeit einer beweglichen Sache ab. Dies ist aber dem Verordnungstext so gar nicht zu entnehmen. Für die Praxis kommen nun erneut Fragen auf, die eigentlich geklärt schienen: Ist der Grundstücksbegriff doch enger zu verstehen als vorher angenommen? Ist es noch vertretbar, Maschinen oder Anlagen, die in einem Gebäude aufgestellt sind, als Grundstücksbestandteile zu werten? Die Frage stellt sich vor allem bei Anlagen, die das komplette Gebäude in Anspruch nehmen und einen Teil einer weiteren Konstruktion bilden (z. B. Belieferungsanlagen in der Produktion, Müllentsorgungsanlagen, vollautomatisierte Logistikanlagen). Solche Anlagen sind oft nicht fest mit dem Boden im Gebäude verbunden. Es ist dabei nicht unüblich, dass das Gebäude als

„Außenhaut“ speziell den Bedürfnissen dieser großen Anlagen entsprechend gebaut wird, so dass sich Gebäude und Anlage gegenseitig ergänzen.

Unter dem Strich ist die erhoffte Erleuchtung durch den EuGH ausgeblieben. Ob eine bewegliche Sache wesentlich für ein Grundstück ist oder einen integralen Bestandteil darstellt, muss in der Praxis weiterhin stets im Einzelfall entschieden werden. Vor allem Unternehmer im Anlagen- und Maschinenbau sollten überprüfen, ob die direkt einem Projekt zuordenbaren Leistungen tatsächlich als grundstücksbezogen einzustufen sind. Das gilt sowohl für die Eingangs- als auch für die Ausgangsleistungen. Stellt sich heraus, dass die Leistung nicht am Belegenheitsort zu besteuern ist, sind möglicherweise Steuerbeträge:

• aus Eingangsrechnungen mit lokaler Umsatzsteuer unzutreffend als Vorsteuer geltend gemacht worden bzw.

• aus Ausgangsleistungen möglicherweise noch nicht richtig gemeldet worden.

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